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1/17 H AUSWIRTSCHAFT UND W ISSENSCHAFT 65. Jg., 1. Quartal 2017, Deutschland: 12,80 z Europe: 14,80 z; USA, Japan: 16,80 z Europäische Zeitschrift für Haushaltsökonomie, Haushaltstechnik und Sozialmanagement dgh-Ehrenmitglied Frank Bertsch feierte seinen 80. Geburtstag. Einen „Welt- bürger mit haushaltsöko- nomischem Sachverstand“ nennt ihn Uta Meier-Gräwe in ihrer Laudatio auf Seite 9. Leitbilder in der Hauswirtschaft Das Leitbild einer Institution oder eines Unternehmens hat verschiedene Funktionen. Es bietet beispielsweise Orientierung und Sicherheit. Denn es zeigt, wohin die Reise geht, und soll verhindern, dass man vom Weg abkommt. Wichtig ist, dass sich alle Beteiligten über Etappen und Ziel einig sind. Dann kann ein Leitbild dazu beitragen, dass sich Mitarbeitende und Leitende mit ihrem Tun identifizieren – ein großer Vorteil, vor allem auf schwierigen Streckenabschnitten. Feierliches Grundsätzliches Entsorgung und Recycling sind wichtige ökologische Themen. Das Interview ab Seite 25 zeigt Entwicklungen der letzten 25 Jahre und neue Herausforderungen. Ab Seite 12 stellt Barbara Fegebank existente Leitbilder in der Hauswirt- schaft vor und diskutiert beispielhaft und kritisch ihre Bedeutung. Nachhaltiges

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1/17 HAUSWIRTSCHAFT UND

WISSENSCHAFT65. Jg., 1. Quartal 2017, Deutschland: 12,80 z

Europe: 14,80 z; USA, Japan: 16,80 z

Europäische Zeitschrift für Haushaltsökonomie,

Haushaltstechnik und Sozialmanagement

dgh-Ehrenmitglied FrankBertsch feierte seinen 80.Geburtstag. Einen „Welt-bürger mit haushaltsöko-nomischem Sachverstand“nennt ihn Uta Meier-Gräwe inihrer Laudatio auf Seite 9.

Leitbilder in der HauswirtschaftDas Leitbild einer Institution oder eines Unternehmens hat verschiedene Funktionen. Es bietetbeispielsweise Orientierung und Sicherheit. Denn es zeigt, wohin die Reise geht, und sollverhindern, dass man vom Weg abkommt. Wichtig ist, dass sich alle Beteiligten über Etappen undZiel einig sind. Dann kann ein Leitbild dazu beitragen, dass sich Mitarbeitende und Leitende mitihrem Tun identifizieren – ein großer Vorteil, vor allem auf schwierigen Streckenabschnitten.

Feierliches

Grundsätzliches

Entsorgung und Recyclingsind wichtige ökologischeThemen. Das Interview abSeite 25 zeigt Entwicklungender letzten 25 Jahre undneue Herausforderungen.

Ab Seite 12 stellt BarbaraFegebank existente Leitbilder in der Hauswirt-schaft vor und diskutiertbeispielhaft und kritischihre Bedeutung.

Nachhaltiges

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2 HuW 1/2017

DIE THEMEN DER NÄCHSTEN HUW-AUSGABEN

Bei allen Ausgaben mit dem genannten Schwerpunkt sind Bei-

träge zu anderen Themen ebenfalls willkommen!

Bitte beachten Sie das Merkblatt für Autorinnen und Auto-

ren (siehe Kasten unten) und den Redaktionsschluss. Wenn er

Zeitnöte verursacht, nehmen Sie bitte frühzeitig mit der Re-

daktion Kontakt auf: Tel: 089/71019084 – E-Mail:

[email protected]. Das erleichtert der Redaktion die Arbeit und

kann eine thematische Vielfalt bewirken.

Wenn Sie Ihre Ausgabe der HAUSWIRTSCHAFT UND WISSEN-

SCHAFT nicht mehr als gedruckte Zeitschrift, sondern elektro-

nisch als PDF beziehen möchten, geben Sie bitte diese

Information an die dgh-Geschäftsstelle: [email protected]

Die meisten Beiträge in der Zeitschrift HAUSWIRT-

SCHAFT UND WISSENSCHAFT (HuW) sind Publika-

tionen aus dem Bereich Wissenschaft & Forschung

oder beschreiben die Umsetzung neuer Erkenntnisse in die

Praxis. Die HuW veröffentlicht Beiträge aus dem gesamten

Bereichs der Haushaltswissenschaften und verwandter Dis-

ziplinen: haushaltsökonomische, haushaltstechnische, bil-

dungs-, ökologische, sozial- oder dienstleistungswissen-

schaftliche Themen sowie Perspektiven des Sozialmana-

gements.

Seit vielen Jahren bietet die Deutsche Gesellschaft für

Hauswirtschaft neben der Veröffentlichung von Beiträgen

in der HuW auch die Möglichkeit an, dass Beiträge vorher

ein Begutachtungsverfahren (Double-Review-Verfahren)

durchlaufen. Der Vorteil für die Autorinnen und Autoren:

Sie können eine wissenschaftlich begutachtete Publikation

vorweisen – wie es in vielen Disziplinen üblich und not-

wendig ist.

Ansprechpartner für das Begutachtungsverfahren:

Prof. Dr.-Ing. Elmar Schlich

Brentanostr. 51

56077 Koblenz

Tel.: 0261-1332855

E-Mail dienstlich: [email protected]

E-Mail privat: [email protected]

Wenn Sie einen Beitrag publizieren wollen – mit oder ohne

vorheriger Begutachtung –, können Sie sich über das

Merkblatt für Autorinnen und Autoren von Beiträgen

für die Zeitschrift Hauswirtschaft und Wissenschaft,

Stand 2016, informieren. Sie können es unter

http://www.dghev.de/ abrufen.

Für alle Fragen steht Ihnen gerne auch die HuW-Redak-

tion zur Verfügung: Ilse Raetsch, Tel: 089/71019084,

E-Mail: [email protected].

DAS IST BEIM BEGUTACHTUNGS-/REVIEW-VERFAHREN IN DER HUW ZU BEACHTEN

ThemaRedaktions-

schluss

Ausgabe/

Erscheinungs-

monat

3/2017

September

Zuwanderung &

Strukturwandel

2. August

2017

Verpflegung und

Versorgung

4/2017

Dezember

2. November

2017

Beratung2/2017

Juni

3. Mai

2017

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HuW 1/2017 3

EDITORIAL

Liebe Leserinnen und Leser,

wir starten in ein Jahr, in dem uns in der bundesdeutschen Gesellschaft wie auch in der Deutschen Gesellschaft für Hauswirtschaft einige Neuerungen undVeränderungen bevorstehen. 2017 ist Wahljahr – für die Bundesregierung und diedgh. Als ein Jahr der Veränderungen beginnen wir 2017 mit neuem Schwung undIdeen, die wir in der dgh auch aus der Zukunftswerkstatt vom vergangenenNovember schöpfen. Sie hat uns gezeigt, dass unser Verband trotz vieler struktureller Veränderungen Alleinstellungsmerkmale besitzt, die es gilt, aufrechtzu erhalten und auszubauen. Veränderungen und Entwicklungen werden dabei stets von Leitbildern getragen.Leitbilder zeugen von einer dynamischen Entwicklungen, von der Offenheit Änderungen gegenüber. Begibt man sich mittels einer Suchmaschine im Internetauf die Suche nach Bildern oder Darstellungen von Leitbildern, so tauchen Strukturen und Grafiken auf, die stets verschiedenste Aspekte abbilden und häufig in verschiedenen bunten Farben gestaltet sind. Ein Leitbild scheint also keineswegs etwas Einseitiges oder Starres zu sein, sondern besteht aus vielenverschiedenen Elementen. Diese bilden zusammen wiederum eine Einheit undOrientierung für ein Ganzes – ein Unternehmen, einen Verband, eine Gesellschaft.Dass auch die Landschaft der Hauswirtschaft und Haushaltswissenschaften vonverschiedenen neuen und alten Leitbildern geprägt ist, zeigt dieses Heft. DieAutorinnen und Autorinnen verweisen auf zurückliegende ebenso wie aktuelleDiskussionen und regen zur Neuorientierung in dem Berufsbild Hauswirtschaftsowie in unterschiedlichen Bereichen und Tätigkeitsfeldern an. Nachhaltigkeiterweist sich hier als ein präsentes und aktuelles Leitbild, das in diversen Bereichen weiterhin an Aktualität gewinnt. Ethik oder vielmehr: Aspekte ethischenHandelns in der Hauswirtschaft werden als neues Leitprinzip vorgestellt. So formen diese Elemente ein Leitbild für die Hauswirtschaft und haushaltswissen-schaftliche Themen, das uns in den nächsten Jahren sicherlich weiterhin begleitet. Ich wünsche Ihnen eine informative Lektüre mit guten Hinweise für eigeneArbeitsbereiche, Anregungen zum Nachdenken oder zur Diskussion!

Ihre

Mareike Bröcheler

Mareike Bröcheler,

Mitglied

im dgh-Vorstand

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Seit der Gründung des Deutschen Hauswirtschaftsrates

im November hat sich viel getan. Nach der Bekannt-

gabe der Gründung in der Presse gab es ein überaus po-

sitives Echo: Interessierte Betriebe und Verbände haben sich

nach einer Mitgliedschaft erkundigt und die Präsidiumsmit-

glieder bekamen Gelegenheit, den Deutschen Hauswirt-

schaftsrat in Interviews mit der Fachzeitschrift „rhw-ma-

nagement“ und der im Mai 2017 erstmals erscheinenden

Zeitschrift „Altenheim – pro Hauswirtschaft“ vorzustellen.

Darüber hinaus wurde aktiv der Kontakt zu verschiedenen Mi-

nisterien und Organisationen gesucht wie beispielsweise dem

Bundesministerium für Wirtschaft (BMWi), dem Bundesmi-

nisterium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ)

sowie dem Deutschen Pflegerat und der Bundesarbeitsge-

meinschaft der Senioren-Organisationen e. V. (BAGSO). Ziel

ist es, den Deutschen Hauswirtschaftsrat als kompetenten Ge-

sprächspartner vorzustellen.

Ein zentrales Thema der Arbeit des Hauswirtschaftsrats

wird die Berufsbildung in der Hauswirtschaft sein. Mit dieser

Materie werden sich zukünftig Delegierte der Mitgliedsver-

bände in der Sektion „Bildung“ beschäftigen. Weitere The-

menschwerpunkte sind die haushaltsnahen Dienstleistungen

und die hauswirtschaftlichen Dienstleistungsbetriebe sowie die

Organisationsentwicklung. Die konstituierenden Sitzungen

der Sektionen fanden in den im Februar und März dieses Jah-

res statt.

Zusammen mit der Geschäftsstelle arbeitet auch der Vor-

stand intensiv an dem Aufbau der Organisation des Deut-

schen Hauswirtschaftsrates: Der Zeitschrift „rhw manage-

ment“ ist es zu verdanken, dass es bereits ein Logo für den

Hauswirtschaftsrat gibt.

Bei den zuständigen Be-

hörden sind die Anträge

zur Eintragung in das

Berliner Vereinsregister

und zur Anerkennung

als gemeinnütziger Ver-

ein gestellt, eine erste

Homepage ist erstellt

(www.hauswirtschaftsrat.de/) und eine eigene Telefonnummer

geschaltet

Für die Anschubfinanzierung haben sich die Mitglieds-

verbände bereit erklärt, einen ersten Beitrag zu leisten. Wei-

terhin sollen mithilfe von Spenden Gelder für die Arbeit ge-

sammelt werden. Hierfür wurde kürzlich ein Spendenaufruf

gestartet. Es ist das Bestreben aller Beteiligten, bald eine dau-

erhafte Finanzierung zu etablieren, damit die Arbeit des Deut-

schen Hauswirtschaftsrat so schnell wie möglich professio-

nalisiert werden kann. Grundlage der Arbeit wird aber auch

weiterhin die ehrenamtliche Arbeit sein.

Kontakt: Präsidentin Dorothea Simpfendörfer

Klosterstraße 64, 10179 Berlin

Geschäftsstelle

c/o Beate Imhof-Gildein

Telefon: 0160 - 933 91 732

E-Mail: [email protected]

Spenden: unter dem Stichwort „Deutscher Hauswirtschafts-

rat" an:

Deutsche Gesellschaft für Hauswirtschaft e. V. (dgh)

Deutsche Bank Meckenheim

IBAN: DE58 3807 0024 0080 8808 00

BIC: DEUTDEDB380

Mitglieder

Allianz haushaltsnahe Dienstleistungswirtschaft (AHDW)

Berufsverband Hauswirtschaft

bkh Berufsverband für Angestellte und Selbstständige in der

Hauswirtschaft e. V.

Bremer Heimstiftung

Bundesverband haushaltsnaher Dienstleistungsunternehmen

(BHDU)

Bundesverband hauswirtschaftlicher Berufe (MdH)

Deutsche Gesellschaft für Hauswirtschaft (dgh)

Deutscher Evangelischer Frauenbund

GGSD – Gemeinnützige Gesellschaft für soziale Dienste

KlöberKASSEL

Landesarbeitsgemeinschaft Hauswirtschaft Baden-Württem-

berg

HAUSWIRTSCHAFTSRAT

4 HuW 1/2017

Neues vom Hauswirtschaftsrat

Die Geschäftsstelle der Deutschen Gesellschaft für

Hauswirtschaft ist unter folgender Anschrift erreichbar:

Deutsche Gesellschaft für Hauswirtschaft

z. Hd. Agnes Loose

Hafenstr. 9

48432 Rheine

Telefonisch und per Fax ist die Geschäftsstelle unter fol-

genden Rufnummern erreichbar:

Telefon: 0 59 71/800 73 98

Fax: 0 59 71/800 74 09

Bitte wenden Sie sich auch an die Geschäftsstelle, wenn

Sie die Zeitschrift HAUSWIRTSCHAFT UND WISSENSCHAFT

beziehen wollen oder Fragen zum Abonnement haben.

DGH-GESCHÄFTSSTELLE

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INHALT

HuW 1/2017 6

Inhalt

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19

21

25

31

38

44

46

49

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52

Schreibweisen: Wenn in einem Beitrag nur die männliche oder weiblicheSprachform vorkommt, geschieht dies aufgrund der besseren Lesbarkeit desArtikels. Das jeweils andere Geschlecht ist selbstverständlich ebenfalls gemeint.Redaktionsschluss für Heft 2/2017: 3. Mai 2017Titelbild: Matton ImagesDruck: Buch- und Offsetdruckerei Häuser KG, Köln. Die HuW wird klimaneutralgedruckt.

HAUSWIRTSCHAFT UND WISSENSCHAFT

Europäische Zeitschrift für Haushaltsökonomie,Haushaltstechnik und Sozialmanagement

ISSN: 0017-8454

HERAUSGEBERINDeutsche Gesellschaft für Hauswirtschaft e.V.Vorsitzende: Dr. Inge Maier-Ruppert

Geschäftstelle:Hafenstr. 9, 48432 RheineTelefon: 0 59 71/800 73 98, Fax: 0 59 71/800 74 09E-Mail: [email protected]

REDAKTION, GESTALTUNG, ANZEIGENRedaktionsbüro Ilse RaetschHeiglhofstr. 39, 81377 MünchenTel. 089/71 01 90 84, Fax 032 12/136 17 42E-Mail: [email protected]

VERLAGHuW erscheint im Selbstverlag der Deut schenGesell schaft für Hauswirtschaft e. V. (dgh). Kontakt: dgh, c/o Ilse Raetsch, Heiglhofstr. 39, 81377 München, Tel. 089/71019084, E-Mail: [email protected] Beiträge der Autoren geben nicht zwangsläufigdie Meinung der Herausgeberin wider.

WISSENSCHAFTLICHE BEGUTACHTUNGOriginalbeiträge, die in HuW unter der Rubrik „Aus der Wissenschaft” erscheinen, haben einGutachterverfahren durchlaufen. Die Veröffent-lichung ist an das positive Votum von mindestenszwei Gutachtern gebunden. Koordination:Prof. Dr.-Ing. Elmar SchlichTel.: 0261-1332855E-Mail: [email protected]

ERSCHEINUNGSWEISEHuW erscheint quartalsweise (jeweils Ende März,Juni, September und Dezember).

BEZUGÜber den Buchhandel oder den Verlag. Einzelpreise 2017: Deutschland 12,80 EUR, Europa14,80 EUR, Welt 16,80 EUR

ABONNEMENT/SUBSCRIPTIONDer Abonnementpreis beträgt pro Jahr (2017):48,00 EUR (Studierende: 39,20 EUR) im Inland, 54,00 EUR im europäischen Ausland und 60,00 EURfür Lieferadressen im Rest der Welt (inkl. Porto).Das Abon ne ment kann jederzeit abbestellt werden.

Subscription rates per year (2016): for addresses inGermany 48.00 EUR (students 39.20 EUR); in Europe54.00 EUR; in the rest of the world 60.00 EUR.Postage included.

HUW IM INTERNET: www.dghev.de

Sie finden hier die HuW-Fachbeiträge des62. Jahrgangs (2015) und früher, zudem dasMerkblatt für Autorinnen und Autoren zu Beiträgenfür HuW.

Neues vom Hauswirtschaftsrat

Review-Verfahren in der HuW

Unterschiedliche fachliche Facetten: Gutachterinnenund Gutachter für die HuW (IV)

Frank Bertsch zum 80. Geburtstag

Weltbürger mit haushaltsökonomischemSachverstand und Sinn für die Belange des Alltags

Barbara Fegebank

Leitbilder in der Hauswirtschaft – Bedeutung und Nutzen

Neues Buch der dgh

Werteorientiertes Handeln in der Hauswirtschaft

Martina Feulner

Wie aussagekräftig ist das Leitbild der Hauswirtschaftfür ihr berufliches Handeln?

Elmar Schlich

Paradigmenwechsel im Entsorgungsbereich: Interview mitMichael Wiener, Der Grüne Punkt

Magdalena Becker, Pirjo Susanne Schack

Beitrag der Gastronomie für eine nachhaltige Entwicklung

Antoinette Stritzke

InHouse-Wäscherei: Wäsche in guten Händen

Frank Bertsch

Auf der Suche nach dem verlorenen Selbstverständnis

Memorandum des FA Strukturwandel des Haushalts

Empowerment für Privathaushalte als Basiseinheiten unserer Gesellschaft

Birgit Bürkin

Schuldenberatung in einer bargeldlosen Gesellschaft

Termine

Jahrestagung der dgh (Stand: 03.03.2017)

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Prof. Dr. oec. troph. Ulrike Pfannes

■ Ausbildung & Studium: Ausbildung zur Diätassistentin in Mar-burg Studium der Ernährungs- und Haus-haltswissenschaften (1988-1993) an derJustus-Liebig-Universität Gießen, Fach-richtung Haushaltswissenschaften■ Berufstätigkeit: Diätassistentin im KreiskrankenhausGeislingen/Steige und Ehingen Wissenschaftliche Mitarbeiterin (1993-1998) an der Justus-Liebig-Universität

Gießen, Institut fürWirtschaftslehredes Haushalts undVerbrauchsfor -schung. Promotion(1999) mit demThema: Qualitäts-management inGemeinschaftsver-pflegungsbetrieben

(Erstgutachter: Prof. Dr. Jörg Bottler), K & P Consulting, Düsseldorf: Un-ternehmensberaterin mit dem Schwer-punkt Gemeinschaftsverpflegung Frankfurter Verband für Alten- und Be-hindertenhilfe: GeschäftsbereichsleitungHotelleistungen und Liegenschaften Studierendenwerk Hamburg: Ge-schäftsführerin seit 2007: HAW Hamburg, Professo-rin für Hauswirtschaftliche Dienstlei-stungen im Department Ökotropholo-gie■ Schwerpunkte in der Lehre (im Ba-chelor Ökotrophologie und im Lehr-amtsstudiengang Ernährungs- undHaushaltswissenschaften): Gemeinschaftsgastronomie & Außer-Haus-Verpflegung Hauswirtschaft & InfrastrukturellesFacility Management Verpflegungs- und Versorgungsma-nagement Qualitätsmanagement Projektmanagement

■ Schwerpunkte in der Forschung: Gemeinschaftsverpflegung: Studienzur Verpflegung in Kitas und Verpfle-gung von Senioren Hauswirtschaftliche Dienstleistungen:hauswirtschaftliche Betreuung, haus-haltsbezogene Dienstleistungen, Haus-wirtschaft und Ethik

■ Weitere Aktivitäten:Mitglied der DGE (Fachgruppe Ge-meinschaftsverpflegung), Mitglied imVDOE, Mitglied im dgh-FachausschussHauswirtschaftliche Dienstleistungsbe-triebe.■ Kontakt:Prof. Dr. Ulrike PfannesHAW HamburgUlmenliet 20, 21033 [email protected]

Prof. Dr. Pirjo Susanne Schack

Studium der Oe-c o t r o p h o l o g i e(1987-1993) mitder FachrichtungHaushaltswissen-schaften (Diplom1994) Promotion zumD r . o e c . t r o p h .(2004) mit dem

Thema: „Nachhaltige Ernährungsstileim Alltag“ (Erstgutachterin Prof. Dr.Uta Meier, Institut für Wirtschaftslehredes Haushalts und Verbrauchsfor-schung, Justus-Liebig Universität Gie-ßen)■ Berufliche Stationen: 1994-1999: Ausbildungsberaterin undLeiterin des Sachgebietes der hauswirt-schaftlichen Berufsbildung am Amt fürRegionalentwicklung, Landschafts-pflege und Landwirtschaft (ARLL) Vo-gelsberg 1999-2005: Wissenschaftliche Mitar-beiterin an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, Institut für Haus-haltswissenschaft und ihre Didaktik 2005-2012: Wissenschaftliche Mitar-beiterin am Institut für Ernährungsver-halten am Max Rubner-Institut (MRI),Bundesforschungsinstitut für Ernährungund Lebensmittel, Karlsruhe. Tätigkeitim Forschungsprojekt „Evaluation desModellvorhabens ‚Besser Essen. MehrBewegen. Kinderleicht-Regionen’ desBundesministeriums für Ernährung,

Unterschiedliche fachliche Facetten: Gutachterinnen

und Gutachter für die HuW (IV)

Es ist seit Jahren ein Service derDeutschen Gesellschaft für

Hauswirtschaft (dgh), dass in derHAUSWIRTSCHAFT UND WISSENSCHAFT(HuW) wissenschaftliche Beiträge

veröffentlicht werden, die einDouble-peer-review-Verfahrendurchlaufen haben. Ausführlich

wurden Intention und Verfahren inder Ausgabe HuW 2/2016

vorgestellt. Anfang des Jahres 2016wurde das Merkblatt für Autorinnen

und Autoren entsprechendüberarbeitet. Auch wurden neueGutachterinnen und Gutachtergesucht und gefunden. In den

Ausgaben 2/16, 3/16 und 4/16 derHuW stellten wir Frauen und

Männer vor, die die Tätigkeit derBegutachtung ehrenamtlich

übernommen haben. Im Folgendenkommen noch einmal sechs

Personen zu Wort. Vielen Dankihnen allen, auch Prof. Dr. ElmarSchlich, der die Koordination desVerfahrens übernommen hat. Auch

sei hier dazu aufgerufen, in denArbeitsgruppen, Instituten und

Fachbereichen der Hochschulenund Universitäten für die

Einreichung von Beiträgen zuwerben, Manuskripte zu verfassenund einzureichen sowie der HuWinsgesamt als wissenschaftliche

Autorin/wissenschaftlicher Autorverbunden zu bleiben. Anfragen

jederzeit gerne bei der HuW-Redaktion, Elmar Schlich oder den

Begutachtenden.

6 HuW 1/2017

HAUSWIRTSCHAFT UND WISSENSCHAFT

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Landwirtschaft und Verbraucherschutz(BMELV)“ Seit 2012 Professorin an der Fach-hochschule Münster am FachbereichOecotrophologie und Facility Manage-ment mit den Lehrgebieten „InnovativeDienstleistungen in der Oecotropholo-gie“ und „Methodik und Didaktik“■ Schwerpunkte in der Lehre:Haushalts- und Dienstleistungswissen-schaft, Soziologie der Ernährung, nach-haltige Lebensstile und Nachhaltig-keitskommunikation, Ernährungs- undVerbraucherbildung, Arbeiten und Leh-ren in Gruppen■ Forschung:Nachhaltige Lebens- und Ernährungs-stile, Evaluation von Bildungs- und Ge-sundheitsförderungsprogrammen, Er-nährungs- und Verbraucherbildung■ Mitgliedschaft und Aktivitäten in Ver-bänden und Arbeitsgruppen: Deutsche Gesellschaft für Hauswirt-schaft (dgh), Mitarbeit im FA Haus-wirtschaftliche Dienstleistungsbetriebe Internationaler Verband für Hauswirt-schaft (IVHW/IFHE) Berufsverband Oecotrophologie(VDOE) (Leitung des AK Haushalts-wissenschaften von 2003-2009) Verband Haushalt in Bildung und For-schung (HaBiFo) Verband für Unabhängige Gesund-heitsberatung (UGB)■ Sonstiges:Supervisorin der Deutschen Gesellschaftfür Supervision (DGSv) und Lehrbe-auftragte für Themenzentrierte Interak-tion (TZI) des Ruth-Cohn-Instituts■ Kontakt: [email protected]

Prof. Dr. Kirsten Schlegel-Matthies

■ Beruflicher Wer-degang/Ausbildung/Studium:Studium Geschich-te, Germanistik,Politikwissenschaftund Pädagogik fürdas Lehramt Se-kundarstufe II an

der Westfälischen Wilhelms-UniversitätMünster (1978-1984), anschließend Pro-motion „Im Haus und am Herd. Der

Wandel des Hausfrauenbildes und derHausarbeit 1880-1930“. 1998 Habilita-tion im Fachbereich Chemie und Phar-mazie der Westfälischen Wilhelms-Uni-versität Münster, Venia Legendi fürHaushaltswissenschaft und Didaktik derHaushaltslehre mit einer Arbeit überEntwicklung, Stand und Zukunftsper-spektiven haushaltsbezogener Bildung.■ Berufstätigkeit: 1984-1986 Wissenschaftliche Mitar-beiterin am Sonderforschungsbereich164 der Westfälischen Wilhelms-Uni-versität Münster „Vergleichende ge-schichtliche Städteforschung“ 1986-1993 Wissenschaftliche Mitar-beiterin am Institut für Haushaltswis-senschaft und Didaktik der Haushalts-lehre der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster 1999-2000 Oberassistentin am Institutfür Haushaltswissenschaft und Didaktikder Haushaltslehre der WestfälischenWilhelms-Universität Münster 2000-2002 Vertretung einer Univer-sitätsprofessur Hauswirtschaftswissen-schaft an der Universität Dortmund 2002 Berufung auf die Professur fürHaushaltswissenschaft an der Universi-tät Paderborn. Dort seitdem im Institutfür Ernährung, Konsum und Gesund-heit tätig. 2016 Änderung der DenominationProfessur in Fachdidaktik Hauswirt-schaft (Konsum, Ernährung, Gesund-heit)■ Schwerpunkte in der Lehre:Sozioökonomie des privaten Haushalts,Ernährungs- und Verbraucherbildung,Fachdidaktik Hauswirtschaft (Konsum,Ernährung, Gesundheit)■ Schwerpunkte in der Forschung:

Didaktische Konzepte der Ernährungs-und VerbraucherbildungAufgabenkulturen und Leistungsmes-sung im haushaltsbezogenen UnterrichtVerbraucherverantwortung und Ver-braucherschutz als SpannungsfeldModelle der Ethik eines „guten Lebens“■ Mitgliedschaften: Vorsitzende des Verbandes Haushalt inBildung und Forschung (HaBiFo) e. V. Mitglied im Sachverständigenrat fürVerbraucherfragen beim Bundesmini-sterium der Justiz und für Verbraucher-schutz (BMJV) Mitglied des Kuratoriums der deut-schen Stiftung Verbraucherschutz Mitglied in der International Federa-tion for Home Economics IFHE (2004-2008 Vice-President Region of Europe)■ Sonstiges: Wissenschaftliche Begleitung desLeitprojekts „Verbraucherbildung anSchulen" in Nordrhein-Westfalen" Herausgeberin der Zeitschrift Haus-halt in Bildung & Forschung (HiBiFo)■ Kontakt:Prof. Dr. Kirsten Schlegel-MatthiesUniversität PaderbornFakultät für NaturwissenschaftenDepartment Sport und GesundheitInstitut für Ernährung, Konsum und Ge-sundheitWarburger Str. 100,33098 [email protected]

Dr. oec. troph. Michaela Schlich

■ Beruflicher Werdegang/Ausbildung/Studium: Studium der Haushalts- und Ernäh-rungswissenschaft (1987-1992) an derJustus-Liebig-Universität Gießen, Di-plomprüfung Fachrichtung Ernährungs-wissenschaft. Studium und Zusatzprüfung im FachArbeits-, Berufs- und Wirtschaftspäd-agogik, Ausbildereignungsprüfung Wissenschaftliche Mitarbeiterin amInstitut für Ernährungswissenschaft derJustus-Liebig-Universität Gießen (1993-1998, Arbeitsgruppe: Prof. Dr. IrmgardBitsch) und Promotion am Institut für Ernäh-rungswissenschaft (1997, Betreuerin:Prof. Dr. Irmgard Bitsch) zum Thema:Zur Biokinetik des S-Benzoylthiamin-

Wichtige AdressenKoordinator der Begutachtung: ElmarSchlich, E-Mail:[email protected]

Redaktion Hauswirtschaft und Wis-senschaft: Ilse Raetsch, E-Mail:[email protected]

Merkblattfür Autorinnen und Auto-ren, Stand 2016, auf Homepage derDeutschen Gesellschaft für Haus-wirtschaft: www.dghev.de

HuW 1/2017 7

WISSENSCHAFTLICHE BEITRÄGE

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O-monophosphats bei gesunden Män-nern – Analyse mit Metabolitenmodel-len (summa cum laude) Stellvertretende Laborleiterin derBIO-DATA GmbH, Labor für Boden,Umwelt und Ernährung im Bereich Le-bensmittelanalytik und Ausbildung vonChemielaboranten (1998-2000) Lehrauftrag des Fachbereichs Medi-zin der Justus-Liebig-Universität Gie-ßen für die Vorlesung „Ernährungsme-dizin“ für Studierende der Ökotropho-

logie (1998-2001) seit 2000 Leitungdes FachgebietsErnährungs- undVerbraucherbil-dung der Universi-tät Koblenz-Lan-dau, Campus Kob-lenz, inzwischen

als Akademische Direktorin am Institutfür Sportwissenschaft■ Aktuelle Lehrveranstaltungen:Sozioökonomie, Verbraucherpolitik undNachhaltiger Konsum, Ernährung desMenschen, Lebensmittelwissenschaft,Fachpraxis und Fachdidaktik der Er-nährungs- und Verbraucherbildung, Ge-sundheitsbildung■ Schwerpunkte in der Forschung: Didaktik der Ernährungsbildung, Le-bensmittelwissenschaft, NachhaltigerKonsum, Gesundheitsbildung■ Aktuelle Projekte: Entwicklungen von Online-Lehrer-fortbildungen zur Umsetzung der Richt-linie Verbraucherbildung an allgemein-bildenden Schulen in Rheinland-Pfalz Verbraucherbildung als Querschnitts-thema in Lehrplänen, Entwicklung vondigitalen Lehrplänen Einführung eines betrieblichen Ge-sundheitsmanagementsystems an derUniversität Koblenz-Landau, CampusKoblenz■ Aktuelle Publikationen: Kölzer A, Schlich M: Gewichtsreduk-tion – Mythen, Empfehlungen, Wissen-schaft. Eine Befragung von Studieren-den der Sportwissenschaft zu aus-gewählten populärwissenschaftlichenEmpfehlungen zur Gewichtsreduktion.ISBN OND-00000-0000188 Shaker:Aachen 2016.

Mohr M, Schlich M: Socio-demogra-phic basic factors of German customersas predictors for sustainable consume-rism regarding foodstuffs and meat pro-ducts. International Journal of ConsumerStudies, 40 (2016) 158-167. DOI:10.1111/ijcs.12239. Herausgeberin der Reihe „Ernährungs-und Verbraucherbildung“ beim Shaker-Verlag, Aachen, bisher sechs Bände■ Mitgliedschaften: Deutsche Gesellschaft für Ernährunge. V. (DGE) seit 1993 Deutsche Gesellschaft für Hauswirt-schaft e.V. (dgh) seit 2003, Vorsitzendedes Fachausschusses Haushaltstechnik2013-2015 Haushalt in Bildung und Forschunge. V. (HaBiFo) seit 2003 BerufsVerband Oecotrophologie e. V.(VDOe) 2008-2015 Adipositasnetzwerk Rheinland-Pfalze. V. seit 2007 Deutscher Verein zur Förderung desmathematischen und naturwissenschaft-lichen Unterrichts e.V. (MNU) seit 2011■ Kontakt:Dr. oec. troph. Michaela SchlichUniversität Koblenz-LandauFachgebiet Ernährungs- und Verbrau-cherbildungUniversitätsstr. 1, 56070 KoblenzTel. [email protected]

Prof. Dr.-Ing. Helmut Schöberl

Studium der Lebensmitteltechnologiean der TU München-Weihenstephan(1988 -1994). Anschließend Promotionals wissenschaftlicher Mitarbeiter amLehrstuhl für Energie- und Umwelt-technik der TU München zum ThemaHochdruckbehandlung von Lebensmit-teln (1995-1999)■ Berufstätigkeit: Laborleiter für ProduktentwicklungFunctional Food beim Pharmaunterneh-men Merck KGaA Qualitätssicherung bei HeumannPharma GmbH & Co. Generica KG Seit 01.03.2003 Professor für Lebens-mitteltechnologie und Qualitätssiche-rung an der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf, Studiengang Ernährung undVersorgungsmanagement.

■ Schwerpunkte der Lehre: Lebensmittelverfahrenstechnik Werkstoffkunde Qualitätssicherung Lebensmittelzusatz-stoffe■ Schwerpunkte derForschung: Lebensmittelver-packung/Bedarfsge-genstände Lebensmittelzusatz-stoffe und Clean La-belling Qualitätssicherung/Qualitätsmanage-ment in der Lebensmittelbranche Produktentwicklung für Lebensmittel■ Kontakt:Prof. Dr.-Ing. Helmut SchöberlHochschule Weihenstephan-TriesdorfMarkgrafenstraße 1691746 [email protected]

Prof. Dr. Angelika Sennlaub

■ Beruflicher Werdegang/Ausbildung/Studium: Professorin an derHochschule Nieder-rhein, seit 2011 Freiberufliche Tä-tigkeit mit „alltag vonmorgen“, Forschung

und Beratung, 2005-2011 Promotionsstudium an der Justus Lie-big-Universität Gießen (2000-2005)zum Thema Akzeptanz von Gemein-schaftsbesitz im Wohnen, zugleich As-sistentin von Prof. Dr. Bernd Schnie-der, Abschluss Doktorin der Oeco-trophologie Studium Diplom-Oecotrophologie Ju-stus Liebig-Universität Gießen, Schwer-punkt Haushaltswissenschaften (1995-2000), Abschluss Diplom Berufliche Tätigkeit im Gastgewerbei. w. S.(1985-1995) Ausbildung zur Hotelfachfrau (1982-1985)■ Aktuelle Position:Professorin für Hospitality ManagementStellvertretende Studiengangskoordina-torin für den Studiengang „Catering und Hospitality Services B.Sc.“, Mitglied imHochschulrat der HS Niederrhein

8 HuW 1/2017

HAUSWIRTSCHAFT UND WISSENSCHAFT

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■ Schwerpunkte in der Lehre:Organisation von Unterkunftsleistun-gen: von hauswirtschaftlichen Tätigkei-ten über räumliche Gestaltung bis hin zuDiversity Management und Multikultu-ralität■ Schwerpunkte in der Forschung,wichtige Publikationen Räumliche Gestaltung von Speiseräu-menLaufende Projekte mit Studierenden seit09.2012, z. B. veröffentlicht in Peinelt,Wetterau (Hrsg.) (2015): Handbuch derGemeinschaftsgastronomie, Band 2.,

herausgegeben von der Hochschule Nie-derrhein. Berlin, S. 407–432 Aktuelles Projekt: Mahlzeit! Gestaltungvon Mahlzeiten in sozialen Einrichtun-gen; kleine Arbeitsgruppe in der dgh Versorgung in Pflegheimen, z. B. Ver-öffentlichung: Borghoff, Sennlaub(2016): Einsatz von Duftstoffen in Al-tenpflegeheimen – eine quantitative Un-tersuchung. in: Hauswirtschaft und Wis-senschaft 03/2016, S. 117-123 (doppeltblind begutachteter Beitrag)■ Ehrenämter, Mitgliedschaften, Aus-zeichnungen In der dgh seit 02.2014 Vorsitzendedes Fachausschusses Hauswirtschaftli-

che Dienstleistungsbetriebe in der dgh,vorher im Vorsitz des FachausschussesHaushalt und Wohnen Mitglied der Fachkommission "Aktu-elle Fragen der Seniorenpolitik" derBagso■ Kontakt:Prof. Dr. Angelika SennlaubHochschule Niederrhein, FB Oecotro-phologieRheydter Straße 27741065 Mö[email protected]

Langjährige Mitglieder der Deut-schen Gesellschaft für Hauswirt-schaft haben ihn, den studierten

Volkswirtschaftler und Ministerialrati. R., bereits während seiner aktiven Be-rufsjahre als Leiter des Referats fürWirtschaftliche Fragen der Familienpo-litik im Bundesministerium für Familie,Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ)kennengelernt und stets als aktiven Un-terstützer, Visionär und klugen Ideen-geber unseres Verbandes und der Haus-haltswissenschaften erlebt. Ohne seineBeharrlichkeit wären wahrscheinlich inden 1990er-Jahren weder die differen-zierten haushaltsökonomischen Analysenzu den Kinderkosten noch die Moderni-sierung der Haushaltsbuchführung zu-stande gekommen: In Kooperation mitRepräsentanten aus Wissenschaft, Poli-tik, Sparkassen und Verbänden konnte einhandhabbares, alltagstaugliches Instru-ment entwickelt werden, das bis heute inganz unterschiedlichen Ausführungenals Taschengeldheft oder Euro-Budget-

planer zum Zweck der Selbstinformati-on über die Haushaltsfinanzen repu-blikweit zum Einsatz kommt.

Wenige Monate nach meiner Beru-fung auf den Lehrstuhl für Wirtschafts-lehre des Privathaushalts und Familien-wissenschaften an der Justus-Liebig-Universität Gießen im Juni 1994 lernteich Frank Bertsch am Rande einer Jah-

restagung der Deutschen Gesellschaftfür Hauswirtschaft (dgh) in Bonn ken-nen. Er entwarf beim gemeinsamen Mit-tagessen mit dem ihm eigenen Charme,aber mindestens ebenso plausiblen Ar-gumenten die eine oder andere Projekt-idee, die ihm passend schien für unsereWissenschaft und/oder für eine sicht-bare verbandliche Arbeit.

Armutspräventionsprojekt:

konzertierte Aktion unter dem

Dach der dgh ...

Das war ganz typisch bei unseren Be-gegnungen, ich erinnere mich sehr gutan seine erste Skizze für ein längerfri-stiges Programm zur systematischen Ar-mutsprophylaxe, das in seiner Vorstel-lung aus mehreren Bausteinen bestehenund unter Federführung des BMFSFJinitiiert werden sollte. Es war für michunschwer zu erkennen, dass seine Ko-operationserfahrungen mit den Haus-haltswissenschaften und der Praxis, aber

Frank Bertsch zum 80. Geburtstag

Weltbürger mit haushaltsökonomischem

Sachverstand und Sinn für die Belange des Alltags

Am 3. Januar dieses Jahres feierte Frank Bertsch seinen 80. Geburtstag. Professorin Dr. Uta Meier-Gräwe, Vorsitzende desdgh-Fachausschusses „Strukturwandel des Haushalts“, würdigt den Jubilar als uneigennützigen und verlässlichen Partnerder Deutschen Gesellschaft für Hauswirtschaft.

Fortsetzung von Seite 8

HuW 1/2017 9

FRANK BERTSCH ZUM 80. GEBURTSTAG

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auch seine reflektierte Auseinanderset-zung mit den großen Herausforderungenund Verwerfungen, welche die deutscheWiedervereinigung für viele Privat-haushalte in Ostdeutschland mit sich ge-bracht hatte, den Anstoß für dieses Vor-haben gab. Frank Bertsch war sofortoffen für mein Argument, dass ein sol-ches Projekt nicht allein praxisorientiertausgerichtet sein sollte, sondern ebensoeines soliden haushaltswissenschaftli-chen theoretischen Bezugsrahmens undkonkreter empirischer Forschung be-dürfe.

... mit guter finanzieller

Ausstattung dank des Einsatzes

von Frank Bertsch

Das Vorhaben wurde schließlich alsgroß angelegtes Armutspräventionspro-jekt in Form einer konzertierten Aktionhauswirtschaftlicher Verbände unterdem Dach der dgh auf den Weg ge-bracht mit einer vergleichsweise gutenfinanziellen Ausstattung, für die sichFrank Bertsch im Ministerium nach-drücklich eingesetzt hatte. Das Projektwurde durch eine wissenschaftliche Stu-die zur Armutssituation von Familien-haushalten komplementär ergänzt, dievon der Arbeitsgruppe an meinem Lehr-stuhl in Gießen schließlich realisiertwerden konnte.

Bis auf den heutigen Tag werden diein unterschiedlichen Veröffentlichun-gen aufbereiteten Ergebnisse dieses Ar-mutspräventionsprojekts in der Praxisvieler Verbände und Institutionen ein-gesetzt. Dazu gehört das von Ökotro-phologinnen und engagierten Haus-haltswissenschaftlerinnen entwickeltemodulare „HaushaltsOrganisationsTrai-ning“ (HOT), das die Versorgungs-strukturen von Privathaushalten in pre-kären Lebenslagen fokussiert und inenger Kooperation mit den Haushalts-mitgliedern auf eine realistische Neu-organisation der Haushaltsversorgungs-strukturen gemäß dem Grundsatz „Hilfezur Selbsthilfe“ angelegt ist. Aber auchdie im Rahmen der wissenschaftlichenUntersuchung „Steckbriefe von Armut“aus dem reichhaltigen empirischen Da-tenmaterial generierte Gießener Ar-

mutstypologie erweist sich bis heute alsein tragfähiges Diagnoseinstrument, aufdas in der Praxis der Sozialen Arbeitimmer wieder zurückgegriffen wird, umpassgenaue Maßnahme-Settings für pri-vate Haushalte in charakteristischen Un-terversorgungslagen zu implementieren.

Schon während seiner aktiven Be-rufsjahre war Frank Bertsch also einGlücksfall für die dgh. Und das keines-wegs nur, wenn es um konzeptionell-in-haltliche Fragen ging. Er ist ebenso einstrategischer Denker, der regionale Ent-wicklungen in größere politische Zu-sammenhänge zu stellen vermag undihre globalen Auswirkungen themati-siert. Auch auf seine Fähigkeit zumNetzwerken konnten die hauswirt-schaftlichen Verbände ebenso wie dieFachvertreterinnen und -vertreter derHaushaltswissenschaften jederzeit set-zen, was angesichts der verbreiteten Ge-ringschätzung, die den Belangen vonprivaten Haushalten und ihrer Bedeut-samkeit für Wirtschaft und Gesellschafthierzulande immer wieder entgegen-schlug, von unschätzbarem Wert war.

Mit der Deutschen Gesellschaft

für Hauswirtschaft bis auf den

heutigen Tag verbunden

Bemerkenswert ist jedoch auch, dassFrank Bertsch bis ins hohe Alter von80 Jahren aktiv geblieben und der Deut-schen Gesellschaft für Hauswirtschaftbis auf den heutigen Tag verbunden ist.Deshalb kennen ihn eben beispielsweisedie wissenschaftlichen Nachwuchskräftedes Jungen Forums der dgh nicht nuraus der Lektüre von Archivmaterial,sondern persönlich aus lebendigen Fach-diskussionen auf Jahrestagungen undVeranstaltungen verschiedener Fach-ausschüsse. Viele Denkanstöße gebenauch seine ambitionierten Veröffentli-chungen, mit denen er sich als Publizistim „Ruhestand“ immer wieder klug mit-geteilt und eingemischt hat. Dabei ver-weist Frank Bertsch unermüdlich aufdas beträchtliche emanzipatorische Po-tenzial der Privathaushalte für die Ent-faltung einer kommunalen Zivilgesell-schaft und eines demokratischenMiteinanders, eine Ressource, die nach

seiner Auffassung einer viel stärkerenpolitischen Aufmerksamkeit und Rah-mung bedarf. Ihn interessiert, wie Men-schen ihre persönliche Lebensführungmit einer gelebten Mitverantwortung fürdie Gestaltung ihrer ökologischen, öko-nomischen, sozialen und politischenUmwelten verknüpfen (Vgl. Bröcheler,Mareike/Dangel-Vornbäumen, Caro-line/Bertsch, Frank (2015): Strukturenund Anforderungen privater Lebens-führung im Alltag. In: Hauswirtschaftund Wissenschaft, H. 2, S. 82-87). Einehochaktuelle Frage, wie ich finde.

Wiederbelebung des FA

„Strukturwandel des Haushalts“:

nicht zuletzt seine Initiative

Die Wiederbelebung des Fachausschus-ses „Strukturwandel des Haushalts“ gehtebenfalls nicht zuletzt auf seine Initia-tive zurück. Als eine erste Aktivität ha-ben wir als Fachausschussmitglieder inintensivem Austausch mit ihm ein Me-morandum erarbeitet, das am Welt-hauswirtschaftstag 2017 veröffentlichtwerden soll, damit die dort vertretenenPositionen und Inhalte auch im Bun-destagswahlkampf die ihnen gebüh-rende Aufmerksamkeit finden (sieheS. 46 in dieser HuW).

Für mich persönlich ist FrankBertsch ein wirkliches Vorbild in puncto„aktives Altern“: lernfähig zu bleiben,die Auseinandersetzung mit anderenüber die wahren Ursachen einer aus denFugen geratenen Welt zu suchen, nichtmit dem Schicksal zu hadern, sich mitseinen Lebenserfahrungen einzubringen,ohne den Jüngeren ihre eigenen Wegevorgeben zu wollen, und schließlich −ganz wichtig – für jeden Tag, der bleibt,dankbar zu sein und ihn zu genießen.

Wir wünschen Frank Bertsch, demEhrenmitglied der Deutschen Gesell-schaft für Hauswirtschaft, weiterhin be-ste Gesundheit und Lebensfreude fürdie kommenden Jahre zwischen Re-gensburg, Burgund und anderen inter-essanten Plätzen auf dieser Welt. SeinRat wird auch in Zukunft gefragt sein –nicht nur im dgh-Fachausschuss „Struk-turwandel des Haushalts“.

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UTA MEIER-GRÄWE

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Einleitung

Alle haben heute Leitbilder: die Unternehmen, die po-litischen Parteien, jede Pflegeeinrichtung, jede Schu-le und Universität, jede Institution und Organisation,

jeder Verband, der Staat, die Bildung …Es scheint, dass ohne Leitbilder das Leben nicht mehr

vorangehen kann. Leitbilder sind aber nicht neu, denn schon immer haben

Menschen ihr Verhalten nicht nur an den physischen Bedürf-nissen ausgerichtet. Orientierungen für das Leben und Über-leben in einer Gemeinschaft werden seit Urzeiten gegeben.Insbesondere haben Religionen Vorbilder und Leitbilder pro-pagiert, zahlreiche Traditionen begründet und die Kultur desZusammenlebens befördert. Heute bestimmen Leitbilder vieleBereiche unseres Lebens, wie den Konsum, die Erwerbsarbeit,das Freizeitgeschehen usw.

Für die Hauswirtschaft stellt sich die Frage, worauf sich einLeitbild bezieht oder sich Leitbilder beziehen. Im Wortsinngeht es bei der „Hauswirtschaft“ um die Wirtschaft im Haus,alle in einem Haushalt in Betracht zu ziehenden ökonomischenAspekte und Tätigkeiten, die einem Leitbild unterliegen kön-nen. „Hauswirtschaft“ ist aber auch schon lange ein Schulfachund eine wissenschaftliche, dann universitäre Disziplin – zu-nächst Hauswirtschaftswissenschaft genannt, später Haus-haltswissenschaft. Auch sie folgen Leitbildern ebenso wieInstitutionen, die sich der Hauswirtschaft widmen, wie z. B.die Deutsche Gesellschaft für Hauswirtschaft(dgh), der Berufsverband für die Fach- und Füh-rungskräfte der Hauswirtschaft, Haushalt in Bil-dung und Forschung (HaBiFo), Bundesarbeitsge-meinschaft für Berufsbildung in der FachrichtungErnährung und Hauswirtschaft (BAG E+H) undviele andere. So hat sich die Autorin anlässlich derFachtagung des HaBiFo und der BAG Ernährungund Hauswirtschaft im letzten Jahr mit dem Cor-porate Design in Haushaltswissenschaft und Haus-haltslehre, dem Leitbilder zugrunde liegen, aus-einandergesetzt und in einem Fachartikel den

Leitbildern in Verbraucherpolitik und Verbraucherbildunggewidmet (vgl. Fegebank 2016a und 2016b), von denen einigeGedanken auch hier einfließen.

Schließlich ist „Hauswirtschaft“ Teil eines Berufsfeldesmit den hauswirtschaftlichen Berufen, die einem Arbeitsfeld„Hauswirtschaft“, das auch als „Aufgabenbereich“ vornehm-lich mit Versorgungsleistungen charakterisiert wird, zuge-ordnet werden können.

Um dieser Vielgestaltigkeit auf den Grund zu gehen, wirdsich zunächst den verschiedenen Fassetten eines Leitbildes ge-widmet, um sodann beispielhaft Leitbilder in der „Hauswirt-schaft“ in den Fokus zu nehmen. Dabei stellen sich viele Fra-gen, die der Beantwortung bedürfen. Anregungen werdenabschließend gegeben, verbunden mit der Aufforderung desWeiterdenkens im Sinne des Nutzens von Leitbildern.

Leitbilder – eine Charakterisierung

Im „Leitbild“ als zusammengesetztem Wort stecken „Leiten“und „Bild“. Leiten bedeutet Führen, an der Spitze stehen,aber auch „den Verlauf bestimmen“ und „in eine bestimmteRichtung lenken (Pfeiffer 1999, S. 790). Dazu gehören dieSubstantivbildungen „Leitung“ und „Leiter/in“, die anleiten,einleiten und geleiten. Leitartikel, Leitfaden und Leitsternsind dann Wortzusammensetzungen wie das Leitbild, die oftGemeinsames aufweisen. Das Bild ist wiederum ein „demAuge sich darbietender Anblick“ oder eine „nur in der Vor-

Leitbilder in der Hauswirtschaft –

Bedeutung und NutzenBarbara Fegebank

Die Auseinandersetzung mit Leitbildern in der Hauswirtschaft ist spannend, gibt es doch zahlreiche Ansatzpunkte fürLeitbilder zu dem, was Hauswirtschaft ausmacht. Leitbilder sind bereits existent und sollen in ihrer Bedeutung beispielhaftdargestellt und ebenso einer kritischen Betrachtung unterzogen werden. Dabei stellen sich viele Fragen, derenBeantwortung zum Teil offen bleibt, um die weitere Diskussion anzuregen.

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BARBARA FEGEBANK

Leading models in home economics –

meaning and needsConcerning oneself with leading models in home economics is exiting; there

are many starting points while studying leading models in home economics

and other connections. Leading models already exist, the article discusses the

meanings of some examples, describes them and refects them cirically.

Therewith many questions arise which should stimulate further discussions.

Page 13: 1/ HAUSWIRTSCHAFT W - haushalt-wissenschaft.de · formen diese Elemente ein Leitbild für die Hauswirtschaft und haushaltswissen- ... wird die Berufsbildung in der Hauswirtschaft

stellung wahrgenommene Erscheinung“ (vgl. ebenda, S. 136).In Letzterem ist der Ansatz für ein Leitbild zu sehen, mit demsich jüngst verschiedenste Forscher beschäftigten.

Dabei ist Ausgangspunkt etwas „Anzustrebendes“, sodasssich Leitbild von Vision, Wunschbild und Ideal, welche schonimmer auch Pädagogik, Politik, Ökonomik und Ethik be-stimmten, unterscheidet. Allerdings können derartige „Vor-stellungen“ zum Fundament eines Leitbildes werden.

Leitbilder sind in der Regel verschriftet und geben Aus-kunft über eine gewollte Entwicklung oder Veränderung derRealität. Dabei werden Identitäten, ein Selbstverständnisund/oder Grundprinzipien angestrebt, für die Ziele formuliertwerden.

Leitbilder können einerseits den gegenwärtigen Zustand ei-nes Verhaltens beschreiben, andererseits dienen sie auch zurBeschreibung eines erwünschten oder als realisierbar einge-schätzten Zustandes in der Zukunft (vgl. BDI 2014, S. 19). DieEntwicklung eines Leitbildes steht somit im Spannungsfeldvon Altem und Neuem, indem Bewährtes zu erhalten ist undvorhandene Defizite abzubauen sind.

Zur Spezifizierung und damit Formulierung von Leitbil-dern werden einerseits Funktionen, die sie erfüllen, anderer-seits Merkmale, die ihnen zugeordnet sind, herangezogen.

Nach der Socius Organisationsberatung lassen sich fol-gende Funktionen eines Leitbildes ausmachen:■ Orientierungsfunktion ■ Integrationsfunktion ■ Entscheidungsfunktion■ Koordinationsfunktion■ Kompassfunktion

Mit der Orientierungsfunktion ist die Frage zu klären, fürwas das Leitbild stehen soll; daraus ergibt sich die Integrati-onsfunktion zur Identität bzw. zum Selbstverständnis derje-nigen, die dieses Leitbild prägen und ihm folgen wollen. Dar-aus resultieren wiederum vielfältige Entscheidungen undKommunikation (intern und extern), welche zur Koordinati-onskultur führen sollen. Schließlich ist immer wieder dieFrage zu klären, wo man (der Einzelne, die Organisation, dasProgramm, die Wissenschaft) steht; es ist mit der Kompass-funktion zu eruieren.

Merkmale von Leitbildern sind nach Schwan (2009, S. 54)folgendermaßen dargelegt:■ Leibilder haben einen richtungsweisenden und handlungs-leitenden Charakter;■ Leitbilder sind flexible Gebilde mit dynamischen Zielvor-stellungen;■ Leitbilder dienen damit als Orientierung und ■ sie tragen somit zur Komplexitätsreduktion und zur Struk-turierung von Aktivitäten in einzelnen Handlungsfeldern bei.

„Gleichwohl ist der Begriff „Leitbild“ durch eine nicht ein-heitliche Verwendung und seinen Gebrauch in unterschiedli-chen Kontexten unscharf“ (vgl. Däumling 1960; Brachfeld1980 zitiert in BDI 2014, S. 19). Der Begriff des Leitbildeswird in gesellschafts- und wirtschaftspolitischen sowie wis-senschaftlichen Auseinandersetzungen, aber auch bei juristi-

schen Fragestellungen in jeweils eigenen Zusammenhängenverwendet. Die Festlegung auf ein bestimmtes Leitbild hat fürdie Diskussion dennoch eine nicht unerhebliche Relevanz. Jenachdem, welche Position eingenommen wird, hat sie unmit-telbare Wirkung auf das Maß sowie die Art und Weise vonMaßnahmen in den unterschiedlichen Kontexten (vgl. BDI,ebenda).

Am Beispiel von „Verbraucherleitbildern“ und „Leitbil-dern für die Ernährung“ – beides sog. Arbeitsfelder für Leit-bilder in der Hauswirtschaft – soll dies verdeutlicht werden.

Leitbilder in ausgewählten Arbeitsfeldern

der Hauswirtschaft – Verbraucherleitbilder

Wie ausführlich dargelegt wurde (vgl. Fegebank 2016b) stehtder Verbraucher bei Politik, Wissenschaft und Bildung seit den1950er-Jahren im Fokus. Da alle Menschen Verbraucher, abernicht nur Verbraucher sind, und damit eher von der Verbrau-cherrolle, auf die zahlreiche Erwartungen gerichtet sind, ge-sprochen wird, ergeben sich aus den Erwartungen vielfältigeLeitbilder.

Besonders in der Verbraucherpolitik und der Verbrau-cherbildung, beides normenorientierte Bereiche, wurden Leit-bilder für das Verbraucherverhalten formuliert. Vom Homo oe-conomicus über Konsumentensouveränität und Konsumfreiheitzum mündigen Verbraucher und schließlich zum Homo oe-cologicus, für den wiederum in späteren Spezifizierungen dieNachhaltigkeit und der ökointelligente Konsum leitend wur-den, findet sich in der Zeitgeschichte ein wechselndes Leitbildfür den Verbraucher.

Die Begründung „alles verändert sich“ reicht für eine Er-klärung der doch sehr unterschiedlich geprägten Leitbilder hiernicht aus. Es lässt sich aus den Leitbildern eine je spezifischeDominanz im (gesellschaftlichen) Denken ausmachen. So hatnach dem zweiten Weltkrieg eine Dominanz des ökonomi-schen Denkens eingesetzt, was auch die Sprache verdeutlicht.Manche sprechen gar von „Ökonomisierung“, wobei ökono-mische Überlegungen in Segmente eindringen, die zuvor z. B.eher von sozialen und/oder ethischen Überlegungen geprägtwaren und wo Emotionen vielfach das Handeln bestimmen.Auch die Quantifizierung – alles in Zahlen auszudrücken – hatsich als Bewertung in vielen Bereichen durchgesetzt. So„punktet“ eine Universität mit der Zahl der Studierenden undmit der Höhe der Drittmitteleinwerbungen, die Qualität vonLehre und Forschung gerät dabei in den Hintergrund. DieseUmorientierung hat in der Medizin eine Änderung der Ziel-perspektive bewirkt, und zwar vom Ziel der Heilung auf dasZiel der Erbringung abrechnungsfähiger Leistungen. Mit demAusweis derartiger Werte steigt vermeintlich das Image vonOrganisationen, Institutionen, ja ganzen Lebensbereichen.

Zurück zum Verbraucher. Auch er ist ein Teil des markt-wirtschaftlichen Denkens, wobei er den Marktmechanismenzu folgen hat. Der Verbraucher steht dem Anbieter gegenüberund hat – sollen die Menschen ihre Arbeitsplätze nicht ver-lieren – die Angebote zu kaufen. So einfach sind aber die

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LEITBILDER IN DER HAUSWIRTSCHAFT

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Marktmechanismen nicht darzustellen, zumal im Laufe derZeit aus der Mangelwirtschaft eine Überflussgesellschaftwurde und wir längs „Dinge kaufen, die wir nicht brauchen,mit dem Geld, das wir nicht haben, um denen zu imponieren,die wir nicht mögen“ (Ernest Dichter auf eine Tagung inOberstdorf, Mitte der 1970er-Jahre). Seither stellt sich dieFrage nach dem Nutzen der Güter, der nicht quantitativ mess-bar und individuell verschieden ist. Weitere Fragen kamenhinzu, als die „Umweltschützer“ in die Öffentlichkeit traten.Waren die Verbraucherleitbilder zuvor noch am marktwirt-schaftlichen Denken orientiert und bestimmt durch den Wirt-schaftsaufschwung nach dem 2. Weltkrieg, wo Entbehrungenu. a. zu einer „Fresswelle“ und dann „Urlaubswelle“ führten,sollte nun (seit etwa den 1980er-Jahren) ein Umdenken imKonsumverhalten erfolgen.

Dass dies im Wesentlichen durch die Politik, insbesonderedie Bildungspolitik forciert wurde, ist verständlich, denn –auch wenn sich ein „Umweltdenken“ ebenso in den Unter-nehmen verbreitet – manchmal aber nur durch gesetzlichen„Zwang“ – ist doch der Wunschverbraucher der Unternehmender kauffreudige Konsument, der Meinungsführer – heute In-fluencer – in Sachen Mode und Trends und auch der, der heuteschon das kauft, was er morgen erst bezahlen kann, denn da-von leben auch die Banken.

So folgen Unternehmen eigenen Leitbildern, stimmen sichaber dennoch auf die Leitbilder der Verbraucher ein, indem siez. B. mit Umweltverträglichkeit, Energieersparnis u. Ä. ihreProdukte bewerben. So kann sich der Käufer/die Käuferindann beim Erwerb und Ge- bzw. Verbrauch eines solchen Pro-duktes als Homo oecologicus „fühlen“!

Ohne auf die einzelnen genannten Leitbilder im Detail ein-zugehen – das ist an anderen Stellen erfolgt – zeigt sich deut-lich, dass ein Leitbild interessengebunden formuliert wird, mit-hin keinen Anspruch auf Allgemeingültigkeit erheben kann.Da stellt sich die Frage, für wen Leitbilder ihre Funktio-

nen erfüllen, wem sie einen Nutzen bringen.

Leitbilder in ausgewählten Arbeitsfeldern

der Hauswirtschaft – Ernährungsleitbilder

„Ernährung“ ist einerseits eine eigene Funktion des Haus-halts, andererseits ist sie auch Teil der Güterbeschaffung,wenn es um die Nahrungsgüter/Lebensmittel geht. Hier gibtes spezifische Konsumleitbilder aber auch Leitbilder, die die„Ernährung“ (im Sinne von Essen und Trinken), das „Ernäh-rungsverhalten“ betreffen. Ein wesentliches Merkmal dabei istdie Gesundheit, die als physisches, psychisches und sozialesWohlbefinden gilt. So verlautet von der Rainer Wild Stiftung:■ Es ist nicht nur wichtig, was wir essen, sondern auch wann,wo, wie, warum und mit wem.

Die „Gesunde Ernährung als Lebensprinzip“ und damitauch Leitbild, wurde durch Leitgedanken, die schließlich dasLeitbild ausmachen spezifiziert (vgl. http://www.gesunde-er-naehrung.org/index.php/die-stiftung/unsere-ziele/2-die-stif-tung/unsere-ziele/31-leitgedanken, entnommen 02.10.2016):

Die Ernährung im Alltag als Teil eines gesundheitsbewusstenLebensstils anzusehen und Verantwortung für sich und seineUmwelt zu übernehmen – das kann Ziel eines jeden werden.Dabei geht es nicht darum, strenge Regeln einzuhalten undVerzicht zu üben. Es ist wichtig, ein gesundes Mittelmaß zufinden und das Bewusstsein für die eigene Ernährung zu stär-ken – dann kann gesunde Ernährung zu einem umsetzbaren,genussfreundlichen Lebensprinzip werden:■ Gesunde Ernährung gibt uns alles, was wir brauchen.■ Gesunde Ernährung basiert auf wissenschaftlichen Er-kenntnissen.■ Gesunde Ernährung ist präventiv.■ Gesunde Ernährung ist einfach umzusetzen und praxisnah.■ Jeder hat das Recht auf Ernährungsinformation und Ernäh-rungsbildung.■ Gesunde Ernährung erfordert gegenseitiges Verständnis.■ Essen ist mehr als Ernährung.■ Gesunde Ernährung erfordert den bewussten Umgang mitunserer Esskultur.■ Verantwortungsbewusster Umgang mit Ernährung ist nach-haltig.

Ob und in welchem Maße Leitbilder erfolgreich sind, istin Theorie und Praxis umstritten. Dabei kann sich die Kritikgegen einzelne oder die Inhalte des Leitbildes richten, oderaber das Leitbild wird generell kritisiert als Ansammlung vonAllgemeinplätzen, die keine Orientierung bieten. Die hierwiedergegebenen Leitgedanken der Ernährung sind ein Bei-spiel dafür. Hinzu kommt, dass hier eine Aussage „Essen istmehr als Ernährung“ nicht schlüssig ist. Es ist umgekehrt, dennErnährung ist nicht nur Essen und Trinken, sondern umfasstdie Welternährung, die Ernährungsindustrie, das Ernäh-rungsgewerbe, Ernährungsberufe usw.!

„Gesunde Ernährung“, die auch ein Ziel der Ernährungs-bildung ist, wird zwar angestrebt, aber nicht von jedem undnicht bis in die letzte Konsequenz. Das Leben scheint eingroßes Paradoxon zu sein: da sind die Erkenntnisse einer ge-sunden Ernährung, die kaum noch etwas offen lassen, und den-noch wird selbst in den reichen Industrienationen – wo einergesunden Ernährung nichts im Wege stehen sollte – die Feh-lernährung immer gravierender.

Es sind – so kann man schlussfolgern – nicht so sehr diewissenschaftlichen Erkenntnisse, die ein Leitbild bestimmen,sondern das reale menschliche Verhalten. So ist in der Fach-zeitschrift DLG Lebensmittel unter dem Thema „Genuss derZukunft“ (2016, S. 12) zu lesen: „Wer wen inspiriert, hatsich innerhalb von wenigen Generationen komplett gedreht.Bis in die 60er Jahre war es üblich, dass die junge Generationvon den Alten lernte. Die Generation der 70er Jahre war sicheinig, dass alles abzulehnen war, was die ältere Generation gutfand – somit auch das Essen. Aktuell ist es die junge Genera-tion, die für sich neue Genüsse insbesondere in Sachen Essenund Trinken entdeckt. Die seniore Generation lässt sich davonnicht nur gerne anstecken, sondern bereitet sich teilweise mitBegeisterung – z. B. in Sachen gesunde Ernährung – auf dienoch kommenden Jahre vor.“

14 HuW 1/2017

BARBARA FEGEBANK

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Das führt wiederum zu den Fragen: Wozu braucht man

Leitbilder? Und: Können Leitbilder etwas verändern?

Leitbilder in der Hauswirtschaft – Erfüllung

hauswirtschaftlicher Aufgaben

Wie erwähnt ist „Hauswirtschaft“ vielfältig auszulegen, ins-besondere auch durch die hauswirtschaftlichen Tätigkeiten, diein zahlreichen Berufen manifest sind, und durch die Institu-tionen, die Dienstleistungen im Bereich der Hauswirtschaft –ehrenamtlich und professionell – erbringen/anbieten.

Dass „Hauswirtschaft“ noch immer ein schlechtes Imagehat, begründet sich darin, dass häufig das Selbstverständnisdurch Leitgedanken oder gar Leitbilder (hier fehlt gelegentlichdie Trennschärfe) thematisiert wird. In der Selbstdarstellungder „Hauswirtschaft“ sind sich die Experten im Wesentlicheneinig, die Beurteilung „von außen“ und damit die Fremddar-stellung sieht anders aus.

Entscheidend für ein Bekennen zur Hauswirtschaft und einAnerkennen der Hauswirtschaft scheint somit die Auseinan-dersetzung mit seinem Image zu sein, das sich zwischen tra-ditioneller Bindung und Fortschrittsgläubigkeit bewegt. Vie-les ist dazu bereits gesagt worden.

In Fachkreisen ist man sich des Stellenwertes der Haus-wirtschaft, der privaten und beruflichen Leistungen im Haus-halt und für den Haushalt in unserer Gesellschaft und deren Be-deutung in Bildung, Ausbildung und Forschung durchaus be-wusst; längst hat man sich von der Vorstellung „Hauswirtschaftsei Kochen, Putzen, Waschen“ gelöst. Hauswirtschaft entwickeltsich zum zukunftsorientierten Dienstleistungsbereich, heißt esbereits sinngemäß im aid-Heft zum Thema „Qualifiziert undmit Profil in die Zukunft“ (Nr. 1273, 1996, S. 6).

Auch Hatto Käfer von der Europäischen Kommission be-tonte 1996 auf der Europäischen Tagung des IVHW in Wien,dass es sich bei der Hauswirtschaft um■ gesellschaftlich unverzichtbare Leistungen handelt, die■ im Kontext langfristiger, emotional verpflichtender Bezie-hungen entstehen und■ unbezahlt sind bzw. in keinem nachvollziehbaren Leistungs-/Entgelt-Verhältnis entlohnt werden (S. 28).

Hauswirtschaft ist damit nach wie vor in der Position, ge-gen Vorurteile kämpfen, ihre Existenz rechtfertigen und ihrenWert hervorheben zu müssen.

Umfragen beweisen noch heute, dass das Klischee derreinen Verrichtungsorientierung (Kochen, Putzen ...) vor-herrscht, dass man der Meinung ist, naturwissenschaftlicheund ökonomische Erkenntnisse seien als Basis haushälteri-schen Handelns nicht erforderlich und betreuerische und pfle-gerische Aufgaben sind den Frauen, deren natürlicher Wir-kungskreis der Haushalt ist, eben von Natur aus gegeben. Daraus resultieren immer wieder die gleichen Ziele und Emp-fehlungen:■ Eine erhöhte Wertschätzung der Hausarbeit/Hauswirtschaftmuss angestrebt werden.

■ Eine Entlohnung der Hausarbeit muss erfolgen.■ Die geschlechtsspezifische Diskriminierung muss abgebautwerden.

Der Internationale Verband für Hauswirtschaft e.V.(IVHW) ist die einzige weltweite Organisation, die sich mitFragen der Haushaltsführung und Verbraucherfragen be-schäftigt. Er hat sich der Vermittlung hauswirtschaftlicherBildung verpflichtet, um einen nachhaltigen Lebensstil und einausreichendes Auskommen zu realisieren.

Zum Welttag der Hauswirtschaft am 21. März 2012 wurdein einer Pressemitteilung des IVHW dann die „Gestaltungs-kompetenz durch Hauswirtschaft“ hervorgehoben:

„Familien und Haushalte sind grundlegende Akteure derZivilgesellschaften und Volkswirtschaften. Sie sind vor allemverantwortlich für das Ressourcenmanagement und den nach-haltigen Konsum auf Haushaltsebene.

Hauswirtschaftliche Bildung konzentriert sich nicht nur aufdas eigene Heim oder den Haushalt, sondern bezieht das Le-bensumfeld mit ein. Aus der Sicht der Hauswirtschaft habendie Leistungsfähigkeit, die Entscheidungen und Prioritäten vonIndividuen und Familien Auswirkungen auf alle gesellschaft-lichen Ebenen, vom Haushalt über die lokale Ebene bis zurglobalen Gemeinschaft.

Hauswirtschaft als Unterrichtsfach benötigt angemesseneRahmenbedingungen für Inhalte einer Bildung für nachhaltigeEntwicklung. Diese Kombination von Hauswirtschaft undnachhaltiger Entwicklung bietet sowohl im Bereich Schule, alsauch in der Erwachsenenbildung und anderen Ausbildungs-programmen vielfältige Gestaltungsmöglichkeiten.

Kultur, Werte und Traditionen bestimmen die Entschei-dungen von Familien und Haushalten sowohl in entwickelten,als auch sich entwickelnden Ländern. Überall auf der Welt istein neues Bewusstsein hinsichtlich ökologischer, wirtschaft-licher und sozialer Herausforderungen notwendig. Bildungwird als wichtigste Voraussetzung für Familien und Haushaltegesehen, um ihr Leben zu verbessern. Für die Gesellschaftenist Bildung wichtig, um die Ziele der UN-Millenniumskam-pagne zu erreichen.

Hauswirtschaftliche Bildung befähigt Familien und Haus-halte:■ Armut und Hunger zu überwinden;■ durch einen nachhaltigen Lebensstil eine nachhaltige Le-bensgrundlage zu schaffen;■ einen Beitrag, zur nachhaltigen Entwicklung von Gesell-schaften zu leisten und■ achtsam als verantwortungsbewusste Bürger zu handeln“(IVHW 2012).

Haushälterisches Handeln kann so nicht ohne Bildung ge-sehen werden, und das nicht nur im Privatbereich, sondernauch im beruflichen Bereich. Hier wurden Leitbilder in Lehr-plänen zur Ausbildung von Hauswirtschaftern/Hauswirt-schafterinnen manifest und in Institutionen, die hauswirt-schaftliche Leistungen anbieten. Aber auch eine aktiveGruppe, „die Bundesarbeitsgemeinschaft Hauswirtschaft unddie Deutsche Gesellschaft für Hauswirtschaft“, hat sich in-

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LEITBILDER IN DER HAUSWIRTSCHAFT

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tensiv mit der Weiterentwicklung und Zukunftssicherung derHauswirtschaft auseinandergesetzt.

Einerseits kommen die Verbände in einer grundlegendenÜberprüfung zu dem Schluss, dass das aktuelle Berufsbild derHauswirtschafter/in, wie es in der Verordnung abgebildet ist,den Anforderungen in den hauswirtschaftlichen Einsatzge-bieten entspricht. Abgebildet in der Systematik des Deut-schen Qualifikationsrahmens (DQR) lässt sich das Profil einereigenständig arbeitenden Fachkraft darstellen (vgl. Bundes-arbeitsgemeinschaft Hauswirtschaft und Deutsche Gesell-schaft für Hauswirtschaft 2012). Andererseits wird in dem Pa-pier der Arbeitsgruppe auch auf Problemlagen hingewiesen,so dass weitere Aktivitäten folgen. In einem Strategiepapiervon 2015 wird so hervorgehoben:

„Eine wichtige Grundlage für die aktuellen Herausforde-rungen sind hauswirtschaftliche Berufe, die für die Erwerbs-tätigkeit in den sich entwickelnden Unternehmensbereichenbefähigen und so dazu beitragen, dass sich professionelleDienstleistungsstrukturen entwickeln können. Sowohl auf derausführenden Ebene als auch auf Leitungsebene sind passge-naue Qualifikationen unverzichtbar (vgl. StrategiegruppeHauswirtschafter/in der Bundesarbeitsgemeinschaft Haus-wirtschaft (BAG-HW) und der Deutschen Gesellschaft fürHauswirtschaft e.V. (dgh), www.dghev.de, Stand: 09.03.2015)

In den Lehrplänen zur Erstausbildung in der Hauswirt-schaft sind – wie erwähnt – die vielfältigen Anforderungen, diedas berufliche Leitbild ausmachen, dargelegt. Anders ist dasVorgehen in der Fort- und Weiterbildung.

Mit einem Motto versehen und durch eine Ansammlungvon Allgemeinplätzen wird in das Curriculum „Haushaltsbe-zogene Dienstleistungen“ (Hrsg.: dgh e. V. 2013) eingeführt:

Haushaltswissen schafft ZukunftDienstleistungsqualität sichern – Kundenzufriedenheit

steigern – Berufsperspektiven eröffnen.Dies war leitend für die Erarbeitung des Curriculums, das

u. a. Folgendes ausweist:„Haushaltsbezogene Dienstleistungen unterstützen private

Haushalte individuell in ihren Betreuungs- und Versorgungs-aufgaben. Diese Dienstleistungen stehen dabei im Schnitt-punkt unterschiedlicher Ziele: ■ Haushaltsbezogene Dienstleistungen erleichtern die Ver-einbarkeit von Erwerbstätigkeit und Familienarbeit/Sorgear-beit und ermöglichen damit Frauen und Männern den Wie-dereinstieg in das Erwerbsleben nach der Familiengründungoder anderen Unterbrechungsphasen. ■ Haushaltsbezogene Dienstleistungen tragen dazu bei, dassMenschen mit eingeschränkten Alltagskompetenzen die Ver-sorgungsaufgaben in der eigenen Häuslichkeit selbständigwahrnehmen können. ■ Haushaltsbezogene Dienstleistungen bieten Arbeitsfelderund damit Erwerbsmöglichkeiten für Wiedereinsteigerinnen indie Berufstätigkeit nach der Familienphase oder anderen Un-terbrechungen, wie z. B. Krankheit oder Arbeitslosigkeit“.

Solche Dienstleistungen werden in der Regel nicht indi-viduell, sondern über Institutionen angeboten, deren Leitbil-

der dann selbstverständlich das „fachspezifische“ Dienstlei-stungsangebot mit seinem spezifischen Profil ergänzen.

Beispielhaft sei hierzu das Leitbild der AWO herangezo-gen:

Wir verfolgen ein humanistisches Menschenbild.Wertschätzung, Selbstbestimmung und die persönlichenFähigkeiten der Bewohner stehen im Vordergrund desHandelns. Wir achten ihre Würde und sorgen für dieEinhaltung der Grundrechte.

Diese Aussagen werden dann durch Ziele der Organisationkonkretisiert, denn klar gegliederte Zielvorstellungen sind –gerade bei einem Unternehmen oder einer Institution – auchLeitbilder.

Die zuvor gestellten Fragen lassen sich auch hier stellenund ergänzen: Sind Leitbilder klare Versprechen, aus

Chancen Tatsachen zu machen?

Leitbilder in der Hauswirtschaft – Arbeitsplatz

Haushalt

Die Feststellungen „Hausarbeit ist Frauenarbeit“ und „Haus-arbeit ist nicht-entlohnte Arbeit“ haben zu vielen wissen-schaftlichen Auseinandersetzungen geführt und manche öf-fentliche Diskussion bestimmt. Im Zeitalter der Globalisierungwird die Arbeit im Privathaushalt unter einer neuen Perspek-tive betrachtet, und zwar durch die „neuen Dienstmädchen“,die vom Weltmarkt in die deutschen Privathaushalte kommen(vgl. Lutz 2008). „Es geht um die zunehmende Zahl vonHaushalts- und Putzhilfen, Kinderbetreuerinnen und Pflege-kräften, die im modernen Haushalt Versorgungs- und Pflege-leistungen übernehmen. Viele der Frauen (und einige Männer),die diese Tätigkeiten in Deutschland ausführen sind Migran-tinnen aus Osteuropa, Asien, Afrika und Lateinamerika“ (Lutz2008, S. 9). Sie verrichten alle Tätigkeiten wie die ehemaligenDienstmädchen, wenn sie sich auch von ihnen unterscheiden.Insbesondere begleiten die Arbeit Probleme der Integrationoder gar Inklusion, der Selbst- und Fremdwahrnehmung sowieder Kommunikations- und Beziehungsstrukturen. Mit Blickauf ein Leitbild ist die Arbeitsidentität von Bedeutung, dieLutz mit den Fragen verbindet: „Können die Arbeitnehme-rInnen die von ihnen verrichtete Haushaltsarbeit als Quelle ei-ner positiven Arbeitsidentität begreifen? Wie integrieren dieseMigrantInnen, die in der Regel gut ausgebildet sind und in ih-rem Herkunftsland über Berufserfahrung verfügen, diese neueTätigkeit in ihrer Lebensgeschichte?“ (ebenda, S. 10). Die Stu-die versucht die Fragen zu beantworten und die neue Situationin Privathaushalten aufzuschlüsseln.

Die Gewerkschaften, die ihre Identität aus der Interessen-vertretung der Arbeit gewinnen, sind mit der Debatte um dieFrauenarbeit schon länger in die Kritik geraten und befindensich seit der „Krise der Arbeit“ selbst in einer Identitätskrise.„Die Arbeit – früher Medium der gesellschaftlichen Integra-tion und sozialen Kohäsion, der Beteiligung und der Teilhabealler an Fortschritt und Reichtum – verwandelt sich in ein Me-dium sozialer Spaltung und gesellschaftlicher Dissoziation.

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BARBARA FEGEBANK

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Das ‚Interesse von Arbeit‘ … fällt auseinander in die Belangederjenigen, die Arbeit haben, und derjenigen, die daran nichtmehr oder nur noch sporadisch und/oder unter prekären Be-dingungen teilhaben“ (Kurz-Scherf 1994, S. 426). Besondersdie Frauenarbeit wurde und wird in der Wirtschaft und den Ge-werkschaften noch immer nicht gewürdigt, sodass nun jüngstpolitische Maßnahmen eingeleitet werden. Neue Leitbilder ste-hen nicht an, aber vielleicht eine eigene Interessenvertretungder Frauen, die schon 1994 von Kurz-Scherf angesprochenwurde.

Ein anderer Zugang zu einem neuen Leitbild Arbeit wurde– auch schon vor 20 Jahren (!) – in einem bildungshistorischenKommentar zu den Forderungen der Kommission für Zu-kunftsfragen der Freistaaten Bayern und Sachsen gewählt.Da heißt es: „Leitbild ist nicht mehr der erwerbstätige, sondernder tätige Mensch“ (Zymek 1997). Ausgehend von einer wirt-schaftlichen und gesellschaftlichen Erneuerung und der Re-aktion auf die Bedeutungsminderung von Erwerbsarbeit, for-dert die Kommission in zwei Leitsätzen: ■ „Zur Weckung unternehmerischer Kräfte müssen vorrangigindividuelle Sicht- und Verhaltensweisen sowie kollektiveLeitbilder in den Bereichen von Erwerbsarbeit und Daseins-vorsorge verändert werden. Zur Zeit dominieren hier noch dieVorgaben einer arbeitnehmerzentrierten Industriegesellschaft.Sie müssen ersetzt werden durch Vorgaben einer Gesellschaft,in der der einzelne ein höheres Maß an Eigenverantwortungauch für seine Erwerbsarbeit und Daseinsvorsorge übernimmtund deren wichtigster Produktionsfaktor Wissen ist: Vorgabeneiner unternehmerischen Wissensgesellschaft“.■ „Die Bevölkerung muß gemäß den Lebens- und Wirt-schaftsbedingungen dieser unternehmerischen Wissensge-sellschaft qualifiziert werden. Das setzt nachhaltige Verän-derungen der Schul- und Hochschul- sowie der beruflichenBildung voraus. Bildungsziel sind nicht länger möglichst per-fekte Kopisten vorgegebener Blaupausen, sondern unterneh-merisch handelnde Menschen".

Auch hier wird wieder die „Bildung“ in die Pflicht ge-nommen und die geschlechtsspezifische Arbeit und die nicht-entlohnte, ehrenamtliche Tätigkeit werden hier allerdingsdenn doch nicht explizit gewürdigt, so dass die Frage nach

dem Leitbild Arbeit zunächst eine offene ist und bleibt.

Leitbilder in der Hauswirtschaft –

Kritik und Anregungen

Die Auseinandersetzung mit Leitbildern in der Hauswirtschaftwirft viele Fragen auf, denen sich die Community in Diskus-sionen und Vertiefungen zu widmen hat. Dabei ist auch die –schon hier und da angesprochene – Kritik, die bereits ebenfallsin vielfältigen Schriften zu finden ist, zu berücksichtigen. Ei-nige Äußerungen hierzu sollen diesen Beitrag, der zum Nach-und Weiterdenken anregen soll, abrunden.

Am häufigsten sind „Unternehmensleitbilder“ (das be-trifft auch Institutionen und Einrichtungen) in der Kritik, auchin der Selbstkritik. So ist es z. B. umstritten, ob die Entwick-

lung eines Leitbildes tatsächlich Ausgangspunkt von positivenVeränderungen in einer Organisation sein kann. In Leitbildernwerde oft mit viel Aufwand ein Idealbild beschrieben, das we-nig mit der Realität gemein hat und es wird keine Antwort dar-auf gegeben, wie dieses Idealbild zur Realität wird. EinenSchritt weiter geht die Feststellung „Weshalb Leitbilder nichtsverändern“ durch Berner und Kollegen (http://www.umset-zungsberatung.de/unternehmenskultur/cultural-change.php,entnommen 29.09.2016):

„Obwohl ich als Berater viele Unternehmen von innenkenne, wüsste ich kein einziges zu nennen, in dem die Ein-führung eines Leitbilds oder von Führungsgrundsätzen einegreifbare positive Wirkung gehabt hätte. Das liegt weder an ei-nem Mangel an gutem Willen noch an groben handwerklichenFehlern. Es liegt daran, dass auch die sorgfältigste Beschrei-bung, wie man die Welt gerne hätte, nicht bewirkt, dass dieWelt so wird. Im günstigsten Fall geht der Alltag über Leit-bilder, Führungsgrundsätze etc. schlicht hinweg, im ungün-stigeren richten sie sogar Schaden an“. Das ist nicht nur ne-gativ, sondern spricht dafür, dass man den Aufwand, der in derRegel für die Erstellung der Leitbilder zu betreiben ist, besseranderen, lukrativeren Unternehmenszielen zukommen lassensollte.

Auch das Leitbild des mündigen Verbrauchers wird hin-terfragt und als Mythos oder gar Trugbild gekennzeichnet.

In einer Stellungnahme des Wissenschaftlichen BeiratsVerbraucher- und Ernährungspolitik beim Bundesministe-rium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucher wird dieFrage aufgeworfen, ob ein Mythos als Leitbild fungiert und esheißt (2012, S. 2):

„(1) Schon seit geraumer Zeit gibt es in der Verbrau-cherforschung Kritik am Modell des ‘mündigen Verbrau-chers’, wie ihn insbesondere die neoklassische Wirt-schaftswissenschaft betrachtet. Die Kritik kommt ausverschiedenen Disziplinen, sie ist mal theoretisch, mal em-pirisch begründet. Sie lässt sich grob wie folgt zusammen-fassen: Verbraucher treffen ihre Entscheidungen nicht al-leine, sie konsumieren nicht nur, sondern produzieren auch,ihre Rationalität ist häufig eingeschränkt, und nicht seltensind Normen, Gewohnheiten oder Emotionen der Anstoßfür Entscheidungen. Außerdem ist es Verbraucherinnenund Verbrauchern nur bedingt möglich, die (langfristigen)Folgen ihres Konsums in ihre Entscheidungen mit einzu-beziehen. Die abstrakte Annahme ‘souveräner Konsumen-ten’, wie sie für das Funktionieren von Märkten vorausge-setzt wird, geht häufig an der Realität vorbei.

(2) In der Wissenschaft wächst daher die Kritik an (zu)einfachen Annahmen darüber, wie sich Verbraucherinnenund Verbraucher verhalten. Als Erklärungsmodell ist der‘mündige Verbraucher’ in der Wissenschaft ins Wanken ge-raten, er wird als Mythos enttarnt, weil die Annahmen un-realistisch sind.

(3) In der Politik hingegen scheint der mündige Ver-braucher als politisches Leitbild weitgehend unverzichtbarzu sein. Als ein Leitbild im Sinne eines erstrebenswerten

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LEITBILDER IN DER HAUSWIRTSCHAFT

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Ziels ist das auch verständlich. Wer kann auch etwas an-deres wollen, als gut informierte, verantwortungsvoll han-delnde und selbstbestimmte Konsumenten?“.

Und man geht davon aus, dass es sie (die Mündigen) be-reits gibt und richtet verbraucherpolitische Maßnahmen dar-auf aus, aber die Realität sieht anders aus.

So schreibt Billen, dass der mündige Verbraucher einTrugbild ist, denn mündig ist, wer selbstbestimmt handelt.„Für diese Souveränität benötigen Verbraucher vor allem ei-nes: Informationen, die verlässlich, verständlich und umfas-send genug sind, um verantwortliche Entscheidungen zu er-möglichen. Schon an dieser Stelle erweist sich das Leitbild desmündigen Verbrauchers als Trugbild. Denn Hersteller gebenoft nur einen Bruchteil der verfügbaren Produktinformationenan Verbraucher weiter. Und selbst dabei gibt es gravierendeMängel: Laut einer Studie von Agrifood Consulting zur Le-bensmittelkennzeichnung halten 62 Prozent der Verbraucherdie Schrift der Zutatenlisten für zu klein. Nur 40 Prozent fin-den die Angaben auf Lebensmittelverpackungen verständ-lich. Und drei von vier Befragten glauben, dass die Herstellerbei den Angaben tricksen. Wie sollen Verbraucher mündigwerden, wenn sie die Angaben nicht entziffern können, nichtverstehen oder dank Pferdefleisch-Lasagne und Dioxin-Eiernbefürchten müssen, dass die Informationen falsch sind?“ (Bil-len 2013)

Leitbilder sollen der Orientierung dienen, aber woran sollman sich orientieren, wenn die Leitbilder berechtigter Kritikunterliegen und dann noch ständig wechseln, oder gar dieLeitbilder von gestern in Konkurrenz zu den Leitbildern vonheute stehen, wenn nun z. B. der Homo oecologicus gefordertwird?

Ähnlich oder noch problematischer sind Leitbilder in derBildung. Da werden z. B. in einem Entwurf der TU Dresdenzum Leitbild der Lehrer/innenbildung die Aufgaben univer-sitären Lehrens und Forschens als Teil der beruflichen Iden-tität hervorgehoben, die nun auf Diversität, Inklusion und In-terkulturalität gerichtet sind. Bildung für eine nachhaltigeEntwicklung war gestern!

Vieles, was gestern galt, ist heute in Frage gestellt. Die Er-fahrungen und Schwierigkeiten mit der eigenen komplexenGegenwart erzeugen eine erhöhte Sensibilität für historischePhänomene. Der rasche Wandel zeigt, dass Denk- und Ver-haltensweisen, die als anthropologische Konstanten galten, derVeränderung ebenso unterliegen wie die sich schneller wan-delnden Ereignisse. Auch Haushalt, Hauswirtschaft und Haus-haltswissenschaft sind davon betroffen.

Wie bereits erwähnt, gibt es in der Auseinandersetzung mitder Minderbewertung der „Hauswirtschaft“ bereits zahlreicheAnsätze und Aktivitäten, diesem Zustand zu begegnen. Dasssie nicht zum erwarteten Erfolg geführt haben, ist ihrem Denk-ansatz – sicher nicht den hier und da formulierten Leitbildern– und veränderten Lebensbedingungen geschuldet.

So betont Jantsch: Wir lernen nicht mehr, wir werden be-lehrt; wir gestalten nicht mehr unsere Umwelt, sie wird uns

von der Industrie geliefert; wir leben nicht mehr gesund, son-dern werden medizinisch versorgt; wir bestimmen nicht mehrselbst die Werte unseres Lebens, sie werden uns von Exper-ten vorgeschrieben u.s.w. Menschen, die nicht mehr auto-nome Werte schaffen können, müssen beliefert werden. Diedafür nötigen Aktivitäten verstopfen zunehmend das gesell-schaftliche System (vgl. 1988). Menschen sollen leben undnicht nur funktionieren. Es gilt die freie Entfaltung des Indi-viduums zu sichern. Das ist nicht durch Rechte und Rechts-ansprüche sowie Leitbilder zu erreichen, sondern durch dieÜbernahme von Verantwortung, besonders von haushälteri-scher und Selbst-Verantwortung; sie bedeutet schöpferischeTeilnahme an der Gestaltung der Menschenwelt. Das kann nurgeschehen, wenn Zusammenhänge begriffen werden.

Der einzuschlagende Weg muss also in Richtung einerganzheitlichen Erkenntnis laufen. Dabei gilt es die Vielfaltkonstruktiv zu nutzen, das fachlich Spezifische im Sinne ei-ner Wertschätzung hervorzuheben mit dem Anspruch, einedurch Vielfalt geprägte Realität anzuerkennen und Indivi-dualitäten gerecht zu werden.

Signifikant für die Haushaltswissenschaft wären im Um-gang mit Vielfalt der systemische Zugang zu ihren wissen-schaftlichen Gegenständen, die Transdiziplinarität und mit derPraxeologie – auf Grundlage des systemtheoretisch-ökologi-schen Denkens – die Schaffung der pädagogischen Grundlagehaushälterischer Lehr-/Lern-Prozesse und damit eines haus-wirtschaftlichen Berufsverständnisses. Daraus ergibt sich dieCorporate Identity: die Positionierung im Wissenschafts-,Lehr- sowie Wirtschafts- und Gesellschaftssystem und dieIdentität mit einem klar strukturierten, einheitlichen Selbst-verständnis (vgl. Fegebank 2016a, S. 34).

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BARBARA FEGEBANK

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images/stories/organisationsentwicklung/change_management/leit-

bild.pdf)

Prof. Dr. Dr. Barbara Fegebank

Seniorprofessorin

Technische Universität Dresden

Fakultät Erziehungswissenschaften

Institut für Berufspädagogik und Berufliche Didaktiken

D-01062 Dresden

Tel. 0049 (0)351 46334936

E-Mail: [email protected]

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LEITBILDER IN DER HAUSWIRTSCHAFT

Auf diese Frage werden viele Menschen unterschiedli-che Antworten geben. In der vorliegenden Veröf-fentlichung wird versucht, sich dem Thema mit Blick

auf die Hauswirtschaft in sozialen Einrichtungen zu nähern. Eswerden zehn Dimensionen ethischen Handelns herausgearbeitet,die für die Hauswirtschaft relevant sind.

Aus der Beachtung der Würde jedes Einzelnen lassen sichdie erarbeiteten Leitsätze herleiten. Sie führt zu den be-schriebenen Aspekten der Wertschätzung von Nutzerinnenund Nutzern und Dienstleistenden, über Möglichkeiten derWahlfreiheit, Teilhabe und Beteiligung, die die Hauswirt-schaft bietet, zu Perspektiven für Lebensqualität und Glück imAlltag durch die Einbeziehung von Alltagskompetenzen. Da-neben wird das Spannungsfeld erläutert, dass sich aus derEinhaltung von Sicherheitsvorschriften oder Gesundheitser-

wägungen ergibt. Hauswirtschaft hat viele Bezüge zum ThemaNachhaltigkeit: ökologische, ökonomische und soziale. Siedarf nicht statisch bleiben, hat sich an neuesten Erkenntnissenzu orientieren. Dazu braucht es förderliche Strukturen undqualifizierte Mitarbeitende. Nicht zuletzt ist Hauswirtschaft insozialen Einrichtungen nur vernetzt und kooperativ im inter-disziplinären Team zu denken und hat zahlreiche Kompeten-zen, um Vielfallt, Religion und Wertanschauungen zu beachten.

Der Mehrwert der vorliegenden Veröffentlichung liegtnicht darin, neue Anforderungen zu formulieren. Wenn Ethikverstanden wird als das Nachdenken über verantwortlichesHandeln, dann sollten die Leitsätze dazu anregen, über das täg-liche Tun nachzudenken. Dieses reflektierte Handeln kanndazu befähigen, Verhaltensalternativen in der Hauswirtschaft

Werteorientiertes Handeln

in der Hauswirtschaft

Fortsetzung von Seite 18

Dies ist der Titel des neuen Buchs, das die Deutsche Gesellschaft für Hauswirtschaft herausgegeben hat. Der folgende Textist der Nachdruck des Schlusskapitels, das die Frage stellt: „Worauf komme es an?“. Wir danken dem Lambertus Verlag fürdie Nachdruckgenehmigung.

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sachlich zu bewerten und dar-aus resultierende Entschei-dungen entsprechend zu be-gründen. Richtiges Handelnwird somit zu ethischem Han-deln. Hierdurch werden

Konflikte nicht vermiedenoder vermindert, es geht nichtdarum, die Spannungen zwi-schen Ökonomie und Ethikaufzuheben, sondern es gehtum einen kritischen Umgangder Hauswirtschaft mit allenBetroffenen und um gute Lö-sungen für die gesamte Ein-richtung und darüber hinaus.

Die Investition in Gesprä-che und Diskussionen imTeam darüber, wie das Tunbegründet werden kann, kannviele positive Effekte haben:■ Mitarbeitende fühlen sichernst genommen, weil sie ein-bezogen sind.■ Durch begründete Vorgabenkann die Eigenverantwort-lichkeit der Mitarbeitendengestärkt werden.■ Der Sinn einer Tätigkeitkann deutlich werden.■ Durch die ethische Diskus-sion kann mit Spannungsfel-dern (z. B. Sicherheit gegenEigenverantwortlichkeit) besser umgegangen werden, auchwenn sie nicht immer gelöst werden können.■ Führungskräfte, die im Rahmen eines Normativen Ma-nagements Methoden zur ethischen Entscheidungsfindunganwenden, können in ihren Entscheidungen gestärkt werdenund einer erhöhten Akzeptanz ihres Handelns entgegense-hen, auch und gerade weil ethische Dilemmata bleiben wer-den.

Die Inhalte dieser Veröffentlichung sollen Einzug findenin Schule, hauswirtschaftlicher Ausbildung und Hochschule.Die ethischen Leitsätze können in die Ausbildung übernom-men werden, sie sind von der Grundausbildung bis zur Hoch-schule relevant. Es werden hier nicht nur die Leitsätze sowieihre Anwendung und Umsetzung im Rahmen eines Normati-ven Management ausgeführt, sondern auch die Geschichte derWerte in der Hauswirtschaft sorgfältig zusammengefasst, umaufzuzeigen, dass das, was heute zählt, auf einem starkenFundament aufbaut, welches von Wissenschaftler/innen undPraktiker/innen geschaffen wurde.

Der Mehrwert dieser Veröffentlichung liegt auch in einerImageverbesserung der Hauswirtschaft. Es ist dargelegt, dassHauswirtschaft zum ethischen Handeln von Einrichtungen

und Diensten beitragen kannund muss. Fach- und Füh-rungskräfte sind aufgefordert,diesen Beitrag sichtbar zu ma-chen und ihre ethische Kom-petenz zu stärken sowie dieseim Team einzubringen.

Hauswirtschaft steht nichteinfach zwischen Ökonomieund Ethik und sie muss sichnicht zwischen diesen

Polen entscheiden, son-dern sie hat die Verantwor-tung, darüber nachzudenken,wo ihr Beitrag zur Ethik liegt.Es gilt wirtschaftliche und da-mit rationale Entscheidungenzu treffen. Dem Blick auf dieRessourcenknappheit und Ko-stenentwicklung ist aber eineethische Legitimation voran-zustellen. Sie ist das Para-digma, das Standards zugun-sten der Menschen und einerqualitativ hochwertigen Haus-wirtschaft, einer fachlichenAusbildung und effizientenArbeitsorganisation sowie derPersonalentwicklung und Füh-rungskräftefortbildung be-gründet. Die Hauswirtschaftdefiniert sich nicht nur durchökonomische Fragestellungen,

sondern hat sich mit diesen auf der Basis ihres Auftrags undethischen Anspruchs auseinanderzusetzen. Ihr Legitimati-onsanspruch begründet sich jenseits der Wirtschaftlichkeits-kriterien in ihrem gesellschaftlichen Auftrag zur Stabilisierungvon prekären Lebenssituationen und zum Erhalt eines le-benswerten Lebens.

Darauf kommt es an!

„Ethische Leitlinien und

Umsetzungshilfen“

... lautet der Untertitel des 200 Seiten starken Buches, dasim Februar 2017 im Lambertus-Verlag, Freiburg, erschien.Das sechsköpfige Autorenteam hat folgende „zehn Leit-sätze der Hauswirtschaft“formuliert:1 Die Würde des Menschen ist Ausgangspunkt allen

Handelns – auch in der Hauswirtschaft2 Hauswirtschaftliches Handeln ist wertschätzend3 Hauswirtschaftliches Handeln gewährleistet

Wahlfreiheit, Teilhabe und Beteiligung4 Hauswirtschaftliches Handeln fördert Lebensqualität

und Glück5 Hauswirtschaftliches Handeln unterstützt Sicherheit,

Unversehrtheit und Gesundheit6 Hauswirtschaftliches Handeln ist nachhaltig7 Hauswirtschaftliches Handeln orientiert sich an den

neuesten Erkenntnissen8 Hauswirtschaftliches Handeln braucht förderliche

Strukturen und qualifizierte Mitarbeitende9 Hauswirtschaftliches Handeln ist vernetzt und

kooperativ10 Hauswirtschaftliches Handeln respektiert Vielfalt,

Religion und Weltanschauung

In der HuW 2/2017 können Sie eine ausführliche Rezen-sion lesen.

20 HuW 1/2017

BUCH WERTEORIENTIERTES HANDELN

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Berufe mit einem definierten Profil und einem von allenAkteuren in der Berufsbildung getragenen Selbstver-ständnis verfügen über ein Leitbild, das nicht nur

Auszubildenden und beruflich Tätigen wichtige Orientierun-gen gibt. Auch für Außenstehende wie potenzielle Arbeitge-ber/innen, Arbeitsagenturen und gesetzgebende Instanzensteuert ein Leitbild die Wahrnehmung eines Berufsfeldes mitseinen Möglichkeiten und Potenzialen. Ein definiertes Leitbildkann auch Grenzen ziehen, wenn Entscheidungen darüber zutreffen sind, wo qualifizierte Fachkräfte und wann eine Fach-kraft mit Führungskompetenzen einzusetzen ist. In Zeiten, indenen hauswirtschaftliche Fragestellungen gesellschaftlich anBedeutung gewinnen und an vielen Stellen Dienstleistungs-bedarfe angezeigt werden, aus denen heraus sukzessive Ar-beitsplätze entwickelt werden, wird ein definiertes Leitbild die-se Entwicklungen lenkend mitgestalten.

Aktuell stellt sich die Frage mit hoher Dringlichkeit an vie-len Stellen: „Wie aussagekräftig und wie bekannt ist das Leit-bild, das dem beruflichen Handeln in der Hauswirtschaft hin-terlegt ist?“

Die folgenden Stichworte charakterisieren aktuelle Ent-wicklungen:■ In der Altenpflege sind jetzt Hilfen zur Unterstützung imAlltag im Pflegeversicherungsgesetz verankert. In diesemLeistungspaket sind hauswirtschaftliche Leistungen explizitbenannt.■ Im Rahmen der Wohn- und Teilhabegesetze der Länder, diefür Einrichtungen der Altenhilfe und Behindertenhilfe gelten,werden Regelungen für die Personalanforderungen in denEinrichtungen definiert. Aktuell wird das Thema Personalbe-messung mit neuen Forschungsprojekten neu ausgeleuchtet. ■ In der aktuellen Neuausrichtung der Kinder- und Jugendhilfewerden die bestehenden Konzepte und rechtlichen Möglich-

keiten analysiert, um Jugendliche auf dem Weg in die Selbst-ständigkeit zu unterstützen.

Aktuelle Beispiele

Immer dann, wenn politisch die Weichen neu gestellt werden,spielt es eine große Rolle, welche Standards zum beruflichenVerständnis gesetzt und veröffentlicht sind. In den jüngstenEntwicklungen zeigt z. B. das Wohn- und Teilhabegesetz inNordrhein-Westfalen, welche Folgen es hat, dass es kein all-gemein anerkanntes berufliches Selbstverständnis der Haus-wirtschaft gibt. Das Land hat Hauswirtschaft in Regelungenbei den personellen Anforderungen mit aufgenommen. Die imGesetz getroffenen Regelungen lassen offen, ob bei diesenNeuerungen von einer Fachkraft oder einer Leitungskraft dieRede ist.

Zur Verdeutlichung der Auszug aus § 3 Abs. 3 PersonelleAnforderungen des Wohn- und Teilhabegesetzes: „Zusätzlichmuss mindestens eine Hauswirtschaftsfachkraft vorhandensein. Darüber hinaus muss jederzeit, auch nachts und an Wo-chenenden, mindestens eine zur Leistung des konkreten Be-treuungsbedarfes der Nutzerinnen und Nutzer geeignete Fach-kraft anwesend sein. Die zuständige Behörde kann beientsprechendem Bedarf höhere Anforderungen festlegen.“(Wohn- und Teilhabegesetz 02. Oktober 2014). Um die Um-setzung zu erleichtern, wird über die Landesarbeitsgemein-schaft Hauswirtschaft in NRW e. V. jetzt ein erläuterndesGrundlagenpapier veröffentlicht, das im Zuge der missglück-ten rechtlichen Regelung erarbeitet wurde.

Ein positives Beispiel wird jetzt ganz aktuell in Baden-Württemberg die Landschaft der Angebote zur Unterstützungim Alltag prägen, wie sie durch das Pflegeversicherungsgesetzneu eingeführt wurden. Der Landesarbeitsgemeinschaft Haus-

Wie aussagekräftig ist das Leitbild

der Hauswirtschaft

für ihr berufliches Handeln?

Martina Feulner

Immer noch und immer wieder werden hauswirtschaftlichen Leistungen in der Öffentlichkeit nur mit einem kleinenAusschnitt ihres beruflichen Könnens in Verbindung gebracht. Es sind in erster Linie die handwerklichen Kenntnisse undFertigkeiten wie Kochen, Reinigen und Wäschepflegen, die gesehen werden. In der sozialen Arbeit werden Aufgaben derAlltagsgestaltung immer wichtiger. Entwickelt werden Hilfen zur Unterstützung im Alltag, Konzeptionen zurVerselbstständigung oder Verhaltensänderung in der alltäglichen Lebensführung. Mit einem erweiterten Profil undSelbstverständnis kann sich die Hauswirtschaft als Profession in diese neue Felder einbringen.

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LEITBILDER IN DER HAUSWIRTSCHAFT

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wirtschaft Baden-Württemberg e. V. ist es gelungen, in derneuen Unterstützungsangebote-Verordnung einen guten Stan-dard zur Qualifizierung der Mitarbeiter/innen einzufügen.Während fast alle Bundesländer Qualifizierungen mit einemStundenumfang von rund 40 Unterrichtseinheiten für ausrei-chend halten, hat die LAG Baden-Württemberg dafür ge-kämpft, dass ein Stundenumfang von 160 Unterrichtseinhei-ten verankert wird und eine hauswirtschaftliche LeitungskraftPflicht ist. (Unterstützungsangebote-Verordnung 09. Februar2017). Diese Beispiele zeigen wichtige Schritte, die in der po-litischen Positionierung gegangen werden. Diese Schrittekönnten beschleunigt werden, wenn insgesamt für die Haus-wirtschaft das berufliche Selbstverständnis sowie das Profilder Ausbildung klar wäre.

Wie sieht sich die Hauswirtschaft?

Zum gelebten beruflichen Selbstverständnis ein Beispiel ausmeinen Seminaren der beruflichen Bildung. Mit einer gewis-sen Regelmäßigkeit stelle ich die Frage: „Was fällt Ihnen ein,wenn Sie an Hauswirtschaft denken?“ Die Teilnehmendensind Mitarbeitende in sozialen Einrichtungen und Dienstenund haben dort in unterschiedlichen Positionen mit hauswirt-schaftlichen Dienstleistungen zu tun. Die Antworten sind im-mer wieder ähnlich: Aufgezählt werden hauswirtschaftlicheTätigkeiten wie Kochen, Reinigen und Wäschepflege inklu-sive der damit verbundenen Anforderungen. An erster Stellesteht fast immer die Hygiene, gefolgt von Kostenbewusstseinund rationellem Arbeiten. Der Blick fällt nicht auf die Be-wohner/innen, Kunden/innen und Klienten/innen, für die dieDienstleistungen erbracht werden. Mit der Frage nach derBedeutung hauswirtschaftlicher Dienstleistungen für die Nut-zer/innen oder auch der Frage nach der Wirkung beim Ge-genüber wird immer deutlich, dass diese Fragen Neuland öff-nen.

Diese Nennungen decken sich mit Beobachtungen an vie-len anderen Stellen. Diese Beobachtungen werden durch dieStudie „Hauswirtschaft als Spiegel gesellschaftlicher Her-ausforderungen. Analyse des Berufsfeldes, Profilschärfungund Neupositionierung der Professionalisierung“ bestätigt(Wiener/Winge/Zetsche 2014). Die Hauswirtschaft reduziertsich selbst auf die Haushalts- bzw. Dienstleistungsproduktionund das dazugehörige Management und wird in der Folge auchin der Außenwahrnehmung allein mit den Tätigkeiten in Ver-bindung gebracht. Das trifft für die tagtäglichen Versor-gungsaufgaben in privaten Haushalten genauso zu wie für diehauswirtschaftlichen Dienstleistungen in sozialen Einrich-tungen oder auch die Dienstleistungen, wie sie Unternehmenfür Haushalte und Einrichtungen erbringen.

Was ist in der Ausbildungsordnung verankert?

Die Vorgabe des Berufsbildungsgesetzes ist es, dass über dasAusbildungsberufsbild die beruflichen Fertigkeiten, Kennt-nisse und Fähigkeiten, die mindestens Gegenstand der Be-

rufsausbildung sind, zu definieren sind (Berufsbildungsgesetz23. Dezember 2016). Für den/die Hauswirtschafter/in werdenin der aktuellen Verordnung neben den Betriebsräumen undden hauswirtschaftlichen Versorgungs- und Betreuungslei-stungen verschiedene Punkte benannt. Sie finden sich unterden Überschriften Ausbildungsbetrieb, betriebliche Zusam-menhänge und Beziehungen sowie Arbeitsorganisation, be-triebliche Abläufe, wirtschaftliche und soziale Zusammen-hänge, mit denen Ausbildungsinhalte benannt werden, diewährend der gesamten Ausbildung zu vermitteln sind:

§ 4 Ausbildungsberufsbild1. Der Ausbildungsbetrieb, betriebliche Zusammen-

hänge und Beziehungen1.1. Aufbau und Organisation des Ausbildungsbetriebes1.2. Berufsbildung1.3. arbeits-, sozial- und tarifrechtliche Bestimmungen1.4. Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit1.5. Hygiene1.6. Umweltschutz

2. Arbeitsorganisation, betriebliche Abläufe, wirtschaftliche und soziale Zusammenhänge

2.1. Arbeitsorganisation2.2. qualitätssichernde Maßnahmen2.3. betriebliche, marktwirtschaftliche und soziale

Zusammenhänge und Beziehungen2.4. Bedarf und Ansprüche von zu versorgenden und

zu betreuenden Personen2.5. Beschaffen und Bewerten von Informationen2.6. betriebliche Geschäftsvorgänge(Verordnung über die Berufsausbildung zum Hauswirtschaf-ter/zur Hauswirtschafterin 30. September 1999)

Dieses Profil zum Ausbildungsberuf Hauswirtschafter/inmacht es Außenstehenden nicht einfach nachzuvollziehen,mit welchem Selbstverständnis Hauswirtschafter/innen in ih-rem Beruf arbeiten. Deutlich wird, dass den Themen Sicher-heit und Gesundheitsschutz, Hygiene sowie dem Umwelt-schutz eine große Bedeutung eingeräumt wird. Diese Punktestehen an erste Stelle des Ausbildungsberufsbildes noch vordem Blick auf die Ausrichtung in der Dienstleistungserbrin-gung selbst. Das sollte allen Akteuren in der hauswirtschaft-lichen Berufsbildung zu denken geben.

Der Blick über den hauswirtschaftlichen Tellerrand

In einer Gesellschaft, in der an vielen Stellen deutlich wird,dass den Aufgaben der tagtäglichen Versorgung mehr Auf-merksamkeit geschenkt werden muss, braucht die Hauswirt-schaft ein Selbstverständnis, mit dem sie als Profession Ver-bindungen zu den aktuellen gesellschaftlichen Fragestellungenherstellen kann. Notwendig dazu ist der sprichwörtliche Blicküber den Tellerrand, der den privaten Haushalt oder die sozialeEinrichtung als wichtigen Lebensraum begreift. Gleichzeitig

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MARTINA FEULNER

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sind die die Haushaltsmitglieder bzw. die Bewohner/innen ge-nauer zu betrachten, für die Leistungen erbracht werden. Undes wird die Frage wichtig, welche Bedeutung und auch wel-che Wirkungen die Leistungen bei den unterschiedlichen Nut-zergruppen haben.

Die Hauswirtschaft braucht ein erweitertes

Selbstverständnis

Die Einstiegsfrage in den Seminaren ist der Aufschlag, um dieBedeutung hauswirtschaftlicher Dienstleistungen herauszu-arbeiten, z. B. für Bewohner/innen, die in Hausgemeinschaf-ten leben, oder für Familien, die HOT©, das HaushaltsOrga-nisationsTraining, durchlaufen. Die Seminare werden vonAlltagsbegleiter/innen und HOT-Trainer/innen besucht, inderen Berufsalltag es unverzichtbar ist, im hauswirtschaftli-chen Handeln bei allen Überlegungen immer sehr genau dieMenschen in den Blick zu nehmen, auf die ihr hauswirt-schaftliches Handeln ausgerichtet ist.

In beiden Tätigkeitsfeldern, in den Hausgemeinschaftender Altenpflege und in ambulanten Hilfen zur Unterstützungvon Familien, konnten sich Ansätze entwickeln, die mit einemerweiterten hauswirtschaftlichen Selbstverständnis arbeiten.Aus meiner Sicht sind dies Tätigkeitsfelder, die die Haus-wirtschaft ihre Ansprüche deutlich machen sollte. Die Deut-

sche Gesellschaft für Hauswirtschaft e. V. ist in diesen Feldernin der Vergangenheit immer wieder als Lobbyistin aufgetre-ten und Vertreter/innen der Gesellschaft haben für diesen er-weiterten Rahmen Grundlagen erarbeitet.

Die Abbildung zeigt die verschiedenen Aspekte, die imhauswirtschaftlichen Handeln von Alltagsbegleiter/innen undHOT-Trainer/innen eine Rolle spielen.

Es sind insbesondere hauswirtschaftliche Dienstleistungen,die im direkten Bezug und in vielen Fällen unter Einbindungdes Gegenübers erbracht werden, für die deutlich zu machenist, welche Potenziale in hauswirtschaftlichen Dienstleistun-gen stecken. In pädagogischen und pflegerischen Kontextenleisten hauswirtschaftliche Dienstleistungen immer auch einenwichtige Beitrag zum Gesamtauftrag einer Einrichtung. Sietragen dazu bei, Selbstbestimmung und Teilhabe zu fördernund zu stärken. Und im gemeinsamen zielgerichteten Handelnwirken sie aktivierend und können gesundheitsunterstützendsein.

Für die aktuelle berufs- und gesellschaftspolitische Arbeitkann auf einen Baustein zurückgegriffen werden, der auf derGrundlage des oben skizzierten Selbstverständnisses und demAusbildungsberufsbild der Hauswirtschafter/in, wie es deraktuell gültigen Ausbildungsverordnung grundgelegt wurde,entwickelt wurde. Expertinnen aus verschiedenen Berufs- undFachverbänden hatten sich zur Strategiegruppe Hauswirt-

Hauswirtschaft in sozialen Einrichtungen und Diensten (Quelle: Deutsche Gesellschaft für Hauswirtschaft e. V. 2011)

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LEITBILDER IN DER HAUSWIRTSCHAFT

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schafter/in zusammengeschlossen, um Handlungsempfehlun-gen zur Zukunftssicherung der Ausbildung zu entwickeln. Indiesem Zusammenhang wurde das folgende Leitbild erarbei-tet. Das im Grundlagenpapier zur Verbleibstudie veröffentli-che Selbstverständnis wurde für diesen Artikel entsprechendder aktuellen Diskussionen in der Deutschen Gesellschaft fürHauswirtschaft e. V. aktualisiert . Die Aktualisierung betrifftden Umgang mit den Begriffen Bedürfnisse und Bedarfe. Mitder Überarbeitung wird der Stellenwert der Bedürfnissen derNutzer/innen in der hauswirtschaftlichen Bedarfsermittlungdeutlicher.

Vorschlag für ein hauswirtschaftliches Selbstverständnis: Hauswirtschafter/innen sichern die tägliche hauswirtschaft-liche Versorgung und Betreuung von einzelnen Personen oderauch Personengruppen. Sie machen Angebote zur Befriedi-gung der Grundbedürfnisse des Menschen. Sie tragen dazubei, dass eine Alltagskultur entsteht, die in der Leistungser-bringung neben fachlichen Anforderungen immer auch die Be-dürfnisse der Nutzer/innen mit einbezieht (bedürfnisorien-tierte Bedarfsermittlung).

Hauswirtschafter/innen sind durch ihre Berufsausbildungqualifiziert, die Versorgung und Betreuung im Alltag von Men-schen selbstständig personen- und situationsorientiert zu ge-stalten bzw. zu begleiten. Sie ermitteln vorhandene Alltags-kompetenzen und setzen sich für ihre Förderung ein. Sieunterstützen damit die aktive und selbstbestimmte Teilhabe inder Gesellschaft und fördernd einen gesundheitsbewussten Le-bensstil.

Im beruflichen Handeln wird die Leistungserbringung alsDienstleistungsprozess gesehen, die nach dem Modell dervollständigen Handlung bearbeitet wird.

Hauswirtschafter/innen - machen sich ein Bild von den zu betreuenden und versor-genden Personen sowie dem Anlass, in dem die Leistung zu er-bringen ist, - erfassen den erforderlichen Versorgungs- und Betreuungs-bedarf, - planen Dienstleistungen selbstständig personen- und situa-tionsorientiert unter Beachtung fachlicher Standards. Dabeibeziehen sie in Abstimmung mit den betrieblichen Gegeben-heiten die Nutzer/innen ihrer Leistungen mit ein. Sie legenWert auf Nachhaltigkeit, Sicherung der Hygiene, der Sicher-heit und des Gesundheitsschutzes bei der Arbeit und sehen diewirtschaftlichen und sozialen Zusammenhänge, in die dieDienstleistungen eingebunden sind, - führen die Dienstleistungen aus und reflektieren den Prozessund das Ergebnis.

Hauswirtschaftliche Kompetenz umfasst sowohl die haus-wirtschaftliche Versorgung verschiedener Personengruppen inden Bereichen Reinigungs- Textil- und Verpflegungs-Ma-nagement als auch die hauswirtschaftliche Betreuung vonPersonengruppen bzw. Personen mit besonderen Bedürfnissenund Bedarfen. (Strategiegruppe Hauswirtschafter/in 2015)

Ausblick

Die Frage nach den Leitbildern der Hauswirtschaft wird in ei-ner für die hauswirtschaftliche Berufsbildung spannendenZeit gestellt. Die Frage, ob die Ausbildung zur Hauswirt-schafter/in noch zeitgemäß ist, und Diskussionen um die Be-rufsbezeichnung werden in den Verbänden und auf vielenEntscheidungsebenen geführt. Dabei steht der Wille im Vor-dergrund, die Ausbildung zukunftsfähig zu machen, und alleBemühungen sind auf ein attraktives Äußeres ausgerichtet,während die Auseinandersetzung mit dem Kern eines Berufes,sein Selbstverständnis vernachlässigt wird. Es bleibt zu wün-schen, dass die in den Strukturen der dgh und der Bundesar-beitsgemeinschaft Hauswirtschaft erarbeiteten Erkenntnissezur Hauswirtschafter/in nicht in Vergessenheit geraten, son-dern jetzt im neuen politischen Organ der Hauswirtschaft,dem Deutschen Hauswirtschaftsrat, weiterentwickelt und indie berufsbildungspolitischen Prozesse eingebracht werden.Ein Selbstverständnis, das mit Stolz und Selbstbewusstseinvertreten wird, wird seinen Weg machen.

Literatur

Deutsche Gesellschaft für Hauswirtschaft (2012): Den Alltag leben! Haus-

wirtschaftliche Betreuung. Ein innovativer Weg für soziale Einrichtun-

gen und Dienste, Osnabrück

Strategiegruppe Hauswirtschafter/in der Deutschen Gesellschaft für Haus-

wirtschaft e. V. und der Bundesarbeitsgemeinschaft Hauswirtschaft

(2015): Grundlagenpapier zur „Verbleibstudie“. Handlungsempfehlun-

gen für die Berufs- und Fachverbände der Hauswirtschaft, abrufbar unter

www.dghev.de, aufgerufen am 23.02.2017

Verordnung über die Berufsausbildung zum Hauswirtschafter/zur Hauswirt-

schafterin vom 30.06.1999, abrufbar unter www.gesetze-im-netz.de, auf-

gerufen am 23.02.2017

Nordrhein-Westfalen: Wohn- und Teilhabegesetz vom 02. Oktober 2014, ab-

rufbar unter https://recht.nrw.de, aufgerufen am 23.02.2017

Baden-Württemberg: Unterstützungsangebote-Verordnung vom 09. Februar

2017. https://sozialministerium.baden-wuerttemberg.de/fileadmin/re-

dakt ion/m-sm/intern/downloads/Downloads_Pflege/UstA-

VO_2017.pdf, aufgerufen am 05.03.2017.

H wie Hauswirtschaft

Bildung und Beratung

Gerda-Weiler-Str. 10

79100 Freiburg

0761 30357

0173 3211668

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MARTINA FEULNER

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H AUSWIRTSCHAFT UND WISSENSCHAFT: Herr Wiener, derGelbe Sack – der Grüne Punkt: Jeder Haushalt hat da-mit zu tun. Aber werfen wir einen Blick zurück. Die Ein-

führung des Dualen Systems im Jahr 1990 stellte in Deutsch-land einen Paradigmenwechsel im Entsorgungsbereich dar. Wiekam es dazu und worin bestand der Paradigmenwechsel?Michael Wiener: Recycling ist eigentlich eine alte Idee:Schon in der Eisenzeit sammelten die Menschen Abfälle ausdem begehrten Metall, um es für neue Waren einzuschmelzen.Heute kennen wir diese Idee als „Urban Mining“, als dasSchürfen in der Stadt.

Alles ist Rohstoff, und in naher Zukunft soll es möglichstkeinen Abfall mehr geben. Die Gesetzgebung, national wie eu-ropäisch, treibt daher den Umbau des Wirtschaftssystemsweg von der linearen Bewirtschaftung von Ressourcen hin zueiner Kreislaufwirtschaft voran. Denn Rohstoffe wie Metalle,seltene Erden, aber auch Öl und Gas werden weltweit immerknapper und damit teurer, auch wenn die Rohstoffpreise ak-tuell eher niedrig sind. Die starke Fixierung auf fossile Roh-stoffe in Verbindung mit einer linearen Wirtschaftsweise führtzudem zu einer immer größeren Freisetzung von fossil ge-bundenem CO2 und damit zu einer Verschärfung des Klima-wandels.

Vor dem Hintergrund der globalen Herausforderungenbei den Themen Ressourceneffizienz und Klimaschutz gilt es,die vorhandenen Wertstoffpotenziale auch in Deutschlandkonsequenter zu heben. Die Getrenntsammlung von Kunst-stoffen und Metallen über gelbe Tonnen und Säcke schafft imBereich der Verbraucherabfälle – sog. Post-Consumer-Abfälle

– wichtige Voraussetzungen für das Gelingen des Aufbaus ei-ner leistungsfähigen Kreislaufwirtschaft.

HuW: Also weg von dem bis dahin üblichen „All-in-one“ inder Grauen Tonne, die wöchentlich zur Deponie oder Müll-verbrennung gefahren wurde, hin zu der Erkenntnis, dasshier durchaus Wertstoffe enthalten sind, deren Rückführung inden sogenannten Wertstoffkreislauf sich ökologisch und öko-nomisch lohnen würde. Abfälle und Reststoffe als Wertstoff-quelle. Können Sie uns bitte Zahlen nennen, die den Wert-stoffkreislauf belegen? Was passiert mit denwiedergewonnenen „Rohstoffen“? Vor allem bei den ver-schiedenen Kunststoffmaterialien war und ist die Verbrau-cherschaft skeptisch.

Entsorgungsbereich:

der Paradigmenwechsel

und seine Folgen

Elmar Schlich

Private Haushalte und hauswirtschaftliche Dienstleistungsbetriebe (Versorgungsbetriebe) haben es täglich mit denunterschiedlichsten Reststoffen zu tun, die laufend geordnet entsorgt werden müssen: Glasflaschen (Einweg- oderMehrwegflaschen), Kunststoffe unterschiedlicher Sorten, Papiere und Kartonagen, Metalle, organische Reststoffe undLebensmittelabfälle und natürlich auch sogenannte Sonderabfälle wie Medikamente, Reinigungsmittel, kontaminierteHygienemittel, verbrauchte Bedarfsgegenstände oder Batterien. Nicht nur hygienische Notwendigkeiten, sondern vor allemgesetzliche Vorgaben sowie ökologische und ökonomische Aspekte beeinflussen das Management dieser unterschiedlichstenStoffströme. Hier haben Versorgungsbetriebe eine Schnittstelle zur deutschen Entsorgungswirtschaft, die in kommunaler oderprivatwirtschaftlicher Hand organisiert sein kann. Marktführer in Deutschland ist „Der Grüne Punkt – Duales SystemDeutschland GmbH“ (DSD). Zur Entwicklung in den vergangenen 25 Jahren, zum aktuellen Stand und zu absehbarenÄnderungen im Entsorgungsbereich führte Prof. Dr. Elmar Schlich ein schriftliches Interview mit Michael Wiener, CEO DerGrüne Punkt – Duales System Deutschland.

Zur Person

Michael Wiener (geb. 1964) istseit 2006 in verschiedenenFunktionen für den GrünenPunkt tätig, seit 2015 als ChiefExecutive Officer (CEO). Wie-ner ist Diplomingenieur der Pro-duktionstechnik und war als Ge-schäftsführer für verschiedeneUnternehmen der Kreislaufwirt-schaft in Süddeutschland ver-antwortlich.

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LEITBILD NACHHALTIGKEIT

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M. W.: Mehr als 2,5 Millionen Tonnen Leichtverpackungen(LVP) aus Kunststoffen, Metallen und Verbundstoffen sam-melt das duale System Jahr für Jahr auf diese Weise ein. Dadas Gemisch fast überall in Deutschland eine fast konstanteZusammensetzung aufweist, kann es mit hoher Qualität undweitgehend automatisch in industriellen Anlagen verarbeitetwerden.

In Deutschland gibt es moderne Sortieranlagen, in denendie verschiedenen Kunststoffe, Metalle und andere Materia-lien aus den gelben Säcken und Tonnen zum großen Teil sor-tenrein voneinander getrennt werden, und das vor allem au-tomatisiert und maschinell. Große Siebtrommeln trennen dieAbfälle zunächst nach ihrer Größe – die großen Verpackun-gen würden die kleineren sonst auf dem Fließband verdecken.Danach saugt ein Windsichter, der mithilfe eines starken Ge-bläses einen Unterdruck über dem Band herstellt, leichte Fo-lien aus dem Strom.

» Rund 40 Prozent des im Gelben Sack

und in der Gelben Tonne gesammelten

Kunststoffs werden heute zu neuem Kunststoff

Der Magnetscheider trennt gezielt Eisenmetalle wie Konser-vendosen oder Kronkorken aus der Masse heraus. Rund 90Prozent der Metalle lassen sich so wiederaufbereiten. DerWirbelstromscheider induziert durch ein rotierendes Magnet-feld einen Strom in aluminiumhaltigen Verpackungen undmacht auf diese Weise das eigentlich nicht magnetische Me-tall sortierbar. So können auch Kaffeekapseln, Tuben undSchalen aus Aluminium für das Recycling gewonnen werden.

NIR-Trenner1 erkennen Getränkekartons und verschie-dene Kunststoffarten. Dazu bestrahlen sie die Artikel mit Ha-logenlicht – anhand des reflektierten Lichts einer bestimmtenWellenlänge des Nahinfrarots analysiert ein Computer, ob essich etwa um Polypropylen (PP), um Polyethylenterephthalat(PET) oder eine andere Kunststoffart handelt. Über Druck-luftdüsen wird das erkannte vom übrigen Material getrennt.Rund 40 Prozent des im Gelben Sack und in der GelbenTonne gesammelten Kunststoffs werden heute zu neuemKunststoff, zum Beispiel zu Systalen-Granulat2 .

Die Systec Plastics GmbH3 im nordrhein-westfälischenHörstel gehört zu den modernsten Anlagen im Kunststoffre-cycling. Dort werden die angelieferten Ballen zunächst aufihre Qualität kontrolliert. Prüfteams entnehmen Stichproben,um festzustellen, ob die Sortierung unseren Vorgaben ent-spricht. Spezifikationen, die vertraglich vereinbart sind, legengenau fest, welche Zusammensetzung ein Ballen sortiertenKunststoffs haben darf. Die Prüfteams des Grünen Punkts sind

nicht nur hier, sondern bundesweit im Einsatz, um die Quali-tät des sortierten Materials zu garantieren. Für einige Mate-rialien ist es in Deutschland bereits gelungen, die Wertstoff-kreisläufe fast vollständig zu schließen, etwa bei Metall, Glasund Papier.

» Die Entwicklungen im dualen System haben

mittlerweile zu erheblichen Kosteneinsparungen

und Qualitätsverbesserungen beim Recycling

geführt

HuW: Klaus Töpfer4 hat seinerzeit das Verursacherprinzip ge-gen den erbitterten Widerstand der Lebensmittelindustrie zumLeitbild im Entsorgungsbereich erhoben und damit die Ent-sorgungskosten über den Grünen Punkt den Inverkehrbringernin Rechnung gestellt. Ein Vorwurf war, dass letztendlich dieEndverbraucherinnen und Endverbraucher die Zeche zah-len. Schließlich werden doch die Kosten für die Dualen Sy-steme von der Lebensmittelindustrie an diese weitergegeben.Da DSD die Wertstoffe verkauft, sieht es so aus, als würdedoppelt bezahlt werden. Wie sieht der monetäre Kreislauf tat-sächlich aus?M. W.: Die Entwicklungen im dualen System haben mittler-weile zu erheblichen Kosteneinsparungen und Qualitätsver-besserungen beim Recycling geführt. Die jährlichen Gesamt-kosten sind von ehemals rund zwei Mrd. Euro auf inzwischenunter eine Mrd. Euro pro Jahr gesunken. Dies entspricht einerErsparnis von 50 Euro pro Jahr für eine vierköpfige Familie.Die Kosten der haushaltsnahen Verpackungssammlung unddes anschließenden Recyclings werden über die Produkt-preise letztlich vom Verbraucher getragen.

Der Verkaufserlös, den die gesammelten Materialien er-zielen, deckt zwar die Kosten für das Sammeln, Sortierenund Verwerten nicht. Die Erlöse werden aber zur Deckung derKosten verwendet und tragen dadurch mit zu den gesunkenenKosten für den einzelnen Verbraucher bei. Die Rohstoff-märkte zeichnen sich dabei durch hohe Volatilität aus. Aktu-ell liegen die Erlöse auf einem niedrigen Niveau.

Auch wenn die Kosten für das duale System auf Dauer hö-her ausfallen als die Rohstofferlöse, überwiegen doch beiWeitem die Vorteile durch Rohstoffgewinnung und Klima-schutz im Vergleich zu anderen Optionen wie etwa der Müll-verbrennung.

HuW: Eine Milchverpackung soll die Milch vor der Umweltund die Umwelt vor der Milch schützen. Ein Ziel der Verpak-kungsverordnung bestand darin, Abfälle zu vermeiden oder zu-mindest zu vermindern, ohne dass die genannten Schutzfunk-tionen leiden. Wie haben sich denn die Mengen imEntsorgungsbereich in den letzten 20 Jahren entwickelt? In-wiefern hat der Wettbewerb der Lebensmittelindustrie – aus-

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1 NIR: Nah-Infrarot.

2 Systalen: Granulat aus 100 % Post-Consumer-Rohstoffen (siehe: www.sy-stalen.de).

3 Die Systec Plastics GmbH wurde 2010 gegründet und ist ein Unternehmender DSD – Duales System Holding GmbH & Co. KG.

4 Klaus Töpfer war von 1987 bis 1994 Bundesminister für Umwelt, Natur-schutz und Reaktorsicherheit der Bundesrepublik Deutschland.

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ELMAR SCHLICH

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gelöst durch die oben genannte Einführung des Verursacher-prinzips – zu dieser Entwicklung beigetragen?M. W.: Mit der Umsetzung des Verursacherprinzips habenBereiche wie das Ressourcenmanagement, das Verpackungs-design sowie die Vermarktung und Verpackungsverwertungeine zentrale Rolle in den Unternehmen bekommen. Dieszeigt sich durch einen Verhaltenswandel bei den Inverkehr-bringern. Die Ausrichtung des Verpackungsdesigns an Aspek-ten der Abfallvermeidung, der Recyclingfähigkeit und desRessourcenverbrauchs hat im Vergleich zu 1991 stark an Be-deutung gewonnen (siehe Abb. 1).

Das zeigen auch die nachfolgenden Beispiele (Quelle:AGVU5: „Vom Abfall zum Wertstoffreservoir“, Mai 2012):■ Die Herstellung von Behälterglas beansprucht nur nochrund ein Drittel der Energie, die Anfang der 1960er-Jahrenötig war. Das hat drei Gründe: Die Branche setzt effizientereTechniken ein, hat den Materialbedarf auf ein Minimum re-duziert und verwendet Recyclingglas. Im Durchschnitt bestehteine Glasverpackung heute zu 60 Prozent aus Recyclingglas.Bei einigen Farben kann der Anteil sogar bis zu 90 Prozent be-tragen.■ Das Altpapier-Recycling ist ein Beispiel für einen nahezugeschlossenen Materialkreislauf. Aus Verpackungs-Altpapierkann wiederum Papier, Pappe oder Karton für Verpackungs-zwecke hergestellt werden. Eine Papierfaser ist sieben bisachtmal recycelbar.■ Ein Getränkekarton wird überwiegend aus einer nach-wachsenden Ressource hergestellt. Das Holz stammt aus

FSC6-zertifizierten Wäldern oder anderen kontrollierten Quel-len. Im Vergleich zu den 1980er-Jahren werden heute aus dergleichen Menge Holz zwischen 50 und 80 Prozent mehr Kar-ton produziert.■ Eine Konservendose aus Weißblech mit einem Durchmes-ser von 73 Millimetern wiegt heute etwa halb so viel wie imJahr 1974. Eine 0,33-Liter-Stahlgetränkedose ist heute knappein Drittel leichter als im Jahr 1983. Beide Gebinde lassen sichunbegrenzt wiederverwerten – ohne Minderung der Qualitätund mit nur einem Bruchteil der Energie, die für den Primär-herstellungsprozess benötigt wird.■ In Deutschland wird mehr als die Hälfte des produziertenAluminiums aus Aluminiumschrott erzeugt. Das Recyclingvon Aluminium spart 95 Prozent der für die Primärerzeu-gung notwendigen Energie.■ Kunststoffe lassen sich mittels Nahinfrarotspektroskopie,kurz NIR-Technik, sortieren und entsprechend wiederver-werten. Die Sortenreinheit liegt bei bis zu 98 Prozent. DerKunststoff Polyethylenterephthalat etwa, besser bekannt alsPET, wird nicht nur wieder zu Flaschen verarbeitet, sondernbeispielsweise auch zu Textilfasern.

» Das Prinzip der Produktverantwortung wirkt

als unmittelbarer Lenkungsmechanismus

Das Prinzip der Produktverantwortung wirkt als unmittelba-rer Lenkungsmechanismus. Je weniger Verpackungen derHandel und die Industrie einsetzen, umso geringer sind auchdie zu zahlenden Lizenzentgelte. Das neue Verpackungsge-setz, das derzeit im Bundestag verhandelt wird, setzt auf dieEinführung weiterer ökologischer Lenkungswirkungen wie

Abb. 1: Recyclingquoten1991 und 2014 imVergleich (Gesellschaftfür Verpackungsmarkt-forschung, Recycling-bilanz für Verpackungen,Berichtsjahr 2014,22. Ausgabe, Oktober2015)

5 AGVU: Arbeitsgemeinschaft Verpackung + Umwelt (siehe: www.agvu.de).

6 FSC: Forest Stewardship Council (siehe: www.fsc-deutschland.de)

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LEITBILD NACHHALTIGKEIT

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etwa die Verbesserung der Recyclingfähigkeit von Verpak-kungen.

Dieser Paradigmenwechsel hat zwei entscheidende Er-folge erzielt:■ die Entkopplung von Wirtschaftswachstum und Abfallauf-kommen und ■ die Steigerung der Recyclingmengen.Verpackungen des privaten Endverbrauchers wurden 1991 nurzu 37 Prozent verwertet – heute sind es über 95 Prozent. Ge-sellschaftliche Entwicklungen wie etwa der demografischeWandel und die damit stark angestiegene Anzahl von Single-Haushalten (Erfordernis kleinerer und damit aufwendigererVerpackungsgrößen) oder das rasante Anwachsen des Be-stellhandels führen allerdings zu weiter steigenden Verpak-kungsmengen.

HuW: Nach der Etablierung des DSD kam es ca. zehn Jahrespäter zu intensiven politischen Diskussionen über die absin-kende Mehrwegquote, verbunden mit dem Ruf nach Einfüh-rung eines Einwegpfands. Dieses wurde schließlich 2003 un-ter Federführung von Jürgen Trittin als damaligem Umwelt-minister im Kabinett Schröder eingeführt. Trittins erklärtesZiel war die Erhöhung und Stabilisierung der Mehrwegquotebei Getränken. Wie hat sich diese denn seitdem entwickelt?Hat die Politik ihr damaliges hochgestecktes Ziel erreicht?M. W.: Die Mehrwegquote ist aus unterschiedlichen Gründeninsgesamt weiter abgesunken (siehe Abb. 2).

Der Entwurf des Verpackungsgesetzes enthält weiterekonkrete Maßnahmen zur Förderung von Mehrwegverpak-kungen, beispielsweise durch deutliche Hinweise auf Mehr-weg- bzw. Einweggetränkeverpackungen am Verkaufsort.

HuW: Werfen wir einen aktuellen Blick auf typische Versor-gungsbetriebe in Deutschland, z. B. auf ein Studentenwerk mitmehreren Mensen und Wohneinheiten, auf eine Betreuungs-und Pflegeeinrichtung für alte Menschen oder ein typischesStädtisches Krankenhaus. Welches Wertstoffmanagement se-hen Sie dort in der Regel, und welche Empfehlungen würdenSie hier aussprechen?

§ 3 (11) VerpackV im Wortlaut:

„Endverbraucher im Sinne dieser Verordnung ist derje-nige, der die Waren in der an ihn gelieferten Form nichtmehr weiter veräußert. Private Endverbraucher imSinne dieser Verordnung sind Haushaltungen und ver-gleichbare Anfallstellen von Verpackungen, insbeson-dere Gaststätten, Hotels, Kantinen, Verwaltungen,Kasernen, Krankenhäuser, Bildungseinrichtungen, kari-tative Einrichtungen, Freiberufler und typische Anfall-stellen des Kulturbereichs wie Kinos, Opern undMuseen, sowie des Freizeitbereichs wie Ferienanlagen,Freizeitparks, Sportstadien und Raststätten. Vergleich-bare Anfallstellen im Sinne von Satz 2 sind außerdemlandwirtschaftliche Betriebe und Handwerksbetriebe,die über haushaltsübliche Sammelgefäße für Papier,Pappe, Kartonagen und Leichtverpackungen mit nichtmehr als maximal je Stoffgruppe einem 1.100-Liter-Umleerbehälter im haushaltsüblichen Abfuhrrhythmusentsorgt werden können.“

7 Siehe: http://www.gesetze-im-internet.de/bundesrecht/verpackv_1998/ge-samt.pdf.

Abb. 2: Vergleich derPackmittelgruppen

Getränke 2007 – 2014(Quelle: Gesellschaft für

Verpa-ckungsmarktforschung,

3/2016)

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ELMAR SCHLICH

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M. W.: Die Verpackungsverordnung (VerpackV)7 definiert in§ 3 (11) die hier exemplarisch genannten „Versorgungsbe-triebe“ als sogenannte den Haushalten „vergleichbare“ An-fallstellen (siehe Kasten „§ 3 (11) ...). Für den Bereich der Ver-packungsentsorgung sind diese Anfallstellen – also Mensen,Kantinen, Krankenhäuser, Seniorenheime etc. – an die haus-haltsnahe Entsorgung durchgehend mit angeschlossen, d. h.die Verpackungsabfälle werden ebenfalls auf der Basis desVerursacherprinzips abgeholt. Die anfallenden Mengen undVolumen der jeweiligen Anfallstelle bestimmen hier die Häu-figkeit der Leerungen bzw. die zur Verfügung gestellten Be-hälterkapazitäten. Eine stoffstromorientierte Optimierung derAbfalllogistik, d. h. beispielsweise eine möglichst umfängli-che Getrennthaltung der Abfallgruppen in den Versorgungs-betrieben, ist auf jeden Fall zu empfehlen. Sie führt in der Re-gel sowohl ökologisch als ökonomisch zu besseren Ergeb-nissen.

» Schon heute lassen Hersteller ihre Wasch- und

Reinigungsmittelverpackungen zu bis zu

100 Prozent aus Kunststoffrezyklaten herstellen

HuW: Versorgungsbetriebe können in der Regel ein zertifi-ziertes Qualitäts- und Hygienemanagement vorweisen, dasauch die Vorkette – Stichwort: Lieferantenzertifizierung –einbezieht. Inwiefern macht es für eine solche EinrichtungSinn, schon beim Einkauf und der Warenwirtschaft das Leit-bild eines möglichst umweltfreundlichen Wertstoffmanage-ments mit zu bedenken, also sozusagen die in der Hauswirt-schaft ablaufenden Prozesse „ganzheitlich“ unterEinbeziehung der nachgelagerten Prozesse zu denken? Gibtes – abgesehen von ideellen ökologischen Aspekten – für dieprofessionelle Hauswirtschaft auch nachhaltige ökonomischeAnreize?M. W.: Es ist den Versorgungsbetrieben in jedem Fall anzu-raten, ihre Warenwirtschaft auch unter dem Gesichtspunkt derNachhaltigkeit zu optimieren. Der Aufbau der Kreislaufwirt-schaft, d. h. die Rückführung von Abfallstoffen in den Wirt-schaftskreislauf, geht mit einem ökologischen und ökonomi-schen Nutzen einher. So gibt es heute schon Hersteller, die ihreWasch- und Reinigungsmittelverpackungen zu bis zu 100 Pro-zent aus Kunststoffrezyklaten herstellen lassen. Die Rezy-klate werden aus gebrauchten Verpackungen aus dem GelbenSack und der Gelben Tonne gewonnen. Eine Unterstützungsolcher Initiativen fördert die Verwirklichung eines umwelt-freundlichen Wertstoffmanagements auch bei Kunststoff.

Aber die Entwicklung geht weiter und neue Herausforde-rungen entstehen. So werden in einigen Körperpflegemitteln(Duschgel, Zahnpasta etc.) zur Erreichung eines Peeling-Ef-fekts winzig kleine Kunststoffpartikel, sogenannte Micro-beats, beigemischt. Diese Kunststoffpartikel können in allerRegel in den Kläranlagen nicht aus dem Abwasser entferntwerden. So gelangen sie in die Umwelt und letztlich auch indie Meere, wo sie von Organismen aufgenommen und schließ-

lich in die menschliche Nahrungskette eingebracht werden.Deshalb ist davon auszugehen, dass auch zukünftig neue Ge-staltungsspielräume an der Schnittstelle Abfall- und Ressour-cenwirtschaft entstehen werden, aus deren Erschließung einnachhaltiger ökonomischer Nutzen für die Versorgungsbe-triebe resultieren wird. Zudem werden durch das neue KrWG8

für Abfälle nach definierten Abfallschlüsseln auch Entsor-gungswege zwingend vorgeschrieben.

HuW: Nachdem DSD lange eine Monopolstellung hatte, se-hen wir inzwischen einen intensiven Wettbewerb in der Ent-sorgungsbranche. Die dualen Systeme müssen den Entsor-gungsvertrag für den gelben Sack oder die gelbe Tonne alledrei Jahre ausschreiben. Die Kommunen drängen aber auchmit ihren eigenen Betrieben wieder verstärkt in diesen Markt.Können hauswirtschaftliche Dienstleistungsbetriebe eigeneVerträge mit Entsorgungsfirmen abschließen oder gibt es hiereinen kommunalen Anschlusszwang ebenso wie bei den pri-vaten Haushalten?M. W.: Gemäß § 17 (1) KrWG bleibt es bei der Überlas-sungspflicht an öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger fürAbfälle aus privaten Haushaltungen und für Abfälle zur Be-seitigung aus anderen Herkunftsbereichen. Ausnahmen vonder Überlassungspflicht sind die Verpackungsabfälle; sie kön-nen auch bei gewerblichen Sammlungen möglich sein, soweitöffentliche Interessen nicht entgegenstehen. Die Möglichkeitder Beauftragung von privatwirtschaftlichen Entsorgungsfir-men sollte je nach Abfallart anhand der jeweils gültigen Ab-fallsatzung durch die Dienstleistungsbetriebe geprüft werden.

HuW: Häufig fühlen sich die Mitarbeitenden in hauswirt-schaftlichen Dienstleistungsbetrieben mit der Zusatzaufgabeim Bereich Entsorgungsmanagement überfordert. Deren fach-liche Ausbildung und der inhaltliche Schwerpunkt liegen jaeher in der Dienstleistung für den Menschen, sei es nun im Be-reich Wohnen, bei Verpflegung und Ernährung oder bei Be-treuung und Pflege. Welchen Stellenwert hat aus Ihrer Sichtder praxisnahe Bereich Entsorgungsmanagement in den ein-schlägigen Studienordnungen z. B. der Ökotrophologie undden Ausbildungsordnungen der hauswirtschaftlichen Berufe?Welche Möglichkeiten sehen Sie hier, und was können privat-wirtschaftliche Institutionen wie DSD dazu beitragen?M. W.: Das Thema Entsorgungsmanagement besitzt in denAusbildungsordnungen eher einen nachgelagerten Stellen-wert. Beispielsweise fehlt in der Verordnung über die Be-rufsausbildung zum Hauswirtschafter/zur Hauswirtschafterinder IHK Stand 1999 das Thema gänzlich. „Umweltschutz“ isthingegen vertreten. Es wäre aus unserer Sicht sinnvoll, dasThema „Nachhaltigkeit“ sowohl in den Studien- als auch inden Ausbildungsordnungen zu verankern. Das Thema hat mitden Klimakonferenzen in Paris 2015 und Marrakesch 2016 ei-nen neuen Schub erhalten. Es geht weltweit um den Umbau

8 KrWG: Kreislaufwirtschaftsgesetz

HuW 1/2017 29

LEITBILD NACHHALTIGKEIT

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der linearen Bewirtschaftung von Rohstoffen und Ressourcen(ex und hopp) hin zu einer Kreislaufwirtschaft. Nur wenndieser Prozess gelingt, wird die zukünftige Versorgung vonbald 10 Milliarden Menschen möglich sein. Kreislaufwirt-schaftsverfahren, Recycling und Ressourceneffizienz sindentscheidende Instrumente zur Erreichung des vereinbartenReduktionsziels bei der Erderwärmung bzw. bei den Emis-sionen aus fossilen Quellen. Das Verpackungsrecycling inDeutschland, das bei den Kunststoffen noch große Potenzialeaufweist, ist dabei heute schon eine preiswerte Form der Re-duktion von CO2-Äquivalenten. Die Kosten für eine TonneCO2-Äquivalent liegen bei lediglich 20 Prozent der Kosten, dieüber die erneuerbaren Energien verursacht werden (siehe Abb.3).DSD als privatwirtschaftliche Institution kann für das Ver-packungsrecycling mit Aufklärung über richtige Trennvorga-ben, Darstellung von Aufbereitungs- und Verwertungswegensowie mit Informationen zu geschlossenen Wertstoffkreis-läufen zu einem Know-how-Transfer beitragen.

» Die Regelungen des § 3 (11) VerpackG

entsprechen weitestgehend dem Wortlaut

der Regelungen der Verpackungsverordnung

HuW: Blicken wir abschließend in die Zukunft. Am 21. De-zember 2016 hat das Bundesministerium für Umwelt den

„Entwurf eines Gesetzes zur Fortentwicklung der haushalts-nahen Getrennterfassung von wertstoffhaltigen Abfällen“(VerpackG)9 vorgestellt. Soweit im Entwurf erkennbar, betrifftdieses Gesetz auch die hauswirtschaftlichen Dienstleistungs-betriebe, die im Entwurf gemäß § 3 (11) als sogenannte „Ver-gleichbare Anfallstellen“ bezeichnet werden. Was ändert sichaus Ihrer Sicht für diese, und welche Intentionen verfolgt derGesetzgeber dabei insgesamt?M. W.: Die Regelungen des § 3 (11) VerpackG entsprechenweitestgehend dem Wortlaut der Regelungen der Verpak-kungsverordnung (VerpackV), bis auf einzelne Aufzählungenwie Opern, Sportstadien, karitative Einrichtungen etc. Auchdie Mengenbegrenzungen bei Landwirtschafts- und Hand-werksbetrieben werden beibehalten. Insofern ist davon aus-zugehen, dass der Gesetzgeber dort keine Regelungslückevermutet und deswegen auch keinen Änderungsbedarf gese-hen hat.

HuW: Herr Wiener, vielen Dank für dieses Gespräch!

Prof. i.R. Dr.-Ing. Elmar Schlich

Justus-Liebig-Universität Gießen

Professur für Prozesstechnik in Lebensmittel- und

Dienstleistungsbetrieben

[email protected]

Abb. 3: Kosten der CO2-Äquivalente fürKunststoffrecycling(Quelle: DSD 2016)

9 Siehe: http://www.bundesrat.de/SharedDocs/beratungsvorgaenge/2016/0701-0800/0797-16.html

30 HuW 1/2017

ELMAR SCHLICH

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1 Problemstellung

Angesichts der aktuellen gesellschaftlichen Probleme wieKlimawandel, Ressourcenknappheit, ernährungsbe-dingte Krankheiten oder soziale Ungleichheiten, sind

alle gesellschaftlichen Akteure gefordert, ihren Beitrag zu ei-ner nachhaltigen Entwicklung zu leisten. Gerade der Ernäh-rungsbereich hat hohe Potenziale zur nachhaltigen Ressour-censchonung und Emissionsvermeidung.

Laut einer Studie des WWF (2012, S. 16) entstehen durchdie Ernährung jedes Jahr pro Person in Deutschland 2,0-2,5Tonnen Treibhausgasemissionen. Vor allem bei der Produk-tion von tierischen Lebensmitteln entstehen viele Emissionen,da diese sehr energieaufwendig ist. Laut Koerber und Kretsch-mer (2000, S. 40) entstehen 85 Prozent der in der Landwirt-schaft produzierten Emissionen bei der Produktion von tieri-schen Lebensmitteln.

Angesichts dieser Probleme sind alle Akteure der Ernäh-rungskette von der Erzeugung über die Verarbeitung, Handelund Gastronomie bis zum Verbraucher gefordert, zu einernachhaltigen Entwicklung beizutragen. Dabei kommt auch derGastronomie eine zentrale Rolle zu.

Die Gastronomie ist Teil der Außer-Haus-Verpflegung.Sie umfasst nach Müller et al. (2004, S. 86) gastgewerblicheBetriebe, die ihren Gästen Speisen und Getränke zum Verzehrvor Ort anbieten.

In der Gastronomie zeichnet sich seit dem Jahr 2009 einstetiges Umsatzwachstum ab. Im Jahr 2014 betrug der Umsatzin der Gastronomie 48,2 Milliarden Euro. Das statistischeBundesamt prognostiziert eine Umsatzentwicklung bis zu59,3 Milliarden Euro im Jahr 2020 (statista.com). Vor allemdie Mittagsmahlzeit wird immer seltener zu Hause einge-nommen. Spitzenreiter im Außer-Haus-Verzehr sind die 20-bis 25-Jährigen, berufstätige Singles sowie alleinstehendemännliche Rentner (DGE aktuell, 2004). Aufgrund ihrer zu-nehmenden Bedeutung hat die Gastronomie das Potenzial,Einfluss auf die Ernährung der deutschen Bevölkerung zu

nehmen und somit zu einer nachhaltigen Entwicklung beizu-tragen (Bless 2008, S. 20, 101).

Eine nachhaltige Entwicklung wurde im Jahr 1987 vonder Weltkommission für Umwelt und Ernährung als eine Ent-wicklung beschrieben, die „die Bedürfnisse der heutigenGeneration befriedigt, ohne die Möglichkeiten künftigerGenerationen zu gefährden, ihre eigenen Bedürfnisse zubefriedigen und ihren Lebensstil zu wählen“ (World Com-mission on Environment and Development, 1987, S. 16).Nachhaltige Entwicklung kann nur umgesetzt werden, wennökologische, ökonomische und soziale Aspekte der Nachhal-tigkeit gleichermaßen berücksichtigt werden (Gerlach et al.2013, S. 8).

Eine nachhaltige Ernährung wird nach gesundheitlichen,ökologischen, ökonomischen und sozialen Aspekten bewertet.Brunner (2005, S. 13) beschreibt nachhaltige Ernährung als einKonzept für mehr Qualität im Ernährungssystem. NachhaltigeErnährung fördert die Qualität von Lebensmitteln, von Er-nährungsbedingungen, der Umwelt und die Lebensqualität imZusammenhang mit der Ernährung.

Beitrag der Gastronomie

für eine nachhaltige Entwicklung

Magdalena Becker, Pirjo Susanne Schack

Welchen Beitrag kann Gastronomie zu einer nachhaltigen Entwicklung leisten? Diese Frage wurde im Rahmen einerBachelorarbeit am Fachbereich Oecotrophologie an der FH Münster bearbeitet. Es wurden drei gastronomische Betriebe,die nachhaltige Strategien verfolgen, untersucht und miteinander anhand von ökologischen, ökonomischen und sozialenKriterien für Nachhaltigkeit in der Gastronomie verglichen. Die Ergebnisse der Befragungen zeigen, wie vielfältignachhaltige Strategien gestaltet werden können, wie sie unterschiedliche Zielgruppen ansprechen und Vorbild für anderegastronomische Betriebe sein können.

Comparison of three sustainable

gastronomic concepts

How can gastronomy contribute to sustainable development?

This question was handled in framework of a bachelor thesis at

the faculty of Oecotrophologie at the University of Applied

Sciences in Münster. Therefore, three gastronomic companies,

that trail sustainable concepts, where investigated and compared

with each other on the basis of ecological, economic and social

criteria for sustainability in gastronomy. The results of the

questioning show how versatile sustainable concepts can be

created and how they activate different target groups.

Furthermore they can be an example for other gastronomic

companies.

HuW 1/2017 31

LEITBILD NACHHALTIGKEIT

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2 Aktuelle Situation

In diesem Beitrag wird beleuchtet, welche Konzepte es bereitsfür eine nachhaltige Gastronomie gibt und wie diese in die Pra-xis umgesetzt werden können. Dazu werden drei nachhaltigeBest-Practice-Beispiele verglichen. Unter nachhaltiger Ga-stronomie soll hier in Anlehnung an Gerlach et al. (2013, S.8) eine Gastronomie verstanden werden, die ökologische, so-ziale und ökonomische Aspekte berücksichtigt

Es existieren bereits einige Verbände, Zertifizierungenund Richtlinien für Nachhaltigkeit in der Gastronomie. Diesekönnen gastronomischen Betrieben als Orientierung dienen.Die Gesellschaft für nachhaltige Gastronomie mbH – Green-table bietet zum Beispiel die Auszeichnung mit dem Green-table-Zertifikat an. Um dieses zu erhalten, muss ein gastro-nomischer Betrieb 50 Prozent der von Greentable gefordertenKriterien für Nachhaltigkeit in der Gastronomie erfüllen.Diese lauten zum Beispiel Verwendung lokaler und saisonalerProdukte oder Bekämpfung von Tierquälerei und Umwelt-schäden (http://www.greentable.de/unsere-kriterien/).

Green Chefs bietet die Möglichkeit, über eine Mitglied-schaft, Verantwortung für Nachhaltigkeit in der Gastrono-mie zu übernehmen. Die drei Dimensionen der Nachhaltigkeitbilden die Werte von Green Chefs ab. Mitglieder übernehmenVerantwortung für die Umwelt, die Region und die eigenenMitarbeiter (http://green-chefs.de/idee/). Beide Auszeichnun-gen berücksichtigen ökologische, ökonomische und sozialeAspekte der Nachhaltigkeit.

Auch bereits in der Gesellschaft etablierte Zertifikate wiedas europäische Bio-Siegel oder das Eco Management and Au-dit Scheme (EMAS) der europäischen Union für ein geprüftesUmweltmanagement sind sinnvolle Auszeichnungen für ga-stronomische Betriebe, die Nachhaltigkeit umsetzen möchten.Die genannten Zertifikate haben allerdings den Nachteil, dasssie sich nur auf einzelne Aspekte von Nachhaltigkeit kon-zentrieren und nicht alle drei Dimensionen von nachhaltigerEntwicklung berücksichtigen.

Tab. 1 zeigt vorhandene Institutionen, Zertifikate undLeitlinien für Nachhaltigkeit in der Gastronomie, an denensich gastronomische Betriebe orientieren können.

Einige gastronomische Betriebe setzen bereits nachhaltigeKonzepte um. Diese Betriebe nehmen eine Vorreiterfunktionin der Gesellschaft ein. Die Befragung von drei gastronomi-schen Betrieben, die bereits nachhaltige Konzepte umsetzen,soll zeigen, wie Nachhaltigkeit in der Gastronomie praktischumgesetzt werden kann, und welche Chancen und Heraus-forderungen damit verbunden sind.

3 Methodik der Befragung

Die Auswahl der Betriebe erfolgte über persönliche Kontaktesowie Internetrecherche. Die drei Betriebe wurden aufgrundihrer ganzheitlichen und unterschiedlichen Strategien fürnachhaltige Entwicklung ausgewählt, um diese miteinanderhinsichtlich Nachhaltigkeit und Zielgruppe zu vergleichen.

Zur Erhebung der Daten wurden qualitative Befragungen mitden drei Betrieben durchgeführt. Interviewpartner waren dieBetreiber der Gastronomiebetriebe, die mündlich mithilfe ei-nes Leitfadens befragt wurden. Dieser enthielt Fragen zumAngebot, Zielgruppe und Konzept des Betriebes sowie zuökologischen, ökonomischen und sozialen Aspekten der Nach-haltigkeit. Die Interviews wurden strukturiert, anhand vonentwickelten Kategorien, ausgewertet. Auf dieser Basis wur-den die Betriebe miteinander verglichen. Dabei wurden die un-terschiedlichen Voraussetzungen der drei Betriebe berück-sichtigt.

3.1 Kriterien für Nachhaltigkeit in der Gastronomie

Um eine Bewertungsgrundlage zur Einschätzung der Nach-haltigkeit der drei gastronomischen Betriebe zu bekommen,wurden Kriterien für Nachhaltigkeit in der Gastronomie an-hand relevanter Literatur herausgearbeitet (Gerlach et al.2011, S. 43; Rückert-John, 2007, S. 54; Gesellschaft für nach-haltige Gastronomie mbH Greentable, 2016). Im Rahmen derBachelorarbeit ging es darum, Kriterien herauszuarbeiten undauszuwählen, die qualitativ messbar sind. Bei der Entwicklungder Kriterien wurde auf quantitative Kriterien, wie zum Bei-spiel produzierte Abfallmengen oder der Energieverbrauch der

Bezeichnung Was wird angeboten Quelle

Greentable Auszeichnung vongastronomischenBetrieben mit demGreentable Zertifikatfür nachhaltigeGastronomie

http://www.greentable.de/ [Stand: 26.01.17]

Green Chefs Mitgliedschaft imVerband für Fairnessund Verantwortung inder Gastronomie

http://green-chefs.de/[Stand: 26.01.17]

EMAS Instrument fürUnternehmen, die ihreUmweltleistungenverbessern wollen,EMAS-Logo für deneigenen Betrieb

http://www.emas.de/home/ [Stand: 26.01.17]

Bio-Zertifizierung Auszeichnung mit demeuropäischen Bio-Siegel

http://www.gfrs.de/fileadmin/files/biozertifizierung-gastronomie.pdf[Stand: 26.01.17]

Leitfaden fürerfolgreichesNachhaltigkeits-management inHotellerie undGastronomie

Fachbuch; Leitfadenmit Checklisten undpraktischenHandlungsanweisungen

Gerlach, Anne;Stomporowski, S.;Tecklenburg M. E.(2013): ErfolgreichesNachhaltigkeitsmanagement in Hotellerie undGastronomie. VerlagHandwerk und TechnikGmbH

Tab.1.: Institutionen, Zertifikate und Leitlinien für Nachhaltigkeit in derGastronomie (eigene Darstellung)

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MAGDALENA BECKER, PIRJO SUSANNE SCHACK

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Betriebe, verzichtet, da die Daten in der kurzen Zeit nicht zurVerfügung standen.

3.2 Kriterien für ökologische Nachhaltigkeit

Die ökologische Nachhaltigkeit beschäftigt sich mit den Aus-wirkungen der Ernährung und Gastronomie auf die Umweltund Natur. Ökologische Kriterien sind z. B. Energie-, Mate-rial- und Wasserverbrauch, Emissionen von Treibhausgasenoder das Abfallaufkommen. Die ökologische Dimension strebtan, die CO2- und Schadstoffemissionen in die Umwelt sowieAbfallmengen zu reduzieren. Sinnvolle Maßnahmen zur Re-duktion von Lebensmittelabfällen sind zum Beispiel die Ver-wertung von Lebensmittel- und Speiseresten oder das Ange-bot von Kinder- und Seniorenportionen. Weiterhin ist aucheine artgerechte und umweltbewusste Tierhaltung Bestandteilvon ökologischer Nachhaltigkeit (Strassner 2005, S. 156-159;Gerlach, 2013, S. 43).

Im Rahmen der Bachelorarbeit wurde bewertet, inwie-weit ein gastronomischer Betrieb bei lokalen Produzenteneinkauft und ob saisonale sowie ökologische Produkte gewähltwerden. Des Weiteren wurde überprüft, ob ein gastronomi-scher Betrieb tierische Produkte aus artgerechter Tierhaltungund Fisch aus nachhaltigem Fang verwendet. Das dritte Kri-terium für ökologische Nachhaltigkeit war, ob ein Betriebeine Strategie zur Verminderung von Abfall hat und ob dieseangewendet wird.

3.3 Kriterien für ökonomische Nachhaltigkeit

Die ökonomische Perspektive berücksichtigt die Wirtschaft-lichkeit, Rentabilität und das ethische Handeln eines gastro-nomischen Betriebes. Gastronomen sollten sich ihrer Rolle inder Handelskette bewusst sein und sich für einen fairen Han-del einsetzen. Das wirtschaftliche Überleben aller Interes-sensgruppen, darunter Landwirte, Hersteller, Lieferanten undMitarbeiter in einer nachhaltigen Ernährungskette, sollten da-bei im Blick sein und gesichert werden. Mithilfe eines regio-nalen Einkaufs wird die regionale Wirtschaft gestärkt unddie lokale bäuerliche Landwirtschaft erhalten (Strassner 2005,S. 161). Gerlach et al. (2013, S. 37) nennen auch das Ange-bot von gastgewerblichen Ausbildungsplätzen als Maßnahmeder ökonomischen Nachhaltigkeit. Ein nachhaltig wirtschaf-tender Betrieb muss rentabel sein und Gewinn erwirtschaften,um langfristig bestehen zu können. Ein gutes ökonomischesErgebnis sichert langfristig eine positive Geschäftsentwick-lung. Diese kann nur dann erreicht werden, wenn die Umset-zung der Nachhaltigkeitsaktivitäten auch nach ökonomischenKriterien erfolgt.

Im Rahmen der Bachelorarbeit wurde bewertet, inwieweitdie befragten Betriebe lokale und saisonale Produkte verwenden.Dies ist ein Kriterium, inwiefern die regionale Wirtschaft un-terstützt und gefördert wird. Als Kriterium für das Erreicheneines fairen Handelssystems wurde die Verwendung von fai-ren und unter transparenten Bedingungen gehandelten Produkten

herangezogen. Ein anerkanntes Siegel für fairen Handel ist dasFair-Trade-Siegel. Der Umsatz und der Gewinn eines Betrie-bes bilden Kriterien dafür, ob der langfristige Erhalt gesichertund der Betrieb rentabel ist (Strassner 2005, S. 161).

3.4 Kriterien für soziale Nachhaltigkeit

Die sozialen Aspekte von Nachhaltigkeit zielen auf Gerech-tigkeit, Chancengleichheit und soziale Sicherheit. Hierbei ste-hen die Arbeitskräfte im Mittelpunkt. Sie bilden die wichtig-ste Ressource eines Betriebs. Zur sozialen Dimension zählennach Gerlach et al. (2013, S. 34) zum Beispiel gute Arbeits-bedingungen, ein angenehmes Arbeitsklima, eine angemes-sene Entlohnung, die Arbeitssicherheit oder das Angebot vonWeiterbildungsmaßnahmen. Alle Mitarbeiter sollten die glei-chen Chancen haben und gleichbehandelt werden. Ein ga-stronomischer Betrieb kann seine Mitarbeiter zum Beispielübertariflich bezahlen oder die Arbeit am Wochenende sowieam Abend mit Schichtzuschlägen honorieren. Zusätzlich trägteine kostenlose Verpflegung des Personals zur Mitarbeiter-zufriedenheit bei. Ein freundlicher und respektvoller Umgangmit Kollegen und Gästen ist grundlegend. Um den betriebs-internen Zusammenhalt zu stärken und die Kommunikation zufördern, ist es sinnvoll, gemeinschaftsstiftende Aktionendurchzuführen. Gerlach et al. (2013, S. 34) erklären, dass vongastronomischen Betrieben, die sich nachhaltig engagieren, er-wartet wird, dass sie nationale und internationale Arbeits-standards nicht nur erfüllen, sondern übertreffen. Das sozialeEngagement von gastronomischen Betrieben kann zusätzlichdie Unterstützung von sozialen Projekten und Wohltätig-keitsorganisationen beinhalten.

Um das soziale Engagement oder die Unterstützung vonWohltätigkeitsorganisationen der Betriebe zu erheben, wurdeerfragt, welche Projekte und Organisationen aktuell von denBetrieben unterstützt werden. Die faire Behandlung der Mit-arbeiter konnte im Rahmen der Bachelorarbeit an Kriterienwie zum Beispiel der Anzahl der zur Verfügung stehenden Ur-laubstage, dem Angebot von Weiterbildungsmaßnahmen oderder Entlohnung bewertet werden. Vorhandenes Informati-onsmaterial zu Umweltmaßnahmen des Betriebs und zur Her-kunft der verwendeten Produkte war ein Kriterium für Trans-parenz. Zudem wurde auch erfragt, ob das Personal geschultwird, um Fragen kompetent zu beantworten.

4 Ergebnisse der Befragungen

4.1 Vorstellung der drei Gastronomiebetriebe

Das Gasthaus zum großen Kiepenkerl ist ein traditionelles Re-staurant in Münster mit westfälischer Küche. Seine Geschichtegeht bis ins 19. Jahrhundert zurück und wurde im Jahr 2011von den aktuellen Geschäftsführern übernommen. Der Betrieblegt seinen Schwerpunkt auf artgerechte Tierhaltung und denErhalt der regionalen Esskultur. Das Gasthaus zum großenKiepenkerl spricht mit seinem Konzept ein bewusstes, zeit-geistes Publikum ab etwa 20 Jahren an, das gerne gutbürger-

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lich und deftig speist. Das Gasthaus ist mit knapp 360 Sitz-plätzen im Innen- und Außenbereich der größte der drei be-fragten Betriebe. Das Restaurant bietet eine umfangreicheSpeisekarte mit etwa 20 verschiedenen Hauptgerichten an. Zu-sätzlich gibt es jeden Monat eine wechselnde Saisonkarte mitweiteren fünf Gerichten.

Das vegane Burgerrestaurant Bunte Burger in Köln gibt esseit dem Jahr 2015. Es befindet sich noch in der Startphase.Bunte Burger bietet ausschließlich ökologisch erzeugte Le-bensmittel an. Als Zielgruppe des Betriebes definiert der Ge-schäftsführer alle Menschen, die bereit sind für gutes undbiologisches Essen mehr Geld auszugeben. Das Konzeptspricht ein junges, modernes und bewusstes Publikum an.Der Betrieb verfügt im Innen- und Außenbereich über insge-samt 80 Sitzplätze. Auf der Speisekarte können die Gästezwischen neun verschiedenen Burgerkreationen wählen.

Bei dem dritten Betrieb handelt es sich um das RestaurantRestlos Glücklich des gemeinnützigen Vereins Restlos Glück-lich e.V. in Berlin, das im Juni 2016 eröffnete und sich auchnoch in der Startphase befindet. Der Verein möchte mit sei-nem Restaurant ein Zeichen gegen die Lebensmittelver-schwendung in Deutschland setzen. Zum Kochen der Speisenverwendet der Betrieb überwiegend „gerettete“ Lebensmittel,die im Handel aufgrund von beispielsweise falscher Etiket-tierung, falscher Form oder beschädigter Verpackung nichtverkauft werden dürfen. Zielgruppe des Restaurants sind alleMenschen, die das Thema Lebensmittelverschwendung an-spricht. Das Restaurant Restlos Glücklich ist der kleinste derbefragten Betriebe. Er verfügt im Innen- und Außenbereichüber etwa 50 Sitzplätze. Im Restaurant werden jeden Tagdrei wechselnde Gerichte angeboten. Das Angebot ist abhän-gig von den Lebensmittelspenden der Partner. Außerdemmuss berücksichtigt werden, dass das Restaurant RestlosGlücklich von dem gemeinnützigen Verein Restlos Glückliche.V. betrieben wird und ein Not-for-profit-Restaurant ist. Dererwirtschaftete Gewinn fließt in die Unterstützung der eigenenBildungsarbeit.

4.2 Konzepte der drei Betriebe

Alle drei Betriebe verfolgen unterschiedliche Konzepte, umeine nachhaltige Entwicklung voranzutreiben. Das Gasthauszum großen Kiepenkerl in Münster bietet traditionelle, west-fälische Küche und moderne Interpretationen der traditionel-len deutschen Küche an. Hierbei lautet das Konzept der bei-den Geschäftsführer: konsequente regionale Küche miterstklassigen, saisonalen Produkten. Das Gasthaus verfolgt einganzheitliches nachhaltiges Konzept, in welchem ökologi-sche, ökonomische und soziale Aspekte berücksichtigt wer-den. Im Gasthaus wird deftige Wirtshausküche angeboten, dieüberwiegend Fleisch und Fisch enthält. Bei allen tierischenProdukten wird konsequent auf artgerechte Tierhaltung undnachhaltigen Fang geachtet. Zudem bietet das Gasthaus auchattraktive vegetarische Alternativen an, um den Fleischkon-sum zu reduzieren. Das Restaurant Bunte Burger in Köln

setzt auf rein pflanzliche Gerichte und bietet vegane Burger-kreationen in Bioqualität an. Das Konzept des Betriebs lautet„people, planet, profit“. Die beiden Geschäftsführer möchtenmit ihrem Restaurant mit einem rein pflanzlichen und biolo-gischen Angebot Gutes für den Menschen und den Planetentun und dabei Gewinn erwirtschaften. Das Restaurant RestlosGlücklich in Berlin setzt sich aktiv gegen die Lebensmittel-verschwendung in Deutschland ein. Der Betrieb kocht zu 80Prozent mit geretteten Lebensmitteln von Partnern wie demDenn´s Biosupermarkt. Zudem bietet Restlos Glücklich fastausschließlich vegetarische und vegane Gerichte an.

4.3 Strategien zur Umsetzung der ökologischen

Nachhaltigkeit

Beim Vergleich der Strategien der Betriebe für ökologischeNachhaltigkeit sind einige Übereinstimmungen zu erkennen(s. Tab. 2). Alle drei Betriebe haben zum Ziel, Lebensmittel-und Speiseabfälle möglichst zu reduzieren. Sie versuchen, Le-bensmittelreste so gut wie möglich weiter zu verwerten, bie-ten Kinder- und Seniorenportionen an sowie die Möglichkeit,Essensreste mit nach Hause zu nehmen. Restlos Glücklich hatdas zentrale Konzept, aus Lebensmittelresten Gerichte her-zustellen, hier ist „Programm“, Lebensmittelverschwendungzu vermeiden. Das Angebot von regionalen und saisonalen Pro-dukten ist im Gasthaus zum großen Kiepenkerl am meisten aus-geprägt. Das Restaurant Bunte Burger setzt dafür ausschließ-lich auf ökologisch erzeugte Lebensmittel. Das Restaurant Rest-los Glücklich legt seinen Schwerpunkt auf das Retten von Le-bensmitteln und hat deswegen keinen Einfluss auf die Regio-nalität und Saisonalität der Produkte. Allerdings kooperiert Rest-los Glücklich mit Partnern aus der Bio-Branche.

Spannend ist auch der Unterschied zwischen dem Spei-senangebot. Die Betriebe Bunte Burger und Restlos Glücklichbeschränken ihr Angebot auf vegetarische und vegane Gerichte.Damit zeigen sie eine nachhaltige Alternative zur fleischba-sierten allgemeinen Ernährung der deutschen Gesellschaft auf.Das Gasthaus zum großen Kiepenkerl bietet dagegen zum gro-ßen Teil fleisch- und fischhaltige Gerichte an. Dabei wird abergroßen Wert auf artgerechte Tierhaltung und nachhaltigen Fanggelegt. Nachhaltige Ernährung muss also nicht immer veganoder vegetarisch sein. Auch Fleisch und Fisch in Maßen sindmit einer nachhaltigen Ernährung vereinbar.

4.4 Strategien zur Umsetzung der ökonomischen

Nachhaltigkeit

Die Strategien für ökonomische Nachhaltigkeit sind bei denbefragten Betrieben schwerer zu bewerten, da sich zwei derBetriebe noch in der Anfangsphase befinden. Allerdings ha-ben die Befragungen ergeben, dass alle drei Konzepte Zu-spruch finden und positives Feedback der Kunden bekommen(s. Tab. 3). Das Gasthaus zum großen Kiepenkerl und das Re-staurant Bunte Burger legen Wert auf fairen Handel. Das Re-staurant Restlos Glücklich ist von Produktspenden abhängig

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MAGDALENA BECKER, PIRJO SUSANNE SCHACK

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und hat somit keinen Einfluss auf die Handelsbedingungen.Aus finanziellen Gründen kann der Betrieb nicht alle Le-bensmittelzukäufe, wie gewünscht, in Bioqualität tätigen.

4.4 Strategien zur Umsetzung der sozialen

Nachhaltigkeit

Alle drei Betriebe legen großen Wert auf Transparenz und stel-len interessierten Personen zum Beispiel auf den Unterneh-mens-Homepages ausführliche Informationen zur Verfügung.Außerdem bemühen sich alle Betriebe, ein möglichst ange-nehmes Arbeitsklima für ihre Mitarbeiter zu schaffen undfair zu entlohnen. (s. Tab. 4). Das Gasthaus zum großen Kie-penkerl bietet zusätzliche Leistungen wie Massagen oder ei-nen Wäscheservice für Arbeitskleidung an, um die Zufrie-denheit der Mitarbeiter zu fördern. Die Arbeitszeiten könnenbei allen drei Betrieben gelegentlich die regulären acht Stun-den überschreiten.

Alle Interviewpartner waren sich einig, dass dies in der Ga-stronomiebranche nicht zu vermeiden sei. Zusätzlich enga-gieren sich alle drei Betriebe für die Gesellschaft. Das Gast-haus zum großen Kiepenkerl und das Restaurant Bunte Burgerunterstützen soziale Projekte finanziell. Der Restlos Glückliche. V. arbeitet am eigenen Bildungsprojekt und setzt sich für dieWertschätzung von Lebensmitteln ein. Der Verein bietet zumBeispiel Workshops zur Haltbarmachung von Lebensmittelnoder Kochkurse zur Verwertung von Lebensmittelresten an.

4.5 Potenziale bei der praktischen Umsetzung

von Nachhaltigkeit

Die befragten Betriebe sehen Potenzial im Markt. Eine aktu-elle Studie des Zentrums für nachhaltige Unternehmensfüh-rung (ZNU) und der Fachzeitschrift food service (2016) belegt,

KriteriumGasthaus zumgroßenKiepenkerl

RestaurantBunte Burger

RestaurantRestlosGlücklich

Verwendunglokaler undsaisonalerProdukte

Verwendungvon regionalenund saisonalenProdukten

WechselndeSaisonkarte

Zum Teilregionale undsaisonaleProdukte

KeineSaisonkarte

Aufgrund vonProdukt-spenden keinenEinfluss aufRegionalität undSaisonalität

Überwiegendregionales Ge-tränkeangebot

Verwendungvon ökologischproduziertenProdukten

TeilweiseVerwendungvon Bio-Produkten

AusschließlichBio-Produkte

Biozertifiziert

ÜberwiegendKooperations-partner aus derBio-Branche (z. B. Biosuper-markt)

BiozertifizierteGetränke

Verwendungvon Fisch ausnachhaltigemFang, Fleischaus artgerechterTierhaltung

AusschließlichFleisch undFisch ausartgerechterTierhaltung,bzw. nach-haltigem Fang

AusschließlichveganesSpeisenangebot

Ausschließlichvegetarischesund veganesSpeisenangebot

Maßnahmen zurReduktion vonAbfällen

Verwendungvon Mehrweg-materialien wiez. B. Stoff-servietten, Re-cyclingpapier

RecyclebareTransportboxenfür Lebensmittel

BiologischabbaubareTransportboxenz. B. aus MaisPlastik

MaßnahmengegenLebensmittel-verschwendung

GenaueEinkaufs-planung

Genaue Waren-kennzeichnung

Verwertung vonLebensmittel-und Speise-resten zu z. B.Servietten-knödeln

Reste verpackenund den Gästenmit nach Hausegeben

Angebot vonKinder- undSenioren-portionen

Aus Lebens-mittelrestenPersonalessenoder Appetizerfür Gästezubereiten

Lebensmittel-reste werdenvon InitiativeFood Sharingabgeholt

Angebot vonKinderportionen

Zu 80 % wirdmit gerettetenLebensmittelngekocht

Angebot kleinerPortionen

Tab. 2.: Vergleich der Strategien für ökologische Nachhaltigkeit (eigeneDarstellung)

KriteriumGasthaus zumgroßenKiepenkerl

RestaurantBunte Burger

RestaurantRestlosGlücklich

Verwendunglokaler und saisonaler Produkte

Einkauf beilokalenProduzenten

PersönlicherKontakt zu denProduzenten

Zum TeilEinkauf beilokalenProduzenten

Zum TeilpersönlicherKontakt zuProduzenten

Lebensmittel-zukäufe ausKostengründenim Großhandeloder Supermarkt

Verwendungvon fairgehandeltenProdukten

Verwendungvon Fair TradeKaffee und Tee

RegionalerEinkauf alsfairer Handel

Verwendungvon Fair TradeKaffee undKakao

BiologischerEinkauf alsfairer Handel

KeineInformationen

Umsatz, Gewinn

Konzeptrentabel

HoherKundenzulaufaufgrund desKonzepts

Betrieb schreibtschwarzeZahlen, befindetsich aber nochin derStartphase

Not-for-ProfitRestaurant

Überschüssewerden inBildungsarbeitinvestiert

Tab. 3.: Vergleich der Strategien für ökonomische Nachhaltigkeit (eigeneDarstellung)

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LEITBILD NACHHALTIGKEIT

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dass die Nachfrage nach nachhaltigen Produkten in der Ge-sellschaft zunimmt. Die Mehrheit der befragten Personen be-stätigte, dass sie bereit wären, für ein nachhaltiges Speisen-angebot in der Gastronomie 20 bis 30 Prozent mehr zu zahlen.

Die befragten Betriebe bestätigen, dass einige Maßnahmenfür eine nachhaltige Entwicklung einfach umzusetzen und fi-nanziell tragbar sind. Dazu gehören z. B. das Beziehen von öko-logischem Strom, die Verwendung von recycelten Papierpro-dukten im Hygienebereich oder das Angebot von biozertifi-zierten Getränken. Die Vielfalt an nachhaltigen Maßnahmenbietet gastronomischen Betrieben Freiheit und die Möglichkeit,ein individuelles Konzept für Nachhaltigkeit zu entwickeln.

4.6 Herausforderungen bei der praktischen

Umsetzung von Nachhaltigkeit

Die befragten Betriebe nennen fehlendes Budget für kostspieligeMaßnahmen, wie das Installieren von Solarzellen, als Her-ausforderung und Hindernis bei der praktischen Umsetzung vonNachhaltigkeit. Eine weitere Herausforderung kann sein, dassProdukte nicht in der gewünschten Qualität und Menge zur Ver-fügung stehen. Hier müssen Gastronomen Flexibilität zeigenund gegebenenfalls Gerichte von der Speisekarte streichen oderneu kombinieren. Nachhaltige Gastronomie erfordert ein hö-heres Maß an Kommunikation. Kunden müssen über das Leit-bild und die Strategie informiert werden, um höhere Preise zuverstehen und zu akzeptieren. Getreu dem Motto „Tue Gutesund rede darüber“ sollte das Konzept des Betriebs verbreitetwerden. Aufgrund der höheren Preise werden nachhaltige Re-staurants eher zu besonderen Anlässen besucht und haben Event-charakter. Es ist eine Herausforderung, einen Stammkunden-stamm aufzubauen, der regelmäßig in das Restaurant kommt.

5 Konzepte für unterschiedliche Milieus und

Zielgruppen

Verschiedene nachhaltige Konzepte sprechen unterschiedlicheMilieus in der Gesellschaft an (Kleinhückelkotten/Wegner2010). Die drei verglichenen Gastronomien haben das Poten-zial, schwerpunktmäßig unterschiedliche Zielgruppen undMilieus anzusprechen. Das Konzept gegen Lebensmittelver-schwendung des Restaurants Restlos Glücklich könnte be-sonders Bürger des postmateriellen Milieus ansprechen. Fürdieses Milieu spielen Werte wie Qualität, Natürlichkeit, Ver-antwortung oder Umweltbewusstsein eine wichtige Rolle.Seine Anhänger kaufen auch am häufigsten Bioprodukte ein.Auch konservative und traditionsverbundene Bürger sind einepotenzielle Zielgruppe von nachhaltiger Gastronomie. Vorallem das Konzept des Gasthauses zum großen Kiepenkerl mitdem Erhalt der traditionellen regionalen Küche spricht die Mi-lieus der Konservativen und Traditionsverbundenen an. Zu-sätzlich hat Qualität und Verantwortung bei konservativenBürgern einen hohen Stellenwert. Für die konservative undetablierte Oberschicht spielt die Qualität von Produkten meisteine größere Rolle als der Preis. Das moderne Konzept von

KriteriumGasthaus zumgroßenKiepenkerl

RestaurantBunte Burger

RestaurantRestlosGlücklich

Transparenz TeilweiseAuslage vonFlyern derProduzenten

GasthausfibelmitInformationenzu Produzenten

Informationenauf der Website

AusführlicheSpeisekarte

Informationenauf der Website

Im RestaurantausliegendeZeitungsartikelund Flyer

Informationenauf der Website

FaireBehandlung derMitarbeiter

Mitarbeiter-vergütung überdemMindestlohn

Sonntags- undAbendzuschläge

30 Tage Urlaubim Jahr

Zwei freie Tagepro Woche

Angebot vonwöchentlichenMassagen fürfestangestellteMitarbeiteraußerhalb derArbeitszeit

Personalessen

WäscheservicefürBerufskleidung

Weiterbildungsmaßnahmen wiez. B.Reinigungs-,Wein-schulungen

Mitarbeiter-vergütung überdemMindestlohn

Schichtzu-schläge

30 Tage Urlaubim Jahr

Zwei freie Tagepro Woche

Zwei bis dreiBetriebsaus-flüge im Jahr

Personalessen

Mitarbeiter-vergütung überdemMindestlohn

24-30 TageUrlaub im Jahr

Zwei bis vierfreie Tage proWoche

Zum großenTeilUnterstützungdurchehrenamtlicheHelfer

Gesellschaft-lichesEngagement

Unterstützungvon sozialenProjekten wieÄrzte ohneGrenzen

Verkauf vonLeinenbeutelnausBiobaumwolle,der Erlös wirdan Greenpeacegespendet

Unterstützungvon zwei bisdrei sozialenProjekten imJahr

Charity Burger:Pro verkauftemBurger wird 1 €an sozialesProjektgespendet

Angebot einesGourmetburgers:Preis 159 € –der gesamteErlös wird ansoziale Projektegespendet

GrößtenteilsUnterstützungder eigenenBildungsarbeitdes Vereins

Einsatz für mehrWertschätzungvonLebensmittelnund gegenLebensmittel-verschwendung

Tab. 4.: Vergleich der Strategien für soziale Nachhaltigkeit (eigeneDarstellung)

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MAGDALENA BECKER, PIRJO SUSANNE SCHACK

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Bunte Burger, das den aktuellen Trend von Burgerrestaurantsmit dem Ernährungstrend des Veganismus kombiniert, kannneben dem postmateriellen Milieu auch das der modernen Per-former ansprechen. Deren Anhänger legen Wert auf Trendsund Modernität und schöpfen persönlichen Mehrwert aus demAngebot von nachhaltiger Gastronomie.

Die Betrachtung der verschiedenen Milieus sowie die Be-fragungen der drei Betriebe zeigen, dass es nicht nur ein Kon-zept für erfolgreiche, nachhaltige Gastronomie gibt. Gastro-nomische Betriebe müssen sich bewusst machen, wer mit demeigenen Konzept angesprochen werden soll, und ein ganz-heitliches Konzept für einen nachhaltigen Betrieb entwickeln.

6 Fazit

Die Auswertung der Befragungen zeigt, dass gastronomischeBetriebe, unabhängig von ihrer Betriebsgröße und ihremKonzept, einen Beitrag zu einer nachhaltigen Entwicklung lei-sten können. Allerdings ist die Aussagekraft der qualitativenBefragungen begrenzt. Neben qualitativen Kriterien für nach-haltige Gastronomie wäre es noch gut, auch quantitative Wer-te wie den tatsächlichen Energieverbrauch pro Mahlzeit, dasAbfallaufkommen oder den ökologischen Fußabdruck von ga-stronomischen Betrieben zu messen. Die Werte würden ge-nauere Ergebnisse liefern und Verbesserungspotenziale deut-lich aufzeigen. Dies war im Rahmen der Bachelorarbeit nichtmöglich. Trotzdem haben die Befragungen gezeigt, dass es kei-ne Musterstrategie für Nachhaltigkeit in der Gastronomie gibt,sondern viele Wege, die zum Ziel führen können.

Die drei befragten Betriebe zeigen, dass es möglich ist,Strategien für Nachhaltigkeit praktisch umzusetzen. Die vor-gestellten Beispiele können andere gastronomische Betriebeermutigen, das eigene Handeln zu reflektieren und eine eigeneStrategie für mehr Nachhaltigkeit in der Gastronomie zu ent-wickeln. Zudem ist es wichtig, dass zukünftig allgemein gül-tige Handlungsleitlinien entwickelt werden, die möglichstviele Aspekte von nachhaltiger Gastronomie berücksichti-gen. Diese können gastronomischen Betrieben Handlungs-orientierung und Sicherheit geben.

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Food Service, 6. S. 47-52

Magdalena Becker

Bachelor der Oecotrophologie,Fachhochschule Münster

Fachbereich Oecotrophologie – Facility Management

[email protected]

Prof. Dr. Pirjo Susanne Schack

Fachhochschule Münster

Fachbereich Oecotrophologie – Facility Management

Corrensstr. 25

48149 Münster

[email protected]

HuW 1/2017 37

LEITBILD NACHHALTIGKEIT

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Die Fülle an Wäschearten stellt unterschiedliche An-forderungen an die Aufbereitung im Hinblick auf Des-infektion, Sauberkeit und Schonung. In Eigenregie wer-

den meist die sogenannten Heimtextilien wie Bett- und Tisch-wäsche, Handtücher oder Bademäntel gewaschen. AuchOberbetten, Bedarfsgegenstände aus dem Küchen- und Ser-vicebereich wie Schürzen oder Wischtücher sowie Wisch-mopps von Gebäudereinigern müssen nicht nur sauber, son-dern auch hygienisch einwandfrei sein. Nach besonders sorg-samer und wertschätzender Pflege verlangt die persönliche Wä-sche und Bekleidung der Menschen, die in Betreuungs- undPflegeeinrichtungen leben: Oberwäsche und Leibwäsche,von Baumwolle über Wolle bis Seide.

Jeder fünfte Betrieb wäscht alles im Haus

Bewohner von Senioreneinrichtungen erwarten hygienisch saubere Wäsche, die angenehm duftetund sich ebenso anfühlt – und das auf Abruf, oftin größeren Mengen, und für den Betreiber mög-lichst kostengünstig und wirtschaftlich. Häufig er-füllt eine hauseigene Wäscherei (InHouse-Wä-scherei), deren Ausstattung optimal auf den Bedarfdes Hauses abgestimmt ist, diese Anforderungenam besten.

Derzeit wäscht jedes fünfte Alten- und Pfle-geheim in Deutschland seine komplette Wäscheselbst. So lautet das Fazit einer Studie der „rc re-search & consulting GmbH“, die herstellerunab-hängig und branchenübergreifend im Auftrag derInformationsplattform „KlasseWäsche“ von De-zember 2012 bis Januar 2013 in 250 Alten- undPflegeheimen sowie in 359 Hotels durchgeführtworden ist. Als wichtigste Vorteile der hauseige-

nen Wäscherei werden dabei die Unabhängigkeit von Dritten– also externen Dienstleistern – genannt, dicht gefolgt von derKontrolle über die eigene, individuelle Wäsche und der Mög-lichkeit der direkten Qualitätsprüfung. Hinzu kommen eine er-höhte Flexibilität, eine optimale Anpassung an die eigenenquantitativen, qualitativen und zeitlichen Bedarfe sowie an dieräumlichen und technischen Gegebenheiten vor Ort. Im Sinnegrößerer Nachhaltigkeit schlagen zusätzlich die sozialen Vor-teile der Beschäftigung eigenen Personals in der InHouse-Wäscherei, die zuverlässige Vermeidung prekärer Beschäfti-gungsverhältnisse bei externen Dienstleistern sowie dieVermeidung laufender Hin- und Rücktransporte der Wäsche-posten positiv zu Buche. Sieben von zehn Alten- und Pflege-heimen kommunizieren die Vorteile der hauseigenen Wä-scherei positiv gegenüber den Heimbewohnern(KlasseWäsche 2017).

InHouse-Wäscherei:

Wäsche in guten Händen

Antoinette Stritzke

Große Wäschemengen perfekt waschen, trocknen und mangeln, in kürzester Zeit und abgestimmt auf den individuellenBedarf der Bewohner: Das sind die primären Anforderungen an eine InHouse-Wäscherei. Dafür braucht es perfektePlanung für einen reibungslosen Ablauf und moderne Technik für einen wirtschaftlichen Betrieb. In der Vergangenheit sinddie Technologien für Waschen, Trocknen und Mangeln schrittweise optimiert worden. Innovative Geräte senken heute durchhöchste Effizienz beim Wasser- und Energieverbrauch nicht nur die Kosten, sondern auch die Umweltbelastung. EineInHouse-Wäscherei nutzt zudem die qualitativen und sozialen Vorteile eigenen Personals und vermeidet langeTransportwege und -zeiten zu externen Dienstleistern. Der Beitrag gibt einen Überblick über effektive Waschprozesse, denhygienisch richtigen Umgang mit verschiedensten Textilien und zeigt Wege zur ökonomischen und ökologischenOptimierung für Versorgungsbetriebe.

38 HuW 1/2017

ANTOINETTE STRITZKE

InHouse Laundry: Washing in good hands

Perfectly washing, drying and mangling of big lots, in short time and due to

the individual needs of the inhabitants are the primary demands on InHouse

Laundries. To meet these requirements good planning is necessary for

flawless procedures. The use of up-to-date technology enables efficient

economic results of the later operations. In the past washing, drying and

mangling technologies have been optimized in terms of water and energy use,

in order to reduce not only the cost but as well the ecological burden.

Additionally, InHouse Laundries are using the qualitative and social

advantages of core workforce, and are avoiding long distance transportation

to external service providers. The paper gives an overview of efficient

washing processes, adequate hygienic treatment of different textiles and points

the way to the economic and ecological optimization of servicing facilities.

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Planung einer InHouse-Wäscherei: die richtigen

Fragen zum richtigen Zeitpunkt

Die richtige Planung ist entscheidend für die spätere Funk-tionalität einer InHouse-Wäscherei. Planung gehört norma-lerweise zum kostenlosen Service professioneller Anbieter vonWäschereitechnik. Um Wirtschaftlichkeit und Einsparpoten-ziale berechnen zu können, müssen alle Informationen vor Ortgesammelt und in eine Software eingegeben werden. Dazu ge-hören:■ die Maße und Daten der Räume,■ die Lage der Räume (Keller oder Erdgeschoss?),■ die Anzahl der Bewohner,■ die erwarteten Mengen und Arten der Wäsche,■ Angaben über vorhandene technische Anschlüsse und■ vorhandene Endenergieträger (Strom, Gas, Heizöl, Dampf,Fernwärme, Solarthermie).

Sobald diese Informationen vorhanden sind, wird ein maß-gerechtes Konzept erstellt. Viele Dinge müssen dabei be-rücksichtigt werden:■ Wie planen wir einen optimalen Wäschekreislauf?■ Wo steht die Heizung?■ Wo sind die Wasseranschlüsse?■ Gibt es eine Dampf- oder Warmwasserversorgung?

Weitere Aspekte, die betrachtet werden müssen, zeigt dieim Kasten (rechts) gezeigte Checkliste.

Manchmal müssen auch bauliche Änderungen vorge-nommen werden, etwa im Hinblick auf die Einbringung unddas Gewicht der Wäschereimaschinen. Abb. 1 auf der näch-sten Seite zeigt schematisch im Uhrzeigersinn die Bestandteileeines Wäschekreislaufs, oben beginnend mit dem Wohnraum,gefolgt von der Sammlung der zu waschenden Wäsche imWohnbereich, der Codierung, der InHouse-Wäscherei (un-reine Seite), der InHouse-Wäscherei (reine Seite), der Zuord-nung zu den Wohnbereichen durch Decodierung und Anlie-ferung an die Nutzer. Die senkrechten roten Linien imWäschekreislauf trennen die reine Seite (rechts) von der un-reinen Seite (links).

Hygiene: eine Frage des richtigen Ablaufs

Um alle Richtlinien für Pflegeeinrichtungen zu erfüllen, ist diebauliche Trennung einer Wäscherei in die unreine und diereine Seite erforderlich – und zwar unabhängig davon, ob hiernur die persönliche Kleidung der Bewohner oder auch Flach-und Objektwäsche sauber wird. Denn nur so wird gewährlei-stet, dass ausschließlich hygienisch gewaschene Textilien zurweiteren Bearbeitung in die Trockner und Finishgeräte ge-langen.

Lebensmittelrechtlich gilt zudem, dass Bedarfsgegen-stände wie z. B. Trockentücher, Tischdecken und Arbeitsbe-kleidungen aus Küche und Service einem standardisiertenund rechtlich gebotenen Hygienekonzept unterliegen. Hiersorgt die bauliche und apparative Trennung von unreiner undreiner Seite in der InHouse-Wäscherei für die Vermeidung hy-

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LEITBILD NACHHALTIGKEIT

Wäschearten

� Flachwäsche (Bettwäsche, Tischwäsche, Mangelwä-sche, etc.)

� Frottierwäsche� Oberbekleidung (Bewohnerwäsche)

Transport von den Wohnbereichen in die Wäscherei

� Ja� Nein

Wird die Bewohnerwäsche in einem persönlichen Be-

wohner-Wäschesack eingesammelt?

� Ja� Nein

Trennen der Wäschearten

� Posten Flach- und Frottierwäsche� Posten Bewohnerwäsche

Eingangsscan der Bewohner-Wäsche

� Ja� Nein

Ausgangsscan der Bewohner-Wäsche

� Ja� Nein

Sortieren der Bewohner-Wäsche

� Ja� Nein

Waschen in

� Frontladewaschmaschinen mit baulich vorgesehener Schleuse

� reine/unreine Seite Waschmaschine mit räumlicherTrennung

Beheizungsart

� Elektro� Gas� Heißwasser für Trockner

Besondere Waschverfahren

� Z. B. WetCare(Nassreinigung)� Sonstiges: Mopp- und Tuchaufbereitung (Mopstar 60)

Wird gemangelt?

� Ja� Nein

Checkliste für die Planung und

Errichtung einer InHouse-Wäscherei

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gienischer Risiken, die in einem Kritischen Lenkungspunkt(Critical Control Point – CCP) gemäß dem rechtlich gebote-nen HACCP-Konzept des Versorgungsbetriebs beherrschtwerden müssen (Hohenstein 2012).

Einen guten Einblick in eine angemessene bauliche, ap-parative und organisatorische Struktur mit unreiner und reinerSeite der InHouse-Wäscherei gibt Abb. 2. Zusätzlich ist hierzu erkennen, dass „unrein“ und „rein“ auch vom Personal hergetrennt sein sollte, um die Übertragung von mikrobiologi-schen Verunreinigungen ebenso zuverlässig zu vermeiden.

Die unreine Seite

Auf der unreinen Seite wird die Schmutzwäsche von den Sta-tionen eingesammelt und zwischengelagert. Dann wird dieWäsche registriert, es folgen Scanning, Patching (Kenn-zeichnung) und Sortierung. Die in eine Trennwand einge-baute Waschmaschine stellt die Trennung zwischen unreinerund reiner Seite dar. Diese sog. Trennwandmaschinen verfü-gen über eine horizontal liegende, quer eingebaute Wasch-trommel, deren Öffnung beim Beladen programmgesteuert aufder unreinen und beim Entladen auf der reinen Seite zugäng-lich ist (siehe Abb. 3).

Sobald sich die Wäsche in der Maschine befindet und die Des-infektion (siehe Kasten auf der nächsten Seite) gestartet ist, be-findet sie sich auf der reinen Seite. Auf der unreinen Seite derInHouse-Wäscherei werden außer der Wäschebehandlungauch die Behälter und Wagen der Anlieferung der Schmutz-wäsche gereinigt, ggf. desinfiziert und wieder in Umlauf ge-bracht.

Die reine Seite

Von der reinen Seite aus wirddie Wäsche in der Maschineentladen (siehe Abb. 3). An-schließend wird die Wäscheim Wäschetrockner getrock-net und gemangelt. Nach demFinishen, Falten und Legensowie Scannen und Sortierenkann die saubere Wäsche aufder reinen Seite bis zur Aus-lieferung an die entsprechen-den Stellen zwischengelagertwerden.

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Abb. 1: Schematischer Wäschekreislauf im Uhrzeigersinn (rechte Hälfte:unreine Seite, linke Hälfte: reine Seite)

Abb. 2: Bauliche, apparative und personale Trennung von unreiner Seite (rechts) und reiner Seite (links im Bild)(Quelle: Miele Professional)

Abb. 3: Trennwandmaschine beim Entladen auf der reinen Seite (Quelle:Miele Professional)

ANTOINETTE STRITZKE

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Kapazität und Wirtschaftlichkeit berechnen:

gewusst wie

Die Konzepterstellung für eine neue hauseigene Wäscherei er-fordert in der Regel einen Tag. Die detaillierte Ausarbeitungdauert länger. Alle Pläne werden mit einer CAD-Software wiez. B. dem pCon.planner erstellt, der einen virtuellen Besuchder geplanten Wäscherei möglich macht (EasternGraphics2017). Dies kann direkt vor Ort vorgeführt werden, wo sichÄnderungswünsche auch „live am Objekt“ besprechen lassen.Die fertigen Zeichnungen werden dann vom Architekten über-nommen. Sie sind so detailliert, dass kleine Umbauten sofortvon den Fachfirmen ausgeführt werden können. Zum Serviceeiner seriösen Planungsabteilung gehört auch, die Kapazitätund die Wirtschaftlichkeit der Wäscherei genau zu berechnen.Dabei werden die Anzahl, Größe und Kombination der Geräteund ihr Energieverbrauch ermittelt. Es kann genau berechnetwerden, was es kostet, ein Kilogramm Wäsche zu waschen, zutrocknen und zu mangeln. Die Planer können Einsparpotenzialund Vorteile einer neuen InHouse-Wäscherei gegenüber einerbestehenden Fremdvergabe oder einer in die Jahre gekom-menen hauseigenen Wäscherei deutlich aufzeigen.

Neue Maschinentechnik: bis zu 46 Prozent weniger

Wasser beim Waschen

Bis zu 46 Prozent weniger Wasser, bis zu zehn Prozent we-niger Waschmittel und bis zu 14 Prozent weniger Energie ver-brauchen heutige Waschmaschinen im Vergleich zu ihrenVorgänger-Modellen. Der Rückgang ist auf eine optimierteTechnik wie z. B. automatische Dosiersysteme oder ein Was-serrückgewinnungsmodul zurückzuführen, die eine individu-elle Programmgestaltung ermöglichen. Außerdem gibt es pa-tentierte Wiegesysteme, die den Ressourcenverbrauch derjeweiligen Beladung anpassen, und dies bei gleichbleibend ho-her Wasch- und Spülwirkung. Die ausgeklügelte Informati-onstechnologie erkennt aber nicht nur die Menge der Wäsche,sondern auch deren Verschmutzungsgrad.

Auch die aktuelle Generation der Waschmaschinen inTrennwandausführung (siehe Abbildungen 2 und 3) spartZeit und Kosten: Nach der Wäsche haben hygienisch sau-bere Textilien nur noch eine Restfeuchte von weniger als 50Prozent. Der wichtigste Grund dafür ist die hohe Schleuder-leistung (g-Faktor). Damit sind kurze Laufzeiten im an-schließenden, energieintensiven Trocknungsprozess garan-tiert.

Gemeinsam die richtige Lösung für die Kunden

finden

Die Waschprogramme werden bei den Maschinen mit Trenn-wandausführung auf einem großen Display an der unreinenSeite ausgewählt und gestartet. Auf der reinen Seite wird derBetriebszustand angezeigt. Standard ist das Programmpaket„Hygiene“ für den Bereich Pflegeheim und Krankenhaus mitProgrammen für Inkontinenzunterlagen und Krankenhaus-Textilien, außerdem sind darin Desinfektions-, Betten- undGardinenprogramme, Programmpakete zur Aufbereitung vonWischbezügen sowie Nassreinigungsprogramme (WetCare)enthalten. Das System „WetCare“ ist ein lösemittelfreier Rei-nigungsprozess, der seit 25 Jahren auf dem Markt etabliert ist.Verbesserungen bei Verfahrenstechnik und Reinigungschemiehaben dafür gesorgt, dass ein Großteil aller Textilien nicht nurmit dem System „WetCare“ gereinigt, sondern anschließendauch direkt getrocknet und gefinisht werden kann (Miele2017).

Für den Bedarf der Gebäudereinigung gibt es spezielle Ge-räte wie z. B. die Waschmaschinen-Generation „Mopstar“mit Platz für 6,5 bis 13 Kilogramm Mopps oder Wischtücher.Ein patentiertes Verfahren rüstet die Reinigungstextilien so-gar gebrauchsfertig mit Reinigungs- und Desinfektionsmittelnaus. Je nach Größe lassen sich in den Maschinen bis zu 68Baumwoll- oder 100 Mikrofaser-Mopps (40 ZentimeterLänge) oder mehr als 400 Wischtücher waschen und ausrüsten(abhängig von Material und Hersteller). Das bringt eine Op-timierung des Hygienestandards, Zeitersparnis und Entla-stung des Personals.

Wäsche alternativ trocknen: Betrieb fast zum

Nulltarif möglich

Alternative Beheizungsarten wie Solarthermie, Fernwärmeoder die Nutzung eines Blockheizkraftwerkes (BHKW) mitgekoppelter Wärme- und Stromerzeugung gewinnen welt-weit an Bedeutung. Deshalb gibt es speziell konzipierte Trock-ner, die diese Quellen nutzen und damit Energiekosten dra-stisch reduzieren: die sogenannten Heißwassertrockner oderauch H2O-Trockner. Heißwasser entsteht als Nebenproduktbei der Kühlung eines Blockheizkraftwerkes (BHKW), dasdem Betreiber viele Vorteile bietet. Einerseits sorgt es dafür,dass Gebäude im Hinblick auf die Stromversorgung unab-hängig werden, andererseits können Strom und Wärme aus derÜberproduktion des BHKW in das Netz eines öffentlichen

LEITBILD NACHHALTIGKEIT

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Zuverlässige Desinfektion basiert darauf, dass die Fakto-ren Chemie, Temperatur, Zeit und Mechanik voneinanderabhängig, aber untereinander in ihrer Größe veränderbarsind. Ihr perfektes Zusammenspiel in der Waschmaschinemacht den Erfolg jedes Reinigungs- oder Desinfektions-vorganges aus. Bei der chemo-thermischen Desinfektionbei 40 bis 60 °C ist die ordnungsgemäße Dosierung vonChemie entscheidend, während bei der thermischen Des-infektion bei 85 °C die Temperaturregelung ausschlagge-bend ist. Durch die Einbindung moderner Informations-technologie erfolgt die laufende Überwachung undDokumentation.

Zuverlässig Wäsche desinfizieren

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Stromanbieters eingespeist werden – gegen entsprechendeRückvergütungen. Damit wird das Kraftwerk im eigenenHaus für den Betreiber besonders attraktiv. Denn um den ein-wandfreien Betrieb eines BHKW zu gewährleisten, muss ausseinem Kühlkreislauf regelmäßig Wärme abtransportiert wer-den. Dafür fehlt oft die Möglichkeit einer sinnvollen Nutzung:Zwar können hauseigene Heizung oder ein eventuell vorhan-denes Schwimmbad über die BHKW-Abwärme beheizt wer-den, doch trotzdem bleiben vielfach große Mengen übrig, fürdie kein Abnehmer vorhanden ist.

Heißwassertrockner nehmen einen weiteren Teil derWärme ab. Die Heizenergie für ihren Betrieb wird durch hei-ßes Wasser gewonnen, das über einen Wärmetauscher für dieHeizenergie im Trockner sorgt – gewonnen durch Wärmeaus dem BHKW-Kühlkreislauf. Somit ist der Trocknerbe-trieb fast zum Nulltarif möglich. Doch auch andere Energie-quellen wie beispielsweise Fernwärme, Solar- oder Geother-mie sorgen für eine kostengünstige Beheizung derH2O-Trockner.

Eine Lösung für Räume, in denen kein Abluftanschluss in-stalliert werden kann, sind die Wärmepumpentrockner mit ge-schlossenem Luftkreislauf. Ihre Abwärme wird im Rahmendieses Kreislaufs mithilfe von Wärmetauschern erneut ge-nutzt. Diese Trockner senken den Energieverbrauch im Ver-gleich zu Ablufttrocknern um 60 Prozent und überzeugendurch kurze Laufzeiten: Zehn Kilogramm Textilien werdenschon in ca. 45 min getrocknet. Eine Messung der Restfeuchtewie z. B. die Restfeuchtesensierung „Perfect Dry“ schütztvor Übertrocknung und senkt den Energieverbrauch. Dabeiwird der gewünschte Trocknungsgrad der Wäsche permanentgemessen und überwacht – auch bei besonders kalkhaltigemWasser. Somit ist eine punktgenaue Trocknung gewährleistet.Dies schont Kosten und verlängert die Lebensdauer der Tex-tilien. Wärmepumpentrockner gibt es mit Elektro- oder Gas-beheizung.

Um Stromspitzen in der InHouse-Wäscherei zu vermeiden,können alle Maschinen an eine sogenannte bauseitige Spit-zenlastabschaltung oder Energieoptimierungsanlage ange-schlossen werden: Sie sorgt dafür, dass im Fall eines hohenStromverbrauchs ein oder mehrere Geräte kurzfristig abge-schaltet werden. Wenn zum Beispiel mittags in der KücheHochbetrieb herrscht, können die Wäschereimaschinen auto-matisch ihren Betrieb unterbrechen. Dadurch lassen sich, jenach Anwendung, die Stromspitzen verringern und somit diegesamten Stromkosten um bis zu 25 Prozent senken. In die-sem Zusammenhang ist schon bei der Planung die enge Ab-stimmung mit dem örtlichen Stromversorger von Vorteil.

Wäsche mangeln: 50 Prozent bessere Leistung

Mehr Effizienz und Wirtschaftlichkeit hat auch vor dem Man-geln nicht halt gemacht: Die neue Mangelgeneration überzeugtmit einer Leistungssteigerung von bis zu 50 Prozent im Ver-gleich zu älteren Geräten, dank eines verbesserten Anpress-drucks und einer optimierten Heizungsregelung. Das bedeu-

tet viel kürzere Arbeitszeiten bei gleichzeitiger Reduzierungder Energiekosten. Für kleine und mittelgroße Wäschereien –typische InHouse-Wäschereien also – sind höhenverstell-bare Mangeln mit Arbeitsbreiten zwischen 100 und 166 cmideal, passend für die Abmessungen der Wäsche und indivi-duell einstellbar auf die Größe des Bedienpersonals.

Desinfektionswäsche: zwei Tests geben Sicherheit

In Krankenhäusern, in Betreuungs- und Pflegeeinrichtungenist die Verfahrenssicherheit bei der Wäschedesinfektion ge-fordert. Geprüfte Programme gemäß den Vorgaben des Ro-bert-Koch-Institutes (RKI) bzw. Verbundes für angewandteHygiene (VAH) sowie Überwachungssysteme in der Ma-schine geben Sicherheit. Zum Beispiel durch automatisierteTemperaturkontrollen, die bei 60-Grad-Programmen eine ord-nungsgemäße Desinfektion sicherstellen. Laufend kontrol-liert wird auch die Leerstandssensierung bei Flüssigdosie-rung. Gerade bei der chemo-thermischen Desinfektion ist dieSicherstellung der ordnungsgemäßen Dosierung entschei-dend.

Ob das Zusammenspiel zwischen desinfizierenden Wasch-verfahren und Waschmitteln einwandfrei funktioniert, über-prüfen standardisierte Testverfahren wie z. B. die Prüfver-fahren „ProHygiene“ und „ProHygiene Plus“, die sich inKrankenhäusern und Senioreneinrichtungen durchgesetzt ha-ben. Bei beiden Tests werden sogenannte Bio-Indikatorenzusammen mit den Textilien gewaschen: Stoffstreifen mitthermoresistenten Mikroorganismen (Enterococcus faeciumATCC 6057 und Staphylococcus aureus ATCC 6538), dienach Ende des Waschgangs an ein zertifiziertes Labor gehen.Die Entnahme der gewaschenen Stoffstreifen zeigt Abb. 4.

Im Labor werden die noch vorhandenen Keime und damitdas Desinfektionsergebnis ausgewertet. Beide Verfahren er-füllen die Anforderungen an die Krankenhaushygiene des

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Abb. 4: Entnahme der Stoffstreifen mit Bioindikatoren nach der Wäsche(Quelle: Miele Professional)

ANTOINETTE STRITZKE

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Robert Koch Instituts (RKI 2016). Dabei stellt das Verfahren„ProHygiene Plus“ die höchsten Anforderungen an Wasch-verfahren und Chemie – auch gemäß der Richtlinien des Ver-bunds für Angewandte Hygiene e. V. (VAH) –, weil die Stoff-streifen in einem Schutzbeutel aus Baumwolle gewaschenwerden, und es sich deshalb um ein sogenanntes „offenes Sy-stem“ handelt (VAH 2016).

In jedem Fall liegt nach etwa zwei Wochen das Ergebnisvor, und die InHouse-Wäscherei erhält eine detaillierte Aus-wertung. Unabhängige, zertifizierte Labore werten die Indi-katoren aus und weisen damit die Funktion und Einhaltung derRichtlinien nach RKI und VAH nach. Zusätzlich bekommt derAnwender bei beiden Verfahren Angaben über die Einhaltungvon Temperaturen und Haltezeiten. Alle Ergebnisse werdendokumentiert, und der Anwender erhält ein Zertifikat. Dieslässt sich bei Bedarf dem örtlichen Gesundheitsamt, der Le-bensmittelaufsicht oder der Berufsgenossenschaft vorlegen –als Beleg für die Einhaltung der Vorschriften zu Hygiene undArbeitssicherheit. Die Prüfungen können ein bestehendesQualitätsmanagementsystem aufwerten oder bei der Einfüh-rung von Qualitätsmanagementsystemen unterstützen.

Kein Verwechseln der Wäsche: vom Barcode

bis zum Chip

Für InHouse-Wäschereien von Altenpflegeheimen ist es we-sentlich, die Textilien der Bewohner so zu kennzeichnen,dass sie jederzeit und zweifelsfrei ihren Besitzern zugeordnetwerden können. Es können Stick- und Webetiketten, Patch-etiketten, manuelle Beschriftungen, Barcodes, ein Data-Ma-trix-System oder RFID-Tags eingesetzt werden. Bei der Aus-wahl der Methode müssen außer der guten Les- und Haltbar-keit auch die Optik und gute Trageeignung für die Nutzerberücksichtigt werden. Jede Art der Anbringung ist arbeitsin-tensiv, und sie muss, angefangen von der Arbeitsplatzgestal-tung bis zum systematischen Handeln durch geschulte Mitar-beiter, sehr gut geplant sein. Neuerdings werden auch Chipsverwendet, in denen die Namen der Kunden oder Heimbe-wohner gespeichert sind und als Signal ausgestrahlt werden.Der Vorteil: Fehlende Textilien können anhand der Doku-mentation schneller gefunden werden. In einigen Wäsche-reien wird die Wäsche überdies mittels einer Software einge-scannt und dann dem jeweiligen Besitzer über einLED-gesteuertes Sortierregal zugeordnet, ohne dass von Handvor- oder nachsortiert werden muss. Das ermöglicht das Sor-tieren kontaminierter Wäsche unter besonders hygienischenBedingungen.

Die digitale Technik macht es für das Management zudemleichter, die Kosten den jeweiligen Kostenstellen zuzuordnen,ein exaktes Budget zu berechnen, Personal zu steuern, Inven-turen unproblematisch und zeitnah durchzuführen sowie Ver-luste entsprechend zurückzuverfolgen. Digitalisierung undAutomatisierung sind heute integraler Bestandteil einer In-House-Wäscherei und tragen zur Sicherheit der Prozesse inVerbindung mit einfacher Bedienung der Geräte bei.

Quellen

EasternGraphics (2017): pCon.planner – Der 3D-Raumplaner für Experten.

EasternGraphics GmbH, Ilmenau (2017). www.pcon-planner.com (ab-

gerufen am 13.01.2017).

Hohenstein (2012): Hygienemanagement-Handbuch für die Bearbeitung von

Oberbekleidung aus Pflegeeinrichtungen. Hohenstein Laboratories

GmbH&Co.KG. Siehe auch: http://www.waeschereien.de/media/wae-

schereien/waeschereien_securemedia__rescue_/elo_hygienenmanage-

ment_handbuch.pdf (abgerufen am 17.01.2017).

KlasseWäsche (2017): www.klassewaesche.com/daten-und-fakten/ (abgeru-

fen am 17.01.2017).

Miele (2017): Miele WetCare. Professional Fabric Care for the Future.

www.miele.com/en/marine/miele-wetcare-1134.htm (abgerufen am

13.01.2017).

RKI (2016): Robert Koch Institut (Hrsg.): Richtlinie für Krankenhaushygiene

und Infektionsprävention

VAH (2016): Verbund für Angewandte Hygiene e. V. (Hrsg.): Anforderun-

gen und Methoden zur VAH-Zertifizierung chemischer Desinfektions-

verfahren

Dipl.-Kffr. Dipl.-Ing. (FH) Antoinette Stritzke

Miele Professional

Anwendungstechnikerin Wäschereitechnik

[email protected]

LEITBILD NACHHALTIGKEIT

HuW 1/2017 43

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Wenn man der dgh über Jahr-zehnte verbunden ist, hatman Gezeiten in der Arbeit

und Reichweite des Verbands kommenund gehen sehen. Es gab eine Zeit, in derder Verband mit einer handlungsfähigenFührung, der breiten Mitarbeit einerwissenschaftlichen Elite und einer kon-struktiven Praxisarbeit der Bedeutung ei-nes gesellschaftspolitisch nationalenSpielers nahe war. Warum sollte heute –nachdem sich die desorganisierendePhase des Neoliberalismus dem Ende zu-neigt – ein neuer Aufbruch der Gesell-schaft aus der Defensive nicht möglichwerden?

Natürlich sagt sich dies leichter, alses getan ist. Wo man in den Erschütte-rungen der Lebensverhältnisse der Ge-sellschaft heute auch hinsieht, bemerktman ein Ringen der Führungen um eineBewältigung von Problemen unter deut-lich erschwerten Voraussetzungen. Manmöchte den Entscheidungsebenen derdgh und BAG-HW deshalb nicht alleinfachlich befähigte, sondern ebenso inder Aufgabenwahrnehmung unerschro-ckene Führungspersönlichkeiten wün-schen, die nach innen integrieren undnach außen gesellschaftspolitisch undwissenschaftspolitisch konfliktfähigsind. Wird man sich doch ohne eine inder Sache entschiedene, im Ton und inder Haltung aber kontrollierte Konflikt-fähigkeit im Konzert der Ansprüchenicht Gehör verschaffen können.

Gegen Ende der „Zukunftswerk-statt“ in Fulda war jeder Teilnehmeraufgerufen, eine Initiative zu benennen,die er selbst zu ergreifen bereit sei. Ich

machte den Fehler zu erklären, dass ichversuchen wolle, mir noch einmal dieBedeutung von „privaten Haushaltenund Familien“, diesen kleinsten selbst-organisierten und eigenverantwortlichengesellschaftlichen Strukturen, zu verge-genwärtigen. Dies haben ja vor mir weitBerufenere bereits vielfach getan. Ichmöchte mich in diesem weiten Feld da-her auf wenige Akzente beschränken.

Nicht leicht zu begründen wird essein, dass eine Organisation wie die dgh,deren Zielsetzung darin besteht, die Le-bensverhältnisse der privaten Haushalteund Familien zu fördern, vornehmlichderen interne Handlungsfähigkeit in denBlick nimmt (unter einer mangelndenBerücksichtigung der externen Lebens-bedingungen) und die Sicht auf die in-terne Handlungsfähigkeit im wesentli-chen auf einen bloßen Ausschnitt derExistenz, die Haushaltsproduktion, be-grenzt. Diese Charakterisierung mag ver-einfacht und verkürzt sein. Sie macht je-doch auf ein Problem aufmerksam. Diemit der beschriebenen Schwerpunktset-zung der Verbandsarbeit verbundenenEinschränkungen beeinträchtigen die ge-sellschaftspolitische Repräsentanz derHaushalte und Familien. Die beiden Ein-schränkungen konterkarieren geradezuden Anspruch, ein tragender Verband derZivilgesellschaft zu sein. Die dgh sollteihre Haltung reiflich überdenken.

Einwände werden ja gern als „Miss-verständnisse“ zur Seite gelegt. Um die-sen vorzubeugen, möchte ich unter-streichen, für wie wichtig ich die haus-haltswissenschaftliche und hauswirt-schaftliche Befassung mit Fragen der

Haushaltsorganisation und Haushalts-produktion ansehe (nach dem Konzeptder „Neuen Hauswirtschaft“ hebe ichgern die Haushaltsorganisation als be-sonderen Bestandteil der Haushaltspro-duktion hervor). Ich unterschätze in ih-rer Bedeutung auch keineswegs Fragender Ernährung (um früher diskutierteRangfragen auszuschließen). PrivateHaushalte und Familien definieren sichaber nicht nur über materielle Fragen.„Der Mensch lebt nicht von Brot allein“.

Die dgh als Anwalt kommunaler

Zivilgesellschaften

Private Haushalte und Familien werdenin erster Linie als selbstbestimmte kul-turelle Basiseinheiten der Gesellschaftgesehen. Ihre „kulturelle Identität“ dient„als Leitfaden des Wollens und Han-delns“ in einem selbstbestimmten Leben(Bieri 2013). (Mit dem fragwürdigenKonstrukt einer „Leitkultur“ darf dieDenkfigur der „kulturellen Identität“nicht verwechselt werden.)

„Kulturelle Identität“ als Grundlageeiner selbstbestimmten Lebensgestal-tung beruht u. a. auf erworbener Bil-dung und konkreten Lebenslagen (Spiel-räumen der Lebensgestaltung), aufVorerfahrungen und Milieuprägungen,auf Lebens- und Haushaltsstilen. Es istdie kulturelle Verfassung von privatenHaushalten und Familien, die die dgh inihren Zielsetzungen mehr als bisher be-achten sollte. „Kulturelle Identität“ als„Leitfaden des Wollens und Handelns“der privaten Haushalte und Familienentfaltet sich insbesondere in kommu-

Auf der Suche nach

dem verlorenen SelbstverständnisDie „Zukunftswerkstatt“ der Deutschen Gesellschaft für Hauswirtschaft e. V. (dgh) Ende vergangenen Jahres in Fulda

erwies sich als ein ermutigender Diskurs. Das Aufgebot an erfahrenen Mitgliedern der dgh und BAG-HW aus Bereichen derPraxis und der Wissenschaft war beeindruckend. Die Versammelten entwickelten mit inhaltlichen und organisatorischen

Anstößen gedanklich eine kreative Dynamik. Die Gesellschaft verfügt über ein hoch befähigtes humanes Potenzial. Warum –so fragt man sich – kommt es nicht zu seiner vollen Entfaltung? – Der Autor ist Ministerialrat a. D., Publizist und

Ehrenmitglied der dgh und nennt diesen Beitrag einen „unmaßgeblichen Zwischenruf“.

44 HuW 1/2017

FRABK BERTSCH

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nalen Lebensräumen. Private Haushalteund Familien sind die wichtigsten Trä-ger der kommunalen Zivilgesellschaf-ten. Ihre Entwicklung ist in den Struk-turwandel der Kommunen eingebettet,wird von deren Wandel geprägt undprägt ihrerseits diesen Strukturwandel(Bertsch 2014; Unesco 2016). Die dghmüsste in diesem Verständnis ein An-walt kommunaler Zivilgesellschaftensein und sich in deren kulturelle, so-ziale, wirtschaftliche und ökologischeEntwicklung kompetent einbringen kön-nen (und nicht etwa einen Fachaus-schuss Wohnen ruhen lassen). Inmittendes Umbaus und der Erneuerung derStädte könnte die dgh mit ihrem humanenAnspruch an Profil deutlich gewinnen.

Es steht außer Frage, dass privateHaushalte und Familien eigenverant-wortlich handeln und für ihr Handelnmöglicherweise mehr denn je eigeneVerantwortung zu übernehmen haben.Auch darin besteht wohl Übereinstim-mung, dass ihre Alltags- und ihre Le-bensbewältigung über Maßnahmen derBildung und Beratung und über haus-haltsergänzende Dienstleistungen ge-stärkt werden können. Dies heißt abernun nicht, dass die Rahmenbedingun-gen ihrer Lebensgestaltung eine nach-rangige Rolle spielen und vernachlässigtwerden dürften. Zu den Rahmenbedin-gungen gehören ebenso Gestaltungendes Rechts- und Sozialstaats und etwa

auch Konditionen staatlichen Verbrau-cherschutzes wie Spielregeln der land-wirtschaftlichen Erzeugung und der ver-brauchernahen Marktunternehmen.

Kommen wir wieder auf das Bei-spiel einer gesunden Ernährung zurück.Diese ist ebenso eine Frage personalenVerhaltens wie der landwirtschaftlichenErzeugung und des Verbraucherschut-zes. Die dgh könnte sich in einer weitentschiedeneren Weise in die staatlicheVerbraucherpolitik und in die Markt-wirtschaft einmischen. Von Staat undWirtschaft muss eine größere Achtsam-keit gegenüber privaten Haushalten undFamilien eingefordert werden.

Bedauerlich ist, dass in den Hoch-phasen des Neoliberalismus die Gegen-wehr gegen die Be- und Verdrängungder Haushaltswissenschaften an Uni-versitäten und Hochschulen weitgehendbetroffenen Wissenschaftlerinnen undWissenschaftlern überlassen blieb. AlsVerband erwies sich die dgh als zu un-entschlossen, um eine Gegenstrategiezu entwickeln. Die Verluste und notge-drungenen Anpassungen haben dasStanding der Haushaltswissenschaftenwie auch des Verbands gemindert. In-zwischen hat aber die Wirtschaftsphilo-sophie der sogenannten „Gesetze desMarktes“ mit einer Ökonomisierung vie-ler Lebensbereiche definitiv an Glaub-würdigkeit eingebüßt. Problemlagen derGesellschaften und ihrer Menschen rük-

ken im kollektiven Bewusstsein wiedernach vorn. Es ist die Zeit gekommen,sich seitens der dgh gegenüber Kultus-ministerien und Hochschulverwaltun-gen nachdrücklich gegen die Be- undVerdrängung der Haushaltswissen-schaften an Universitäten und Hoch-schulen zur Wehr zu setzen. Sehr spät,aber vielleicht nicht zu spät. Ein sol-ches Vorgehen erforderte eine abge-stimmte Haltung und brauchte Verbün-dete, u. a. in den Medien und in derPolitik. Glaube keiner, dass ein mit Fe-stigkeit und Augenmaß ausgetragenerkonzeptioneller Konflikt heute keineWirkung mehr hätte. Die „Zukunfts-werkstatt“ in Fulda, an der herausra-gende Wissenschaftlerinnen und Wis-senschaftler teilnahmen, hätte zu dieserFrage kompetente Einschätzungen ge-ben können.

Anmerkungen

Bieri, Peter (2013): Wie entsteht kulturelle Iden-

tität?, in: Wie wollen wir leben? München

Bertsch, Frank (2014): Strukturwandel der Städte

mit einer neuen Städtepolitik, in: Dieter

Korczak (Hrsg.): Visionen statt Illusionen. Wie

wollen wir leben? Kröning

Unesco Bericht „Kultur: Urbane Zukunft“, vor-

gelegt zur Habitat-III-Konferenz, Quito (Ecua-

dor) 2016.

Frank Bertsch

[email protected]

Die Anzahl aktueller Themen, diedie Hauswirtschaft und Haus-haltswissenschaften berühren,

ist groß, wenn nicht größer denn je.Überzeugt von der Bedeutsamkeit der dghals Fachgesellschaft und ihres Potenzialszur Beantwortung vieler aktueller Fragenund Probleme beizutragen, sind es vieleengagierte Mitglieder, die die dgh durchihre Arbeit mit Leben füllen.

Immer wieder jedoch wird deutlich,dass die Fülle an Aufgaben die ehren-amtlich aktiven Mitglieder (samt Vor-stand) an ihre Grenzen stoßen lässt. DassFachausschüsse ruhen, deren Themen-

felder brisant und aktuell sind, ist keinaktiv beschrittener Weg, sondern auchder beruflichen Belastung der Aktivengeschuldet!

Schwindende Studiengänge, sinken-de Mitgliederzahlen und die Entstehungvon neuen Verbünden (BAG H+E, Haus-wirtschaftsrat) zwingen die dgh zu einerAuseinandersetzung mit sich selbst. ImRahmen der Zukunftswerkstatt erarbei-teten die Teilnehmenden zahlreiche Vi-sionen zur Zukunft der dgh: Haushaltswissenschaftliche Forschungist an den Hochschulen und Universitä-ten verankert.

Leitbild der dgh: offen in die Zukunft Wir haben viele neue und viele jungeMitglieder. Es gibt eine hauptamtliche Geschäfts-führung und professionelle Öffentlich-keitsarbeit. Es gibt ein Hauswirtschaftsministerium.

Um Visionen Realität werden zu las-sen, braucht die dgh ein gutes Profil undeine Identifikation aller Aktiven. Des-halb wollen wir die erarbeiteten Visio-nen und Ziele diskutieren und voran-bringen.

Die engagierten und aktiven Mit-glieder der dgh sind es, die auch die Zu-kunft der dgh gestalten! Helfen Sie mit,dass uns dies gelingt.

Der dgh-Vorstand

HuW 1/2017 45

LEITBILD IN DER VERBANDSARBEIT

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Einleitung

Die aktuelle Basisstudie zur Be-findlichkeit der Deutschen stelltfest, dass sie inmitten der Um-

brüche der Gegenwart in erster Linie be-fürchten, künftig kein selbstbestimmtesLeben mehr führen zu können (Allmen-dinger 2016). Hier artikulieren sich vorallem latente soziale Abstiegsängste derMittelschichten in einer ungleicher wer-denden Gesellschaft. Zudem haben Elternaus den unteren sozialen Milieus in wei-ten Teilen die Hoffnung längst aufge-geben, dass es ihren Kindern einmal bes-ser gehen wird. Diese Befunde müssenfür politische Parteien Anlass sein, kon-sequenter als bisher die Voraussetzungenund Kontextbedingungen für selbstbe-stimmte Entscheidungen von Menschenin den Mittelpunkt ihrer gesellschafts-politischen Verantwortung zu stellen, dieihren Alltag bekanntlich nicht im luft-leeren Raum, sondern in privaten Haus-halten gestalten.

Privathaushalte: Basiseinheit

der Gesellschaft

Es kommt zunächst darauf an, sichgrundsätzlich über die Bedeutung pri-vater Haushalte als den kleinsten sozio-ökonomischen Basiseinheiten der Ge-sellschaft unter den Bedingungen des21. Jahrhunderts zu verständigen. IhreRolle in einer sich verändernden Weltmuss neu definiert werden: PrivateHaushalte sind keineswegs nur als Ver-brauchs- und Konsumeinheiten relevant,

sondern übernehmen auch vielfältigeandere gesellschaftliche Funktionen,von denen die Vitalität und Wirt-schaftskraft unseres Landes abhängen.Privathaushalte sind über ihre vielfälti-gen produktiven und konsumtivenHandlungsvollzüge als ein bedeutsamerWirtschaftsfaktor zu charakterisieren,aber auch als Anbieter von Qualifika-tionen und Arbeitsvermögen. Sie sindzugleich primäre Sozialisationsinstanzder Kindergeneration mit einer nach-weislich hohen Bildungsbedeutsamkeit,sie agieren als Solidargemeinschaften,um in Krisensituationen und beim Äl-terwerden mental und materiell fürein-ander einzustehen, sie fungieren als Orteder Regeneration und als Schutzraum.

Relevant ist darüber hinaus die Tat-sache, dass Privathaushalte ein be-trächtliches emanzipatorisches Poten-zial für die Entfaltung einer kom-munalen Zivilgesellschaft und zur Ge-nerierung von brückenbildendem Kapi-tal zwischen verschiedenen Generatio-nen und sozialen Milieus entfaltethaben. Sie organisieren Selbsthilfegrup-

pen, engagieren sichin Vereinen, Betrie-ben und in gewähltenkommunalen Vertre-tungen und beförderndie Integration vonzugewanderten Men-schen in kommunaleGemeinschaften odergründen kleine undmittelständische Un-ternehmen. Privat-

haushalte treten als Ko-Produzenten auf,wenn sie ihre Ressourcen nachhaltigeinsetzen und umweltgerecht wirtschaf-ten. Kurz gesagt: Sie verbinden die Pro-jekte ihrer persönlichen Lebensführungmit der Mitverantwortung für die Ge-staltung ihrer ökologischen, ökonomi-schen, sozialen und politischen Umwel-ten (Bröcheler et al. 2015).

Mit diesem Verständnis von Privat-haushalten könnte auf der lokalen Ebene− sekundiert durch Bund und Länder –eine ganzheitliche Gesellschaftspolitikangestoßen werden, die über traditio-nelle Politikkonzepte weit hinausreicht.Eine essenzielle Voraussetzung dafürbesteht allerdings darin, einen offenenDialog der politischen Akteure mit denVertreterInnen der Zivilgesellschaft „aufAugenhöhe“ zu führen, ihre Vorstellun-gen und Wünsche für eine selbstbe-stimmte Lebensführung ernst zu neh-men und auf lokaler Ebenesozialräumliche Gelegenheitsstrukturender Begegnung und des Miteinanderszu fördern bzw. zu moderieren. Zugleichbietet dieser Pfad die große Chance, so-

Memorandum des Fachausschusses Strukturwandel des Haushalts der dgh

Empowerment für Privathaushalte als Basiseinheiten

unserer Gesellschaft

Die Daseinsvorsorge der Privathaushalte und Familien in Deutschland hängt nicht allein von der Erwerbs- und Versor-gungsarbeit ab, die ihre Mitglieder leisten, sondern auch vom passgenauen Zuschnitt der sozialräumlichen und gesamtpoli-tischen Rahmenbedingungen ihres Alltagshandelns. Dies ist eine wesentliche Gestaltungsaufgabe, welche die Politik aufallen Ebenen herausfordert, um die Leistungsträger unserer Gesellschaft – die privaten Haushalte mit ihren Menschen – alsPartner auf Augenhöhe wertzuschätzen und zu unterstützen. Auf diesem Wege können die Potentiale der Mitglieder von Pri-vathaushalten in weitaus stärkerem Maße als heute für die Belange einer nachhaltigen Gestaltung gesellschaftlicher Ent-wicklungsprozesse aktiviert werden und zur Stabilisierung einer demokratischen und offenen Gesellschaft beitragen.

Thesen

Privathaushalte als Basiseinheit der Gesellschaft

Chancengerechtigkeit – Zugang zu Ressourcen gewähren

Sozialer Ungleichheit entschieden begegnen

Investiver strukturpolitischer Handlungsbedarf

Gleichstellung: Selbstbestimmte Lebensführung durch Er-

möglichung von Erwerbs- und Sorgearbeit im Lebensverlauf

von Frauen und Männer fördern

46 HuW 1/2017

UTA MEIER-GRÄWE

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ziale Demokratie im Alltag zu erlebenund Selbstwirksamkeitserfahrungendurch aktive Teilhabe an der Gestaltungvon gesellschaftlichen Belangen zu sam-meln.

Chancengerechtigkeit – Zugang

zu Ressourcen gewähren

Mindestens ebenso notwendig ist es imInteresse des sozialen Friedens und derSicherung von sozialer Demokratie, derzunehmenden Spaltung der Zivilgesell-schaft, die wir in Deutschland mit gro-ßer Sorge wahrnehmen, wirksam ent-gegenzutreten. Ein konsistentes Politik-konzept wäre deshalb darauf auszurich-ten, verschiedenen Haushaltstypen denZugang zu passgenauen Settings an ma-teriellen, institutionellen und zivilge-sellschaftlichen Ressourcen zu eröffnen,die ihnen eine eigenständige und nach-haltige private Lebensführung ermögli-chen. Von diesem Ziel entfernt sich dieBundesrepublik Deutschland leidermehr und mehr. Die wachsende sozialeSpaltung der Gesellschaft, das Ausein-anderdriften der Lebenslagen verschie-dener Haushaltsformen hat Konsequen-zen, die sich mittlerweile demokratie-gefährdend auswirken, indem sie radi-kalen Strömungen unterschiedlicherProvenienz erheblichen Zulauf ver-schaffen und anti-europäische Stim-mungen befördern.

Diese Phänomene erfordern es vonden politischen und wirtschaftlichen Eli-ten, zeitnah eine Reihe von überfälligenKurskorrekturen vorzunehmen – undzwar sowohl mit Blick auf Chancenge-rechtigkeit als auch im volkswirtschaft-lichen Interesse. So muss unseres Er-achtens deutlich mehr für dieZielgenauigkeit ehe- und familienbezo-gener Leistungen getan werden, damitsie dort ankommen, wo sie wirklich be-nötigt werden. Während gegenwärtig13 Prozent der staatlichen Familienlei-stungen an die reichsten zehn Prozentder Privathaushalte fließen, kommt demuntersten Dezil der Privathaushalte inArmutslagen lediglich sieben Prozentder familienpolitischen Ausgaben zu-gute (Stichnoth 2015). Das geht vor al-lem auf das Ehegattensplitting und die

Kinderfreibeträge in der Einkommen-steuergesetzgebung zurück, deren Wertmit steigendem Einkommen wächst.Hier findet sich der Matthäus-Effekt„Wer hat, dem wird gegeben“ bestätigt.

Zudem bedarf es wirksamer Aus-gleichsmechanismen, um die prognosti-zierten Lohnentwicklungen bis 2020 zukompensieren, nach denen kinderlosePaare und Alleinstehende die größtenSteigerungen der äquivalenzgewichte-ten Haushaltseinkommen erreichen wer-den, wohingegen der Zugewinn für Fa-milien mit Kindern, insbesondere vonAlleinerziehenden, wesentlich niedrigerausfallen wird. Und das, obwohl sie mitihrer Entscheidung für Nachkommen ei-nen wichtigen Beitrag zur Stabilisierungder demografischen und wirtschaftli-chen Entwicklung leisten (Bertelsmann-Stiftung 2015).

Sozialer Ungleichheit entschieden

begegnen

Durch die Umgestaltung dieser offen-sichtlich ungerechten Verteilung zu-gunsten bedürftiger Familienhaushaltekönnte die Familienpolitik selbst beikonstanten Gesamtausgaben einen ziel-genaueren Beitrag zur Reduktion vonKinder- und Familienarmut leisten. Wirbrauchen jedoch auch eine grundsätzli-che öffentliche Debatte darüber, wie vielsoziale Ungleichheit die bundesdeutscheGesellschaft verträgt und wo es imSinne eines vorsorgenden Sozialstaatsgeboten ist, den „starken Schultern“mehr für die Finanzierung öffentlicherHaushalte abzuverlangen. In der Wis-senschaft gibt es inzwischen einen brei-ten internationalen Konsens, dass dieheutige Ungleichheit in Deutschland zuhoch ist und einen massiven wirtschaft-lichen Schaden verursacht (Fratzscher2016/Nachtwey 2016). Die gesell-schaftlichen Folgekosten einer sich so-zial spaltenden Gesellschaft und einerbisher vollkommen unzulänglichen För-derung von einheimischen und zuge-wanderten Kindern aus armen Haushal-ten werden die alternde deutscheGesellschaft teuer zu stehen kommen.

Die sozio-ökonomische Basis vielerFamilienhaushalte verharrt in unserem

Land auf einem unterdurchschnittlichenWohlstandsniveau, sodass eine selbst-bestimmte private Lebensführung kaummöglich ist. Das hat negative Folgen fürdie Teilhabe- und Entwicklungschan-cen von Eltern und Kindern. Nach wievor gehört Deutschland zu den OECD-Ländern, wo schichttypische Schullei-stungsunterschiede am weitesten aus-einanderklaffen und die Unterschiedeim sozioökonomischen Status zwischenMigrantenkindern und einheimischenMädchen und Jungen besonders starkausgeprägt sind. Hinzu kommt, dass −trotz vielfältiger engagierter Projektevor Ort, die der Stärkung von Alltags-kompetenzen und Resilienz dienen −die Kinderarmut in sozialräumlichenBezügen eher verdichtet auftritt und da-durch der Teufelskreis solcher Soziali-sationskontexte nicht aufgebrochen wer-den konnte. So leben etwa zwei Drittelder unter 18-Jährigen im Ruhrgebiet inStadtteilen mit einer SGB-II-Quote vonmindestens 15 Prozent und einem Aus-länderanteil von mindestens zwölf Pro-zent. Diese Stadtteile stellen die „Kin-derstube der Stadtgesellschaft“ dar.Solche Verteilungsmuster zeigen sichbei Armutsraten und Einkommensver-teilungen in den Städten, aber auch beiden „Bildungsjahren“ der Eltern. Ver-deutlicht wird die Prägewirkung u. a.durch den Befund, dass Kitas nicht nurhäufig eine sozial selektive Zusammen-setzung der Kinder aufweisen, sonderndass sich auch die Qualität der profes-sionellen und räumlichen Ausstattungvon Kitas sozial selektiv unterscheidet:Je niedriger der soziale Status der Nut-zerInnen der Angebote, desto geringersind die Ausstattungsqualität und Lern-bedingungen in den Einrichtungen (Bo-gumil et al. 2012). Deshalb wird derTeufelskreis der intergenerationellenWeitergabe von Armut nicht durchbro-chen und die Potenziale dieser Kinderverkümmern.

Investiver strukturpolitischer

Handlungsbedarf

Hier braucht es strukturpolitische Ent-scheidungen. Erst dann können letztlichauch bildungsbezogene Initiativen wie

HuW 1/2017 47

MEMORANDUM

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die Budget- oder Schuldnerberatung vonPrivathaushalten, wie stadtteilbezogeneProjekte „Auskommen mit dem Ein-kommen“ oder ehrenamtliche Lesepa-ten, nachhaltige Wirkungen entfalten,indem sie ihre Kompetenzen undSelbsthilfekräfte stärken. Gelingt dasnicht, wird es Kindern aus diesen Her-kunftskontexten auch als Erwachsenekaum möglich sein, eine selbstbe-stimmte Lebensführung zu praktizierenund sich aktiv in die Gesellschaft ein-zubringen. Dabei hätten sie in unter-schiedlichen Berufsfeldern, vor allemim wachsenden Dienstleistungssegmentpersonaler Versorgung, in den nächstenJahren gute Chancen, einen krisenfestenArbeitsplatz zu finden, und könnten ih-rerseits Wohlstandspotenziale durchSteuern und Sozialabgaben generieren,anstatt in ihrem Lebensverlauf mögli-cherweise durchgängig auf staatlicheTransferleistungen angewiesen zu sein.

Diese Rechnung geht allerdings nurauf, wenn hierzulande auch mehr fürdie Lohngerechtigkeit getan wird. Ei-ner aktuellen branchenspezifischen Si-mulationsstudie zufolge wird die Kluftzwischen den Beschäftigten im kapital-und technologieintensiven verarbeiten-den Gewerbe auf der einen und imDienstleistungssektor auf der anderenSeite bis 2020 weiter zunehmen: Wäh-rend in der Chemie-, Auto- und Elek-troindustrie im Zeitraum von 2012 bis2020 durchschnittlich real verfügbareEinkommenssteigerungen bis zu 6.200Euro je Arbeitskraft und Jahr möglichsind, fallen die erwarteten Einkom-menszuwächse im Gastgewerbe, in pri-vaten Haushalten, aber auch im BereichErziehung, Unterricht, Gesundheits- undSozialwesen mit 1.050 bis 1.500 Euro jeArbeitskraft und Jahr deutlich niedrigeraus (Bertelmann-Stiftung/Prognos AG2015). Damit vergrößern sich die ohne-hin schon bestehenden Einkommens-differenzen zwischen Industrie- undDienstleistungsbranchen weiter. Be-gründet werden solche Unterschiede mitder geringen Produktivität in den weib-lich konnotierten Dienstleistungsberu-fen. Hier versagen jedoch die her-kömmlichen Bewertungsansätze aus derIndustrieproduktion: wir können zwar

immer schneller Autos produzieren,aber nicht Kinder erziehen und Altepflegen. Die Geringschätzung gegen-über diesen Dienstleistungen geht zu-rück auf das in (West-)Deutschland überviele Jahrzehnte favorisierte „Ernährer-modell“ für Familienhaushalte. Dadurchblieb die gesellschaftlich notwendigeArbeit des Alltags, die in den privatenHaushalten ganz überwiegend vonFrauen erledigt wurde, unsichtbar underfährt letztlich auch in ihrer verberuf-lichten Form (Hausarbeit als Erwerbs-arbeit) eine massive Abwertung. Nichtvon ungefähr befürchten viele jungeFrauen im Hinblick auf die Gründungeines eigenen Familienhaushalts denRückfall in traditionelle Geschlechter-rollen und sehen einen wesentlichenGrund dafür in der fehlenden Lohnge-rechtigkeit (BMFSFJ/DELTA-Institut2016).

Noch wird in den aktuellen Debattenum die Zukunft der wissensbasiertenDienstleistungsgesellschaft in Deutsch-land verkannt, dass im globalen Wett-bewerb gerade jene Dienstleistungen anökonomischer Relevanz gewinnen, diemehr denn je den sozialen, qualifikato-rischen, politischen und kulturellen Rah-men der materiellen Produktion liefernund absichern. Es ist deshalb frappie-rend, dass die Marktpotenziale für guteArbeit in diesem wachsenden Dienst-leistungssegment politisch nicht mit dergleichen Aufmerksamkeit gefördertwerden wie die Automobilindustrie (zu-letzt durch die Förderprämie für Elekro-und Hybridfahrzeuge). Der Übergangin die wissensbasierte Dienstleistungs-gesellschaft muss unseres Erachtens miteinem radikalen Abschied vom traditio-nellen deutschen Typus der Dienstlei-stungsarbeit verbunden werden, der sichbis heute auf das herkömmliche Ge-schlechterverhältnis mit der typischenZuweisung der Haus- und generativenSorgearbeit an Frauen sowie ihrer Nied-riglohnbeschäftigung im personen- undhaushaltsnahen Dienstleistungssektorstützt. Politisch verantwortliches Han-deln für die Gewährleistung von guterDienstleistungsarbeit, die der klassi-schen „deutschen“ Facharbeit in nichtsnachstehen dürfte, erfordert zudem eine

gesellschaftliche Rahmung und Kon-trolle von Professionalisierungs- undQualitätsstandards der personen- undhaushaltsbezogenen Dienstleistungs-facharbeit und deren Überprüfung imberuflichen Alltag der betreffenden Be-schäftigtengruppen.

Gleichstellung: Ermöglichung von

Erwerbs- und Sorgearbeit im

Lebensverlauf von Frauen und

Männer fördern

Ein konsistentes Politikkonzept zur För-derung einer selbstbestimmten Lebens-führung kommt folglich nicht umhin,sich verstärkt mit der immer noch er-heblichen Geschlechterungleichheit inDeutschland auseinanderzusetzen: Ob-wohl nur noch zehn Prozent der Elternmit Kindern unter sechs Jahren das Al-leinverdienermodell (Mann Vollzeit/Frau nicht erwerbstätig) gut finden(BMFSFJ/IfD Allensbach 2015), wir-ken zentrale ehe- und familienbezogeneLeistungen und Maßnahmen nach wievor keineswegs neutral auf die Arbeits-teilung zwischen Frauen und Männern,sondern fördern Einverdienerhaushaltebesonders stark. Dabei gilt: Je stärkersich die Partner in ihrem zu versteuern-den Einkommen unterscheiden, umsogrößer fällt der Splittingvorteil in derEinkommenssteuer aus (Stichnoth2015).

Es wird künftig also zum einendarum gehen, Frauen und Männern mitSorgeverantwortung im Lebensverlaufdie für diese gesellschaftlich bedeut-same Arbeit in ihrem privaten Lebens-zusammenhang benötigte Zeit einzu-räumen und die erforderlichen Kompe-tenzen zu vermitteln, ohne ihnen des-halb den Aufbau einer substanziellenErwerbsbiografie zu verwehren. Des-halb sind Konzepte wie die Einführungeiner Familienarbeitszeit und von Pfle-gezeiten aus unserer Sicht unbedingt zubefürworten. Zum anderen brauchenFrauen und Männer mit Sorgeverant-wortung aber neben einer guten famili-energänzenden Kinderbetreuung auchprofessionelle Entlastung von der tägli-chen Haushaltsarbeit, um sich existenz-sichernde Erwerbsbiographien aufbauen

48 HuW 1/2017

UTA MEIER-GRÄWE

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zu können und zugleich Qualitätszeitfür Kinder, Partnerinnen, Partner undpflegebedürftige Angehörige zu haben.Ebenso benötigen allein lebende ältereMenschen oder ältere Paare, die sichden Verbleib in den eigenen vier Wän-den wünschen, Assistenz und qualifi-zierte Unterstützung in ihrer Haushalts-führung. Auch deshalb wird der Bedarfan Arbeitskräften, die bestimmte haus-haltsnahe Tätigkeiten in stationären undambulanten Einrichtungen, aber ebenauch in privaten Haushalten verlässlichund in guter Qualität übernehmen, inden nächsten Jahren deutschlandweitdeutlich zunehmen (Meier-Gräwe2015).

Noch haben wir in Deutschland denPfad der Billigdienstleistungsökonomieallerdings nicht verlassen; gesetzt wirdprimär auf Minijobs und auf ein „Wei-terreichen“ der Betreuung und Pflegeälterer hilfebedürftiger Menschen antransnationale Haushaltsarbeiterinnen.Hier liegt einer der Gründe dafür, dass inDeutschland die gesunden Lebensjahrevon Frauen und Männern nach ihrem65. Lebensjahr seit 2005 abnehmen,während es in den skandinavischen Län-dern durch den Ausbau von kommuna-len servicebasierten Dienstleistungsnet-zen gelungen ist, die Zahl der gesundenLebensjahre deutlich zu erhöhen(Heintze 2015).

Aber auch andere erfolgreiche Mo-delle wie das Belgische Gutscheinsy-

stem wären geeignet, in Deutschland alsMarkteinführungshilfe für bezahlbarehaushaltsnahe Dienstleistungen von gu-ter Qualität adaptiert zu werden. In Bel-gien konnte der „schwarz-grau-me-lierte“ Arbeitsmarkt Privathaushalt bin-nen kürzester Zeit zugunsten sozialver-sicherungspflichtiger Arbeitsplätze um-gestaltet und viele Dienstleistungsbe-triebe etabliert werden. Solche Inves-titionen auch bei uns zu tätigen, würdeim Einklang mit dem aktuellen Tragfä-higkeitsbericht des Bundesfinanzmini-steriums stehen, wonach eine existenz-sichernde Erwerbsarbeit von Mütternund Vätern wirksam unterstützt und diesozio-ökonomische Basis von Privat-haushalten nachhaltig gesichert werdenkönnte (BMF 2016).

Literaturquellen

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Welt, die wir erleben wollen. Berlin

Bertelmann-Stiftung (2015): Lohneinkommens-

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Bogumil, Jörg/Heinze, Rolf G./Lehner, Franz/

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– wenig gewonnen. Ein realistischer Blick auf

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Bröcheler, Mareike; Dangel-Vornbäumen, Caro-

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Alltag. In: Hauswirtschaft und Wissenschaft,

H. 2, S. 82-87

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BMFSFJ/Institut für Demoskopie Allensbach

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Väter und Familie. Erste Bilanz einer neuen

Dynamik. Berlin

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Fratscher, Marcel (2016): Der Verteilungskampf.

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Heintze, Cornelia (2015): Auf der Highroad – der

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tualisierte und inhaltlich überarb. Aufl.,

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brary.fes.de/pdf-files/wiso/11337.pdf (Abruf:

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Warum wir sie gesellschaftlich neu organi-

sieren und geschlechtergerecht verteilen müs-

sen. In: Meier-Gräwe (Hg.): Die Arbeit des

Alltags. Wiesbaden, S. 1-36

Nachtwey, Oliver (2016): Die Abstiegsgesell-

schaft. Über das Aufbegehren in der regres-

siven Moderne. Berlin

Stichnoth, Holger (2016): Verteilungswirkungen

ehe- und familienbezogener Leistungen und

Maßnahmen. Berlin

Prof. Dr. Uta Meier-Gräwe

Vorsitzende Fachausschuss

„Strukturwandel des Haushalts“

HuW 1/2017 49

MEMORANDUM

Schuldenberatung

in einer bargeldlosen GesellschaftDiesen Titel hatte die 8. Konferenz des European Consumer Debt Network (ECDN), die wie die 11. Generalversammlungdes ECDN vom 8. bis 9. Dezember 2016 in Bratislava stattfand.

Aus 14 europäischen Ländern wa-ren Vertreterinnen und Vertretervon Budget- und Schuldnerbe-

ratungsorganisationen sowie vom Di-rectorate-General for Justice and Con-sumers der EU-Kommission ( Consumer

Policy Unit) zu der Konferenz des ECDN(European Consumer Debt Network)angereist. Für die Deutsche Gesellschaft

Fortsetzung von Seite 48

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für Hauswirtschaft e. V. (dgh) nahm Bir-git Bürkin als Vertretung des Fachaus-schusses (FA) Beratung für Haushalt undVerbrauch teil. Dr. Dieter Korczak, Prä-sident des ECDN, eröffnete die Konfe-renz mit einer Einführung in die The-menstellung und wies auf die möglichenFolgen des bargeldlosen Zahlungsver-kehrs für die Verbraucher und die darausresultierenden Aufgaben für die Schuld-nerberatung hin.

Schweden: 80 Prozent

der Zahlungen per Kreditkarte

Als erste Referentin erörterte Prof. BeataSwiecka, Universität Szczecin (Stettin),die Vor- und Nachteile einer bargeldlo-sen Gesellschaft. Sie ging auf die Ent-wicklungen des Zahlungsverkehrs seitder ersten Kreditkarte 1950 ein. AlsVorteile des bargeldlosen Zahlungsver-kehrs führte sie an, dass er insgesamtpreiswerter ist, dass es kein Falschgeldmehr geben wird, Geldwäsche nichtmehr möglich ist und Schattenwirtschafterschwert wird. Als Gegenargumentenannte sie die Anonymität und denSchutz der Privatsphäre bei der Nutzungvon Bargeld, dass man nicht auf ein In-stitut zur Verwahrung des Geldes beinegativen Zinsen angewiesen ist unddass die Datensicherheit bei Kartenmöglicherweise mangelhaft ist. Anhandvon Beispielen anderer Länder zeigtesie auf, wie sich der bargeldlose Zah-lungsverkehr weiter entwickelt. Sieschloss ihren Vortrag mit dem Fazit,dass es keinen Weg zurück mehr gebenwird, und dass die bargeldlose Gesell-schaft zwar gut ist für die Wirtschaft,aber nicht unbedingt für die Menschenin ihrer Verbraucherrolle.

Christina Rehnberg und Sara Ehren-berg referierten über ihre Arbeit beimCounty Administrative Board in Schwe-den. Er stellt die Verbindung zwischenden Verbrauchern und den 21 Bezirks-regierungen in Schweden her und beob-achtet, wie die Bezahlsysteme funktio-nieren. Sie berichten einmal jährlich andie Landesregierung.

Es war in Schweden keine politischeEntscheidung, Bargeld abzuschaffen,sondern kam durch die Entwicklung des

Zahlungsverhaltens der Bevölkerungund Reaktion auf die zunehmende Di-gitalisierung. Mittlerweile werden 80Prozent der Zahlungen per Kreditkarteabgewickelt, digitales Bezahlen mitKarte oder App ist so verbreitet, dass diemeisten Schweden kein Bargeld mehrmit sich führen, das trifft sogar auf Kin-der und Jugendliche zu.

Der Entwicklungsprozess wirkt sichjedoch nachteilig auf die Gruppe der„verletzlichen“ Verbraucher aus, vor al-lem ältere Menschen und Menschen mitBehinderung. Es werden Lösungen ge-fordert und an solchen gearbeitet, umdiese Gruppen nicht auszugrenzen. Esist eine längere Übergangszeit sowie dieKommunikation zwischen Anbieternund Verbrauchern notwendig, um diedigitalen Dienste für alle Verbraucher-gruppen nutzbar zu gestalten.

Die Diskussionen in Kleingruppenund deren Fazit zeigten, dass der bar-geldlose Zahlungsverkehr nicht aufzu-halten sein wird und die Verbraucherdarauf vorbereitet werden müssen. Be-sonders verletzliche Verbraucher sindim Blick zu behalten, damit sie durchdiese Entwicklungen nicht ausgegrenztwerden. Hier sind insbesondere auch dieSchuldnerberatungsorganisationen mitBildungs- und Beratungsangeboten ge-fordert. Wichtig ist, dass Verbraucherauch künftig die Wahlmöglichkeit habenzwischen Bargeld und bargeldlosemZahlungsverkehr.

Am zweiten Konferenztag beleuch-teten mehrere Fachvorträge sowie Be-richte verschiedener ECDN-Mitgliederdie Erfolgsfaktoren zur Professionali-sierung von Beratungsangeboten fürPrävention und Umgang mit Schulden.

Caroline Sarkiewicz, Head of DebtAdvice Service im Money Advice Ser-vice (MAS) UK, erläuterte in ihremVortrag die Organisation des MAS sowiedie Aufgaben und Herausforderungen desDebt Advice Service. Dabei spielen so-wohl die persönliche Beratung als auchinteraktive Informationen auf der Web-site des MAS eine wichtige Rolle. Mit derpersönlichen Beratung kann nur ein Teilder überschuldeten Personen erreichtwerden. Daher ist es wichtig, den Serviceso auszubauen, dass mehr Menschen be-

raten werden können, z. B. per Telefonoder Internet bei gleichzeitiger Verrin-gerung der Kosten pro Klient.

Eine weitere zentrale Aufgabe desDebt Advice Service ist die Qualitätssi-cherung aller Schuldnerberatungen inGroßbritannien, die vom MAS akkre-ditiert und nach denselben Standardsausgebildet werden.

Eine weitere Perspektive im Hin-blick auf Schuldenprävention, eröffneteder Vortrag von Sille Krukow, selbst-ständig als Behavioural Designer in Dä-nemark, mit dem Titel „The personalapproach – Designing for a better deci-sion making“. Sie erläuterte ihren For-schungs- und Arbeitsansatz, wie Men-schen dazu bewegt werden können,bessere Entscheidungen zu treffen. Siebezieht sich dabei auf das Prinzip des„Nudging“ und der Arbeit mit visuellenEffekten. Oft genügt es, Menschen miteinfachen Icons bei Entscheidungen zuunterstützen, wenn die Information inTextform versagt. Sille Kruckow sprichthier von einer „Choice Architecture“.

Francesco Gaetano (Policy Officerder Europäischen Kommission, Direc-torate General for Justice and Consu-mers) berichtete unter dem Thema„Debt advice – what we learned so farand what we are considering to do” überdie Ergebnisse der europäischen Studiezu Überschuldung 2012-2013, über dasSeminar zur Verfügbarkeit von Schuld-nerberatung im Januar 2015 sowie überErgebnisse der Debatte zur Schuldner-beratung im Juni 2015. Daraus resultie-rend wurde von der DG Justice andConsumers eine Anhörung durchgeführtauf der Grundlage des „Green Paperson Retail Financial Services“. Der ausdieser Anhörung entwickelte Aktions-plan soll 2017 veröffentlich werden.

Im Anschluss an die Vorträge stell-ten verschiedene Mitgliedsorganisatio-nen des ECDN aktuelle Projekte vor.

Birgit Bürkin

Mitglied im Fachausschuss Beratung

für Haushalt und Verbrauch der dgh

Das Programm der Tagung finden Sie auf der

Website des ECDN (www.ecdn.eu) unter „Con-

ferences and Events“.

50 HuW 1/2017

BIRGIT BÜRKIN

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HuW 1/2017 51

TERMINE

Fachveranstaltung „Das bisschen

Haushalt …? – Herausforderungen

an Sorgearbeit im Kontext demogra-

fischer Wandlungsprozesse“, 23. Mai

2017 in Frankfurt am Main

Die GFFB gemeinnützige GmbH, Bil-dungseinrichtung und Arbeitsmarkt-dienstleister in Frankfurt, richtet von10:00 bis 17:00 Uhr in den Räumen derGoethe Universität Frankfurt am Mainin Kooperation mit dem Kompetenz-zentrum „Professionalisierung und Qua-litätssicherung haushaltsnaher Dienst-leistungen“ der Justus-Liebig-Univer-sität Gießen die Fachveranstaltung mitExperten/-innen aus Politik, Wissen-schaft, Wirtschaft und Verwaltung aus.Es soll über die Novellierung des Be-rufsbildes Hauswirtschafter/in sowie diegeringe Wertschätzung der Sorgearbeit,deren gesellschaftliche Folgen und mög-liche Lösungen diskutiert werden.Die Veranstaltung wird aus Mitteln desMitteln des Europäischen Sozialfonds,des Landes Hessen sowie des Bundes-familienministeriums (BMFSFJ) geför-dert.Bei Fragen und zur Anmeldung:Jessica Widdig, ProjektkoordinatorinGFFB gemeinnützige GmbHTel. +49 (0) 69 951097 316E-Mail: [email protected]

Fachtagung „Hilfe im Haushalt –

Gleichstellungspolitische Anforde-

rungen an gute Dienstleistungsar-

beit“. Kooperationsveranstaltung mit

der katholischen Frauengemeinschaft

Deutschlands e. V. (kfd), 29.-30. Juni

2017, BMFSFJ Berlin

Bei der Tagung wird die Bedeutunghaushaltsnaher Dienstleistungen vordem Hintergrund des Zweiten Gleich-stellungsberichtes und aktueller Geset-zesänderungen beleuchtet. Zur Diskus-sion innovativer Handlungsperspektivensollen PolitikerInnen und AkteurInnenaus den Feldern haushaltsnahe Dienst-leistungen, Hauswirtschaft, Pflege und

Zivilgesellschaft zusammengeführt wer-den. U. a. werden Prof.‘in Dr. UtaMeier-Gräwe, Leiterin des Kompetenz-zentrums PQHD und Mitglied der Sach-verständigenkommission zum ZweitenGleichstellungsbericht der Bundesre-gierung, sowie Thomas Fischer vom Re-ferat „Faire Einkommensperspektiven“des BMFSFJ sprechen. Kontakt für Anmeldungen und Fragen:0641 99 39 312 oder 0641 99 39 304.

Abschlusstagung des Kompetenzzen-

trums PQHD 2017, 20. Oktober 2017,

Aula der Justus-Liebig-Universität

Gießen

Informationen zu allen Tagungen desPQHD auch über https://www.uni-gies-sen.de/fbz/fb09/institute/wdh/wpf/Infos

24. Kolloquium des Jungen Forums

Am 20. Februar 2017 trafen sich sechs Nachwuchswissenschaftlerinnen zum 24.Kolloquium des Jungen Forums in der Alten Universitätsbibliothek in Gießen.Das Kolloquium richtete sich explizit an Doktorandinnen der Haushaltswissen-

schaften und Ökotrophologie, um über ihre aktuellen Forschungsvorhaben und dabei auf-kommende Probleme konstruktiv zu diskutieren. Jede der Doktorandinnen hatte dabei45 Minuten Zeit ihr Promotionsthema und den aktuellen Arbeitsstand vorzustellen. Zu Beginn präsentierte Catherina Jansen von der Hochschule Fulda ihr Dissertations-projekt mit dem Arbeitstitel „Essen an Schulen zwischen Anspruch und Wirklichkeit.Eine qualitative Untersuchung zu den öffentlichen Erwartungen an Schulverpflegungund deren Einlösung in der Praxis“. Es folgte eine spannende und anregende Diskussionüber Schulverpflegung in Deutschland. Im Anschluss daran berichtete Nina Klünder vonder Justus-Liebig Universität Gießen über ihre ersten Ergebnisse zum Thema „Essalltagund Arbeitsteilung von Eltern in Paarbeziehungen – Eine Analyse auf Basis der reprä-sentativen Zeitverwendungsdaten 2012/13 und 2001/02“. Aufbauend auf der ersten quan-titativen Analyse sollen nun qualitative Interviews mit Eltern über die täglich zuorganisierende Ernährungsversorgung durchgeführt werden. Danach stellte AnnaluiseOhland (JLU Gießen) ihr Promotionsvorhaben über die „Umsetzung veganer und vege-tarischer Ernährungsstile in Familien – Konsequenzen und Handlungsempfehlungen fürdie institutionelle Ernährungsversorgung in Deutschland“ vor. Methodische Herange-hensweise an dieses Thema bilden ebenfalls qualitative Interviews in Familienhaushal-ten. Nach einer Mittagspause hatte Mareike Bröcheler (JLU Gießen) die Gelegenheit ihreersten qualitativen Ergebnisse zur „Relevanz haushaltsnaher Dienstleistungen für die All-tagsversorgung von Familien“ zu präsentieren und über die weiteren Analyseschritte zudiskutieren. Als nächste Doktorandin konnte Kerstin Marx, die in der Landesvereinigungfür Gesundheitsförderung Thüringen arbeitet, einen Einblick in ihr Promotionsthema„Die familiäre Essumgebung im ersten Lebensjahr. Ein qualitativer Einblick in die Mahl-zeiten und Fütterungspraktiken von jungen Familien“ geben. Abschließend stellte Ca-rola Holler (JLU Gießen) ihr Forschungsvorhaben zum Thema „Alltagstechnik im Alter– Akzeptanzfaktoren und Unterstützungsmöglichkeiten für die Techniknutzung bei Se-niorInnen“ vor. Ziel des Jungen Forums ist die Nachwuchsarbeit in der dgh zu fördern. Dazu sollen zwei-mal jährlich Treffen stattfinden, welche zum Austausch, Nachdenken und Blickwinkel-erweiterung anregen können. Interessierte und weitere Doktorandinnen sind herzlichWillkommen. Rückfragen bitte an: [email protected].

Nina Klünder

Termine des

Kompetenzzentrum

„PQHD“

Kurzversion

Expertisenband

Im Juli 2015 wurden im Rahmen desKompetenzzentrums „Professionalisie-rung und Qualitätssicherung haushalts-naher Dienstleistungen“ sechs Experti-sen verfasst, in denen aus verschiedenenPerspektiven die Konflikt- und Chan-cenpotenziale haushaltsnaher Dienstlei-stungen sowie gesellschaftliche Hand-lungsbedarfe begründet wurden.Die Kurzversion dieses Expertisenban-des steht nun auf der Website des Kom-petenzzentrums zum Download bereithttps://www.uni-giessen.de/fbz/fb09/in-stitute/wdh/wpf/Infos/Downloads. Sieermöglicht Lesenden, sich in kurzer Zeitgut mit der Thematik vertraut machen.

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zukunftsfähig – international – überzeugend

Beiträge von Hauswirtschaft und Haushaltswissenschaften in Zeiten des Wandels

Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Hauswirtschaft e. V.

vom 20. bis 22. September 2017 auf der Burg Warberg bei Helmstedt

Migration und Digitalisierung sind nur zwei Schlagworte, die für den Wandel stehen, der in diesen Zeiten viele bewegt. Pri-vate Haushalte als kleinste sozioökonomische Basiseinheit unserer Gesellschaft sind davon genauso betroffen wie die institu-tionellen Haushalte, die zunehmend an Bedeutung gewinnen. Sie müssen gestärkt werden, damit sie mitgestalten, zur treibendenKraft der Zivilgesellschaft werden und Brücken zwischen verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen bauen können. Haus-wirtschaft leistet so einen wichtigen Beitrag für die Zukunft, und Haushaltswissenschaften bieten die Grundlage dafür. Haus-wirtschaft und Haushaltswissenschaft haben nicht nur die Versorgung der Menschen im Blick, sondern es geht um den pass-genauen Zuschnitt der sozialräumlichen und gesamtpolitischen Rahmenbedingungen für das Alltagshandeln von Individuenund Familien. Als Beirat für internationale Fragen der dgh (Deutsche Sektion im Internationalen Verband für Hauswirtschaft),der die diesjährige Tagung organisiert, sind wir überzeugt, dass Haushalte im internationalen Kontext betrachtet werden müs-sen.Auf der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Hauswirtschaft wollen wir Anregungen geben und mit Fach- und Füh-rungskräften, Sozialwissenschaftlern, Ökonomen, Vertreterinnen und Vertretern von Institutionen, Hochschulen, Bildungs-einrichtungen, Dienstleistungsanbietern und Versorgungsbetrieben diskutieren, wie wir diesen notwendigen Wandel zum Wohlaller Menschen gestalten können.

Mittwoch, 20.09.2017

ab 11.30 Uhr: Möglichkeiten der FAs/Beiräte für Tagungen17.30 Uhr: Transfer von der Burg Warberg nach Helmstedt18.00 Uhr: Eröffnung der Tagung Öffentliche Vorlesung: Bildung und soziale Herkunft –Integration der seit 2015 nach Deutschland eingewandertenPersonen (Prof. Dr. Kerstin Schneider, Vorsitzende desWuppertaler Instituts für bildungsökonomische Forschungan der Bergischen Universität Wuppertal)Ort: Juleum, Collegienplatz 1, 38350 Helmstedt19.30 Uhr: Get-together mit AbendimbissOrt: Juleum, Collegienplatz 1, 38350 Helmstedt21.00 Uhr: Fahrt zur Burg Warberg, Einchecken im Hotel

Donnerstag, 21.09.2017

09.00 Uhr: Begrüßung der Tagungsteilnehmenden09.15 Uhr: Megatrends in einer globalisierten Welt (N. N.)10.00 Uhr: Herausforderungen für die Hauswirtschaft – Zwischenrufe (drei Experten und Expertinnen)10.30 Uhr: Entwicklungen in der Hauswirtschaft ausinternationaler und europäischer Perspektive (FranziskaHonegger, Vorsitzende des EAHE, Anne von Laufenberg-Beermann, Geschäftsführerin des IVHW)11.00 Uhr: Werkstattgespräche zu verschiedenen Themenvon Care bis Nachhaltigkeit: Welchen Beitrag kannHauswirtschaft angesichts der Megatrends leisten?(Dr. Christiane Pakula)14.00 Uhr: Berichte aus den Werkstattgesprächen

14.15 Uhr: Mitgliederversammlung*

18.00 Uhr: Ende der Mitgliederversammlung19.30 Uhr: Abend der Begegnung (Burg Warberg)Gespräche mit geladenen NeuzugewandertenVideobotschaft von Prof. Dr. Sidiga Washi, Präsidentin desInternationaler Verband für Hauswirtschaft (IVHW)

Freitag, 22.09.2017

09.00 Uhr: Begrüßung 09.10 Uhr: Demografischer Wandel und Arbeitswelt (Prof.Dr. Uta Meier-Gräwe, Justus-Liebig-Universität Gießen)09.55 Uhr: Soziale Arbeit im Zeichen der Digitalisierung(Dr. Alexandra Krause, Deutscher Verein für öffentlicheund private Fürsorge)11.10 Uhr: Projekte junger Wissenschaftler undWissenschaftlerinnen11.45 Uhr: Wie schaffen wir das? Integration alsHerausforderung für Städte (Dr. Matthias Schulze-Böing,Leiter des Amts für Arbeitsförderung, Statistik undIntegration der Stadt Offenbach)12.30 Uhr: Verabschiedung und Ausblick

Stand: 03. März 2017. Zu Fragen der Anmeldung etc. infor-miert Sie die dgh-Homepage www.dghev.de

* Für Nicht-Mitglieder, die nicht an der Mitgliederversammlung

teilnehmen wollen, organisieren wir für den Nachmittag auf Wunsch und

nach Absprache eine Exkursion zu spannenden Orten in der Region.