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+ Abgezeichnet von: Abgezeichnet von: Anzeige Von Matthias J. Müncheberg _______________________________ Markus Wieser hat ein kleines Problem. Jedes Mal, wenn ein an- derer Hund an dem Tisch des Stra- ßencafés in Berlin-Charlottenburg, in dem er gerade frühstückt, vorbei- schnüffelt, kommt sein eigener klei- ner schwarzer Mischling unterm Tisch hervorgeschnellt und kläfft. Der Hund, der auf Wunsch einer seiner vier Töchter in Palma ange- schafft wurde, ist vor zwei Jahren mit der Familie von Mallorca nach Berlin umgezogen. Hund und Herrchen haben noch Eingewöhnungsprobleme. Bei Wie- ser liegt es daran, dass er viel arbei- tet. Und das bedeutet, dass er den Großteil seiner Zeit dort verbringt, wo andere Urlaub machen – auf dem Wasser. Der 46-Jährige ist von Beruf Pro- fisegler. Dass er zusammen mit sei- nem Bruder und seinem Schwager noch eine Hausverwaltung unter- hält, fällt kaum ins Gewicht. Für ihn ist das mehr ein Nebenjob. Wieser ist es auch lieber so. Seinen Arbeits- platz im Büro tauscht er gern gegen einen Platz an der Pinne ein. Wenn er nicht gerade auf der Rennyacht von Udo Schütz, der „Container“, oder auf der „Sea Dubai“, einem RC-44-Flitzer, das Steuer in der Hand hält, dann sitzt er an der Pin- ne der „Bunker Queen“, eines Dra- chens. Vor Kurzem hat er bei der Europameisterschaft auf dem unga- rischen Plattensee zusammen mit Sergeij Pugatchew und Matti Pa- schen mit elf Punkten Vorsprung vor dem Zweiten den Titel geholt – es war sein dritter in Folge. „Sicherlich gibt es spektakuläre- re Boote als den Drachen“, sagt Wieser. Wenn man Boot gegen Boot segle, zähle aber nur die relative Schnelligkeit des schlanken, knapp neun Meter langen Rumpfes. „Es gibt keine Entschuldigungen für ei- ne schlechte Platzierung. Dann bist du eben schlecht gesegelt, hast Feh- ler gemacht.“ Das Material ist gleich und damit auch die Chancen. Woran liegt es aber, dass Wieser zurzeit außergewöhnlich erfolg- reich ist? Egal ob im Drachen, bei der RC-44-Etappe vor Valencia, bei der er im Match-Race den vierten Rang belegte – noch vor den Ameri- ca’s-Cup-Gewinnern von 2010, James Spithill und John Kostecki – oder bei der Ende August beende- ten Copa del Rey vor Palma, bei der er mit einem älteren Schiff trotz- dem einen vorderen Platz belegte? „Der Markus hat einen Lauf“, sagt „Container“-Crewmitglied Matthi- as Bohn aus Rostock. „Er ist ein Gu- ter“, lobt ihn der sonst schweigsa- me Unternehmer und „Container“- Eigner Udo Schütz. „Er ist für mich Vorbild und perfekter Segelpart- ner“, sagt schließlich sogar einer der wenigen weiteren deutschen Profi-Segler, Matti Paschen, der mit Wieser in drei unterschiedlichen Bootsklassen zusammen segelt. Wieser selbst spricht von guter Technik als Grundlage für Erfolge. „Die muss stimmen.“ Wenn man dann noch eine gut eingespielte Crew habe, dann ist die Chance, er- folgreich auf dem Wasser zu sein, schon recht groß. Wieser sammelte schon als Kind auf dem Drachen (aus Holz) seines Vaters auf dem Starnberger See ers- te Erfahrungen. Mal segelte der heutige Betriebswirt mit seiner Schwester, mal mit dem Bruder. Dass auch viel Arbeit hinter seinen Siegen steht, erwähnt Wieser nur beiläufig. Nachdem er 1982 – nach intensivem Wassertraining – Vize- Weltmeister in der Jugendklasse Vaurien geworden war, wechselte er als 18-Jähriger die Bootsklasse und begeisterte sich für den Flying Dutchman (FD). Parallel fing er an, auch Drachen zu segeln. 1988 schaffte er den Durchbruch: deut- scher Meister mit fünf ersten Plät- zen im FD, und bei der unmittelbar darauf folgenden Drachen-Meister- schaft fiel das Segeltalent durch vier Regatta-Siege auf. „Das war eine Initialzündung“, sagt Wieser rückblickend zu sei- nem ersten souveränen Sieg in ei- ner größeren Bootsklasse. Es folgte ein Abstecher zum Speedboat-Se- geln mit der „Thomas I-Punkt“ von Thomas Friese. Und dann entdeck- te Wieser das populäre Match-Ra- cing für sich, den Wettbewerb Boot gegen Boot. Wer in so vielen Klassen segelt, für den ist Wassersport mehr als ein Hobby. Und Erfolg in diesem Beruf ist zumindest teilweise planbar. „Wir sollten uns eine Scheibe bei den anderen erfolgreichen Segelna- tionen abschneiden“, rät darum Wieser. Die Engländer würden von klein auf in verschiedenen Boots- klassen und in mehreren Regatta- Modi trainieren. Dann sei der Druck auf die Segler nicht so groß, in einer bestimmten Klasse unbe- dingt gewinnen zu müssen. Schließ- lich erweitere das auch den Hori- zont, verbessere die seglerischen Fertigkeiten und helfe, Erfahrun- gen zu sammeln. Bei einer Trainingsfahrt an Bord der „Container“ fällt auf, mit wel- cher Ruhe Wieser agiert. Seine An- weisungen kommen unmissver- ständlich und klar an die einge- spielte Crew. Gerade wurde die Yacht um einen Fuß verlängert, um beim sogenannten Mini-Maxi-Zir- kus besser mitsegeln zu können. Wieser hat einige der besten Techniker um sich versammelt. Er gilt als Perfektionist. Missglückte Manöver werden sachlich im An- schluss an das Rennen diskutiert. Die gibt es bei dem Ausnahmeseg- ler allerdings nur selten. Das haben auch potenzielle America’s-Cup- Segler erkannt. Wieser gilt als Kan- didat für eines der Schiffe beim nächsten Wettbewerb. Bis dahin hält er sich bei den bedeutendsten internationalen Regatten in ver- schiedenen Bootsklassen fit. Die härteste Regatta für den Neu-Berliner findet Anfang No- vember statt: Dann tritt Wieser, der für den Verein Seglerhaus am Wannsee (VsaW) im Boot sitzt, beim Berlin Match-Race an. Die Konkurrenz bei diesem Wettbe- werb ist hart. Aber Wieser mag das. Das bringe Spannung in die Wett- fahrten, sagt er. „Das Ziel lautet, in Berlin zu siegen.“ Das wäre dann das sechste Mal – und würde einen Gleichstand bedeuten mit einem anderen deutschen Ausnahmeseg- ler, der seine Wurzeln in Berlin hat: Jochen Schümann. Schümann ist dreimaliger Olympiasieger. Und zweimaliger America’s-Cup-Sieger. Profisegler Markus Wieser segelt zurzeit von Erfolg zu Erfolg. Wie gut er ist, hat auch der hochdekorierte Amerikaner John Kostecki erfahren Schneller als der America’s-Cup-Sieger Markus Wieser am Steuer der Rennyacht „Container“ MÜNCHEBERG (2) WELT AM SONNTAG NR. 38 T T T 19. SEPTEMBER 2010 BOOTE | 95

2010 schneller als der america`s cup-sieger

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Von Matthias J. Müncheberg_ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _

Markus Wieser hat ein kleinesProblem. Jedes Mal, wenn ein an-derer Hund an dem Tisch des Stra-ßencafés in Berlin-Charlottenburg,in dem er gerade frühstückt, vorbei-schnüffelt, kommt sein eigener klei-ner schwarzer Mischling untermTisch hervorgeschnellt und kläfft.Der Hund, der auf Wunsch einerseiner vier Töchter in Palma ange-schafft wurde, ist vor zwei Jahrenmit der Familie von Mallorca nachBerlin umgezogen.

Hund und Herrchen haben nochEingewöhnungsprobleme. Bei Wie-ser liegt es daran, dass er viel arbei-tet. Und das bedeutet, dass er denGroßteil seiner Zeit dort verbringt,wo andere Urlaub machen – aufdem Wasser.

Der 46-Jährige ist von Beruf Pro-fisegler. Dass er zusammen mit sei-nem Bruder und seinem Schwagernoch eine Hausverwaltung unter-hält, fällt kaum ins Gewicht. Für ihnist das mehr ein Nebenjob. Wieserist es auch lieber so. Seinen Arbeits-platz im Büro tauscht er gern gegeneinen Platz an der Pinne ein. Wenner nicht gerade auf der Rennyachtvon Udo Schütz, der „Container“,oder auf der „Sea Dubai“, einemRC-44-Flitzer, das Steuer in derHand hält, dann sitzt er an der Pin-ne der „Bunker Queen“, eines Dra-chens. Vor Kurzem hat er bei derEuropameisterschaft auf dem unga-rischen Plattensee zusammen mitSergeij Pugatchew und Matti Pa-schen mit elf Punkten Vorsprungvor dem Zweiten den Titel geholt –es war sein dritter in Folge.

„Sicherlich gibt es spektakuläre-re Boote als den Drachen“, sagtWieser. Wenn man Boot gegen Bootsegle, zähle aber nur die relativeSchnelligkeit des schlanken, knappneun Meter langen Rumpfes. „Esgibt keine Entschuldigungen für ei-ne schlechte Platzierung. Dann bistdu eben schlecht gesegelt, hast Feh-ler gemacht.“ Das Material istgleich und damit auch die Chancen.

Woran liegt es aber, dass Wieserzurzeit außergewöhnlich erfolg-reich ist? Egal ob im Drachen, beider RC-44-Etappe vor Valencia, bei

der er im Match-Race den viertenRang belegte – noch vor den Ameri-ca’s-Cup-Gewinnern von 2010,James Spithill und John Kostecki –oder bei der Ende August beende-ten Copa del Rey vor Palma, bei derer mit einem älteren Schiff trotz-dem einen vorderen Platz belegte?„Der Markus hat einen Lauf“, sagt„Container“-Crewmitglied Matthi-as Bohn aus Rostock. „Er ist ein Gu-ter“, lobt ihn der sonst schweigsa-me Unternehmer und „Container“-Eigner Udo Schütz. „Er ist für michVorbild und perfekter Segelpart-ner“, sagt schließlich sogar einerder wenigen weiteren deutschenProfi-Segler, Matti Paschen, der mitWieser in drei unterschiedlichenBootsklassen zusammen segelt.

Wieser selbst spricht von guterTechnik als Grundlage für Erfolge.„Die muss stimmen.“ Wenn mandann noch eine gut eingespielteCrew habe, dann ist die Chance, er-folgreich auf dem Wasser zu sein,schon recht groß.

Wieser sammelte schon als Kindauf dem Drachen (aus Holz) seinesVaters auf dem Starnberger See ers-te Erfahrungen. Mal segelte derheutige Betriebswirt mit seinerSchwester, mal mit dem Bruder.Dass auch viel Arbeit hinter seinenSiegen steht, erwähnt Wieser nurbeiläufig. Nachdem er 1982 – nachintensivem Wassertraining – Vize-Weltmeister in der JugendklasseVaurien geworden war, wechselteer als 18-Jähriger die Bootsklasseund begeisterte sich für den FlyingDutchman (FD). Parallel fing er an,auch Drachen zu segeln. 1988schaffte er den Durchbruch: deut-scher Meister mit fünf ersten Plät-zen im FD, und bei der unmittelbardarauf folgenden Drachen-Meister-schaft fiel das Segeltalent durchvier Regatta-Siege auf.

„Das war eine Initialzündung“,sagt Wieser rückblickend zu sei-nem ersten souveränen Sieg in ei-ner größeren Bootsklasse. Es folgteein Abstecher zum Speedboat-Se-geln mit der „Thomas I-Punkt“ vonThomas Friese. Und dann entdeck-te Wieser das populäre Match-Ra-cing für sich, den Wettbewerb Bootgegen Boot.

Wer in so vielen Klassen segelt,für den ist Wassersport mehr als einHobby. Und Erfolg in diesem Berufist zumindest teilweise planbar.„Wir sollten uns eine Scheibe beiden anderen erfolgreichen Segelna-tionen abschneiden“, rät darumWieser. Die Engländer würden vonklein auf in verschiedenen Boots-klassen und in mehreren Regatta-Modi trainieren. Dann sei derDruck auf die Segler nicht so groß,in einer bestimmten Klasse unbe-dingt gewinnen zu müssen. Schließ-lich erweitere das auch den Hori-zont, verbessere die seglerischenFertigkeiten und helfe, Erfahrun-gen zu sammeln.

Bei einer Trainingsfahrt an Bordder „Container“ fällt auf, mit wel-cher Ruhe Wieser agiert. Seine An-weisungen kommen unmissver-ständlich und klar an die einge-spielte Crew. Gerade wurde dieYacht um einen Fuß verlängert, umbeim sogenannten Mini-Maxi-Zir-kus besser mitsegeln zu können.

Wieser hat einige der bestenTechniker um sich versammelt. Ergilt als Perfektionist. MissglückteManöver werden sachlich im An-schluss an das Rennen diskutiert.Die gibt es bei dem Ausnahmeseg-ler allerdings nur selten. Das habenauch potenzielle America’s-Cup-Segler erkannt. Wieser gilt als Kan-didat für eines der Schiffe beimnächsten Wettbewerb. Bis dahinhält er sich bei den bedeutendsteninternationalen Regatten in ver-schiedenen Bootsklassen fit.

Die härteste Regatta für denNeu-Berliner findet Anfang No-vember statt: Dann tritt Wieser, derfür den Verein Seglerhaus amWannsee (VsaW) im Boot sitzt,beim Berlin Match-Race an. DieKonkurrenz bei diesem Wettbe-werb ist hart. Aber Wieser mag das.Das bringe Spannung in die Wett-fahrten, sagt er. „Das Ziel lautet, inBerlin zu siegen.“ Das wäre danndas sechste Mal – und würde einenGleichstand bedeuten mit einemanderen deutschen Ausnahmeseg-ler, der seine Wurzeln in Berlin hat:Jochen Schümann. Schümann istdreimaliger Olympiasieger. Undzweimaliger America’s-Cup-Sieger.

Profisegler MarkusWieser segeltzurzeit von Erfolg zuErfolg. Wie gut erist, hat auch derhochdekorierteAmerikaner JohnKostecki erfahren

Schneller als derAmerica’s-Cup-Sieger

Markus Wieser am Steuer der Rennyacht „Container“

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