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+ Seite A10 DIE WELT Samstag, 2. August 2008 BootsWelt Anzeige an der Uferpromenade von Tober- mory, wo auch ein eigenes hochpro- zentiges Inseldestillat verkostet werden kann. Nirgends sonst gibt es eine solche Dichte an Brennerei- en, die am besten per Boot bei ei- nem Inselhopping der ganzen Flot- tille erkundet werden können. „Slainte Mhat.“ Manfred Hand- schuher ist Teilnehmer der diesjäh- rigen Cruise, und er hat nicht nur die gälischen Worte für „Zum Wohl“ gelernt. „Der normale Mit- telmeersegler wird hier seine Schwierigkeiten haben“, sagt der 54-jährige EDV-Spezialist, der sich mit vier Freunden eine 40 Fuß (et- wa 12,20 Meter) lange Jeanneau Sunfast für 3800 Pfund, etwa 4780 Euro, gechartert hat. „Ein bisschen Bammel“ habe er schon gehabt, ob er „das Seglerische“ in Schottland packen werde, sagt der Münchener. Doch der Törn sei ohne Probleme gelaufen, und das Fahren im Ver- band gebe zusätzliche Sicherheit. Einen Einblick in die Besonder- heiten des Reviers erhalten wir spä- testens im Golf von Corryvreckan: Beim Passieren der Inseln Scarba im Norden und dem gleich südlich gelegenen langgestreckten Jura- eiland fällt es schwer, geraden Kurs zu halten. Grund für die Schlinger- tour ist nicht etwa ein defektes Ru- der. Unzählige Strudel, verursacht von verschiedenen Strömungen, die hier aufeinandertreffen, ma- chen das Steuern so schwierig. Wel- len haben plötzlich die Form halb- meterhoher spitzer Kegel, die unse- ren Bootsrumpf umtanzen. „Dramatisch wird es an dieser Stelle, wenn eine Springtide west- wärts mit Geschwindigkeiten bis zu zehn Knoten gegen einen West- wind abfließt“, sagt Skipper Bob Hunter. Nicht umsonst lägen gera- de an dieser Stelle wegen der dann meterhohen, steilen Wellen zahlrei- che Schiffswracks auf Grund. Ganz in der Nähe des Corryvre- ckans werden wir Zeugen einer Rettungsaktion. Eine Frau von ei- nem anderen Schiff rutscht bei der Erkundung eines schwer zugängli- chen Teils der Insel aus und bricht sich das Bein. Hunter funkt dem Küstenschutz, holt Rettungssignale und den Erste-Hilfe-Koffer herbei. Nur eine halbe Stunde später läuft ein Rettungskreuzer in die Bucht ein, ein Hubschrauber landet auf der nahen Wiese. Für die Verletzte detailliert besprochen. Das schafft Vertrauen. Und gibt Kraft, mit dem nassen Ölzeug und den klammen Segelsachen am Körper einen wei- teren schottischen Regenschauer auf Deck zu ertragen. Wer in Schottland nicht vor Anker geht, sondern sich mit dem Boot in den Hafen wagt, riskiert ein stilechtes Begrüßungskonzert mit Dudelsack FOTOS: MÜNCHEBERG Dudelsack statt Nebelhorn Im Revier der Hebriden ist das Segeln schwierig. Am besten lernt man die schottische Inselwelt bei der jährlichen Classic Malts Cruise kennen Die Charteryacht „Sealgair“ ankert vor einer unbewohnten Insel der Inneren Hebriden Lagavulin Jura Jura Scarba Kintyre Kintyre NORDIRLAND SCHOTTLAND SCHOTTLAND SCHOTTLAND of Mull Isle of Mull Rum Isle of Skye Eigg Eigg Coal Ila 3. Tag Tobermory 4. Tag 5. Tag Mac Cormaig Isle 2. Tag Oban START: Talisker ZIEL: Europa Europa Das Holzboot, das nach dem Ent- wurf der erfolgreichen Oyster 46 ganz aus Holz gebaut wurde, scheint wie geschaffen für den scharfen Wind und die meterhohen Wellen des westschottischen Segel- reviers, das unter Kennern als an- spruchsvoll gilt: Skipper sollten zwischen der Isle of Skye im Nor- den und Islay im Süden die Gezei- ten sicher berechnen können, keine Angst vor einer steifen Brise haben und ständig Wind und Strömung im Auge behalten. Segler, denen das alles zu an- strengend ist, oder Freizeitkapitä- ne, die sich nur einen ersten Über- blick über das raue Revier verschaf- fen wollen, chartern sich eine Koje oder gleich eine ganze Segelyacht mit einheimischem Skipper. Eine gute Gelegenheit, die Welt der Lochs, Firths und Sounds, wie die verschiedenen Gewässerflä- chen in Schottland heißen, kennen- zulernen, bietet die Teilnahme an der jährlich abgehaltenen Classic Malts Cruise. Immer im Juli treffen sich etwa 80 Yachten, deren Besat- zungen gemeinsam segeln wollen. Und Whisky verkosten; aber das geschieht an Land, etwa in der be- kannten Seglerkneipe „Mishnish“ italian-yacht-centre.com ist der Törn hier zu Ende, alle ande- ren wissen jetzt wenigstens, dass auch hier, in einem Seegebiet mit zumeist unbewohnten Inseln und rauer Natur, Hilfe schnell zur Stelle sein kann. Gut zu wissen auch, dass unser Skipper schnell reagiert und mit der nötigen Sicherheitsausrüs- tung an Bord ausgestattet ist. Aber das überrascht niemanden, der Bob Hunters Bordregeln kennt: An Deck der „Sealgair“ darf sich je- der nur mit angelegter Rettungs- weste aufhalten; bei stärkerem Wind oder Manövern muss man zu- sätzlich den Lifebelt tragen, eine Art Sicherheitsgurt, über den sich Segler mit dem Schiff verbinden. Und bevor dann tatsächlich die Segel gesetzt und die Anker- oder Festmacherleinen gelöst werden, wird jede Tagesroute mit der Crew Von Matthias J. Müncheberg K eine Chance, die Segel- kleidung trocken zu be- kommen. Drei Tage sind wir nun schon in der nasskalten Hebriden-See an der Westküste Schottlands unterwegs, doch immer wieder regnet es, mal nur kurz, dann wieder stundenlang. Macht nichts – die Naturkulisse mit Dutzenden spärlich bewachsener und teils unbewohnter Inseln, die Weite des Meeres und nicht zuletzt unsere Segelyacht, die kräftige und stabile „Sealgair“, entschädigen für den schottischen Sommer. „Five seasons a day“, sagen die Einheimi- schen – fünf Jahreszeiten pro Tag. 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2008 dudelsack statt nebelhorn

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whisky-toern durch die inneren hebriden

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an der Uferpromenade von Tober-mory, wo auch ein eigenes hochpro-zentiges Inseldestillat verkostetwerden kann. Nirgends sonst gibtes eine solche Dichte an Brennerei-en, die am besten per Boot bei ei-nem Inselhopping der ganzen Flot-tille erkundet werden können.

„Slainte Mhat.“ Manfred Hand-schuher ist Teilnehmer der diesjäh-rigen Cruise, und er hat nicht nurdie gälischen Worte für „ZumWohl“ gelernt. „Der normale Mit-telmeersegler wird hier seineSchwierigkeiten haben“, sagt der54-jährige EDV-Spezialist, der sich

mit vier Freunden eine 40 Fuß (et-wa 12,20 Meter) lange JeanneauSunfast für 3800 Pfund, etwa 4780Euro, gechartert hat. „Ein bisschenBammel“ habe er schon gehabt, ober „das Seglerische“ in Schottlandpacken werde, sagt der Münchener.Doch der Törn sei ohne Problemegelaufen, und das Fahren im Ver-band gebe zusätzliche Sicherheit.

Einen Einblick in die Besonder-heiten des Reviers erhalten wir spä-testens im Golf von Corryvreckan:Beim Passieren der Inseln Scarbaim Norden und dem gleich südlichgelegenen langgestreckten Jura-

eiland fällt es schwer, geraden Kurszu halten. Grund für die Schlinger-tour ist nicht etwa ein defektes Ru-der. Unzählige Strudel, verursachtvon verschiedenen Strömungen,die hier aufeinandertreffen, ma-chen das Steuern so schwierig. Wel-len haben plötzlich die Form halb-meterhoher spitzer Kegel, die unse-ren Bootsrumpf umtanzen.

„Dramatisch wird es an dieserStelle, wenn eine Springtide west-wärts mit Geschwindigkeiten bis zuzehn Knoten gegen einen West-wind abfließt“, sagt Skipper BobHunter. Nicht umsonst lägen gera-

de an dieser Stelle wegen der dannmeterhohen, steilen Wellen zahlrei-che Schiffswracks auf Grund.

Ganz in der Nähe des Corryvre-ckans werden wir Zeugen einerRettungsaktion. Eine Frau von ei-nem anderen Schiff rutscht bei derErkundung eines schwer zugängli-chen Teils der Insel aus und brichtsich das Bein. Hunter funkt demKüstenschutz, holt Rettungssignaleund den Erste-Hilfe-Koffer herbei.Nur eine halbe Stunde später läuftein Rettungskreuzer in die Buchtein, ein Hubschrauber landet aufder nahen Wiese. Für die Verletzte

detailliert besprochen. Das schafftVertrauen. Und gibt Kraft, mit demnassen Ölzeug und den klammenSegelsachen am Körper einen wei-teren schottischen Regenschauerauf Deck zu ertragen.

Wer in Schottland nicht vor Anker geht, sondern sich mit dem Boot in den Hafen wagt, riskiert ein stilechtes Begrüßungskonzert mit Dudelsack FOTOS: MÜNCHEBERG

Dudelsack statt NebelhornIm Revier der Hebriden ist das Segeln

schwierig. Am besten lernt man dieschottische Inselwelt bei der jährlichen

Classic Malts Cruise kennen

Die Charteryacht „Sealgair“ankert vor einer unbewohntenInsel der Inneren Hebriden

Lagavulin

JuraJura

Scarba

KintyreKintyre

NORDIRLAND

SCHOTTLANDSCHOTTLANDSCHOTTLAND

of MullIsle

of Mull

Rum

Isle of Skye

EiggEigg

Coal Ila3. Tag

Tobermory4. Tag

5. Tag

Mac Cormaig Isle2. Tag

ObanSTART:

TaliskerZIEL:

EuropaEuropa

Das Holzboot, das nach dem Ent-wurf der erfolgreichen Oyster 46ganz aus Holz gebaut wurde,scheint wie geschaffen für denscharfen Wind und die meterhohenWellen des westschottischen Segel-reviers, das unter Kennern als an-spruchsvoll gilt: Skipper solltenzwischen der Isle of Skye im Nor-den und Islay im Süden die Gezei-ten sicher berechnen können, keineAngst vor einer steifen Brise habenund ständig Wind und Strömung imAuge behalten.

Segler, denen das alles zu an-strengend ist, oder Freizeitkapitä-ne, die sich nur einen ersten Über-blick über das raue Revier verschaf-fen wollen, chartern sich eine Kojeoder gleich eine ganze Segelyachtmit einheimischem Skipper.

Eine gute Gelegenheit, die Weltder Lochs, Firths und Sounds, wiedie verschiedenen Gewässerflä-chen in Schottland heißen, kennen-zulernen, bietet die Teilnahme ander jährlich abgehaltenen ClassicMalts Cruise. Immer im Juli treffensich etwa 80 Yachten, deren Besat-zungen gemeinsam segeln wollen.Und Whisky verkosten; aber dasgeschieht an Land, etwa in der be-kannten Seglerkneipe „Mishnish“

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ist der Törn hier zu Ende, alle ande-ren wissen jetzt wenigstens, dassauch hier, in einem Seegebiet mitzumeist unbewohnten Inseln undrauer Natur, Hilfe schnell zur Stellesein kann. Gut zu wissen auch, dassunser Skipper schnell reagiert undmit der nötigen Sicherheitsausrüs-tung an Bord ausgestattet ist.

Aber das überrascht niemanden,der Bob Hunters Bordregeln kennt:An Deck der „Sealgair“ darf sich je-der nur mit angelegter Rettungs-weste aufhalten; bei stärkeremWind oder Manövern muss man zu-sätzlich den Lifebelt tragen, eineArt Sicherheitsgurt, über den sichSegler mit dem Schiff verbinden.

Und bevor dann tatsächlich dieSegel gesetzt und die Anker- oderFestmacherleinen gelöst werden,wird jede Tagesroute mit der Crew

Von Matthias J. Müncheberg

Keine Chance, die Segel-kleidung trocken zu be-kommen. Drei Tage sindwir nun schon in der

nasskalten Hebriden-See an derWestküste Schottlands unterwegs,doch immer wieder regnet es, malnur kurz, dann wieder stundenlang.Macht nichts – die Naturkulisse mitDutzenden spärlich bewachsenerund teils unbewohnter Inseln, dieWeite des Meeres und nicht zuletztunsere Segelyacht, die kräftige undstabile „Sealgair“, entschädigen fürden schottischen Sommer. „Fiveseasons a day“, sagen die Einheimi-schen – fünf Jahreszeiten pro Tag.

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