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20 JAHRE WISSENSCHAFTLICHE ERKENNTNISSE NACH DEM REAKTORUNFALL TSCHERNOBYL : IN SITU GAMMA SPEKTROMETRIE Ch. Murith, Bundesamt für Gesundheit, Strahlenschutz, 3003 Bern ZUSAMMENFASSUNG Die rasche mögliche Erfassung der Bodenkontamination, deren nuklidspezifischen Aktivitätskonzentrationen und individuellen Beiträge zur Ortsdosisleistung brachte die in situ Gamma Spektrometrie als Messverfahren nach dem Reaktorunfall Tschernobyl in der Vordergrund. Diese Vorteile gegenüber dem traditionellen Vorgehen (Probenahme und anschliessende Gamma Spektrometrie im Labor) wurden in den 90-iger Jahren immer häufiger ausgenutzt, insbesondere im Rahmen der MORAL (Mobile RAdiological Laboratories) Vergleichmessungen. Die durchgeführten Expertisen in verschiedenen Interessengebieten wie Gera (1993), Gordola (1997), Tschernobyl Exclusion Zone (1999) und Nord-Cotentin (2000) dienten auch zur Harmonisierung der Mess- und Auswerte- Methode. Dabei gelten die ICRU 53 Empfehlungen [1] als Referenz. Die Erkenntnisse nach 20 Jahren in situ Gamma Spektrometrie Erfahrung zeigen, dass dieses Verfahren besonders geeignet ist, um rasch und empfindlich die Ablagerungen in den verschiedenen Landesgebieten zuverlässig nachzuweisen und weiterzuverfolgen. In situ Gamma Spektrometrie Messungen gehören somit zum Überwachungsprogramm der Kern- und Forschungsanlagen [2]. Speziell wurden In situ Messsysteme zur Kennzeichnung herrenloser Quellen bei Metallhändlern oder bei Kehrichtverbrennungsanlagen benutzt. Weiter sind auch Messungen im Gang zur Bestimmung der Umgebungs-Äquivalentdosisleistungsbeiträge im Hausinnern. 1. Methodologie Seit dem 5. Oktober 2001 ist das BAG für die in situ Gamma Spektrometrie nach der Norm ISO/IEC 17025 vom Bundesamt für Metrologie und Akkreditierung (METAS) akkreditiert. Die Figur 1 zeigt die Messanordnung für in situ Messungen in der Umgebung des KKWs Beznau. Von den in situ Spektren werden die Aktivitätskonzentrationen und die zugehörige Umgebungs-Äquivalentdosisleistung H*(10) berechnet. Im Normalfall wird eine homogene Verteilung der Radionuklide im Boden angenommen. Im Ereignisfall wird eine exponentielle Verteilung der künstlichen Radionuklide je nach trockener oder nasser Ablagerung angenommen. Als Qualitätskontrolle der in situ Messergebnisse werden die berechneten Umgebungs-Äquivalentdosisleistungen summiert und mit der gemessenen gesamten Umgebungs-Äquivalentdosisleistung (Ionisationskammer) verglichen unter Berücksichtigung des kosmischen Beitrages [3]. Dieser kann analytisch bestimmt werden in Abhängigkeit der Messorthöhe, basierend auf Messungen auf dem Neuerburger See und während eines Luftballonfluges (Fig. 2). Eine Übereinstimmung innerhalb +/- 20% wird als Akzeptanzkriterium festgelegt. Aus Erfahrung können grössere Diskrepanzen vorkommen. Eine Unterschätzung der in situ Ergebnisse verglichen mit der gesamten Umgebungs-Äquivalentdosisleistung wurde zum Beispiel am Zaun des KKWs Mühleberg beobachtet. Diese war auf die Direktstrahlung ( 16 N, 6.1 und 7.1 MeV), die nicht im Energiebereich des in situ Spektrums (0.02 – 2 MeV) erfasst wird, zurückzuführen. Eine Überschätzung der in situ Ergebnisse im Vergleich zur Ionisationskammermessung wurde auch an Orten mit höheren 137 Cs Ablagerungen in der obersten Bodenschicht, wo die Annahme einer homogenen Verteilung nicht zutrifft, festgestellt. Dies gilt ebenfalls für die Zerfallsprodukte von Radium nach Radon Auswaschung mit dem Regen, so dass sie nicht nur homogen im Boden sondern teilweise an der Bodenoberfläche verteilt sind. Page 1 sur 12

20 JAHRE WISSENSCHAFTLICHE ERKENNTNISSE ......T e res tisc h S a lung Kosmische Strahlung Aufstieg Abstieg Höhe z (km) Neuenburger See 120 80 40 0 Lowder & Beck Kurve Figur 2: Beitrag

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  • 20 JAHRE WISSENSCHAFTLICHE ERKENNTNISSE NACH DEM REAKTORUNFALL TSCHERNOBYL : IN SITU GAMMA SPEKTROMETRIE

    Ch. Murith, Bundesamt für Gesundheit, Strahlenschutz, 3003 Bern ZUSAMMENFASSUNG Die rasche mögliche Erfassung der Bodenkontamination, deren nuklidspezifischen Aktivitätskonzentrationen und individuellen Beiträge zur Ortsdosisleistung brachte die in situ Gamma Spektrometrie als Messverfahren nach dem Reaktorunfall Tschernobyl in der Vordergrund. Diese Vorteile gegenüber dem traditionellen Vorgehen (Probenahme und anschliessende Gamma Spektrometrie im Labor) wurden in den 90-iger Jahren immer häufiger ausgenutzt, insbesondere im Rahmen der MORAL (Mobile RAdiological Laboratories) Vergleichmessungen. Die durchgeführten Expertisen in verschiedenen Interessengebieten wie Gera (1993), Gordola (1997), Tschernobyl Exclusion Zone (1999) und Nord-Cotentin (2000) dienten auch zur Harmonisierung der Mess- und Auswerte- Methode. Dabei gelten die ICRU 53 Empfehlungen [1] als Referenz. Die Erkenntnisse nach 20 Jahren in situ Gamma Spektrometrie Erfahrung zeigen, dass dieses Verfahren besonders geeignet ist, um rasch und empfindlich die Ablagerungen in den verschiedenen Landesgebieten zuverlässig nachzuweisen und weiterzuverfolgen. In situ Gamma Spektrometrie Messungen gehören somit zum Überwachungsprogramm der Kern- und Forschungsanlagen [2]. Speziell wurden In situ Messsysteme zur Kennzeichnung herrenloser Quellen bei Metallhändlern oder bei Kehrichtverbrennungsanlagen benutzt. Weiter sind auch Messungen im Gang zur Bestimmung der Umgebungs-Äquivalentdosisleistungsbeiträge im Hausinnern. 1. Methodologie Seit dem 5. Oktober 2001 ist das BAG für die in situ Gamma Spektrometrie nach der Norm ISO/IEC 17025 vom Bundesamt für Metrologie und Akkreditierung (METAS) akkreditiert. Die Figur 1 zeigt die Messanordnung für in situ Messungen in der Umgebung des KKWs Beznau. Von den in situ Spektren werden die Aktivitätskonzentrationen und die zugehörige Umgebungs-Äquivalentdosisleistung H*(10) berechnet. Im Normalfall wird eine homogene Verteilung der Radionuklide im Boden angenommen. Im Ereignisfall wird eine exponentielle Verteilung der künstlichen Radionuklide je nach trockener oder nasser Ablagerung angenommen. Als Qualitätskontrolle der in situ Messergebnisse werden die berechneten Umgebungs-Äquivalentdosisleistungen summiert und mit der gemessenen gesamten Umgebungs-Äquivalentdosisleistung (Ionisationskammer) verglichen unter Berücksichtigung des kosmischen Beitrages [3]. Dieser kann analytisch bestimmt werden in Abhängigkeit der Messorthöhe, basierend auf Messungen auf dem Neuerburger See und während eines Luftballonfluges (Fig. 2). Eine Übereinstimmung innerhalb +/- 20% wird als Akzeptanzkriterium festgelegt. Aus Erfahrung können grössere Diskrepanzen vorkommen. Eine Unterschätzung der in situ Ergebnisse verglichen mit der gesamten Umgebungs-Äquivalentdosisleistung wurde zum Beispiel am Zaun des KKWs Mühleberg beobachtet. Diese war auf die Direktstrahlung (16N, 6.1 und 7.1 MeV), die nicht im Energiebereich des in situ Spektrums (0.02 – 2 MeV) erfasst wird, zurückzuführen. Eine Überschätzung der in situ Ergebnisse im Vergleich zur Ionisationskammermessung wurde auch an Orten mit höheren 137Cs Ablagerungen in der obersten Bodenschicht, wo die Annahme einer homogenen Verteilung nicht zutrifft, festgestellt. Dies gilt ebenfalls für die Zerfallsprodukte von Radium nach Radon Auswaschung mit dem Regen, so dass sie nicht nur homogen im Boden sondern teilweise an der Bodenoberfläche verteilt sind.

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  • Figur 1: In situ Messanordnung in der meteorologische Station Beznau

    0 1 2 3 4

    Um

    gebu

    ngs-

    Äqui

    vale

    ntdo

    sisl

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    ung

    (nSv

    /h)

    Terrestrische StrahlungKosmischeStrahlung

    AufstiegAbstieg

    Höhe z (km)

    Neuenburger See

    120

    80

    40

    0

    Lowder & Beck Kurve

    Figur 2: Beitrag der kosmischen Strahlung zur Umgebungs-Äquivalentdosisleistung [3]

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  • 2. Ergebnisse der in situ Gamma Spektrometrie nach Tschernobyl 2.1 In situ Spektrometrie und Bodenablagerungen

    Im Jahr 1986 waren automatische ODL-Sonden des NADAM Messnetzes in 12 meteorologischen Stationen in Betrieb. Die Korrelation zwischen den ODL Anstiegen und der Regenmengen kam klar zum Vorschein. Deshalb orientierten sich die in situ Messungen vorerst im Tessin, wo die höchsten Ablagerungen stattfanden. Die Beiträge der Tschernobyl Radionuklide zur Bodenkontamination und zur Umgebungs-Äquivalentdosisleistung H*(10) sind in der Figur 3 nach Isotopen klassifiziert. Dominierend am 1 Mai 1986 waren 132I und 132Te, die rund 50% der Ablagerung und 70% der Umgebungs-Äquivalentdosisleistung ausmachten [4]. 131I mit rund 20% bzw. 7% und die beiden Cs Isotope 134Cs und 137Cs mit rund 7% Anteil zur Bodenkontamination und H*(10) waren die anderen wichtigsten Radionuklide.

    Aktivität ODL0

    20

    40

    60

    80

    100

    Ante

    il in

    %

    Cs Isotope

    Jod Isotope

    Te Isotope

    Andere

    1000 kBq/m2 2500 nSv/h

    0

    10

    20

    30

    40

    50

    60

    70

    80

    90

    100

    Figur 3: Isotopische Anteile zur Bodenkontamination und zur Äquivalentdosisleistung in Caslano

    Es war sehr wichtig, in situ Messungen im ersten Jahre nach Tschernobyl durchzuführen, um eine repräsentative Kartographie der Kontaminationslage zu erhalten. Die Unsicherheiten bei den Messergebnissen werden immer grösser mit der Zeit, da die Verteilung der Radionuklide sich ändert und auch weil die Differenzierung des Caesiums von Tschernobyl gegenüber dem Bombenfallout Caesium mit dem Verhältnis 134Cs/137Cs ungenauer oder sogar unmöglich wird. Um die Verteilungsdynamik des 137Cs im Boden abzuschätzen zeigt die Figur 4 den Verlauf der in situ Aktivitätskonzentrationen basierend auf einer homogenen Verteilung. Das Eindringen des Caesium im Boden zeigt eine schnellere Abnahme als die nur aus der physikalischen Halbwertszeit zu erwarten wäre. Diese Differenz kann als Funktion der Relaxationslänge [ α-1] einer exponentiellen Verteilung ausgedrückt werden [5], so dass die Ablagerung wiedergeben wird. Die entsprechende Zunahme des Umrechnungsfaktors von Bq/kg in Bq/m2 variiert somit von rund 50 im Jahre 1986 bis zu 210 im Jahr 2005. Diese Zunahme hängt von den lokalen Eigenschaften und der Geschichte des Messfeldes ab. Figur 5 zeigt den Zeitverlauf der in situ Messwerte für 3 Standorte mit vergleichbaren regionalen Ablagerungen. Bemerkenswert ist die gute Übereinstimmung im Jahre 1988, dann die steigende Diskrepanz in den folgenden Jahren bis zum neuen Trend zu Übereinstimmung in den späteren Jahren. Die Messung am Standort Caslano lido, 500 m entfernt vom Standort

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  • Caslano scuola, zeigt auch, dass die Unterschiede lokal gross sein können. Einen Überblick über alle in der letzten 20 Jahren durchgeführten in situ Messungen sind nach Regionen in der Figuren 7 und 8 geordnet.

    85 86 87 88 89 90 91 92 93 94 95 96 97 98 99 00 01 02 03 04 05 060

    100

    200

    300

    400

    500

    600

    700

    800

    900

    1000 Bq/kg T1/2 Zerfall

    Bq/kg

    In s

    itu B

    q/kg

    137 C

    s

    Jahr

    4 kBq/m2 Caslano lido

    Caslano Scuola

    0

    2

    4

    6

    8

    10

    12

    14

    16

    18

    20 g / cm2

    Rel

    axat

    ions

    para

    met

    er ρ

    α-1

    [g.c

    m-2]

    40 kBq/m2

    Figur 4: Zeitverlauf der Caesium Konzentrationen und des zugehörigen Eindringungsparameters

    0 1000 2000 3000 4000 5000 6000 7000 80000

    100

    200

    300

    400

    500

    600

    700

    800

    900

    1000

    Caslano scuola Genestrerio-Stabio Magadino aeroporto

    In s

    itu B

    q / k

    g 13

    7 Cs

    Tage

    Caslano Lido

    Figur 5: Zeitverlauf der Caesium Konzentrationen an 3 Standorten des Kantons Tessin

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  • 0 1000 2000 3000 4000 5000 6000 7000 80000

    100

    200

    300

    400

    500

    600

    700

    800

    900

    1000

    Bq/k

    g in

    situ

    Tage

    Tessin (146) Grisons/Valais (20)

    Frasco

    CapolagoMte Tiglio

    Coglio

    0 1000 2000 3000 4000 5000 6000 7000 80000

    20

    40

    60

    80

    100

    120

    140

    160

    180

    200

    Col du Marchairuz

    Romandie (59) Cern (44) Jura (33)

    Bq/k

    g in

    situ

    Tage

    Mt Tendre

    Gd Pré La Barillette

    Figur 7: 137Cs Zeitverlauf in der Romandie, im Tessin und in Südtaler von Graubünden und Wallis

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  • 0 1000 2000 3000 4000 5000 6000 7000 80000

    20

    40

    60

    80

    100

    120

    KKB/PSI (92) KKG (88) KKL (87) KKM (102)

    Bq/k

    g in

    situ

    Tage

    Wald

    0 1000 2000 3000 4000 5000 6000 7000 80000

    20

    40

    60

    80

    100

    120

    140

    160

    180

    200

    Deutschschweiz (115) (ohne KKW Umgebung)

    Bq/k

    g in

    situ

    Tage

    Romanshorn

    Mattmark

    Güttingen Wald

    Gotthard

    Figur 8: 137Cs Zeitverlauf in der KKW Umgebung und in der Deutschschweiz

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  • 2.2 In situ und Laborergebnisse

    Die Figur 6 zeigt die in situ und Labor Ergebnisse für 2 Standorte in der Umgebung der KKW Beznau (KKB) und Leibstadt (KKL) im Vergleich. Bemerkenswert ist das wilde Verhalten der Laborergebnissen in den ersten Jahren nach der Ablagerung. Bei der in situ Ergebnissen zeigen die Messungen im Wald, dass Caesium scheinbar in den obersten Bodenschichten gefangen bleibt.

    1980 1984 1988 1992 1996 2000 2004 20080

    10

    20

    30

    40

    50

    60

    70

    80

    90

    100

    KKB KKL Wald KKB Wald KKL

    Bq/

    kg

    Jahre

    1980 1984 1988 1992 1996 2000 2004 20080

    10

    20

    30

    40

    50

    60

    70

    80

    90

    100

    KKL KKB

    Bq/

    kg L

    abo

    Jahre Figur 6: Vergleich der in situ und Labor Ergebnisse in der Umgebung KKB und KKL

    Page 7 sur 12

  • 2.3 In situ und Umgebungs-Äquivalentdosisleistung

    Die auf in situ Messungen basierenden Caesium-137 Ablagerungen und deren resultierende Umgebungs-Äquivalentdosisleistungen sind in der Fig. 7 zusammengefasst. Als Beispiel zeigt speziell die Figur 8 den detaillierten Zeitverlauf der Umgebungs- Äquivalentdosisleistungen in Caslano.

    kBq/m2

    0.2 - 3.63.6 - 7.07.0 - 1010 - 1414 - 1717 - 2020 - 2424 - 2727 - 3030 - 50

    kilomètreséchelle 1:1735659 (1 cm : 17.357 km)

    0 14 28 42

    0.3 - 6.06.0 - 1212 - 1818 - 2424 - 3030 - 3636 - 4242 - 4848 - 5454 - 90

    nSv / h Figur 7: Kartographie der Caeium Ablagerungen und zugehörige Dosisleistungsbeiträge

    0 2000 4000 6000 80000

    100

    200

    300

    400

    500

    1000

    1500

    2000

    2500

    3000

    Natürlicher Beitrag Künstlicher Beitrag

    nSv/

    h

    Tage

    1. Mai 86

    Figur 8: Zeitverlauf der natürlichen und künstlichen Umgebungs-Äquivalentdosisleistungen in Caslano

    Page 8 sur 12

  • 2.4 In situ Spektrometrie und Intervention

    Bei extremen Bedingungen sind in situ Einsätze problematisch. Dies zeigt Figur 9 am Beispiel von Messungen in der gesperrten Zone von Tschernobyl [6], wo wegen der Totzeit nur mit abgeschirmtem Detektor die Nuklidzusammensetzung gewonnen werden konnte.

    In-situ gamma spectrometryat ambient dose rate 40 µSv/h

    Channel

    0 500 1000 1500 2000 2500 3000 3500 4000 4500 5000

    cps/

    chan

    nel

    10-3

    10-2

    10-1

    100

    101

    102

    103

    No shielding Lead collimator used

    Pb-X (75+88 keV)

    Cs-

    134

    (605

    keV

    )

    Cs-137 (662 keV)

    Cs-

    137

    (795

    keV

    )

    Eu-

    154

    (996

    +100

    5 ke

    V)

    Eu-

    154

    (873

    keV

    )

    Co-

    60 (1

    173

    keV

    )

    Eu-

    154

    (127

    4 ke

    V)

    Co-

    60 (1

    332

    keV

    )C

    s-13

    4 (1

    365

    keV

    )

    Figur 9: In situ Ergebnisse in der gesperrten Zone von Tschernobyl ohne und mit Bleiabschirmung

    Die Ergebnisse solcher Messungen sind mit entsprechenden Unsicherheiten behaftet. Die Arbeitsbedingungen in starken verstrahlten Gebieten erfordern Schutzmassnahme für Mensch und Geräte, um Kontamination zu vermeiden.

    Page 9 sur 12

  • 2.5 In situ Spektrometrie und Modelle

    Auch bei Einsätzen, wo die Feldgeometrie sich von einer idealen ausgedehnten ebenen Fläche entfernt, müssen die Ergebnisse mit Vorsicht betrachtet werden [7]. Als Beispiel zeigt Bild 10 einen in situ Einsatz im Massif du Mercantour, wo die Verteilung des Caesiums sehr heterogen war, mit geprägten Hot Spots Flecken von einigen cm2.

    Figur 10: In situ Messungen im Gebiet Isola 2000 In Fällen, wo die Verteilung der künstlichen Radionuklide unbekannt ist oder falls es Radionuklide gibt die ausserhalb des in situ Energiebereichs liegen, kann trotzdem die in situ Gamma Spektrometrie zur Abschätzung des künstlichen Beitrags zur Umgebungs-Äquivalentdosisleistung dienen. Dies erfolgt durch Subtraktion des natürlichen in situ bestimmten Beitrages von der gesamten Ionisationskammer gemessenen Umgebungs-Äquivalentdosisleistung. Anhand dieses errechneten künstlichen Beitrags kann versucht werden, die Verteilung abzuschätzen. Zu vermerken ist, dass eine Unterschätzung bzw. Überschätzung des Relaxationsparameters nennenswerte Unterschiede in der Flächenaktivitätsbestimmung zeigen können, die sich aber bei der Bestimmung der Umgebungs-Äquivalentdosisleistung kompensieren. Die Rechnung mit der extremen Verteilungshypothese (homogen an der Oberfläche und homogen im Boden), die maximal einen Faktor 2 bei der Umgebungs-Äquivalentdosisleistung Bestimmung ausmachen kann, ermöglicht aber eine Aussage über die Verteilung. Für eine langjährige Verfolgung hat die homogene Verteilung im Boden den Vorteil, dass sie sehr empfindlich ist zur Feststellung einer neuen Ablagerung [8], obwohl dabei die Umgebungs-Äquivalentdosisleistung überschätz wird. Diese Überschätzung nimmt mit der Zeit ab, da sich die Verteilung allmählich einer homogenen Verteilung nähert. Als weiterer Vorteil kann die direkte Vergleichbarkeit der natürlichen und künstlichen Aktivitäten erwähnt werden.

    Page 10 sur 12

  • 2.6 In situ Spektrometrie und “Stakeholder involvement“

    Die Fähigkeit der in situ Expertise, direkt Vorort Messergebnisse über natürliche und künstliche Beiträge zur externen Strahlenexposition der Bevölkerung abzugeben, wurde in der Übung Nord Cotentin 2000 ausgenutzt [9]. Dabei ging es speziell in situ Resultate zu liefern und zusätzlich Probenahme durchzuführen an Standorten (Strände, Privat -und Schulgarten, Nahumgebung der Wiederaufbereitungsanlage von La Hague), die vom Kollektiv “Les Mères en Colère“ ausgewählt wurden. Als spezielle Anwendung aus dem in situ Spektrum der Figur 11 zu entnehmen, konnte bei dieser Gelegenheit die Aktivitätskonzentration und die zugehörige Umgebungs-Äquivalentdosisleistung des Edelgases 85Kr abgeschätzt werden. Diese Möglichkeit, Aussagen über in der Umgebungsluft verteilte Radionuklide abzuleiten, basierend auf einer homogenen Aktivitätsverteilung im oberen Halbraum, wurde gegebenenfalls zur besseren Quantifizierung des identifizierten 41Ar Beitrags in der Umgebungsluft von Forschungsanlagen (CERN und PSI) in der Schweiz benutzt.

    Figur 11: In situ Spektrometrie Nachweis von 85Kr in der Umgebung von La Hague

    3. SCHLUSSFOLGERUNGEN Der Einsatz von in situ Gamma Spektrometrie zeigt, dass dieses Verfahren besonders geeignet ist, um rasch eine zuverlässige Information über die externe Strahlenexposition natürlicher und künstlicher Herkunft in der Umgebung zu erhalten. Besonders erlaubt die in situ Gamma Spektrometrie, eine Kontamination mit guter Empfindlichkeit festzustellen und zu verfolgen. Deshalb scheint es relevant, die in situ Gamma Spektrometrie in der normalen Umgebungsüberwachung (Nullpegel und Beweissicherung Messungen) zu integrieren, um gegebenenfalls Abgabenauswirkungen auf die Umwelt wie Kontamination oder langfristige Akkumulation von Gammaemissionen in der Umgebung von Kernanlagen nachzuweisen. In der Frühphase eines Ereignisses sind aber andere Messungen von Bedeutung für den Schutz der Bevölkerung, basierend entweder auf Prognosen, automatischen Messnetzen, Laboranalysen von Lebensmitteln oder direkten Messungen im menschlichen Körper.

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  • Relevant ist insbesondere dass sich benachbarte Länder auf harmonisierte Messverfahren abstützen können, um eine Kontaminationslage einheitlich zu bewerten [10]. In diesem Kontext spielen sicher die deutsch-schweizerische Kommission und die "commission franco-suisse" eine wichtige Rolle. Für Deutschland und die Schweiz erlaubte die in situ Spektrometrie, eine konsistente Kartographie der Ablagerungen von 1986 herzustellen. Leider war dies nicht der Fall für Frankreich, wo dieses Verfahren kaum eingesetzt wurde. Seither hat sich diese Situation verbessert und eine effektive Zusammenarbeit wie diejenige mit dem LfU für die KKL Beweissicherung existiert mit Frankreich für die Umgebungsüberwachung des CERN. Schliesslich müssen die in situ Gamma Spektrometrie Ergebnisse als nutzbare Zusatzinformationen zur radiologischen Kennzeichnung eines untersuchten Standortes angesehen werden. Sicher gibt es noch Potential, dieses Messverfahren zu optimieren und noch mehr daraus zu gewinnen. Das gehört zu den zukünftigen Herausforderungen.

    Referenzen [1] Gamma-Ray Spectrometry in the Environment, ICRU REPORT 53, 1994 [2] I. Winkelmann, W Haimerl und J. Wutz “Nuklidspezifische Messungen der Ortsdosisleistung in der Umgebung kerntechnischer Anlagen“ ISH-Bericht 12, 1982 [3] C. Murith “La radioactivité de l’environnement: une méthode rapide d’estimation de l’exposition externe du public“, Radioprotection, Vol. 22 n°3, p 231-239, Prix SFRP 1986 [4] Winkelmann et al. “ Ergebnisse von Radioaktivitätsmessungen nach dem Reaktorunfall in Tschernobyl”, ISH-Heft 99, 1986 [5] C. Murith, A. Gurtner “In situ Spectrometry to follow the behaviour of the Chernobyl Radionuclides in the soil”, Österr. Bodenkundl. Gesellschaft, Heft 53, Seite 19-26, 1996 [6] R. Martinčič, D. Glavič-Cindro, M. Korun, B. Pucelj and B. Vodenik, 12th Regular Workshop on Mobile Radiological Laboratories, Chernobyl IJS Report, 1999 [7] J.-P. Laedermann, F. Byrde und C. Murith “In situ Gamma-ray Spectrometry: the Influence of Topography on the Accuracy of Activity Determination”, J. Environ. Radioactivity, Vol. 38, N°1, pp. 1-16, 1998 [8] C. Murith et al., “Environmental in situ Gamma Spectrometry in Switzerland”, Environment International, Vol. 14, pp. 353-361, 1988 [9] C. Murith “Rapport sur l’exercice Nord Cotentin 2000”, www.irsn.org [10] Winter et al. "Radioactivity in the Federal Republic of Germany and Switzerland after the reactor accident at Chernobyl, FS-86-39-AKU, 1986

    Page 12 sur 12

    http://www.irsn.org/