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Einführung des Frauenwahlrechts vor 100 Jahren in Treptow-Köpenick Claudia v. Gélieu Recherchen: Henning Holsten Projektkoordination: Agathe Conradi / Museen Treptow-Köpenick Im Auftrag der BVV Treptow-Köpenick

100 Jahre Frauenwahlrecht in Treptow-Köpenick · Die Frau arbeitete zunächst in der Armen- und Waisenpflege. Später erfolgte die Später erfolgte die Heranziehung zu den Schul-,

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Einführung des Frauenwahlrechts vor 100 Jahren

in Treptow-Köpenick

Claudia v. Gélieu

Recherchen: Henning Holsten

Projektkoordination: Agathe Conradi / Museen Treptow-Köpenick

Im Auftrag der BVV Treptow-Köpenick

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Inhaltsverzeichnis

• 70 Jahre Kampf ums Frauenwahlrecht

• Frauenverein 1898

• Politikverbot für Frauen bis 1908

• Vertrauensfrauen in Köpenick, Oberschöneweide, Baumschulenweg und Johannisthal

• Berichte über Vertrauensfrauen

• Arbeiterinnenbildungsverein Oberschöneweide

• Frauenwahlrechtsvereine im Wahlkampf

• Das Segment

• In jedem SPD-Parteivorstand eine Frauenvertreterin

• Eigenständige Frauenarbeit in der SPD

• Internationaler Frauentag für Frauenwahlrecht

• Erster Internationaler Frauentag in Köpenick und Treptow

• Emanzipation auch in der Mode – Röcke in Hosenform

• Vaterländischer Frauenverein Treptow

• Vaterländischer Frauenverein Köpenick

• Frauen in kommunalen Ämtern

• Erster Weltkrieg 1914-1918

• Lazarett Hirschgarten im Ersten Weltkrieg

• Vaterländischer Frauenverein im Ersten Weltkrieg

• Frauen organisieren die Rationierung während des Krieges

• Frauenarbeit im Ersten Weltkrieg

• Frauen in allen Berufen während des Krieges

• Evangelische Frauenhilfe in Treptow

• Antikriegsproteste von Köpenicker Arbeiterinnen

• Treptower fordert Frauenwahlrecht im Reichstag

• Revolution

• Grippeepidemie in ganz Europa

• Öffentliche Lebensmittelversorgung auch nach Kriegsende

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Inhaltsverzeichnis

• Entlassungen von Frauen nach Kriegsende• Frauen und Revolution• Clara Bohm-Schuch 1879-1936• Frauen in den Arbeiterräten in Treptow und

Adlershof • Frau Lutz im Arbeiterrat Treptow• Arbeiter- und Soldatenrat Treptow• Zulassung von Frauen zu kommunalen

Ausschüssen• Frauen in Bürgerräten• Frauenwahlrecht zeigt Wirkungen• „Männer und Frauen organisiert Euch!“• Ortsgruppe der DDP in Treptow• Ortsgruppe der DDP in Köpenick• „Auch Damen“ werden aufgenommen• DVP Ortsgruppe Treptow• DNVP Ortsverein Köpenick• Politische Versammlungsorte in Köpenick und

Treptow• Rednerin Marie Juchacz bei den SPD-Frauen

in Treptow• Marie Juchacz + Elisabeth Kirschmann-Roehl

in Köpenick• Rednerin Gertrud Lodahl bei der SPD in

Köpenick

• 13 jährige Treptowerin Opfer der Januarunruhen 1919

• Frauen im Wahlkampf zur Nationalversammlung

• Abtreibungsverbot und Scheidungsrecht im Kino in Köpenick

• Wahlberechtigte in Köpenick • Wahlen zur Nationalversammlung 19.1.1919• 33 Prozent Frauen für Treptow-Köpenick in

der Nationalversammlung • Elfriede Ryneck (1872-1951) – Eine

Treptowerin in der Nationalversammlung• Gertrud Lodahl (1878-1930) – Eine

Köpenickerin in der Nationalversammlung• Wahlkampf zur Preußischen

Nationalversammlung• Frauen für Treptow-Köpenick in der

Preußischen Nationalversammlung• Luise Kähler (1869-1955) – Eine Treptowerin

in der Preußischen Nationalversammlung• Gemeindevertretung Treptow• Kandidatinnen für die Wahl zur

Gemeindevertretung Treptow am 23.2.1919• Gemeindevertretung Treptow 1919• Konstituierung der Gemeindevertretung

Treptow am 11.3.1919

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Inhaltsverzeichnis

• Frauen in den Ausschüssen und Kommissionen der Gemeinde Treptow 1919

• Minna Todenhagen (1880-1950) – Mitglied der Gemeindevertretung Treptow 1919-1920

• Minna Todenhagen: Aufgabe der Frauen in den kommunalen Parlamenten

• Emma Wissel (1869-1947) – Mitglied der Gemeindevertretung Treptow 1919/1920

• Fanny Zobel (1872-1958) – Gemeinde-vertreterin und Stadträtin in Treptow

• Stadtverordnetenversammlung Köpenick

• Kandidatinnen bei der Stadtverordnetenwahl Köpenick am 23.2.1919

• Stadtverordnetenversammlung Köpenick 1919-1920

• Die „Herren“ Stadtverordneten

• Emilie Ehm (1872-?) – Stadtverordnete und Stadträtin in Köpenick

• Maria Wudtke als Stadträtin in Köpenick gewählt

• Maria Jankowski 1887-1946

• Bezirksverordnete von Köpenick 1927

• Elisabeth Jacobi (1890 – 1945) – Nicht anerkannt als Stadträtin in Köpenick

• Sinkende Zahl von Frauen in den kommunalen Parlamenten während der Weimarer Republik

• Dank & Impressum

• Beschluss der BVV Treptow-Köpenick

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70 Jahre Kampf ums Frauenwahlrecht

Gleichzeitig mit Männern erhoben auch Frauen in der ersten deutschen Revolution 1848 die Forderung nach politischer Mitbestimmung.

Doch ein Frauenwahlrecht wurde auch von den meisten männlichen Revolutionären abgelehnt. Frauen durften nicht zu den verfassungsgebenden Versammlungen in der Frankfurter Paulskirche und für Preußen in Berlin wählen. Nur als Beobachterinnen auf den Bühnen waren sie geduldet.

Nach der Niederschlagung der Revolution verhängte Preußen wie viele andere Länder ein Politikverbot für Frauen, das bis 1908 in Kraft blieb.

Das behinderte und verzögerte den Kampf von Frauen für ihr Wahlrecht, vollständig unterbunden werden konnte er damit nicht.

Männer erhielten 1871 bei Gründung des Kaiserreichs das allgemeine gleiche Wahlrecht für den Reichstag.

In den Ländern und Kommunen gab es das sogenannte Dreiklassenwahlrecht. Das heißt, Männer ohne Grundbesitz oder Vermögen blieben auch unterrepräsentiert.

Hier werden der Kampf ums Frauenwahlrecht in Treptow und Köpenick sowie die ersten Parlamentarierinnen vorgestellt. Viele Frauen werden erstmals namentlich genannt. Nicht zu allen konnten biografische Angaben ermittelt werden.

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Frauenverein 1898

Quelle: Museen Treptow-Köpenick

Wegen unterschiedlicher Positionen und Forderungen entwickelte sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts eine bürgerliche und eine proletarische Frauenbewegung.

Die Geschichte von bürgerlichen Frauenvereinen in Treptow und Köpenick in dieser Zeit ist bisher nicht erforscht worden. Dass es sie gab, zeigt die Mitgliedskarte des „Frauen-Verein im Kreise Teltow“ für eine Köpenickerin aus dem Jahre 1898. Treptow und Köpenick gehörten bis 1920 zum Kreis Teltow.

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Politikverbot für Frauen bis 1908

1891 nahm die SPD als erste Partei in Deutschland die Forderung des Frauenwahlrechts in ihr Programm auf. Offiziell durften Frauen damals allerdings noch nicht einmal Mitglied einer Partei sein.

Bis 1908 verbot das Preußische Vereinsrecht Frauen, sich politischen Vereinen anzuschließen und an deren Versammlungen teilzunehmen.

Dieses Politikverbot für Frauen war eine der Repressalien nach der gescheiterten Revolution von 1848. Verfolgt wurden vor allem die sozialdemokratischen Frauen und die Arbeiterinnenbewegung.

Mit immer neuen Organisationsformen umging die Arbeiterinnenbewegung das Politikverbot. Dazu gehörte die Gründung von Bildungsvereinen, die Einberufung von öffentlichen Versammlungen und die Wahl von Vertrauensfrauen.

Quelle: Vorwärts 25.6.1904

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Vertrauensfrauen in Köpenick, Oberschöneweide, Baumschulenweg und Johannisthal

Da nach dem preußischen Vereinsrecht Frauen die Mitgliedschaft in politischen Organisationen verboten war, wählte die Arbeiterinnenbewegung Vertrauensfrauen, die ihre politische Arbeit koordinierten. Damit gelang es ihnen das Politikverbot so erfolgreich zu unterlaufen, dass es 1908 aufgehoben wurde.

Hinweise auf Vertrauensfrauen in Köpenick und Treptow finden sich in der sozialdemokratischen Presse.

„Eine gut besuchte Frauenversammlung in Köpenick hörte einen Vortrag über ‚die Frau im Wahlkampf‘, den Genossin Gradnauer hielt. Als Ortsvertrauensperson der Genossinnen wurde Frau Trinius gewählt.“

„Als Vertrauensperson für Oberschöneweide wurde Genossin Jung in öffentlicher Versammlung aufgestellt, in der Genossin Ihrer über das Thema referiert hatte: ‚Warum müssen die Frauen Sozialdemokraten sein?‘.“

„Eine öffentliche Versammlung in Baumschulenweg, in der Genossin Wicklei Bericht über ihre Tätigkeit als Vertrauensperson erstattete, betraute die Genannte einstimmig wieder mit diesem Amte.“

„In Johannisthal wurde Genossin Mann als Vertrauensperson gewählt. Ihrer Ernennung ging ein Referat von Genossin Tietz voraus über ‚Die Frau in der Sozialdemokratie‘.“

Quelle: Die Gleichheit 6.3.1903 und 11.3.1903

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Quelle: Vorwärts 5.11.1904 und 25.11.1904

Berichte über Vertrauensfrauen

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Quelle: Vorwärts 15.5.1904

Die Bildungsvereine der Arbeiterinnenbewegung dienten nicht nur der Umgehung des Politik-verbotes für Frauen, sondern auch der Qualifikation von Frauen für die politische Arbeit wie z.B. der Schulung von Rednerinnen.

Arbeiterinnenbildungsverein Oberschöneweide

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Frauenwahlrechtsvereine im Wahlkampf

Das Politikverbot für Frauen wurde während Wahlkampfzeiten ausgesetzt, damit die Frauen die Männer unterstützen konnten. Die Frauen nutzten dies für eigene politische Arbeit und Kampagnen für das Frauenwahlrecht.

Während des Reichstagswahlkampfes 1903 wurde ein Frauenwahlrechtsverein im Kreis Teltow gegründet, der in Treptow-Baumschulenweg eine Versammlung zum Thema „Frauenstimmrecht“ durchführte. In Oberschöneweide sprach Clara Zetkin über die „Frauen und die Reichstagswahl“ und in Köpenick die Genossin Gradnauer über „Die Frau im Wahlkampf“.Quelle: Die Gleichheit 3.6.1903 und 1.7.1903

Quelle: Die Gleichheit 29.7.1903

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Das Segment

Quelle: Die Gleichheit 23.9.1903

Ab 1902 durften Frauen an Parteiversammlungen teilnehmen, aber nur in einem von den Männern abgetrennten Raum, dem sogenannten „Segment“.

Und sie durften weder als Rednerinnen auftreten noch sich an den Debatten beteiligen.

Dies traf 1903 auch die weiblichen Delegierten beim Parteitag der Brandenburger SPD, zu der Treptow und Köpenick damals gehörten.

Der Antrag der Frauen für eine Kampagne für das Frauenstimmrecht wurde dennoch einstimmig beschlossen.

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Die Arbeiterinnenbewegung schloss sich nach Aufhebung des Politikverbots für Frauen 1908 der SPD an. Als Bedingung stellte sie, dass in den Vorstand jedes SPD-Wahlvereins mindestens eine Frau gewählt wurde. In den SPD-Vorstand des Kreises Teltow, zu dem Köpenick und Treptow damals gehörten, wurde 1909 die bisherige Vertrauensfrau, Frau Thiel, gewählt. Ab 1910 war Marie Juchaczdie Frauenvertreterin im SPD-Vorstand des Landkreises Teltow. Ihr folgte 1912 Elfriede Ryneck.

Quelle: Vorwärts 23.3.1909

In jedem SPD-Parteivorstand eine Frauenvertreterin

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Eigenständige Frauenarbeit in der SPD

Quelle: Vorwärts 25.6.1911

Mit ihrem Eintritt in die SPD gaben die Frauen ihre eigenständige politische Arbeit nicht auf. Aber auch nach 1908 organisierten sie weiter regelmäßig Frauen-versammlungen. Allein an einem Tag wurden folgende Veranstaltungen für Treptow und Köpenick unter der Rubrik „Frauenbildungsabende“ angekündigt:

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Quelle: Vorwärts 17.3.1911

Um ihrer Forderung nach dem Wahlrecht für Frauen Nachdruck zu verleihen, beschloss die Internationale Sozialistische Frauenkonferenz 1910 auf Antrag der deutschen Delegierten, jährlich einen Frauentag in allen Mitgliedsländern durchzuführen.

Der erste Internationale Frauentag fand in Deutschland am Sonntag, dem 19. März 1911 statt. Da Demonstrationen auf der Straße verboten waren, gab es Veranstaltungen in Sälen. Auch in Köpenick und Treptow wurde zu Versammlungen eingeladen.

Internationaler Frauentag für Frauenwahlrecht

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Erster Internationaler Frauentag in Köpenick und Treptow

Quelle: Vorwärts 17.3.1911 und 21.3.1911

1912 bis 1914 fanden jährlich Frauentage statt. Im Ersten Weltkrieg konnte er wegen der Forderung nach Beendigung des Krieges und Frieden nur illegal stattfinden.

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Quelle: Vorwärts 22.3.1911

Emanzipation auch in der Mode – Röcke in Hosenform

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Vaterländischer Frauenverein Treptow

Quelle: Museen Treptow-Köpenick

1813 von preußischen Prinzessinnen zur frauengemäßen Unterstützung des Befreiungskrieges gegen die französische Besatzung ins Leben gerufen, betätigten sich die Vaterländischen Frauenvereine ab 1865 auch in der zivilen Krankenpflege und im sozialen Bereich. Sie waren kaisertreu und traten frauenpolitisch nicht in Erscheinung.

In Treptow betrieb der Vaterländische Frauenverein 1912 eine Kinderkrippe in der Graetzstraße 28.

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Quelle: Cöpenicker Dampfboot 14.12.1918

Der Jahresbericht des Vaterländischen Frauenvereins wurde 1918 der Köpenicker Stadtverordneten-versammlung vorgelegt.

Und der Bürgermeister bedankt sich bei dem Frauenverein.

Das heißt, der private Verein hat eine quasi öffentliche Stellung.

Während des Ersten Weltkrieges erfüllte der Verein wichtige Funktionen für die Versorgung der „Heimatfront“ und von Verwundeten.

Vaterländischer Frauenverein Köpenick

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Frauen in kommunalen Ämtern

Von der Politik ausgeschlossen, betätigten sich viele Frauen im sozialen Bereich, der ohne ihr Engagement und ihre Erfahrungen nicht funktioniert hätte. Kommunen übertrugen ihnen deshalb politische Ämter, lange bevor Frauen das Wahlrecht erhielten.

Darüber schrieb Minna Todenhagen, die 1919 als eine der ersten Frauen in die Gemeinde-vertretung Treptow gewählt wurde:

„Die Städte haben, teilweise unter Durchbrechung der allgemeinen gesetzlichen Bestimmungen, die Frau schon gegen Ende des vorigen [19.] Jahrhunderts zu den Gemeindeämtern herange-zogen. Die Frau arbeitete zunächst in der Armen- und Waisenpflege. Später erfolgte die Heranziehung zu den Schul-, Gesundheits-, Stiftungs- und Ernährungsdeputationen, Krankenhaus-, Theater-, Mark- und Parkkommissionen. Nach einer Erhebung des Allgemeinen Deutschen Frauenvereins gab es im Jahre 1913 im Deutschen Reiche 14 004 in der Wohlfahrtspflege ehrenamtlich tätige Frauen ...“

Quelle: Die Frau in der kommunalen Arbeit. Stadtverordnete Minna Todenhagen, in: Ada Schmidt-Beil, Hrsg., Die Kultur der Frau, Berlin 1931, S. 397

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Erster Weltkrieg 1914-1918

„... trat am 5. August 1914 der Magistrat von Köpenick zu einer außerordentlichen Sitzung zusammen. Einmütig erörterte und beschloss er die sofortige Organisierung einer Verwundeten-und Krankenpflege, die Bildung von Unterstützungskommissionen zur Beschaffung von Spendenmitteln für die zu erwartenden Kriegsopfer, die Abnahme von Notreifeprüfungen für kriegsfreiwillige Gymnasiasten und die Einrichtung einer Arbeitsnachweisstelle, die hauptsächlich unter Frauen und Mädchen für den Einsatz in der Kriegsfabrikation werben sollte.“ Quelle: Judith Uhlig, Köpenick, Berlin 1997, S. 111

Während des Krieges mussten Frauen in allen gesellschaftlichen Bereichen die an die Front einberufenen Männer ersetzen. Viele Frauen verstanden dies als ihren Kriegsdienst fürs Vaterland. Andere sahen darin die Chance zu beweisen, dass Frauen alle Arbeiten genauso gut wie Männer verrichten können. Die Frauen glaubten, dass ihnen dann die Gleichberechtigung nicht mehr vorenthalten würde und sie auch das Wahlrecht erhalten würden. Doch das blieb ihnen bis zum Ende des Krieges 1918 vorenthalten. Auch als ab 1917 Wahlrechtsreformen für Männer in Aussicht gestellt wurden, gehörte das Frauenwahlrecht nicht dazu.

Je länger der Krieg dauerte, je mehr Männer umkamen und je größer die Lebensmittelnot wurde, um so mehr Frauen protestierten gegen den Krieg und forderten Frieden. Die meisten Antikriegs-aktionen und -streiks wurden mehrheitlich von Frauen getragen.

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Lazarett Hirschgarten im Ersten Weltkrieg

Quelle: Museen Treptow-Köpenick

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Quelle: Treptower Anzeiger 27.10.1918

Quelle: Treptower Anzeiger 18.10.1918

Vaterländischer Frauenverein im Ersten Weltkrieg

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Quelle: Teltower Kreiskalender 1918, S. 35 und S. 44

Frauen organisieren die Rationierung während des Krieges

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Frauenarbeit im Ersten Weltkrieg

„Frauen [...] wurden bald zur Herstellung des anwachsenden Heeres- und Kriegsbedarfs abkommandiert. Sie wurden wie Soldaten zur Rüstungsarbeit eingezogen. Auf Ersuchen der Unternehmer genehmigten Polizeipräsidium und Gewerbe-inspektion Tagesarbeitszeiten [...] für Frauen bis zu zwölf Stunden bei gleichzeitig verkürzten Pausen auf meistens nur 30 Minuten. Ohne Sicherheitsvorkehrungen verrichteten zum Beispiel weibliche Kräfte bei anhaltendem Zugverkehr körperlich schwere Arbeiten an den Gleisanlagen zwischen Rahnsdorfund Wilhelmshagen, wo bei einem schlimmen Zugunglück neunzehn Frauen tödliche Verletzungen erlitten.“Quelle: Judith Uhlig, Köpenick, Berlin 1997, S. 112

Quelle: Vorwärts 12.11.1916

Schweißerei Rumpler Werk Johannisthal, Quelle: Museen Treptow-Köpenick

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Quelle: Teltower Kreiskalender 1918, S. 48 und 49

Zum Beispiel: Briefträgerinnen, Gasangestellte,

Straßenbahnschaffnerinnen

Frauen in allen Berufen während des Krieges

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Evangelische Frauenhilfe in Treptow

Quelle: Teltower Kreisblatt 30.10.1918

Die 1899 unter der Schirmherrschaft der Kaiserin Auguste Viktoria gegründete Evangelische Frauenhilfe war eine von mehreren Frauenorganisationen der evangelischen Kirche. Sie organisierte ehrenamtliche soziale Hilfsarbeit.

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Antikriegsproteste von Köpenicker Arbeiterinnen

„Ich arbeitete damals im KWO [Kabelwerk Oberspree] als Werkzeugmacher. Das Werk gehörte zum AEG-Konzern und war eines der bedeutendsten Rüstungswerke des Berliner Südostens. [...]

In meiner Abteilung arbeiteten damals 800 bis 900 Frauen, die zwangsweise zur Rüstungsarbeit verpflichtet waren. Sie waren erst durch den Krieg mit der Arbeiterbewegung in engere Berührung gekommen. Unter ihnen aber herrschte eine ausgesprochen revolutionäre Stimmung, bedingt durch die Verhältnisse.

Zum Teil waren die Männer im Krieg, viele waren durch den Krieg Witwe geworden. Mit Sorge dachten sie an ihre Kinder, die auch noch in den Krieg ziehen sollten.

Sie forderten, oft konsequenter und klarer als die Männer: ‚Macht Schluss mit dem Krieg!’ Sie verlangten: ‚Gebt uns unsere Männer wieder!’ Unter diesen Losungen gingen die Köpenicker Arbeiterinnen und Arbeiter auf die Straße. [...].“

Erinnerungen von Kollegen Sawatzki zur Novemberrevolution 1918/19, Quelle: Novemberstürme über Köpenick (I.) / Erinnerungen Berliner Arbeiterveteranen. Zusammengestellt von der Sektion Geschichte der Gesellschaft zur Verbreitung wissenschaftlicher Kenntnisse im Kreis Köpenick, o.J., Museen Treptow-Köpenick

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Treptower fordert Frauenwahlrecht im Reichstag

Friedrich Ebert wohnte mit seiner Familie seit 1911 in Treptow in der Defreggerstraße 20. Seit 1912 war er Mitglied der sozialdemokratischen Fraktion im Reichstag. 1913 wurde er zum Vorsitzenden der SPD gewählt. Am 9. November 1918 wurde er Reichskanzler, von 1919 bis zu seinem Tod 1925 Reichspräsident.

Die Mehrheit im Reichstag lehnte das Frauenwahlrecht auch noch Ende Oktober 1918 ab.

Quelle: Treptower Anzeiger 25.10.1918

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Revolution

Am 12.11.1918 verkündete das oberste Gremium der Revolution, der Rat der Volksbeauftragten:

„Alle Wahlen zu öffentlichen Körperschaften sind fortan nach dem gleichen, geheimen, direkten, allgemeinen Wahlrecht aufgrund des proportionalen Wahlsystems für alle mindestens 20 Jahre alten männlichen und weiblichen Personen zu vollziehen.“

Damit war das Frauenwahlrecht eingeführt.

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Während der revolutionären Ereignisse im Herbst 1918 und Frühjahr 1919 grassierte eine Grippeepidemie, an der bis 1920 ca. 25 Millionen Menschen starben. Auch in Köpenick wird vier Tage vor Revolutionsbeginn über Opfer berichtet.

Quelle: Cöpenicker Dampfboot 5.11.1918

Grippeepidemie in ganz Europa

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Öffentliche Lebensmittelversorgung auch nach Kriegsende

Quelle: Treptower Anzeiger 17.11.1918

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Quelle: Cöpenicker Dampfboot 3. und 5.12.1918

Nach den Demobilmachungsverordnungen durften Arbeitsverträge mit Frauen aus der Kriegszeit seit Dezember 1918 fristlos gekündigt werden. Im Erwerbsleben wurden Frauen weiter diskriminiert. Ihre ökonomische Abhängigkeit wurde nicht infrage gestellt.

Entlassungen von Frauen nach Kriegsende

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Über die Frauen die Revolution sprach eine Rednerin im Köpenicker Stadttheater, wie das „CöpenickerDampfboot“ am 2.12.1918 berichtete. War es Clara Bohm-Schuch? Am 3.2.1918 wurde ein Artikel mit gleichem Titel von ihr im „Vorwärts“ veröffentlicht. Er beschreibt die Reaktionen von Frauen auf die Revolution, benennt ihre Erwartungen und Forderungen.

Fortsetzung nächste Seite ...

Frauen und Revolution

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Die Sozialdemokratin Clara Bohm-Schuch lebte ab 1924 in Johannisthal, Breiter Weg 22, 1924. 1919 gehörte sie zu den ersten Frauen, die in die National-versammlung gewählt wurde. Bis 1933 gehörte sie dem Reichstag an und war Mitglied des Reichstagspräsidiums. Als sie 1936 an den Folgen einer mehr-monatigen NS-Haft starb, wurde sie auf dem Friedhof Baumschulenweg beigesetzt.

Literatur: Renate Bäuerlein, Clara Bohm-Schuch, in: Frauenmosaik. Frauenbiografien aus dem Berliner Stadtbezirk Treptow-Köpenick, hrsg. BA Treptow-Köpenick, Berlin 2001 S. 61-71

Quelle: Museen Treptow-Köpenick

Quelle: Vorwärts 3.12.1918 Abendausgabe

„Die Frauen und die Revolution“, Fortsetzung von vorhergehender Seite:

Clara Bohm-Schuch 1879-1936

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Frauen in den Arbeiterräten in Treptow und Adlershof

Während der Revolution wurden überall Soldaten- und Arbeiterräte gebildet. Sie verstanden sich als basisdemokratische Vertretung der Revolutionärinnen und Revolutionäre. Mit der Parole „Alle Macht den Räten“ wandten sie sich gegen die Regierungen und Parlamente aus dem Kaiserreich, die nicht unter demokratischen Bedingungen zustande gekommen waren.

In Treptow fand am 11.11.1918 eine Besprechung von Bürgermeister, vier Schöffen, 12 Gemeinde-verordneten und sechs Vertretern des Arbeiterrates statt. Im Protokoll (siehe nächste Seite) ist als dessen Mitglied auch „Frau Lutz“ aufgeführt. Bei den Neuwahlen am 23.2.1919 wird Auguste Lutz als eine der ersten Frauen in die Gemeindevertretung von Treptow einziehen. Mehr ist bis heute über sie nicht bekannt.

In Adlershof wurden nach einem Bericht des Teltower Kreisblattes vom 26.11.1918 in einer Volksversammlung neben zehn Männern Frau Neumann und Frau Richter in den dortigen Arbeiterrat gewählt. Von diesen beiden sind nur die Namen überliefert.

Unter den 19 Mitgliedern des Köpenicker Arbeiterrates war keine einzige Frau.

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Quelle: Landesarchiv Berlin A Rep 045-05-06 Nr 15 Bl. 44

Aus dem Protokoll der Treptower Gemeindeversammlung vom 11.11.1918:

„Auf Einladung des Gemeinde-vorstehers waren die neben-bezeichnenden Herren Schöffen und Gemeindeverordneten zu einer Besprechung erschienen.An dieser Besprechung nahmen die ebenfalls nebenstehend aufgeführten Mitglieder des neu gebildeten Arbeiter-und Soldatenrates teil.“

In der Liste: „Frau Lutz“

Frau Lutz im Arbeiterrat Treptow

Page 38: 100 Jahre Frauenwahlrecht in Treptow-Köpenick · Die Frau arbeitete zunächst in der Armen- und Waisenpflege. Später erfolgte die Später erfolgte die Heranziehung zu den Schul-,

Quelle: Landesarchiv Berlin A Rep 045-05-06 Nr 15 Bl. 48

Berlin, Treptow, den 11. November 1918, Besprechung des Gemeindevorstehers und der Gemeindeverordneten mit den Mitgliedern des Arbeiter- und Soldatenrates :

„Herr Lüdke [Mitglied des Arbeiter- und Soldatenrates] bringt noch zur Sprache, dass in die Stationen des Vaterländischen Frauenvereins Soldaten eingedrungen seien, Sachen verlangt, die Schwestern in unflätigster Weise beschimpft und die Entfernung des Roten Kreuzes verlangt haben. Er bittet die Stationen in Schutz zu nehmen. Leutnant Hedfeld [Mitglied des Arbeiter-und Soldatenrates] sagt Abhilfe zu.“

Arbeiter- und Soldatenrat Treptow

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Zulassung von Frauen zu kommunalen Ausschüssen

Quelle: Cöpenicker Dampfboot 29.11.1918

Noch vor Neuwahlen durften Frauen nach der Einführung des Frauenwahlrechts offiziell als Mitglieder in Ausschüsse gewählt werden. Allerdings sollten dabei weiter die Bestimmungen des Dreiklassenwahlrechts gelten, das die Revolution eigentlich abgeschafft hatte.

In vielen Kommunen war die Mitwirkung von Frauen in Ausschüssen bereits vorher Praxis.

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Frauen in Bürgerräten

Nachdem sich die Revolutionäre in Arbeiter- und Soldatenräten organisiert hatten, bildeten auch die Bürgerlichen Räte, um politischen Einfluss zu nehmen. Sie forderten die gleichen Rechte für ihre Bürgerräte. Die Arbeiter- und Soldatenräte verstanden sich als Kontrollorgane der Regierungen und Parlamente.

In den Köpenicker Bürgerrat wurden im Dezember 1918 60 Mitglieder gewählt, darunter fünf Frauen:

• Fräulein Anna Erbe;

• Fräulein Meta Schrimer, Lehrerin;

• Frau Sohnle;

• Fräulein Dr. Ullmann, Oberlehrerin;

• Frau Wuttke, Postbeamtin.

Als einzige Frau im Vorstand gehörte die Oberlehrerin Dr. Ullmann dem engeren Ausschuss des Bürgerrates an. Am 23.2.1919 kandidierte sie bei der Wahl zur Köpenicker Stadtverordnetenversammlung, wurde aber nicht gewählt.

Quelle: Cöpenicker Dampfboot 3.12.1918Quelle: Cöpenicker Dampfboot 13. und 21.12.1918

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Quelle: Treptower Anzeiger 8. und 18.12.1918

Dem Treptower Bürgerrat gehörten 13 Männer und drei Frauen an: • Frau Prof. Blumenthal, • Frau Buscke und • Frau Gampe.

Helene Blumenthal war die langjährige Vorsitzende des Vaterländischen Frauenvereins Treptow.

Bei der Wahl zur Treptower Gemeindevertretung 1919 kandidierte sie für die Bürgerliste, wurde aber wegen ihres hinteren Listenplatzes nicht gewählt.

Frauen in Bürgerräten

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Frauenwahlrecht zeigt Wirkungen

Nach der Verkündung des Frauenwahlrechts durch den Rat der Volksbeauftragten am 12.11.1918

• nahmen alle Parteien Frauen als Mitglieder auf, auch die, die bis zur Revolution Gegner der politischen Beteiligung von Frauen waren

• richteten sich die Anzeigen der Parteien an „Bürger und Bürgerinnen“ an „Männer und Frauen“

• wurde auf Parteiversammlungen die Frauenfrage zum Thema

• traten überall Frauen als Rednerinnen auf

• stellten alle Parteien Kandidatinnen zu den Wahlen auf, auch die, die sich bis zur Einführung des Frauenwahlrecht durch die Revolution dagegen ausgesprochen hatten

• engagierten sich auch Frauen und kandidierten, die bisher politische Betätigung und das Wahlrecht abgelehnt hatten

• entschieden sich Frauen aus den parteipolitisch neutralen bürgerlichen Frauenorganisationen für eine Partei, die Arbeiterinnenbewegung zwischen SPD und KPD und splitteten sich damit weiter auf

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„Männer und Frauen organisiert Euch!“

Quelle: Treptower Anzeiger 3.1.1919

Die Deutsche Demokratische Partei (DDP) war eine bürgerlich-linksliberale Partei. Sie befürwortete die Republik von Anfang an.

Führende Mitglieder der bürgerlichen Frauenbewegung wurden Mitglied in dieser Partei wie Helene Lange und Gertrud Bäumer.

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Quelle: Treptower Anzeiger 13.12.1918 Quelle: Teltower Kreisblatt 24.12.1918

Quelle: Treptower Anzeiger 15.12.1918

Ortsgruppe der DDP in Treptow

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Quelle: Cöpenicker Dampfboot 11.12.1918

Dem Arbeitsausschuss zur Gründung einer Ortsgruppe der Deutschen Demokratischen Partei in Köpenick gehört auch eine Frau an: „Weinberg, Büro-Gehilfin“.

Ortsgruppe der DDP in Köpenick

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Quelle: Treptower Anzeiger 22.12.1918

Die Nationalliberalen gründen die Deutsche Volkspartei (DVP).

„Auch Damen“ werden aufgenommen

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DVP Ortsgruppe Treptow

Quelle: Treptower Anzeiger 29.12.1918

Die Deutsche Volkspartei (DVP) war die Partei der bürgerlichen Mitte mit einem starken Wirtschaftsflügel. Der Nationalliberale Gustav Stresemann war ihr Vorsitzender. Weimarer Republik und Verfassung lehnte sie zunächst ab.

„Wir erstreben volle Gleichberechtigung aller deutschen Bürger und Bürgerinnen ohne Unterschied auf allen Gebieten des öffentlichen Lebens!“

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Quelle: Cöpenicker Dampfboot 31.12.1918

DNVP Ortsverein Köpenick

Die DNVP war das Sammelbecken der Rechten aus Adel, Bürgertum, Militär und evangelischer Kirche. Sie wollte die Monarchie wieder herstellen und bekämpfte die Republik. Die Partei war nationalistisch und antisemitisch ausgerichtet.

In Köpenick gehörten zu denen, die den Gründungsaufruf unterzeichneten, auch vier Frauen:• Frau Amtsgerichtsrat Matz,• Fräulein Roche, • Frau Amtsgerichtsrat Schöndume, • Frau Dr. Selfer

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Quelle: Cöpenicker Dampfboot 18.2.1919

Die Eingabe einer DNVP-Frauengruppe an die Nationalversammlung, das Frauenwahlrecht wieder abzuschaffen, wurde einstimmig als „reaktionär und unzeitgemäß“ abgelehnt.

Auf der Mitgliederversammlung der DNVP in Köpenick wurde Maria Roche im Februar 1919 als zweite Schriftführerin in den Vorstand gewählt.

DNVP Ortsverein Köpenick

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Quelle: Museen Treptow-Köpenick

Spreegarten „Rote Diele“ Spreegarten

Festsäle Kaiserhof Stadttheater Köpenick

Politische Versammlungsorte in Köpenick und Treptow

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Rednerin Marie Juchacz bei den SPD-Frauen in Treptow

Quelle: Vorwärts 8.12.1918

Marie Juchacz (1879-1956) war von 1917 bis 1933 die Vertreterin der Frauen im zentralen SPD-Parteivorstand und zentrale Frauenparteisekretärin.

Von 1910 bis 1912 hatte sie die Frauen im SPD-Vorstand des Landkreises Teltow vertreten, zu dem Treptow und Köpenick bis 1920 gehörten.

Sie war von 1919 bis 1933 Mitglied des Reichstags. Friedrichshagen gehörte zu ihrem Wahlkreis.

Am 19.2.1919 sprach sie als erste Frau im zentralen deutschen Parlament, der Nationalversammlung.

1919 gründete sie die Arbeiterwohlfahrt (AWO).

Von 1923 bis 1933 lebte Marie Juchacz in Köpenick.Literatur: Christina Rhein, Marie Juchacz, in: Frauenmosaik. Frauenbiografien aus dem Berliner Stadtbezirk Treptow-Köpenick, hrsg. BA Treptow-Köpenick, Berlin 2001, S. 73-82

Quelle: Museen Treptow-Köpenick

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Marie Juchacz + Elisabeth Kirschmann-Roehl in Köpenick

Die zwei Schwestern wurden beide 1919 in die National-versammlung gewählt.

Ab 1923 wohnten sie in der Alten Dahlwitzer Straße (heute Schmausstraße) 83 in einer Wohngemeinschaft zusammen mit ihren Kindern und dem Ehemann von Elisabeth Kirschmann-Roehl. Marie Juchacz war geschieden.

Elisabeth Kirschmann-Roehl, geb. 1888, starb 1930.

Marie Juchacz musste 1933 aus Deutschland fliehen.

In der Schmausstraße 83 erinnert ein Gedenktafel an sie.

Quelle: AsD/Friedrich-Ebert-Stiftung

„Die Doppelfamilie [...] erwarb ein Siedlungshaus in Köpenick. Elisabeth empfand viel Freude daran, das Heim behaglich einzurichten [...]. Das Haus [...] hatte einen kleinen Garten. Es lag nahe am Wald und gewährte so Ruhe und Erholung. Es wurde ein behagliches Heim, in dem auch manchmal längere Konferenzen der Arbeiter-wohlfahrt in kleinem Kreise abgehalten wurden.“Quelle: Fritzmichael Roehl, Marie Juchacz und die Arbeiterwohlfahrt, Hannover 1961, S. 120fQuelle: Foto von Holger Hübner

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Rednerin Gertrud Lodahl bei der SPD in Köpenick

Quelle: Cöpenicker Dampfboot 20. und 23.12.1918

Quelle: Cöpenicker Dampfboot 20. und 23.12.1918

Quelle: AsD/Friedrich-Ebert-Stiftung

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Quelle: Teltower Kreisblatt 11.1.1919

13 jährige Treptowerin Opfer der Januarunruhen 1919

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Frauen im Wahlkampf zur Nationalversammlung

Quelle: Treptower Anzeiger 29.12.1918

Quelle: Vorwärts 27.12.1918

Quelle: Cöpenicker Dampfboot 27.12.1918

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Quelle: Cöpenicker Dampfboot 15.1.1919

Quelle: Cöpenicker Dampfboot 3.12.1918

Die Streichung des § 218 und die Reformierung des Ehescheidungsrechts waren zentrale Forderungen von Frauen in der Weimarer Republik. Mitten in der Revolution und im Wahlkampf waren sie auch Thema im Kino in Köpenick.

Abtreibungsverbot und Scheidungsrecht im Kino in Köpenick

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Wahlberechtigte in Köpenick

Quelle: Cöpenicker Dampfboot 3.1.1919

Das am 12.11.1918 vom Rat der Volksbeauftragten verkündete Frauenwahlrecht wurde am 30.11.1918 im Amtsblatt veröffentlicht. Der Reichsrätekongress, der vom 16. bis 18.12.1918 tagte, beschloss die Wahl einer Nationalversammlung am 19.1.1919.

Wie die Kommunen es schafften, innerhalb dieser kurzen Zeit die neuen Wählerinnen, die mehr als die Hälfte der Wahlberechtigten ausmachten, in den Wahllisten zu erfassen, darüber gibt es keine Berichte.

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Wahlen zur Nationalversammlung am 19.1.1919

Unbekanntes Berliner Wahllokal 19.1.1919 Quelle: Bundesarchiv BildY 1-335-26958

An diesem Tag durften die Köpenickerinnen und Treptowerinnen zum ersten Mal von ihrem neuen Wahlrecht Gebrauch machen.

Die Zeitungen berichteten nicht über dieses besondere Ereignis.

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33 Prozent Frauen für Treptow-Köpenick in der Nationalversammlung

Treptow und Köpenick gehörten zum Wahlkreis 3 (Teltow-Beeskow-Charlottenburg / Potsdam II).

Gewählt wurde nach Parteilisten im Verhältniswahlrecht.

Insgesamt hatte der Wahlkreis neun Sitze in der Nationalversammlung.

Die gewählten Frauen waren:

• Elfriede Ryneck, MSPD, Treptow

• Anna von Giercke, DNVP, Charlottenburg

Nach wenigen Tagen rückte nach:

• Clara Mende, DVP, Tempelhof

Quelle: Cöpenicker Dampfboot 22.1.1919

Insgesamt blieb der Anteil der Frauen in der Nationalversammlung unter 10 Prozent.

Im Wahlkreis von Treptow-Köpenick betrug der Frauenanteil zunächst 22 Prozent und stieg mit der Nachrückerin auf 33 Prozent.

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Elfriede Ryneck (1872-1951)Eine Treptowerin in der Nationalversammlung

Quelle: Reichstagshandbuch 1920, S. 313 und 413

Von 1909 bis 1920 wohnte sie in der Kiefholzstraße 180, danach in der Scheiblerstraße 8 in Treptow-Baumschulenweg.

Viele Jahre leitete sie die Kinderschutzkommission in Treptow. Dies war eine Organisation von Sozialdemokratinnen, die die Einhaltung der Kinderschutz-gesetze, insbesondere des Arbeitsverbotes für Kinder kontrollierte.

Ab 1912 war sie Frauenvertreterin im SPD-Kreisvorstand Teltow, zu dem Treptow und Köpenick gehörten, ab 1914 in der SPD-Großberlin. Mehrmals wurde sie als Treptower Delegierte zum SPD-Parteitag gewählt und trat dort als Rednerin auf. Von 1919 bis 1924 war sie Mitglied des

Reichstages, von 1925 bis 1933 gehörte sie dem Preußischen Landtag an.

In Treptow war sie Mitglied in kommunalen Ausschüssen.

Ihre Mutter Pauline Staegemann hatte 1873 den ersten sozialdemokratischen Frauenverein in Berlin gegründet.

Ihre Enkelin Jutta Limbach wurde 1989 erste Justizsenatorin Berlins und 1994 Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts.

Literatur: Christina Rhein, Elfriede Ryneck, Frauenmosaik. Frauenbiografien aus dem Berliner Stadtbezirk Treptow-Köpenick, hrsg. BA Treptow-Köpenick, Berlin 2001, S. 51-60

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Gertrud Lodahl (1878-1930)Eine Köpenickerin in der Nationalversammlung

Gertrud Lodahl wohnte in Köpenick-Uhlenhorst, Unter den Birken 36. Für die Nationalversammlung kandidierte sie im Wahlkreis Posen für die MSPD. Am 12.2.1919 rückte sie in die Nationalversammlung nach.

Sie gehörte dem Reichstag bis 1920 an.

Quelle: Vorwärts 27.12.1918

Quelle: Cöpenicker Dampfboot 26.2.1919

„Geboren am 28. Januar 1878 zu Berlin; Dissidentin. Besuchte die Volksschule in Berlin, erst Kinder-mädchen, später Hilfsarbeiterin im Buchdruckgewerbe; als solche Tätigkeit für Gewerkschaft, Vorsitzende der Berliner Ortsgruppe. Nach Verheiratung in der Konsumgenossenschaft als Aufsichts-ratsmitglied ehrenamtlich tätig. Mitarbeit in Kriegshilfe, Preisprüfungsstelle, Beirat des Kriegsernäh-rungsamts. Rednerisch und organisatorisch tätig in Gewerkschafts- und Genossenschaftsbewegung, literarische Beiträge für die Zeitschriften dieser Organisationen sowie für Tageszeitungen.“

Quelle für Foto und Text: Reichstagshandbuch 1920

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Quelle: Treptower Anzeiger 24.1.1919

Wahlkampf zur Preußischen Nationalversammlung

Zwischen den Wahlen zur Nationalversammlung am 19.1.1919 und denen zur Preußischen Nationalversammlung vom 26.1.1919 lag nur eine Woche. Lag es daran, dass es wenig Wahlkampfveranstaltungen und Wahlanzeigen gab, die sich speziell an Frauen richteten und Rednerinnen seltener waren?

Eine Ausnahme bildete die DDP. Hoffte sie darauf, dass Frauen sie wählen würden, um „Frl. v. Harnack“ auf dem wenig aussichtsreichen vierten Listenplatz doch noch eine Chance auf den Einzug ins Parlament zu verschaffen?

Nach ihren Fehlversuchen 1919 verzichtete Agnes von Harnack (1884-1950), später verheiratete Zahn, auf eine parlamentarische Karriere. Ab 1925 war sie Vorsitzende des Deutschen Akademikerbundes und ab 1929 leitete sie den Bund Deutscher Frauenvereine, den Dachverband der bürgerlichen Frauenbewegung.

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Frauen für Treptow-Köpenick in der Preußischen Nationalversammlung

Treptow und Köpenick gehörten zum Wahlkreis 3 (Teltow-Beeskow-Charlottenburg / Potsdam II).

Gewählt wurde nach Parteilisten im Verhältniswahlrecht.

Insgesamt hatte der Wahlkreis 13 Sitze in der Preußischen Nationalversammlung.

Am 26.1.1919 wurden nur zwei Frauen im Wahlkreis 3 gewählt :

• Luise Kähler, MSPD, Treptow

• Luise Garnich, DVP, Charlottenburg

Dennoch lag der Frauenanteil in diesem Wahlkreis mit 15 Prozent weit über dem Gesamtanteil der Frauen in der Preußischen Nationalversammlung von 6,5 Prozent.

Luise KählerQuelle: AsD/Friedrich-Ebert-Stiftung

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Luise Kähler (1869-1955)Eine Treptowerin in der Preußischen Nationalversammlung

Luise Kähler wohnte in der Wildenbruchstraße 41 in Treptow .

Die Heimarbeiterin und Hausangestellte, die als Stewardess auf einem Schiff unterwegs gewesen war, war seit 1913 Gewerkschaftsvorsitzende des Zentralverbandes der Hausangestellten.

Bis 1933 vertrat sie den Wahlkreis, zu dem Treptow und Köpenick gehörten, im Preußischen Landtag.

Sie war die einzige Frau unter den 326 Mitgliedern im Reichswirtschaftsrat, einem Gremium aus Arbeit-nehmervertretern, Unternehmern und Berufs-gruppen, mit Mitspracherechten in Wirtschafts-angelegenheiten.

Kähler engagierte sich vor allem für den 8-Stunden-Tag, Tarifverträge für Hausangestellte und ihre Gleichstellung mit anderen Erwerbstätigen.

Kähler gehörte ab 1946 der SED an. In Kreuzberg kandidierte sie 1946 für die Stadtverordneten-versammlung, 1954 fürs Abgeordnetenhaus.

Mitglied war sie auch im Demokratischen Frauenbund.

20. Juli 1950 Parteitag der SED

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Quelle: Landesarchiv Berlin F Rep 240 A 0402 Rückseite

Wahlwerbung 1919

Engelufer 21 war die Adresse des zentralen Gewerkschaftshauses, wo Luise Kähler als Vorsitzende des Zentralverbandes der Hausangestellten ihr Büro hatte.

Luise Kähler (1869-1955)

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Rathaus Treptow, Quelle: Museen Treptow-Köpenick

Gemeindevertretung Treptow

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Kandidatinnen für die Wahl zur Gemeindevertretung Treptow am 23.2.1919

Wahlvorschlag MSPD:

4. Emma Wissell, Plesserstr. 2

7. Lina Cohen, Bouchéstr. 15

9. Minna Todenhagen, Handlungsgehilfin, Kiefholzstr. 411

11. Magdalena Boenig Kiefholzstr. 11

Wahlvorschlag USPD:

5. Auguste Lutz, Heidekampweg 1

22. Gertrud Feldner, Baumschulenstr. 12

Wahlvorschlag Vereinigte Bürgerliche Liste:

8. Helene Blumenthal, Hoffmannstr.12

14. Klara Buske, Scheiblerstr.19

20. Hermine von Müller, Stiftsdame, Hoffmannstr. 10

21. Thekla Andrießen, Lehrerin, Scheiblerstr. 19

Wahlvorschlag DDP:

3. Fanny Zobel, Neue Krugallee 61

7. Emilie Furcht, Stormstr.1

10. Anna Clemen, Eschenbachstraße 1

13. Martha Lindenberg, Bankbeamtin, Defreggerstr. 22

19. Gertrud Schmidt, Treptower Chaussee 50

24. Hedwig Muau, Lehrerin, Mosischstr. 42

Quelle: Treptower Anzeiger, 19.2.1919

Gewählt wurden ....

Die Nummern bezeichnen die Platzierung auf den Listen der Parteien.

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Gemeindevertretung Treptow 1919

24 Mitglieder,davon 5 Frauen:

• Lina Cohen (MSPD)• Auguste Lutz (USPD)• Minna Todenhagen (MSPD)• Emma Wissel (MSPD)• Fanny Zobel (DDP)

Frauenanteil: 21 Prozent

Bei den nächsten Wahlen 1920 sank der Frauenanteil auf 9 Prozent.

Quelle: Landesarchiv Berlin A Rep. 045-05-06 Nr. 15 –Protokollbuch der Gemeindevertretung, Sitzung am 11.3.1919, S.92

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Konstituierung der Gemeindevertretung Treptow am 11.3.1919

Quelle: Treptower Anzeiger 19.3.1919

Rede des Gemeindevertreters Gerisch, MSPD:

In vielen Kommunalparlamenten wurden die neuen weiblichen Mitglieder nicht extra begrüßt.

Auch die Zeitungen berichteten ansonsten nicht über dieses Novum.

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Protokollbuch der Gemeindevertretung Treptow

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Frauen in den Ausschüssen und Kommissionen der Gemeinde Treptow 1919

• Petitionsausschuss: Minna Todenhagen

• Bildungsausschuss: Minna Todenhagen, Fanny Zobel

• Ausschuss für die Wahl unbesoldeter Gemeindebeamten: Fanny Zobel

• Ausschuss für Angelegenheiten der Gemeindebeamten, Angestellten und Arbeiter: Minna Todenhagen

• Lebensmittelbeirat: Emma Wissel, Frau Friebel, Frau Ryneck, Frl. Gehrke

• Ausschuss für Bürgerküchen: Lina Dabergotz, Frau Boenig

• Ausschuss für Kriegshinterbliebenenfürsorge: Minna Todenhagen, Fanny Zobel, Frau Freigang, Frau Schmidt, Frau Belzeno, Frau Weber, Frau Clemen, Frau Schlaff, Frau Kneippahle, Frau Wenzel

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Die Mitgliedschaft in den Ausschüssen der Gemeindevertretung gibt Auskunft über die Rollenzuweisung und Arbeitsschwerpunkte von Frauen.

Die Frauen, die Mitglied in der Gemeindevertretung waren, sind unterstrichen.

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• Säuglingsfürsorgestelle: Fanny Zobel, Frau Dr. Nagel, Frau Naglo, Frau Sallmann, Frau Weber, Frau Boenig, Frau Fricke, Frau Clemen, Frau Ahenstiel, Elfriede Ryneck

• Wöchnerinnenausschuss: Frau Dr. Henz, Frau Bonig, Frau Wilhelm, Frau Frucht, Elfriede Ryneck, Frau Ahlenstiehl

• Beiräte für die Kinderhorte: Lina Cohen, Minna Todenhagen, Frau Krippahle, Frau Boenig, Frau Naglo, Fanny Zobel, Frau Krippahle, Frau Furcht, Elfriede Ryneck, Frau Weigelt

• Wohlfahrtsausschuss: Emma Wissel, Fanny Zobel, Frau Ryneck, Frau Weigelt, Frau Clemen

• Waisenräte: Frau Boenig

Ausschüsse ohne Frauen:

• Ausschuss für Gemeindesteuern

• Friedhofskommission

• Kanalisations- und Verkehrskommission

• Gemeindekassen-Ausschuss; Gesundheitskommission

• Kommission zur Unterstützung von Familien in den Dienst eingezogener Mannschaften

• Mieteinigungsausschuss

• Sachverständigenbeirat

Quelle: Landesarchiv Berlin A Rep. 045-05-06 Nr. 15 – Protokollbuch der Gemeindevertretung, Sitzung am 11.3.1919, S.106-110

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Frauen in den Ausschüssen und Kommissionen der Gemeinde Treptow 1919

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Minna Todenhagen (1880-1950)Mitglied der Gemeindevertretung Treptow 1919-1920

Seit 1915 wohnte sie in Treptow, bis 1917 in der Plesserstr. 5, bis 1925 in der Kiefholzstr. 411, danach in der Weststr. 11.

Über die Abendschule qualifizierte sich die Heimarbeiterin zur kaufmännischen Angestellten.

Ab 1918 arbeitete die 1912 in die SPD Eingetretene als hauptamtliche Frauensekretärin der SPD-Großberlin.

In Treptow und Köpenick hatte sie viele Auftritte als Rednerin bei sozialdemokratischen Versammlungen.

Von 1919 bis 1920 war sie Gemeindevertreterin in Treptow,1924 bis 1933 Mitglied der Berliner Stadtverordnetenversammlung.

Quelle: Landesarchiv Berlin

Quelle: www.openstreetmap.de

Ab Mitte der 1920er Jahre verlagerte sich der Schwerpunkt ihrer Arbeit von der Frauenpolitik zur Arbeiterwohlfahrt, deren Berliner Vorsitzende sie mit der Gründung der AWO 1919 wurde.

Nach 1933 wurde sie verfolgt, bei der Aktion „Gewitter“ 1944 verhaftet.

In Treptow wurden eine Brücke und Straße nach ihr benannt.Literatur: Christina Rhein, Minna Todenhagen, in: Frauenmosaik. Frauenbiografien aus dem Berliner Stadtbezirk Treptow-Köpenick, hrsg. BA Treptow-Köpenick, Berlin 2001, S. 83-88

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Minna TodenhagenAufgabe der Frauen in den kommunalen Parlamenten

„Es gilt [...], zwischen sozialer Bedrohung und persönlichem Lebenswillen Formen des Ausgleichs zu finden.

In einer sozial so unausgeglichenen Zeit wie der unsrigen muss daher die persönliche Entfaltungsmöglichkeit durch soziale Kulturarbeit in der Gemeinde weitgehendst gesichert werden. [...]

Unser Schicksal ist Aufgabe im Geiste sozialer Gerechtigkeit, seitdem wir auch als Frauen politisch mündig sind, wobei wir wissen, dass es aller Kräfte und Einsichten der Frauen bedarf, um in der kommunalen Verwaltung der Städte jenen Einfluss zu gewinnen, dessen das menschliche Leben zu seiner Entwicklung bedarf.“

Quelle: Die Frau in der kommunalen Arbeit. Stadtverordnete Minna Todenhagen, in: Ada Schmidt-Beil, Hrsg., Die Kultur der Frau, Berlin 1931, S. 400

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Emma Wissel (1869-1947)Mitglied der Gemeindevertretung Treptow 1919/1920

Als Emma Wunsch wurde sie 1869 in Kiel geboren. 1891 heiratete sie Rudolf Wissel. Sie hatten fünf Kinder – zwei Jungen und drei Mädchen.

1908 zogen sie nach Berlin, als Rudolf Wissel, gelernter Dreher, bei der Generalkommission, dem Dachverband der Gewerkschaften, als Gewerkschaftssekretär angestellt wurde. Bis 1913 wohnte die Familie in der Graetzstraße 28, dann in der Plesserstraße 2 in Treptow.

1918 wurde Rudolf Wissel Reichstagsabgeordneter und stellvertretender Gewerkschaftsvorsitzender. 1919 war er der erste Wirtschaftsminister der Weimarer Republik, von 1928 bis 1930 Reichsarbeitsminister.

„Die Frau eines im öffentlichen Leben stehenden Mannes hat es nicht leicht.

[...] Sobald die Kinder größer wurden, hat dann auch meine Frau ihren Anteil an der öffentlichen Arbeit genommen, als Bezirksverordnete in Treptow und im Ersten Weltkrieg in der Volksküche.“

1916 wurde Emma Wissel als Beisitzerin in den SPD-Vorstand von Treptow gewählt.

Fortsetzung nächste Seite ...Quelle: Vorwärts 8.8.1916

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Fortsetzung von vorhergehender Seite:

Auf der Liste der MSPD zog Emma Wissel 1919 in die Gemeindevertretung von Treptow ein. Sie war Mitglied im Wohlfahrtsausschuss und Lebensmittelbeirat.

Am 21. August 1947 wurde Emma Wissel auf ihrem Einkaufsweg von einem russischen Lastwagen angefahren. Mit einem Schädelbasisbruch wurde sie auf der Straße liegen gelassen. Am nächsten Tag verstarb sie an den Folgen.

„Meine Frau ist mir bis ihrem Tode 1947 ein tapferer Kamerad gewesen. Meine Anschauungen teilend, hat sie mit dazu beigetragen, dass ich das, was ich wollte, vollbringen konnte. [...] Finanzielle Sorgen und Belastungen hat mir meine Frau ferngehalten. Vom ersten Tage der Ehe an war sie der Finanzminister der Familie.“

Literatur und Quellen:

Rudolf Wissel, Aus meinen Lebensjahren, Berlin 1983

Landesarchiv Berlin A Rep. 045-05-06 Nr. 15 – Protokollbuch der Gemeindevertretung, Sitzung am 11.3.1919

Emma Wissel (1869-1947)

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Fanny Zobel (1872-1958)Gemeindevertreterin und Stadträtin in Treptow

Sie wohnte Am Treptower Park 44. In den Vaterländischen Frauenverein trat sie bei Kriegsbeginn 1914 ein.

Für die Deutsche Demokratische Partei gehörte sie seit 1919 der Gemeindevertretung in Treptow an. 1930 wurde sie zur unbesoldeten Stadträtin gewählt. Maßgeblichen Anteil hatte sie am Aufbau des Jugendamtes.

Sie initiierte eine Säuglingsfürsorgestelle und ein Erholungsheim für Kinder und Mütter in Treptow. Als Vorsitzende der Deutschen Kinderhilfe war sie zuständig für die Verteilung der Amerikaspenden.

Als jüdische Familie mussten die Zobels 1938 aus Deutschland fliehen.

1997 wurde eine Straße in Treptow nach Fanny Zobel benannt.

Fanny Zobel 3. v. links, Quelle: Leo-Baeck-Institut Quelle: www.openstreetmap.de

Literatur: Anja Schindler, Eine Frau für Treptow, in: Juden in Treptow, Berlin 1993, S. 78-84

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Quelle: Museen Treptow-Köpenick

Stadtverordnetenversammlung Köpenick

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Kandidatinnen bei der Stadtverordnetenwahl Köpenick am 23.2.1919

Vereinigte Berufsgruppen:

14. Meta Schirmer, Lehrerin, Kaiser-Wilhelm-Str. 30

17. Hertha Parczienski , Privat-Beamtin, Borgmannstr. 7

DDP-Liste:

7. Dr. Helene Ullmann, Oberlehrerin, Kaiserin-Auguste-

Viktoria-Str. 1

10. Elise Stöcker, Witwe, Freiheit 1

DVP-Liste:

7. Marie Breitenfeldt, Ehefrau, Lindenstr. 10

DNVP-Liste:

5. Gertrud Schönduve, Amtsgerichtsratswitwe, Spreestr. 1

MSPD-Liste:

12. Emilie Ehm, Ehefrau, Biesdorfer Str. 21

21. Martha Schulze, Schneiderin, Kaiser-Wilhelm-Str. 103

27. Elise Kusig, Wäschereigehilfin, Grünauer Str. 40

33. Elisabeth Jacobi, Arbeiterin, Menzelstr. 5a

39. Anna Behrendt, Ehefrau, Parisiusstr. 14

USPD-Liste:

7. Hedwig Fischer, Ehefrau, Kaiser-Wilhelm-Str. 30

16. Marie Rebe, Ehefrau, Luisenstr. 11

20. Anna Bölzke, Ehefrau, Elisabethstr. 23

CVP(Zentrum)-Liste: Keine Frau

Quelle: Cöpenicker Dampboot 17.2.1919

Gewählt wurden ....

Die Nummern bezeichnen die Platzierung auf den Listen der Parteien.

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Stadtverordnetenversammlung Köpenick 1919-1920

2 Frauen:

• Emilie Ehm (MSPD)

• Hedwig Fischer (USPD)

Quelle: Cöpenicker Dampfboot 27.2.1919

Bei 42 Mitgliedern

Betrug der

Frauenanteil damit

4,8 Prozent.

Quelle: Landesarchiv Berlin A Rep 046-02 Nr. 50 Bl 25

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Quelle: Landesarchiv Berlin A Rep 046-02 Nr. 48 Stadtverordnetenversammlung Köpenick Bl. 241

Die Zustellungsliste für die Einladungen zur Stadtverordnetenversammlung von Köpenick kannte auch noch 1920 nur „Herren“ – trotz der zwei weiblichen Mitglieder seit 1919.

Die „Herren“ Stadtverordneten

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„Es war zu meiner Zeit noch ein schweres Arbeiten. Wie oft haben mir Männer ihre Frauen unter wüsten Beschimpfungen aus den Sitzungen herausgeholt! ... Die Frauenlöhne waren auch so niedrig, dass man für Fahrgeld nichts übrig hatte. Wir arbeiteten aus Idealismus, und da ging manche Mark andere Wege. Oft kam ich erst zwischen 1 und 2 Uhr nachts nach Hause. Obwohl meine Mutter kein Verständnis für meine Tätigkeit in der Arbeiterbewegung aufbrachte, legte sie mir doch keine Schwierigkeiten in den Weg.“Die politische Sozialisation der Buchdruckereigehilfin erfolgte in der von Paula Thiede geleiteten Gewerkschaft der Buch- und Steindruckerei-Hilfsarbeiterinnen. 1896 arbeitete sie an der Enquete über die soziale Lage der Arbeiterinnen mit. Ab 1901 leitete sie den gewerkschaftlichen Arbeitsnachweis. Sie führte Tarifverhandlungen und gehörte dem zentralen Arbeiterinnenkomitee der Gewerkschaften an. Für die Gewerbeinspektion hielt sie zwei mal in der Woche in ihrer Wohnung eine Sprechstunde ab. Sie war Mitglied in einer als Frauenbildungsverein getarnten politischen Organisation. 1905 besuchte sie einen Rhetorikkurs der Arbeiterbildungsschule und hielt dort einen Vortrag über das Frauenwahlrecht. Anschließend war sie regelmäßig als Referentin – auch außerhalb Berlins – unterwegs.Von 1906 bis 1913 leitete sie die sozialdemokratische Frauenarbeit in Treptow, von 1919 bis 1924 die USPD- bzw. KPD-Frauenarbeit in Köpenick. Quelle: Bundesarchiv SAPMO SgY30/184 Erinnerungen von Emilie Ehm

Quelle: Vorwärts 14.3.1909

Emilie Ehm (1872-?)Stadtverordnete und Stadträtin in Köpenick

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Quelle: Bundesarchiv SAPMO SgY30/184 Erinnerungen von Emilie Ehm

Proteste gegen Nichtwahl von Emilie Ehm

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Am 23.2.1919 wurde Emilie Ehm auf der Liste der MSPD in die Stadtverordnetenversammlung von Köpenick gewählt. Nach der Wahlliste war sie Ehefrau und wohnte in der Biesdorfer Straße 23.Kurz nach ihrer Wahl trat sie zur USPD über wegen der blutigen Niederschlagung der Märzunruhen auf Befehl von Kriegsminister Noske (MSPD), Ende 1920 dann zur KPD. Durch ihren Parteiwechsel löste die USPD die MSPD als stärkste Fraktion in Köpenick ab. Im September 1919 wurde Emilie Ehm zur unbesoldeten Stadträtin gewählt. Ihr Ressort war die Sozialfürsorge.In einem Artikel kritisierte sie die unzureichende kommunale Sozialpolitik und schrieb über ihr Verständnis als Stadtverordnete: „Nicht umsonst nennt man [...] Stadtverordnete Stadtväter und in unserer Zeit Stadtmütter. Sie haben über das physische Wohl ihrer Mitbürger zu wachen. Ihnen liegt es ob, an der Entfaltung des Kindes und des späteren erwachsenen Menschen nach allen Richtungen hin mitzuwirken. Gewissermaßen von der Wiege, dem ersten Atemzug des neugeborenen Lebens, bis zum Grabe!“Quelle: Landesarchiv Berlin A Rep. 046-02 Nr. 50 00003 Artikel von Emilie Ehm „Kommunale Wohlfahrtseinrichtungen“

Unter der Überschrift „Erste Stadträtin 80 Jahre alt“ schrieb die Berliner Zeitung am 17.10.1952: „Heute begeht Frau Emilie Ehm, die als erste Frau in Deutschland mit dem Amt eines Stadtrats betraut wurde, ihren 80. Geburtstag. Sie wurde 1919 in die Verwaltung Köpenicks gewählt, der sie bis 1921 angehörte. Frau Ehm lebt jetzt im Krankenhaus Grabensprung in Biesdorf. Wir gratulieren recht herzlich!“

Quelle: Neues Deutschland 18.5.1947

Emilie Ehm (1872-?)

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Emilie Ehm – Stadträtin in Köpenick 1919-20

Quelle: Landesarchiv Berlin A Rep 046-02 Nr. 50 Bl 141

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Maria Wudtke als Stadträtin in Köpenick gewählt

Quelle: Cöpenicker Dampfboot 26.2.1921

Die USPD hatte als „Ersatzmann“ für ihre Stadträtin Maria Wudtke eine weitere Frau aufgestellt: Witwe Thomas, Bohnsdorf.

Maria Wudtke hieß nach dem Tod ihres ersten Ehemannes und ihrer zweiten Heirat Jankowski. Als Maria Jankowski ist sie heute bekannt.

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Maria Jankowski 1887-1946

Bis 1933 wohnte sie in der Borgmannstr. 18 in Köpenick, danach in Treptow in der Berliner Str. 122 und in der Hainstr. 11.

Die Bauerstochter hatte keine Berufsausbildung. Verheiratet war sie mit einem Schneidermeister, mit dem sie drei Kinder bekam. 1924 starb ihr erster Ehemann Emil Wudtke. 1926 heiratete sie Anton Jankowski

1919 trat sie in die USPD ein. Später gehörte sie der SPD an und ab 1946 SED. Sie engagierte sich frauen- und sozialpolitisch. Während der Weimarer Republik vertrat sie die Frauen im SPD-Kreisvorstand von Köpenick. In Treptow war sie nach 1945 Vorsitzende des Frauenausschusses.

1920 wurde sie als einzige Frau in die Bezirks-versammlung von Köpenick gewählt, 1921 zur unbesoldeten Stadträtin. Dieses Amt übte sie bis 1922 aus. Als Bezirksverordnete wurde sie bis 1933 immer wieder gewählt.

59. Geburtstag von Maria JankowskiQuelle: Museen Treptow-Köpenick

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Quelle: Museen Treptow-KöpenickQuelle: www.openstreetmap.de

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Nach der NS-Machtübergabe gehörte Maria Jankowski im März 1933 zu den ersten Verhafteten in Köpenick. Über ihre Misshandlungen durch die SA berichtete die britische „Times“ im April 1933.

In Köpenick wurde ein Park nach Maria Jankowski benannt.

Literatur:

Christina Rhein, Maria Jankowski, in: Frauenmosaik. Frauenbiografien aus dem Berliner Stadtbezirk Treptow-Köpenick, hrsg. BA Treptow-Köpenick, Berlin 2001, S. 89-93Hanna Wichmann, „Vor allen Dingen war se jut!“ Maria Jankowski. Eine der ersten, die sich in die Politik wagte, Berlin o.J.

Maria Jankowski 1887-1946

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Bezirksverordnete von Köpenick 1927

Quelle: Museen Treptow-Köpenick

Von 30 Mitgliedern waren 3 weiblich: Lilli Fahlberg, Margarete Keil, Dr. Helene Ullmann.Quelle: Berliner Adressbuch 1927

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Elisabeth Jacobi (1890 – 1945)Nicht anerkannt als Stadträtin in Köpenick

Während des ersten Weltkrieges arbeitete sie als Munitionsarbeiterin bei der AEG. Bei Kriegsende

wurde sie wie die meisten Frauen entlassen.

Es gelang ihr, sich zur Wohlfahrtspflegerin zu qualifizieren und eine Stelle beim Bezirk Köpenick zu

bekommen.

1919 setzte sie die MSPD auf Platz 33 bei den Wahlen zur Stadtverordnetenversammlung in

Köpenick. Sie wurde nicht gewählt.

Für die KPD, der sie seit 1920 angehörte, zog sie 1929 in die Bezirksversammlung in Köpenick ein.

1930 wählte sie die BV zur Stadträtin, aber sie erhielt nicht die notwendige amtliche Bestätigung.

Von 1930 bis 1933 war sie Berliner Stadtverordnete.

Als Nazi-Gegnerin wurde sie ab 1933 immer wieder festgenommen. Von August bis Oktober 1944

war sie im Rahmen der „Aktion Gewitter“ im KZ Ravensbrück inhaftiert.

An den Haftfolgen verstarb sie kurz nach der Befreiung im Juli 1945.

Quelle: Vor die Tür gesetzt. Im Nationalsozialismus verfolgte Berliner Stadtverordnete und Magistratsmitglieder 1933-

1945, Hrsg. Aktives Museum e.V., Berlin 2006, S. 238

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Sinkende Zahl von Frauen in den kommunalen Parlamenten während der Weimarer Republik

Die Verfasserin, Minna Todenhagen, gehörte 1919 zu den ersten Frauen, die in die Gemeinde-vertretung Treptow gewählt wurden. Von 1924 bis 1933 war sie Mitglied der Berliner Stadt-verordnetenversammlung.

„Die Mitarbeit der Frau in der Gemeindevertretung hat sich nicht so schnell entwickelt wie ihre Mitarbeit im Ehrenamt der Vorkriegszeit.

In etwa 20 Vorkriegsjahren war bis zum Jahre 1913 die Zahl von 15 045 weiblichen Ehrenbeamten erreicht.

Die Zahl der weiblichen Gemeindevertreter dagegen hat sich seit 1919 abwärts bewegt.

Nach einer von der Zentralstelle für Gemeindeämter der Frau veranstalteten Erhebung wurden im Jahre 1919 in den deutschen Städten 1306, nach dem Statistischen Jahrbuch Deutscher Städte [...] im Jahre 1926 nur 405 Frauen gezählt, die Mitglieder der Bürgerschaftsvertretungen, Stadtverordnetenversammlungen und so weiter waren.“

Quelle: Die Frau in der kommunalen Arbeit. Stadtverordnete Minna Todenhagen, in: Ada Schmidt-Beil, Hrsg., Die Kultur der Frau, Berlin 1931, S. 398

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Dank & Impressum

Die Präsentation wurde erstellt im Auftrag der BVV Treptow-Köpenick (Drucksache Nr. VIII/0347, siehe nächste Seite).

Vielen Dank an:

• Aktive Museum e.V.

• Archiv der sozialen Demokratie / Friedrich-Ebert-Stiftung

• Berliner Gedenktafeln / Holger Hübner

• Bundesarchiv

• Fotograf Ralf Drescher

• Fotosammlung des Landesarchiv Berlin

• Landesarchiv Berlin

• Leo-Baeck-Institut

• Museen Treptow-Köpenick: Agathe Conradi, Brigitte Hadyk

• Zentral- und Landesbibliothek Berlin / Historische Zeitungsbestände

Inhalt und Gestaltung: Claudia v. Gélieu

Copyright: Museen Treptow-Köpenick, Alter Markt 1, 12555 Berlin

Berlin 2019

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Beschluss der BVV Treptow-Köpenick