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+ Samstag, 11. Oktober 2008 DIE WELT Seite A7 BootsWelt Anzeige Von Matthias J. Müncheberg A luminium ist das zurzeit populärste Material, wenn es um den Einzel- bau von Fahrtenschiffen geht. Aktuelles Beispiel ist die 35- Meter-Expeditionsyacht des Südaf- rikaners Mike Horn, der auf den nicht ganz unproblematischen Werkstoff schwört. Mit seiner „Pan- gaea“ will er am kommenden Sams- tag in Ushuaia, der südlichsten Stadt Argentiniens, zu einer vierjährigen Weltumrundung starten. „Aluminium ist zum einen bei gleicher Festigkeit wesentlich leich- ter als Bootsbau-Stahl; das so einge- sparte Gewicht kann für Vorräte, Le- bensmittel oder Materialien verwen- det werden“, sagt Expeditionsleiter Horn. Das sei bedeutsam für lange Schläge, auf denen viel gebunkert werden muss, so der Extremsegler. Zum anderen sind Aluminium- yachten wegen ihres vergleichswei- se geringeren Gewichts und des da- durch höheren Schwerpunktes stei- fer und schneller als Stahlbauten. Auch in puncto Sicherheit bietet das Leichtmetall Vorteile: Aluminium deformiert sich im Falle einer Kolli- sion, etwa mit einem über Bord ge- gangenen Container, mehr als Stahl. Das ist in etwa vergleichbar mit der Knautschzone bei einem Auto. Schließlich muss der Eigner einer Alu-Yacht die Außenhaut nicht be- schichten; das spart teure und auf- wendige Farbaufbauten. Zudem kann Aluminium durchaus unter ökologischen Aspekten punkten: „Es ist sehr wahrscheinlich, dass wir den Rumpf der ,Pangaea‘ nach Beendi- gung unseres Segelabenteuers wie- der einschmelzen.“ Das sei fast ver- lustfrei möglich, sagt der 42-Jährige, der auf seinem Törn für Umweltpro- blematiken sensibilisieren will. Allerdings gibt es bei allen Vorzü- gen des Materials auch ein gravie- rendes Problem. Denn Aluminium ist wie kein anderer Bootsbau-Werk- stoff der Elektrolyse ausgesetzt. Dar- unter versteht man die Aufspaltung einer chemischen Verbindung, in diesem Falle des Metalls Alumini- um, unter Einwirkung von elektri- schem Strom. Die Reaktion funktio- niert wie das Laden einer Batterie, nur mit umgekehrtem Vorzeichen. Das kann bei Yachten schnell eine zerfressene Bordwand mit anschlie- ßendem Totalverlust bedeuten. Solch einem Schreckensszenario kann der Bootseigner aber vorbeu- gen. „Die Frage der Elektrolyse bei Aluminiumyachten wird oft über- trieben. Man darf sie jedoch nicht ganz aus den Augen verlieren und muss den Rumpf auf jeden Fall schützen“, sagt Designer Martin Menzner von Berckemeyer Yacht Design, der mehrere Alu-Boote jähr- lich entwirft. Zu den vorbeugenden Maßnahmen gegen Elektrolyse zählt der 41-jährige Konstrukteur den An- bau von sogenannten Opfer-Anoden im Unterwasserbereich sowie ent- sprechende Isolierungen der unter- schiedlichen Metallteile an Bord. Bei den Anoden handelt es sich zumeist um kleine Zink- oder Ma- gnesiumplättchen, die sich bei Kor- rosion zuerst selbst zerstören – so bleiben Rumpf und Schraube intakt. „Umso weiter die Metalle im Perio- densystem der Elemente auseinan- derliegen, desto gefährlicher wird es“, warnt der Designer. Da könne ei- ne beim Schweißen des Aluminium- Rumpfes aus der Tasche gefallene Kupfermünze schnell zur Katastro- phe führen, sagt Menzner. Auch die Franzosen Stephan Constance und Xavier Desmarest aus Cherbourg machten sich Gedanken über die Verhinderung von Elektrolyse an Bord ihrer Fahrtenyachten. 2006 gründeten sie die Firma Allures Yachting. Ziel der Werftgründung waren Planung und Bau eines robus- ten, dabei leichten und agilen Rund- spanters mit variablem Tiefgang und Doppelrudern. Das erreichten die Segler durch die Verwendung von Aluminium für die Rumpfschale. Um das Problem der Elektrolyse in den Griff zu bekommen, weisen alle Allures-Boote eine isolierende Grundierung des Rumpfes auf. Au- ßerdem werden unterschiedliche Metalle durch Plastikeinlagen auf Abstand gehalten. Der Einsatz von Aluminium als Rumpf-Material hat sich für die beiden Tüftler aus Cher- bourg ausgezahlt: Die erste 40-Fuß- Version des Bootes wurde auf An- hieb von einer französischen Yacht- zeitschrift mit dem Titel „Yacht des Jahres“ ausgezeichnet. Bei der „Pangaea“ von Mike Horn wurden weitere vorbeugende Maß- nahmen ergriffen, um den Rumpf zu schützen: „Alle elektrischen Geräte an Bord sind zweipolig verkabelt“, sagt Horn. So ausgerüstet, ist die Furcht vor Elektrolyse an Bord un- begründet. Zudem sind Messgeräte hilfreich, wenn es darum geht, ver- steckte Ströme ausfindig zu machen. Das zeigt ein Vorfall bei einer der ersten deutschen – und der wohl be- kanntesten Hochseeyacht mit Alu- minium-Rumpf überhaupt, der kruppschen „Germania VI“: Als am Liegeplatz der traditionell lindgrün lackierten Yacht alte Holz- gegen neue Metallpoller ausgetauscht wur- den, wurden nach einiger Zeit bei ei- ner Routineuntersuchung zwei Stel- len im Rumpf entdeckt, die erste An- zeichen von Elektrolyse aufwiesen. Wie sich später zeigte, hatten schwache Stromflüsse – sogenannte Kriechströme – durch die jetzt mit- einander reagierenden Metalle un- terschiedlicher Güte und durch die mangelnde Isolierung eines Bordag- gregates dazu geführt. Bei Nichtent- deckung hätte das zur schleichenden Zersetzung des Aluminiums geführt. Wehe, wenn der Strom kriecht Aluminium wird als Werkstoff beim Bau moderner Fahrtenyachten immer beliebter. Bei allen Vorteilen birgt der Werkstoff allerdings auch Gefahren Die 35 Meter lange „Pangaea“ von Mike Horn hat einen Alu-Rumpf und ist das größte Expeditions-Segelschiff, das je gebaut wurde. Im Juli stellte die Yacht ihre Qualitäten bereits vor Grönland unter Beweis Die „Germa- nia VI“ wurde 1963 als eine der ersten Yachten in Deutschland überhaupt in Aluminium gebaut. Damals war das noch ein Wagnis Mike Horn startet mit einer Alu-Yacht zur Weltumrundung FOTOS: MÜNCHEBERG; DAIMLER

2008 wehe, wenn der strom kriecht

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aluminium ist beliebt beim bau von fahrtenyachten

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Samstag, 11. Oktober 2008 DIE WELT Seite A7Boots Welt

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Von Matthias J. Müncheberg

Aluminium ist das zurzeitpopulärste Material,wenn es um den Einzel-bau von Fahrtenschiffen

geht. Aktuelles Beispiel ist die 35-Meter-Expeditionsyacht des Südaf-rikaners Mike Horn, der auf dennicht ganz unproblematischenWerkstoff schwört. Mit seiner „Pan-gaea“ will er am kommenden Sams-tag in Ushuaia, der südlichsten StadtArgentiniens, zu einer vierjährigenWeltumrundung starten.

„Aluminium ist zum einen beigleicher Festigkeit wesentlich leich-ter als Bootsbau-Stahl; das so einge-sparte Gewicht kann für Vorräte, Le-bensmittel oder Materialien verwen-det werden“, sagt ExpeditionsleiterHorn. Das sei bedeutsam für langeSchläge, auf denen viel gebunkertwerden muss, so der Extremsegler.

Zum anderen sind Aluminium-yachten wegen ihres vergleichswei-se geringeren Gewichts und des da-durch höheren Schwerpunktes stei-fer und schneller als Stahlbauten.Auch in puncto Sicherheit bietet dasLeichtmetall Vorteile: Aluminiumdeformiert sich im Falle einer Kolli-

sion, etwa mit einem über Bord ge-gangenen Container, mehr als Stahl.Das ist in etwa vergleichbar mit derKnautschzone bei einem Auto.Schließlich muss der Eigner einerAlu-Yacht die Außenhaut nicht be-schichten; das spart teure und auf-wendige Farbaufbauten. Zudemkann Aluminium durchaus unterökologischen Aspekten punkten: „Esist sehr wahrscheinlich, dass wir denRumpf der ,Pangaea‘ nach Beendi-gung unseres Segelabenteuers wie-der einschmelzen.“ Das sei fast ver-lustfrei möglich, sagt der 42-Jährige,der auf seinem Törn für Umweltpro-blematiken sensibilisieren will.

Allerdings gibt es bei allen Vorzü-gen des Materials auch ein gravie-rendes Problem. Denn Aluminium

ist wie kein anderer Bootsbau-Werk-stoff der Elektrolyse ausgesetzt. Dar-unter versteht man die Aufspaltungeiner chemischen Verbindung, indiesem Falle des Metalls Alumini-um, unter Einwirkung von elektri-schem Strom. Die Reaktion funktio-niert wie das Laden einer Batterie,nur mit umgekehrtem Vorzeichen.

Das kann bei Yachten schnell einezerfressene Bordwand mit anschlie-ßendem Totalverlust bedeuten.Solch einem Schreckensszenariokann der Bootseigner aber vorbeu-gen. „Die Frage der Elektrolyse beiAluminiumyachten wird oft über-trieben. Man darf sie jedoch nichtganz aus den Augen verlieren undmuss den Rumpf auf jeden Fallschützen“, sagt Designer Martin

Menzner von Berckemeyer YachtDesign, der mehrere Alu-Boote jähr-lich entwirft. Zu den vorbeugendenMaßnahmen gegen Elektrolyse zähltder 41-jährige Konstrukteur den An-bau von sogenannten Opfer-Anodenim Unterwasserbereich sowie ent-sprechende Isolierungen der unter-schiedlichen Metallteile an Bord.

Bei den Anoden handelt es sichzumeist um kleine Zink- oder Ma-gnesiumplättchen, die sich bei Kor-rosion zuerst selbst zerstören – sobleiben Rumpf und Schraube intakt.„Umso weiter die Metalle im Perio-densystem der Elemente auseinan-derliegen, desto gefährlicher wirdes“, warnt der Designer. Da könne ei-ne beim Schweißen des Aluminium-Rumpfes aus der Tasche gefallene

Kupfermünze schnell zur Katastro-phe führen, sagt Menzner. Auch dieFranzosen Stephan Constance undXavier Desmarest aus Cherbourgmachten sich Gedanken über dieVerhinderung von Elektrolyse anBord ihrer Fahrtenyachten. 2006gründeten sie die Firma AlluresYachting. Ziel der Werftgründungwaren Planung und Bau eines robus-ten, dabei leichten und agilen Rund-spanters mit variablem Tiefgang undDoppelrudern. Das erreichten dieSegler durch die Verwendung vonAluminium für die Rumpfschale.

Um das Problem der Elektrolysein den Griff zu bekommen, weisenalle Allures-Boote eine isolierendeGrundierung des Rumpfes auf. Au-ßerdem werden unterschiedliche

Metalle durch Plastikeinlagen aufAbstand gehalten. Der Einsatz vonAluminium als Rumpf-Material hatsich für die beiden Tüftler aus Cher-bourg ausgezahlt: Die erste 40-Fuß-Version des Bootes wurde auf An-hieb von einer französischen Yacht-zeitschrift mit dem Titel „Yacht desJahres“ ausgezeichnet.

Bei der „Pangaea“ von Mike Hornwurden weitere vorbeugende Maß-nahmen ergriffen, um den Rumpf zuschützen: „Alle elektrischen Gerätean Bord sind zweipolig verkabelt“,sagt Horn. So ausgerüstet, ist dieFurcht vor Elektrolyse an Bord un-begründet. Zudem sind Messgerätehilfreich, wenn es darum geht, ver-steckte Ströme ausfindig zu machen.Das zeigt ein Vorfall bei einer der

ersten deutschen – und der wohl be-kanntesten Hochseeyacht mit Alu-minium-Rumpf überhaupt, derkruppschen „Germania VI“: Als amLiegeplatz der traditionell lindgrünlackierten Yacht alte Holz- gegenneue Metallpoller ausgetauscht wur-den, wurden nach einiger Zeit bei ei-ner Routineuntersuchung zwei Stel-len im Rumpf entdeckt, die erste An-zeichen von Elektrolyse aufwiesen.

Wie sich später zeigte, hattenschwache Stromflüsse – sogenannteKriechströme – durch die jetzt mit-einander reagierenden Metalle un-terschiedlicher Güte und durch diemangelnde Isolierung eines Bordag-gregates dazu geführt. Bei Nichtent-deckung hätte das zur schleichendenZersetzung des Aluminiums geführt.

Wehe, wenn der Strom kriechtAluminium wird als Werkstoff beim Bau

moderner Fahrtenyachten immerbeliebter. Bei allen Vorteilen birgt derWerkstoff allerdings auch Gefahren

Die 35 Meter lange „Pangaea“ von Mike Horn hat einen Alu-Rumpf und ist das größte Expeditions-Segelschiff, das je gebaut wurde. Im Juli stellte die Yacht ihre Qualitäten bereits vor Grönland unter Beweis

Die „Germa-nia VI“ wurde

1963 als eineder erstenYachten in

Deutschlandüberhaupt in

Aluminiumgebaut. Damals

war das nochein Wagnis

Mike Horn startet mit einerAlu-Yacht zur Weltumrundung

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