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2 Grundlagen der Mischtechnik 13 2 Grundlagen der Mischtechnik 2.1 Grundbegriffe uhren / Mischen Die Abgrenzung zwischen R¨ uhren und Mischen ist nicht ganz eindeutig. Man kann aber sagen, daß wenn die fl¨ ussige Komponente ¨ uberwiegt ein R¨ uhrprozeß vorliegt; allerdings ist die Grenze zwischen R¨ uhren und Mischen fließend. Diskontinuierlich / kontinuierlich arbeitende Mischer Es ¨ uberwiegen die diskontinuierlichen Maschinen, die in einer bestimmten Mischzeit eine durch die Maschinengr¨ oße bestimmte Charge vermischen. Kontinuierliche Mischsysteme (Durchlaufmischer) werden haupts¨ achlich f¨ ur das Vermischen niedrigviskoser Fl¨ ussigkeiten eingesetzt; als Beispiel k¨ onnen die statischen Mischer genannt werden. Dynamische / Statische Mischer Dynamische Mischer sind Systeme mit bewegten Mischorganen oder bewegten Beh¨ altern. Statische Mischer sind kontinuierliche Systeme, bei denen durch feststehende Einbauten in einem Rohr oder Kanal eine Vermischung durch Ausnutzung der Str¨ omungsenergie des Fluids (Fl¨ ussigkeit / Gas) herbeigef¨ uhrt wird. Kneter Wird ein hochviskoses Mischgut w¨ ahrend der Vermischung zus¨ atzlich durch Normalkr¨ afte verformt, so spricht man vom Kneten. Ein Planetenr¨ uhrwerk kann bei Einsatz entspre- chender R¨ uhrwerkzeuge (z. B. Planetenr¨ uhrwerkzeug F5 als Doppelplanetensystem oder in Verbindung mit einem Scherrahmen F5.1) als Kneter arbeiten. Homogenisator Die Herbst Homogenisatoren sind sogenannte Zahnkranzdispergiermaschinen, die aus ei- nem mit hoher Drehzahl umlaufenden Rotor und einem feststehenden Stator bestehen; beide sind geschlitzt. Oft besitzen Rotor und Stator mehrere konzentrisch ineinander ge- schachtelte Zahnkr¨ anze. Das Fluid wird axial in den Dispergierkopf gesaugt und durch die Rotorbewegung zen- trifugal beschleunigt. Beim Durchtritt durch die Schlitze des Rotor-Stator-Systems wird das Fluid mehrmals tangential und radial stark beschleunigt und wieder abgebremst. Die dabei entstehenden hochfrequenten Scherkr¨ afte und turbulenten Str¨ omungsverh¨ altnisse sind f¨ ur die Tropfenzerkleinerung verantwortlich. Achtung! Rotor-Stator-System ist die korrektere Bezeichnung f¨ ur den Homogenisator, da im engeren Sinne der Begriff schon von den Hochdruck-Homogenisatoren belegt ist. Diese arbeiten ohne bewegte Bauteile; die Fl¨ ussigkeit wird unter hohem Druck durch enge Bohrungen gepreßt.

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2 Grundlagen der Mischtechnik 13

2 Grundlagen der Mischtechnik

2.1 Grundbegriffe

Ruhren / Mischen

Die Abgrenzung zwischen Ruhren und Mischen ist nicht ganz eindeutig. Man kann abersagen, daß wenn die flussige Komponente uberwiegt ein Ruhrprozeß vorliegt; allerdingsist die Grenze zwischen Ruhren und Mischen fließend.

Diskontinuierlich / kontinuierlich arbeitende Mischer

Es uberwiegen die diskontinuierlichen Maschinen, die in einer bestimmten Mischzeit einedurch die Maschinengroße bestimmte Charge vermischen. Kontinuierliche Mischsysteme(Durchlaufmischer) werden hauptsachlich fur das Vermischen niedrigviskoser Flussigkeiteneingesetzt; als Beispiel konnen die statischen Mischer genannt werden.

Dynamische / Statische Mischer

Dynamische Mischer sind Systeme mit bewegten Mischorganen oder bewegten Behaltern.Statische Mischer sind kontinuierliche Systeme, bei denen durch feststehende Einbautenin einem Rohr oder Kanal eine Vermischung durch Ausnutzung der Stromungsenergie desFluids (Flussigkeit / Gas) herbeigefuhrt wird.

Kneter

Wird ein hochviskoses Mischgut wahrend der Vermischung zusatzlich durch Normalkrafteverformt, so spricht man vom Kneten. Ein Planetenruhrwerk kann bei Einsatz entspre-chender Ruhrwerkzeuge (z. B. Planetenruhrwerkzeug F5 als Doppelplanetensystem oderin Verbindung mit einem Scherrahmen F5.1) als Kneter arbeiten.

Homogenisator

Die Herbst Homogenisatoren sind sogenannte Zahnkranzdispergiermaschinen, die aus ei-nem mit hoher Drehzahl umlaufenden Rotor und einem feststehenden Stator bestehen;beide sind geschlitzt. Oft besitzen Rotor und Stator mehrere konzentrisch ineinander ge-schachtelte Zahnkranze.

Das Fluid wird axial in den Dispergierkopf gesaugt und durch die Rotorbewegung zen-trifugal beschleunigt. Beim Durchtritt durch die Schlitze des Rotor-Stator-Systems wirddas Fluid mehrmals tangential und radial stark beschleunigt und wieder abgebremst. Diedabei entstehenden hochfrequenten Scherkrafte und turbulenten Stromungsverhaltnissesind fur die Tropfenzerkleinerung verantwortlich.

Achtung! Rotor-Stator-System ist die korrektere Bezeichnung fur den Homogenisator,da im engeren Sinne der Begriff schon von den Hochdruck-Homogenisatoren belegt ist.Diese arbeiten ohne bewegte Bauteile; die Flussigkeit wird unter hohem Druck durch engeBohrungen gepreßt.

2.2 Grundruhraufgaben 14

2.2 Grundruhraufgaben

2.2.1 Homogenisieren

Unter Homogenisieren versteht man in der Ruhrtechnik das Vermischen von ineinanderloslichen Flussigkeiten bis zu einem bestimmten Homogenitatsgrad (Mischgute) oder dasAufrechterhalten der Homogenitat fur die Durchfuhrung einer Reaktion. Die zu vermi-schenden Flussigkeiten konnen sich dabei z. B. in der Konzentration, der Farbe oder derTemperatur unterscheiden. Die fur die Vermischung benotigte Zeit wird als Misch- oderHomogenisierzeit bezeichnet.

Achtung! Oft wird auch von Homogenisieren im Zusammenhang mit dem Betrieb einesHomogenisators (Rotor-Stator-System) gesprochen.

2.2.2 Suspendieren

Beim Suspendieren sollen Festoffteilchen homogen (gleichmaßig) in einer Flussigkeit ver-teilt werden. Das Ruhrwerk verhindert hierbei eine Sedimentation der Feststoffanteile.Probleme beim Suspendieren bereiten oft die damit verbundenen Verschleißerscheinungenam Ruhrwerk; der Verschleiß ist proportional der dritten Potenz der Ruhrerumfangsge-schwindigkeit! Ziel muß also sein, ein Sedimentieren des Feststoffs mit einer moglichstgeringen Drehzahl zu verhindern. Dies kann auch fur die Produktschonung wichtig sein.

2.2.3 Dispergieren

Unter Dispergieren versteht man das Vermischen zweier ineinander unloslicher Flussigkei-ten. Die Tropfen (≥ 1µm) der dispersen Phase (=verteilte Phase) sind in der konti-nuierlichen Phase (=zusammenhangende Phase) verteilt. Dispersionen sind instabil undentmischen sich bei geringer oder fehlender Energiezufuhr. Ziel des Dispergierens ist dieVergroßerung der Phasengrenzflache, damit z. B. chemische Reaktionen schneller ablaufen.

2.2.4 Begasen

Ziel des Begasens einer Flussigkeit ist die Vergroßerung der Phasengrenzflache zwischender Flussigkeit und dem Gas. In der Regel ist die Flussigkeit die kontinuierliche Pha-se (=zusammenhangende Phase) und das Gas die disperse Phase (=verteilte Phase).Grundsatzlich unterscheidet man zwischen Selbst- und Fremdbegasung. Bei der in derpraktischen Anwendung uberwiegenden Fremdbegasung wird z. B. durch eine Ringbrausedas Gas in den Ruhrbehalter geleitet; das Ruhrorgan muß den Gasstrom in kleine Blasenzerteilen und in der Flussigkeit gleichmaßig verteilen.

2.2.5 Warmeaustausch

Fur viele verfahrenstechnische Prozesse ist eine kontrollierte Warmefuhrung von großerBedeutung. Durch das ungunstige Verhaltnis von Warmeubertragungsflache zu Behalter-volumen lassen sich oft nur geringe Warmemengen pro Zeiteinheit ubertragen.

2.2 Grundruhraufgaben 15

Verbessern laßt sich die Warmeubertragung durch ein geeignetes Ruhrorgan; es hat dieAufgabe, durch die erzeugte Stromung an der Warmeubertragungsflache (Behalterwand)das Ruhrgut so zu beeinflussen, daß der Warmeubergangskoeffizient und damit der Warme-durchgangskoeffizient verbessert werden.

Weitere Einzelheiten uber die Berechnung der erforderlichen Heizleistung fur Ruhrwerkefindet man in Kapitel 2.6 auf Seite 23.

2.2.6 Emulgieren

In Abgrenzung zum Dispergieren spricht man vom Emulgieren, wenn die Vergroßerung derPhasengrenzflache durch den Zusatz von oberflachenaktiven Substanzen (Emulgatoren)bewirkt bzw. unterstutzt wird. Emulsionen bestehen aus sehr feinen Tropfchen (< 1µm)und bleiben uber langere Zeit stabil.

Es gibt Ol in Wasser-Emulsionen (O/W-Emulsionen) und Wasser in Ol-Emulsionen (W/O-Emulsionen). Den Unterschied veranschaulicht Bild 3.

Bild 3: Unterscheidung zwischen Ol in Wasser- und Wasser in Ol-Emulsion [1]

Die Emulsionen bestehen aus der kontinuierlichen (zusammenhangenden) Phase in derdie disperse Phase in Form von feinen Tropfchen verteilt ist und dem Emulgator, der ander Phasengrenzflache wirkt.

Erfahrungsgemaß findet schon nach kurzester Zeit eine Entmischung statt, wenn man Olmit Wasser vermischt. Abhilfe schaffen sogenannte Emulgatoren, die als Vermittlungsstoffzwischen den beiden Phasen dienen. In Bild 4 ist die Wirkungsweise von Emulgatoren zuerkennen.

Der fettliebende Teil (hydrophob) fuhlt sich der Ol- bzw. Fettphase zugeneigt, der was-serliebende Teil (hydrophil) der Wasserphase. Der nur an der Phasengrenzflache wirkendeEmulgator stellt das Bindeglied zwischen den beiden Stoffsystemen dar. Der Emulgatorist um so wirksamer, je feiner Ol und Wasser ineinander gemischt werden.

2.2 Grundruhraufgaben 16

Bild 4: Wirkungsweise eines Emulgatormolekuls [1]

Beispiele fur Emulsionen im Lebensmittelbereich sind u. a.:

Ol in Wasser-Emulsionen

• Dressings

• Mayonnaise

• Milch, Joghurt, Kase

• Sahne

• Speiseeis

Wasser in Ol-Emulsionen

• Butter

• Margarine

• Streichfette, Brotaufstriche

In der Praxis hat man es haufiger mit Ol in Wasser-Emulsionen zu tun. Welcher Emulsi-onstyp sich ausbildet hangt nicht unbedingt vom prozentualen Anteil der beiden Phasenab, sondern vielmehr von der Art des eingesetzten Emulgators.

Den Emulsionsaufbau veranschaulicht Bild 5. Bezogen auf ein Ruhrwerk bedeutet dies,daß zuerst Wasserphase, Olphase und Emulgator mit dem Planeten- oder Zentralruhrwerkim Ruhrbehalter vermischt werden und eine relativ instabile Rohemulsion erzeugt wird.Nach diesem Voremulgieren muß ein erhohter mechanischer Energieeintrag stattfinden,um am Ende eine stabile Feinemulsion vorliegen zu haben. Hierzu werden u. a. Rotor-Stator-Systeme (Homogenisatoren) eingesetzt (s. a. Kapitel 7 auf Seite 108). Durch den

2.2 Grundruhraufgaben 17

Bild 5: Emulsionsaufbau aus kontinuierlicher und disperser Phase [2]

engen Scherspalt zwischen Rotor und Stator werden die fur die Tropfenzerkleinerungnotwendigen hohen Scherspannungen aufgebracht.

Zum Bruch einer Rohemulsion kann es durch verschiedene Mechanismen kommen, die inBild 6 dargestellt sind.

Bild 6: Instabilitat einer Emulsion [3]

Aufgrund der Dichteunterschiede kann es zu einer Sedimentation bzw. Aufrahmung kom-men. Bei einer Aggregation lagern sich Tropfen der dispersen Phase aneinander und beider Koaleszens vereinigen sich mehrere kleine Tropfen zu einem großen Tropfen. Am Endedieser drei Mechanismen steht der Bruch der Emulsion, der eine Phasentrennung bedeutet.

2.3 Viskositat und Fließeigenschaften 18

2.3 Viskositat und Fließeigenschaften

Große Bedeutung fur die Mischtechnik haben die Viskositat und das Fließverhalten desMischgutes; die erforderliche Antriebsleistung hangt u. a. hiervon ab.

Es sollen daher einige Grundbegriffe der Rheologie, die die Wissenschaft von der Defor-mation und dem Fließen der Stoffe ist, erlautert werden.

Viskositat

Sie ist ein Maß fur die Zahigkeit (innere Reibung) der Stoffe. Man unterscheidet zwischendynamischer Viskositat (in der Regel nur als Viskositat bezeichnet) und der kinematischenViskositat. Die kinematische Viskositat ν erhalt man, wenn die (dynamische) Viskositatη durch die Dichte % dividiert wird. Die SI-Einheit fur die Viskositat ist die Pascal-sekunde (Pas). Nicht mehr zulassig, aber noch verbreitet ist die Einheit Poise (P ). DieUmrechnung ist einfach:

1P = 0, 1Pas bzw. 1 cP = 1mPas

Die SI-Einheit fur die kinematische Viskositat ist m2/s. Nicht mehr zulassig, aber nochverbreitet ist die Einheit Stokes (St). Umrechnung:

1St = 10−4m2/s bzw. 1 cSt = 10−6m2/s

In einigen Industriezweigen werden auch noch weitere Maße fur die Viskositat verwen-det; z. B. die Zeit, die ein bestimmtes Volumen einer Flussigkeit benotigt, um aus einemTrichter mit definiertem Austrittsquerschnitt zu fließen.

Die Viskositat ist fur jedes Fluid (Flussigkeit / Gas) eine charakteristische Stoffeigen-schaft. Fluide, bei denen die Viskositat unabhangig von der Beanspruchung (Scherungund Zeit) ist und nur von der Temperatur und dem Druck abhangt, werden als new-tonsche Medien bezeichnet (z. B. Wasser); bei einem Mischprozeß ist somit fur newton-sche Fluide die Viskositat unabhangig von der Ruhrerdrehzahl (Temperatureffekte nichtberucksichtigt!).

Mit steigender Temperatur sinkt die Viskositat bei Flussigkeiten, bei Gasen nimmt sieleicht zu. In Tabelle 2 sind einige Viskositatswerte bei Umgebungstemperatur und Nor-maldruck aufgefuhrt.

Zahlreiche flussige Systeme (Losungen, Emulsionen, Suspensionen, ...) zeigen Abweichun-gen vom newtonschen Verhalten. Bei Ihnen ist die Viskositat bei konstanter Temperaturund konstantem Druck abhangig von der Scherbeanspruchung und eventuell auch von derBeanspruchungszeit. Ubertragen auf einen Mischprozeß bedeutet dies, daß die Viskositatabhangig von der Drehzahl des Ruhrwerkzeugs ist.

2.3 Viskositat und Fließeigenschaften 19

Tabelle 2: Viskositatswerte verschiedener Produkte(bei Umgebungstemperatur und Normaldruck)

Medium Viskositat (mPas) Medium Viskositat (mPas)Luft 0,018 Gase, allgemein 0,01 ... 0,02Benzin 0,65 Wasser 1Ethylalkohol 1,2 Quecksilber 1,5Milch 2 Buttermilch 9Creme 100 Motorol 150 ... 400Getriebeol 300 ... 800 Joghurt 900Glyzerin 1.500 Orangensaftkonzentrat 2.000Schlagsahne 4.000 Sirup 1.000 ... 10.000Quark 20.000 Kunststoffschmelzen 104 ... 108

Das nichtnewtonsche Fließverhalten teilt man folgendermaßen ein:

a) zeitunabhangig

• Strukturviskositat: Mit zunehmender Ruhrerdrehzahl nimmt die Viskositat ab;tritt relativ haufig auf.

• Dilatanz: Mit zunehmender Ruhrerdrehzahl nimmt die Viskositat zu; tritt relativselten auf.

• Plastizitat: Unterhalb einer Grenzdrehzahl verhalt sich das Ruhrgut wie ein Fest-stoff und die Struktur wird nur elastisch verformt. Nach Uberschreiten der Fließgren-ze (einer gewissen Ruhrerdrehzahl) verhalt sich das Ruhrgut wie eine Flussigkeit.

• Viskoelastizitat: Mit zunehmender Ruhrerdrehzahl ist ein verstarktes ”Hochklet-tern”des Ruhrgutes an der Ruhrwelle zu beobachten (Weißenberg-Effekt). Bei Stof-fen ohne Viskoelastizitat wurde sich dagegen eine Trombe bilden (falls Stromstorerdies nicht verhindern).

b) zeitabhangig

• Thixotropie: Abnehmen der Viskositat infolge andauernder mechanischer Bean-spruchung (z. B. Ruhren) und Wiederzunehmen nach dem Ende der Beanspruchung.

• Rheopexie: Zunahme der Viskositat infolge andauernder mechanischer Beanspru-chung (z. B. Ruhren) und Wiederabnahme am Ende der Beanspruchung.

Zeitunabhangige und zeitabhangige Effekte konnen kombiniert auftreten.

2.4 Scherbeanspruchung und Verschleiß 20

2.4 Scherbeanspruchung und Verschleiß

Die auftretende Scherbeanspruchung beim Mischen kann sowohl aus Maschinen- als auchProduktsicht wichtig sein. So ist z. B. beim Mischen von Schleifmitteln mit erhohtem Ab-rieb vom Ruhrorgan und von der Behalterwandung zu rechnen. Noch kritischer ist derMaterialabrieb, wenn er im Pharma- oder Nahrungsmittelbereich auftritt. Untersuchun-gen haben gezeigt, daß die Verschleißgeschwindigkeit

v ∼ u3 (1)

proportional der Ruhrerumfangsgeschwindigkeit u zur dritten Potenz ist [4]. Ziel mußdemnach sein, mit moglichst niedrigen Drehzahlen eine optimale Vermischung zu erzielen.

Die Abhangigkeit der Verschleißgeschwindigkeit vom Partikeldurchmesser xp [4]:

v ∼ xp2 (2)

ist ebenfalls hoch. Nicht berucksichtigt ist hierbei der Einfluß der Feststoffart auf denVerschleiß, der z. B. bei Korund funfzigmal hoher ist als bei Kalk.

Insbesondere im Nahrungsmittelbereich hat man haufig Produkte, die scherempfindlicheKomponenten enthalten. Beispiele hierfur sind u. a. Fertiggerichte, Feinkostsalate, Quark-speisen und Babynahrung.

Fur die Scherbeanspruchung des Ruhrguts ist die Schubspannung τ die maßgeblicheGroße. Je nach Stromungsbereich (s. a. Gleichung (7)) gelten unterschiedliche Abhangig-keiten. Im turbulenten Stromungsbereich (Re > 1000) gilt fur die Abhangigkeit der Schub-spannung τ von der Ruhrerdrehzahl n und dem Ruhrorgandurchmesser d [5]:

τ ∼ n2· d2 (3)

Fur eine produktschonende Vermischung des Ruhrguts muß deshalb eine Minimierung desProdukts n2 · d2 angestrebt werden.

Viele Nahrungsmittel sind mittel- bis hochviskose Stoffe, so daß der Vermischungsprozeßim laminaren Stromungsbereich (Re < 100) ablauft. Dort ist die Scherbeanspruchungdirekt proportional der Ruhrerdrehzahl n:

τ ∼ n (4)

Eine Verringerung der Scherbeanspruchung kann demnach nur durch eine Drehzahlre-duktion erreicht werden. Bei Zentralruhrwerken stoßt man hier oft auf Probleme, da beiniedrigen Drehzahlen nicht mehr alle Ruhrbehalterbereiche ausreichend durchmischt wer-den. In einem Planetenruhrwerk tritt dieses Problem nicht auf, da jeder Bereich desRuhrbehalters durch die Ruhrwerkzeuge erfaßt wird. Ein Mischprozeß ist selbst bei nied-rigsten Drehzahlen mit noch guter Mischgute durchfuhrbar.

2.5 Leistungsgleichung 21

2.5 Leistungsgleichung

Ein wesentlicher Bestandteil bei der Auslegung eines Ruhrwerks ist die Bestimmung dererforderlichen Antriebsleistung. Die verfahrenstechnisch erforderliche Leistung erhalt manaus der bekannten Beziehung (Leistungsgleichung):

P = Ne · % · n3· d5 (5)

hierin sind:

P LeistungNe Newton-Zahl% Produktdichten Ruhrerdrehzahld Durchmesser des Ruhrorgans

Aus der Gleichung wird deutlich, daß die Ruhrerdrehzahl und der Ruhrerdurchmesser(dritte bzw. funfte Potenz!) großen Einfluß auf die erforderliche Antriebsleistung haben.

Eine weitere wesentliche Große in der Leistungsgleichung ist die Newton-Zahl Ne. Leiderist sie keine Konstante, sondern von vielen Einflußgroßen abhangig. Sie kann als eine ArtFingerabdruck des Ruhrwerks aufgefaßt werden. Der jeweilige Wert fur die Newton-Zahlhangt u. a. von der Art des Ruhrorgans, dem Stromungszustand im Ruhrbehalter und denRuhrguteigenschaften ab.

Bei der Antriebsleistung des Ruhrwerks sind außerdem Verluste (z. B. durch Reibung inLagern und Dichtungen) zu berucksichtigen.

Der Zusammenhang zwischen Drehzahl n, Drehmoment M und Leistung P ist durchfolgende Gleichung gegeben:

P = M · 2 π · n (6)

Durch Messung von Drehmoment und Drehzahl kann man sogenannte Leistungscharak-teristiken erstellen. Dies sind Diagramme, die die Newton-Zahl Ne in Abhangigkeit vonder sogenannten Reynolds-Zahl Re (Stromungszustand)

Re =n · d2

ν=n · d2 · %

η(7)

darstellen; mit ihrer Hilfe erfolgt die Auslegung des Antriebs. In der Gleichung werdendie Stoffeigenschaften kinematische Viskositat ν bzw. (dynamische) Viskositat η und Pro-duktdichte % berucksichtigt.

Bild 7 zeigt ein Ne-Re-Diagramm fur unterschiedliche Ruhrsysteme.

Selbstverstandlich gilt fur die Leistung elektrischer Antriebe auch die nachfolgende Glei-chung:

P = U · I (8)

2.5 Leistungsgleichung 22

Bild

7:Ne-Re-

Dia

gram

mfu

rve

rsch

ieden

eR

uhrs

yst

eme

[6]

2.6 Warmeubertragung in Ruhr- und Mischprozessen 23

Durch eine Messung der Stromaufnahme I bei bekannter Spannung U laßt sich somit inTechnikumsversuchen die Leistung P ermitteln; hierbei ist allerdings zu beachten, daßdieser Wert nur bedingt aussagekraftig ist (Einfluß von Verlusten, ...)!

2.6 Warmeubertragung in Ruhr- und Mischprozessen

In vielen Mischprozessen ist die Warmeubertragung ein wesentlicher Verfahrensbestand-teil. Es kann sich hierbei sowohl um Aufheiz- als auch Abkuhlvorgange handeln.

In Bild 8 sind die Verhaltnisse beim Warmedurchgang durch eine Wand dargestellt.

Bild 8: Warmedurchgang durch eine Wand [7]

Der Warmestrom Q wird durch die nachfolgende Gleichung beschrieben:

Q = k · A ·∆ϑm (9)

hierin sind:

k WarmedurchgangskoeffizientA Warmeubertragungsflache∆ϑm mittlere logarithmische Temperaturdifferenz der Fluide

Den Warmedurchgangskoeffizient k ermittelt man aus den Warmeubergangskoeffizientenα der Fluide sowie aus der Warmeleitfahigkeit λ und der Wanddicke s. Fur Rohrwandegilt:

1

k=

1

αa+

daαi · di

+da2λ· ln

(

dadi

)

(10)

2.6 Warmeubertragung in Ruhr- und Mischprozessen 24

Der Warmeubergangskoeffizient αi im Ruhrbehalter laßt sich durch die Wahl eines geeig-neten Ruhrorgans positiv beeinflussen.

Fur Eisenmetalle liegt der Wert fur die Warmeleitfahigkeit λ in der Großenordnung von46 ... 58W/(mK).

Der Zusammenhang zwischen Wandstarke s und Rohr- bzw. Behalterdurchmesser d isthierbei durch die folgende Gleichung gegeben:

s = da − di (11)

Fur einen Ruhrbehalter ergibt sich fur die Warmeubertragungsflache

A = π di · h (12)

Hierin ist fur h in erster Naherung die Hohe des Flussigkeitfullstands im Ruhrbehalterbzw. die Fullhohe des Warmeubertragungsmediums im Doppelmantel einzusetzen. Vor-ausgesetzt in dieser Gleichung ist, daß die Warmeubertragung nur durch den zylindrischenTeil des Ruhrbehalters erfolgt.

Fur die Berechnung der erforderlichen Heizleistung QH kann man auch einen anderenAnsatz wahlen. In Bild 9 sind die Verhaltnisse fur einen Ruhrbehalter dargestellt.

Aus dem ersten Hauptsatz der Thermodynamik folgt:

QH + W + HE = HA +dHl

d t+dHSt

d t+ QV (13)

hierin sind:

W zugefuhrte Ruhrleistung

HE Eintrittsenthalpiestrom

HA AustrittsenthalpiestromHl Enthalpie der Flussigkeit im RuhrbehalterHSt Enthalpie der Stahlteile des Ruhrbehalters

QV Warmeverluste

Fur diskontinuierliche Ruhrprozesse (Batch-Betrieb) sind HA = HE = 0. Nimmt man au-ßerdem an, daß die zugefuhrte Warmeenergie durch das Ruhrwerk W gerade die Warme-verluste QV deckt, so ergibt sich als Berechnungsgleichung fur die Kuhl- bzw. Heizleistung:

QH =(Ml · cl +MSt · cSt) · (ϑ2 − ϑ1)

∆t(14)

Mit dieser Gleichung laßt sich die erforderliche Kuhl- bzw. Heizleistung berechnen, die ineiner Zeit ∆t zu einer Temperaturanderung (ϑ2 − ϑ1) fuhrt.

In Gleichung (14) bedeuten: Ml Flussigkeitsmasse (Produkt), MSt Stahlmasse (Behalter)und c spezifische Warmekapazitaten.

2.6 Warmeubertragung in Ruhr- und Mischprozessen 25

Bild 9: Warmebilanz an einem Ruhrbehalter [8]

Zu beachten ist, daß der Flussigkeitsinhalt des Doppelmantels ebenfalls aufgeheizt werdenmuß.

In Tabelle 3 findet man einige ausgewahlte Beispiele fur die spezifische Warmekapazitat.Unter der Warmekapazitat C eines Korpers versteht man das Verhaltnis der zugefuhrten

Tabelle 3: Spezifische Warmekapazitat c bei 20 Grad Celsius

Medium spez. Warmekapazitat Medium spez. Warmekapazitat

(kJ/(kgK)) (kJ/(kgK))

Aceton 2,16 Aluminium 0,90

Ethylalkohol 2,43 Fette 2,00

Methylalkohol 2,50 Olivenol 1,97

Polyamid 1,85 Polyethylen 2,50

Salatmayonaise 3,39 Silikonol 1,45

Stahl 0,50 Teflon 1,00

Vollmilchschokolade 2,31 Wachs 2,90

Wasser 4,18

Warmemenge zur erzielten Temperaturerhohung. Ublicherweise bezieht man die Warme-kapazitat C auf die Masse m des Korpers und spricht dann von der spezifischen Warme-kapazitat c.

2.7 Mischgute und Mischzeit 26

c =C

m(15)

2.7 Mischgute und Mischzeit

Zur Bestimmung der Mischzeit Θ lassen sich sogenannte Mischzeitcharakteristiken heran-ziehen. In diesen ist die dimensionslose Durchmischungkennzahl n ·Θ in Abhangigkeit vonder Reynoldszahl Re aufgetragen. Bild 10 zeigt eine Mischzeitcharakteristik fur verschie-dene Ruhrorgane. Man erkennt, daß die Durchmischungskennzahl und damit die Mischzeit

Bild 10:Mischzeitcharakteristik [9]1 Ankerruhrer, 2 Scheibenruhrer, 3 Kreuzbalkenruhrer, 4 Schneckenruhrer,5 Wendelruhrer

im turbulenten Stromungsbereich nahezu konstant ist.

Zu beachten ist, daß derartige Kurven in der Regel nur fur newtonsche Medien gelten.Außerdem sind sie nur aussagekraftig, wenn der erzielte Durchmischungsgrad (Mischgute)angegeben wird; meistens geht man von einer 95-prozentigen Mischgute aus. Hierbei be-schreibt die Mischgute die Homogenitat in Bezug auf eine ideale Vermischung.

Zur Bestimmung der Mischzeit eignen sich z. B. die Schlierenmethode und die chemischeEntfarbungsmethode.

Oft ist die Mischzeit Θ selber nur von untergeordneter Rolle, da die Prozeßzeit tP durchandere Großen maßgeblich beeinflußt wird. Sie ergibt sich aus:

tP = tB + Θ + tE + tR (16)

2.8 Scale-up 27

Hierin ist insbesondere die Reinigungszeit tR oft viel großer als die eigentliche Mischzeit Θ.Auch die Zeiten zum Befullen tB und Entleeren tE des Mischers sind oft nicht unerheblich.

2.8 Scale-up

Fur eine optimale Ruhrwerksauslegung sollten moglichst Ruhrversuche mit Originalpro-dukt durchgefuhrt werden. In der Regel benutzt man hierzu Technikumsruhrwerke mitBehaltervolumina von ca. 15 bis 100 Liter. Fur die Hochrechnung der Ergebnisse auf denBetriebsmaßstab sind mehrere Scale-up-Kriterien bekannt, z. B. konstanter spezifischerLeistungseintrag (P/V = const.) oder konstante Umfangsgeschwindigkeit (u = const.). DerZusammenhang zwischen Drehzahl n, Ruhrorgandurchmesser d und Umfangsgeschwindig-keit u ist durch die nachfolgende Gleichung gegeben.

u = π · n · d (17)

Die Wahl des richtigen Scale-up-Kriteriums ist nicht immer einfach und hangt von vielenFaktoren (Ruhraufgabe, Ruhrgut, ...) ab.

Bild 11 zeigt verschiedene Scale-up-Kriterien in einem Diagramm zusammengefaßt.

Bild 11:Unterschiedliche Scale-up-Kriterien [10]

2.9 Maschinentechnik 28

Aufgetragen ist der spezifische Leistungseintrag P/V im Betriebsmaßstab B bezogen aufden Modellmaßstab M in Abhangigkeit vom Volumen V im Betriebsmaßstab bezogen aufden Modellmaßstab M. Eingetragen sind u. a. Kurven fur eine konstante Mischzeit tM ,eine konstante Umfangsgeschwindigkeit u und eine konstante Reynolds-Zahl Re.

2.9 Maschinentechnik

Ebenso vielfaltig wie die zu vermischenden Produkte sind auch die unterschiedlichenMischsysteme. Grundsatzlich unterscheidet man diskontinuierlich und kontinuierlich ar-beitende Maschinen.

Diskontinuierliche Mischer (fur Batchprozesse) werden bei einem Großteil der indu-striellen Mischprozesse eingesetzt. Eine quasikontinuierliche Betriebsweise kann mandurch Verwendung mehrerer Ruhrbehalter und/oder den Parallelbetrieb mehrerer Mischerherbeifuhren.

Kontinuierliche Mischer haben einen stetigen In- und Output. Beispiele hierfur sindSchneckenbandmischer, statische Mischer und Extruder.

Weiter unterscheidet man zwischen dynamischen und statischen Mischsystemen. Sta-tische Mischer haben im Gegensatz zu dynamischen Mischern keine bewegten Maschinen-teile. Der einfachste statische Mischer ist eine Rohrleitung. Aufgrund von Turbulenzenfindet im Rohr eine Vermischung von Flussigkeiten statt. In der Regel unterstutzt mandie Vermischung durch zusatzliche Einbauten im Stromungskanal; diese bewirken aller-dings auch einen erhohten Druckabfall.

Zentralruhrwerke werden in der Regel fur das Ruhren von niedrig- bis mittelvisko-sen Flussigkeiten eingesetzt. Im einfachsten Fall bestehen sie aus einem Antrieb, einerRuhrwelle und einem Ruhrorgan. Bei hoheren Anforderungen konnen zusatzliche Kom-ponenten (Lagerung, Dichtung, ...) hinzukommen. Als Ruhrorgane dienen haufig derdreiflugelige Propeller oder die Dissolverscheibe. Neben diesen schnellaufenden Ruhr-organen sind auch Langsamlaufer wie der Ankerruhrer im Einsatz. Die Auswahl desRuhrorgans wird insbesondere durch die Ruhraufgabe und das spezifische Stoffverhaltenbestimmt.

An ihre Grenzen stoßen Zentralruhrwerke im hochviskosen Bereich. Abhilfe schaffen soge-nannte Koaxialruhrwerke, bei denen z. B. ein langsamlaufender Ankerruhrer mit einemschnellerlaufenden Balkenruhrsystem kombiniert wird.

Eine Sonderform der Zentralruhrwerke stellen die Magnetruhrwerke dar. Bei ihnenerfolgt die Drehmomentubertragung durch ein magnetisches Feld; es muß somit keineWellendurchfuhrung in den Ruhrbehalter vorgesehen werden.

Fur das Vermischen von Feststoffen sind Zentralruhrwerke wenig geeignet. Hier setzt manz. B. Schub- oder Wurfmischer ein.

Einen großen Einsatzbereich weisen die Planetenruhrwerke auf; sie konnen sowohl furdas Vermischen mittel- bis hochviskoser Medien als auch zum Feststoffmischen eingesetztwerden. Sie werden in der Regel als Komplettsystem ausgeliefert, da die Ruhrwerkzeugean den Ruhrbehalter angepaßt werden mussen.