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Kongressberichte | Congress Reports Dt Ztschr f Akup. 52, 4/2009  69 DZA DOI: 10.1016/j.dza.2009.10.010  69 Dt Ztschr f Akup. 52, 4/2009 3. Internationales Johannes-Bischko-Symposium vom 26.–28. Juni 2009 50 %. Jährlich gehen in Österreich 8,4 Millionen Kranken- standstage auf das Konto von rheumatischen Beschwerden im weitesten Sinn. Diverse Studien und die Statistik der Akupunkturambulanz des Kaiserin Elisabeth Spitals belegen die Bedeutung der Akupunktur bei diesem Beschwerdebild. Die Rolle der Akupunktur beim Schulterschmerz hob Dr. Rainer Kluger, Orthopäde und Präsident der Österrei- chischen Wissenschaftlichen Ärztegesellschaft für Aku- punktur (ÖWÄA), hervor. Der Orthopäde Dr. Helmut Liert- zer blickte zurück ins Jahr 1928, als die Brüder Hunecke durch Zufall Fernwirkungen einer Lokalanästhesie beob- achten konnten und damit der Grundstein für die Neur- altherapie gelegt war. Den Bezug zur Homöopathie stellte Prof. Dr. Michael Frass, Universität Wien, her. Besonders onkologische Patienten werden in der homöopathischen Ambulanz des Wiener Allgemeinen Krankenhauses (AKH) behandelt. Sehr interessante und zum großen Teil auch tra- gische Patientenschicksale wurden von ihm vorgestellt. TCM und Sport Was kann die TCM für den Sport bringen? Zu diesem The- ma fanden mehrere Vorträge statt, zunächst von Prof. Dr. Norbert Bachl, Zentrum für Sportwissenschaft der Univer- sität Wien. Er unterschied zwei Gruppen von Sportlern: Leistungssportler, bei denen Akupunktur hauptsächlich zur rascheren Genesung nach Verletzungen Anwendung findet, und Breitensportler, bei denen Kraft und Ausdauer durch Akupunktur beeinflusst werden können. Beim Hochleis- tungssport werden die Sportler bis zur maximalen Belas- tungsgrenze gefordert, hier kann die Akupunktur keine Ver- besserung im Sinne eines Dopings bewirken. Einer Umfrage zufolge benützen Ärzte von Olympiamannschaften zu 70 % Das 3. Internationale Johannes-Bischko-Symposium be- gann mit einem sehr gut besuchten und spannenden Pu- blikumskongress, der auch den gebührenden Rahmen für die Feier zum 55-jährigen Bestehen der österreichischen Gesellschaft für Akupunktur (ÖGA) bot. Das diesjährige Motto „Komplementärmedizin quo vadis – Gestern, Heute, Morgen“ ließ eine große Palette an unterschiedlichen Vor- tragsinhalten zu. „Roter Faden“: Schmerz und Placebo Ein zentrales Thema war der Schmerz- und Placebofor- schung gewidmet. Prof. Dr. Kurt Jellinger, Institut für Kli- nische Neurobiologie in Wien, brachte ein Update über den aktuellen Stand der Schmerzforschung und einen Ausflug in die Neurobiologie der Placeboeffekte. Gemäß seiner Un- tersuchungen empfinden unbehandelte Demenzpatienten weniger Schmerzen als behandelte [1]. Jellinger stellte zur Placebofrage eine Studie von Petrovic vor, in der mittels Positronenemissionstomografie eine Aktivität im rostralen anterioren Cortex cinguli sowohl bei Analgesie mit Opio- iden als auch mit Placebo nachgewiesen werden konnte [2]. Auch wenn durch die großen deutschen Studien die Placeboforschung unter Akupunkteuren wieder einen gro- ßen Stellenwert einnimmt, so stammt der Begriff als me- dizinische Intervention, die zwar gefällt, aber nichts hilft, aus dem 18. Jahrhundert. Auf die enorme therapeutische Bedeutung eines Placebos wies 1955 Beecher hin, der al- lerdings nicht unumstritten blieb [3, 4]. In diesem Zusam- menhang ist auch die Frage nach dem Noceboeffekt inter- essant. Placebo, ich möchte gefallen, als Gegenteil Nocebo, ich möchte schaden, beides scheint einen großen Stellen- wert in Bezug auf das Therapieziel einzunehmen. Eine ähnliche Thematik wurde von Prof. Dr. Wilfried Jänig vom physiologischen Institut der Christian-Albrechts- Universität Kiel aufgegriffen. Er sprach über die Rolle des peripheren vegetativen Nervensystems beim Schmerz. Zum Thema „Wie steuert das Gehirn den Körper“ gibt es unzäh- lige Untersuchungen. Dabei sollte man sich ebenfalls die Frage nach den Afferenzen stellen. Immerhin besitzt der N. Vagus über 80 % afferente Fasern. Seit Descartes werden Körper und Gehirn getrennt betrachtet, die Zukunft sollte aber der gegenseitigen Beeinflussung gewidmet sein. Prof. Dr. Wilfried Ilias, Vorstand der Abteilung für Anäs- thesiologie des Krankenhauses der Barmherzigen Brüder, Wien, sprach über den aktuellen Stand der Schmerzthera- pie. Prof. Dr. Helmut Nissel, ärztlicher Direktor des Kaise- rin Elisabeth Spitals in Wien und Präsident der ÖGA be- tonte speziell die Akupunktur als adäquate Therapie bei rheumatischen Schmerzen. Mehr als 100 unterschiedliche Krankheitsbilder werden dem rheumatischen Formenkreis zugeordnet und die Chance, mindestens einmal im Leben an einem dieser Symptome zu erkranken, beträgt immerhin Abb. 1: Prof. Alexander Meng, Vizepräsident der ÖGA

3. Internationales Johannes-Bischko-Symposium vom 26.–28. Juni 2009

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Kongressberichte | Congress ReportsDOI : 10. 10 16/ j .dza .2009.10.0 10   69    Dt Z tschr f Akup. 52 , 4 / 2009

3. Internationales Johannes-Bischko-Symposiumvom 26.–28. Juni 2009

Das 3. Internationale Johannes-Bischko-Symposium be-gann mit einem sehr gut besuchten und spannenden Pu-blikumskongress, der auch den gebührenden Rahmen für die Feier zum 55-jährigen Bestehen der österreichischen Gesellschaft für Akupunktur (ÖGA) bot. Das diesjährige Motto „Komplementärmedizin quo vadis – Gestern, Heute, Morgen“ ließ eine große Palette an unterschiedlichen Vor-tragsinhalten zu.

„Roter Faden“: Schmerz und Placebo

Ein zentrales Thema war der Schmerz- und Placebofor-schung gewidmet. Prof. Dr. Kurt Jellinger, Institut für Kli-nische Neurobiologie in Wien, brachte ein Update über den aktuellen Stand der Schmerzforschung und einen Ausfl ug in die Neurobiologie der Placeboeff ekte. Gemäß seiner Un-tersuchungen empfi nden unbehandelte Demenzpatienten weniger Schmerzen als behandelte [1]. Jellinger stellte zur Placebofrage eine Studie von Petrovic vor, in der mittels Positronenemissionstomografi e eine Aktivität im rostralen anterioren Cortex cinguli sowohl bei Analgesie mit Opio-iden als auch mit Placebo nachgewiesen werden konnte [2]. Auch wenn durch die großen deutschen Studien die Placeboforschung unter Akupunkteuren wieder einen gro-ßen Stellenwert einnimmt, so stammt der Begriff als me-dizinische Intervention, die zwar gefällt, aber nichts hilft, aus dem 18. Jahrhundert. Auf die enorme therapeutische Bedeutung eines Placebos wies 1955 Beecher hin, der al-lerdings nicht unumstritten blieb [3, 4]. In diesem Zusam-menhang ist auch die Frage nach dem Noceboeff ekt inter-essant. Placebo, ich möchte gefallen, als Gegenteil Nocebo, ich möchte schaden, beides scheint einen großen Stellen-wert in Bezug auf das Therapieziel einzunehmen. Eine ähnliche Thematik wurde von Prof. Dr. Wilfried Jänig vom physiologischen Institut der Christian-Albrechts-Universität Kiel aufgegriff en. Er sprach über die Rolle des peripheren vegetativen Nervensystems beim Schmerz. Zum Thema „Wie steuert das Gehirn den Körper“ gibt es unzäh-lige Untersuchungen. Dabei sollte man sich ebenfalls die Frage nach den Aff erenzen stellen. Immerhin besitzt der N. Vagus über 80 % aff erente Fasern. Seit Descartes werden Körper und Gehirn getrennt betrachtet, die Zukunft sollte aber der gegenseitigen Beeinfl ussung gewidmet sein.Prof. Dr. Wilfried Ilias, Vorstand der Abteilung für Anäs-thesiologie des Krankenhauses der Barmherzigen Brüder, Wien, sprach über den aktuellen Stand der Schmerzthera-pie. Prof. Dr. Helmut Nissel, ärztlicher Direktor des Kaise-rin Elisabeth Spitals in Wien und Präsident der ÖGA be-tonte speziell die Akupunktur als adäquate Therapie bei rheumatischen Schmerzen. Mehr als 100 unterschiedliche Krankheitsbilder werden dem rheumatischen Formenkreis zugeordnet und die Chance, mindestens einmal im Leben an einem dieser Symptome zu erkranken, beträgt immerhin

50 %. Jährlich gehen in Österreich 8,4 Millionen Kranken-standstage auf das Konto von rheumatischen Beschwerden im weitesten Sinn. Diverse Studien und die Statistik der Akupunkturambulanz des Kaiserin Elisabeth Spitals belegen die Bedeutung der Akupunktur bei diesem Beschwerdebild. Die Rolle der Akupunktur beim Schulterschmerz hob Dr. Rainer Kluger, Orthopäde und Präsident der Österrei-chischen Wissenschaftlichen Ärztegesellschaft für Aku-punktur (ÖWÄA), hervor. Der Orthopäde Dr. Helmut Liert-zer blickte zurück ins Jahr 1928, als die Brüder Hunecke durch Zufall Fernwirkungen einer Lokalanästhesie beob-achten konnten und damit der Grundstein für die Neur-altherapie gelegt war. Den Bezug zur Homöopathie stellte Prof. Dr. Michael Frass, Universität Wien, her. Besonders onkologische Patienten werden in der homöopathischen Ambulanz des Wiener Allgemeinen Krankenhauses (AKH) behandelt. Sehr interessante und zum großen Teil auch tra-gische Patientenschicksale wurden von ihm vorgestellt.

TCM und Sport

Was kann die TCM für den Sport bringen? Zu diesem The-ma fanden mehrere Vorträge statt, zunächst von Prof. Dr. Norbert Bachl, Zentrum für Sportwissenschaft der Univer-sität Wien. Er unterschied zwei Gruppen von Sportlern: Leistungssportler, bei denen Akupunktur hauptsächlich zur rascheren Genesung nach Verletzungen Anwendung fi ndet, und Breitensportler, bei denen Kraft und Ausdauer durch Akupunktur beeinfl usst werden können. Beim Hochleis-tungssport werden die Sportler bis zur maximalen Belas-tungsgrenze gefordert, hier kann die Akupunktur keine Ver-besserung im Sinne eines Dopings bewirken. Einer Umfrage zufolge benützen Ärzte von Olympiamannschaften zu 70 %

Abb. 1:Prof. Alexander Meng,

Vizepräsidentder ÖGA

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AkupunkturD e u t s c h e Z e i t s c h r i f t f ü r

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TCM im Falle von Verletzungen. Bei untrainierten Personen gibt es verbessernde Eff ekte auf die Muskelkraft. In einer Studie von Huang wurde drei Mal pro Woche an Ma 36 und 39 elektrostimuliert und im Anschluss daran die Kraft in den Beinen gemessen. Obwohl nur unilateral stimuliert wurde, kam es auf beiden Beinen zu einer Kraftzunahme [5]. Banzer konnte bei zwölf trainierten Sportstudenten durch Akupunktur an Ma 36, Mi 6 und an Ohrpunkten keine Än-derung der Sprungleistung feststellen [6]. Bemerkenswert, nicht so sehr aus Sicht der TCM, sondern weil dadurch Ein-blicke in die Leistungssportphilosophie möglich werden, ist die Entwicklung einer chemischen Substanz (AICAR), die bei Mäusen zu einer Leistungssteigerung von 60–70 % führt [7]. Bisher nur an Mäusen getestet, ohne Nachweis, wie und ob auch beim Menschen ein Einsatz denkbar wäre, ohne Frage nach den Nebenwirkungen, gab es an den Autor schon un-zählige Anfragen aus dem Leistungssportmilieu.Prof. Dr. Karl Zippelius, Orthopäde zwischen Witten/Herde-cke und Florenz, konnte über positive Eff ekte chinesischer Kräuter im Spitzensport berichten. Das Verletzungsrisiko wird vermindert, Regeneration nach Höchstleistungen be-schleunigt und anders als mit Akupunktur kann auch die Leistungsfähigkeit gesteigert werden. Keine Studie in klas-sischem Sinn, aber eine Beobachtung aus dem Spiel Italien gegen Südkorea bei der Fußballweltmeisterschaft 2002 (Er-gebnis: 1:2 in der Verlängerung) zeigte ein enormes Durch-haltevermögen der koreanischen Spieler bis in die Verlän-gerung hinein. Der Trainer gab an, dass die Mannschaft seit Monaten dreimal pro Tag chinesische Heilkräuter mit Ginseng und Fischextrakten einnahm.Optisch in die Welt des Fußballs versetzte der Osteopath Thomas Marquardt, Hamburg, das Publikum. Als Funkti-onsanalytiker betreut er die Profi fußballer des Hamburger

Abb. 2: Jürgen Lambrecht, Osteopath in Hamburg

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Sportvereins. Detailreich und in Zeitlupe zeigte er das Ver-letzungspotential der einzelnen Spieler während eines Fuß-ballspiels. Mit der Integration von Osteopathie und TCM in Diagnostik und Therapie kann für eine bessere Regenera-tion und damit zu einer schnelleren Wiedereinsetzbarkeit der Spieler beigetragen werden.

Segmente und Fascien als Erklärungsmodell

der Akupunkturwirkung

Jürgen Lambrecht, ebenfalls Osteopath aus Hamburg, be-richtete über die Bedeutung der Fascien als Kommunikati-onswege. Aus der Embryologie lassen sich drei Wachstums-richtungen des fascialen Systems ableiten: ein vertikales dreifaches Röhrensystem, ein horizontales Dia phrag ma sys-tem und ein laterales Extremitätensystem. Über die Dura mater besteht eine vertikale Verbindung vom Steißbein bis zum Os ethmoidale, was erklärt, warum ein Sturz auf das Steißbein eine Sinusitis auslösen kann. Von der Steiß-beinspitze besteht ein horizontaler Zusammenhang mit der Symphyse und damit eine Beeinfl ussung aller Organe im kleinen Becken. Ebenfalls horizontal ist Magen mit Leber und Gallengänge in Verbindung und die Leber wiederum geht eine enge Beziehung zum Zwerchfell ein und wird durch die Atembewegungen beeinfl usst. Einen segmentalen Zusammenhang von Akupunkturpunk-ten bekam das interessierte Publikum von DDr. Tom Ots zu hören, der bei vielen Alarm- und Zustimmungspunkten über die Segmentzugehörigkeit die chinesische Punktspe-zifi tät erklären konnte; allerdings sind über den Bezug zu den Dermatomen derzeit noch nicht alle Punktwirkungen erklärbar. Ein viel beachtetes Buch zur Segmentanatomie ist kürzlich erschienen [8].

TCM in Ost und West

Neben den wissenschaftlichen und deutlich westlich orien-tierten Vorträgen kam auch die TCM-Philosophie nicht zu kurz. Prof. Dr. Karl Kratky, Universität Wien, meinte, dass im Rahmen der Entwicklung der TCM im Westen auch viel Wissen verloren gegangen sei. Dr. Evemarie Wolkenstein, Vizepräsidentin der ÖGA, zeigte die Möglichkeiten auf, wie die TCM für die psychische Gesundheit von Bedeutung sein kann und betonte, dass die Zukunft der TCM wieder in ih-ren Wurzeln liegen sollte. Prof. Dr. Claus Schnorrenberger, International Col lege of Chinese Medicine Basel, gab einen Überblick über die TCM-Lehre und Praxis im Westen. Auf die Entwicklung der TCM in Deutschland blickte Dr. Walburg Marić-Oehler, auf das Sub Health Konzept in der Schweiz Dr. Sandi Suwanda. Noch viele weitere Vortragende, die sich in-ternational einen Namen gemacht haben, wie Prof. Dr. Benno Brinckhaus, Dr. Jochen Gleditsch, Prof. Dr. Johannes Nepp und viele mehr trugen zum gelungenen Kongresswochenende bei. Prof. Dr. Alexander Meng, als Vizepräsident der ÖGA und hauptverantwortlich für das Gelingen dieses herausragenden Kongresses, griff das Thema „Quo vadis“ auf und zeigte den Weg der ÖGA durch 55 Jahre, einen Weg, der immer eng mit dem Namen Bischko und auch mit der DZA verbunden war.

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M. B i jak 3. Internationales Johannes-Bischko-Symposium vom 26.–28. Juni 2009

Verleihung des Johannes-Bischko-Preises

Für die beste eingereichte wissenschaftliche Arbeit erhielt DDr. Irmgard Simma-Kletschka den diesjährigen Johannes-Bischko-Preis für Akupunktur. Ihre Arbeit mit dem Thema „Die Sofortwirkung der Akupunktur bei craniomandibulä-ren Dysfunktionen – eine randomisierte kontrollierte Stu-die“ ist in dieser DZA veröff entlicht.Für das beste Studienkonzept ging der Preis an Dr. Jürgen Hörhan, der einen Zusammenhang von Menstruationsano-malien aus Sicht der TCM mit nachfolgender Frühgeburt aufdeckte.

Gedanken zum Abschluss

Der große Vorteil eines Kongressbesuches besteht nicht nur im Zuhören von einer Vielzahl an renommierten hoch spe-zialisierten Fachleuten, die zu ihrem Thema viel zu sagen haben, sondern auch in der Möglichkeit zur Diskussion. Angeregt von der Komplexität des Symposiums, von den Vorträgen und von den anschließenden Diskussionen, blie-ben für mich zwei zentrale Gedanken im Raum stehen:

Placebo und Nocebo. Die Akupunktur mit dem unbe-1. streitbar großen Anreiz, der heutzutage allem „Exoti-schen“ anhaftet, kann sich als Placebo – im Sinne von: ich will gefallen – betrachten. Das stärkste Nocebo, das mir einfällt, ein Medium, das von sich aus behauptet zu schaden, ist der Medikamentenbeipackzettel mit den vielen Möglichkeiten unerwünschter Wirkungen des entsprechenden Medikaments. Wäre eine Nocebo-Forschung unethisch? Wie wirkt ein Medikament, das im Beipacktext nur erwünschte Reaktionen festhält im Vergleich zu demselben Medikament, das hauptsächlich Nebenwirkungen anführt? Die Fascien als Verbindungswege könnten erklären, wa-2. rum die Chinesen davon sprachen, dass die Leber den

LiteraturJellinger K. Schmerz und Demenz I. Neuropathologische Veränderungen 1. im Schmerzverarbeitenden System. Focus Neuro Geriatrie 2008;2(2):12–15Petrovic P, Kalso E, Petersson KM, Ingvar M. Placebo and Opioid Analgesia 2. – Imaging a Shared Neuronal Network. Science 2002;295:1737–1740Beecher HK. The powerful placebo. J Am Med Assoc. 1955;159(17):1602–63. Kienle GS, Kiene H. The powerful placebo eff ect: fact or fi ction? J Clin 4. Epidemiol. 1997;50(12):1311–8Huang LP, Zhou S, Lu Z, Tian Q, Li X et al. Bilateral Eff ect of Unilateral 5. Electroacupuncture on Muscle Strength. The Journal of Alternative and Compl Med 2007;13(5):539–546Banzer W, Hübscher M, Pfab F, Ziesing A, Vogt L. Akute Eff ekte der 6. Nadelakupunktur auf die motorische Leistungsfähigkeit im Dehnungs-Verkürzungs-Zyklus. Forch Komplementmed 2007;14:81–85J7. orgensen SB, Treebak JT, Viollet B, Schjerling P, Vaulont S et al. Role of AMPK 2 in basal, training-, and AICAR-induced GLUT4, hexokinase II, and mitochondrial protein expression in mouse muscle. Am J Physiol Endocrinol Metab 2007;292:E331–E339Wancura Kampik I. Segmentanatomie. München: Elsevier, Urban und 8. Fischer, 2009

Michaela [email protected]

Gestern – musste sich die TCM im Westen behaupten.Heute – ist zumindest die Akupunktur aus der kon-ventionellen Therapie nicht mehr wegzudenken.Morgen – hoff e ich auf Zweisprachigkeit. Nicht nur englisch und deutsch, sondern altchinesische Bilder- und Symbolsprache gemeinsam mit wissenschaftli-cher Analytik, und beide Sprachen vereint werden zu einem noch besseren Therapieergebnis beitragen.

Magen attackieren kann, warum ein Magenproblem zu Kopfschmerzen und Konzentrationsproblemen führen kann, warum der Meisterpunkt des Zwerchfells Bl 17 auch auf das Leberblut wirkt. Und vieles mehr.

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Erstes Essen-Consensus-Symposium 2009Workshop zur Chinesischen Medizin in Deutschland

DOI : 10. 10 16/ j .dza .2009.10.025   7 1    Dt Z tschr f Akup. 52 , 4 / 2009

Hintergrund

Was ist ihr Potenzial, wie kann die Chinesische Medizin künftig sinnvoll in das deutsche Gesundheitssystem in-tegriert werden? Mit dieser Frage beschäftigte sich das 1. Essen-Consensus-Symposium, das am 19. September, anlässlich der 10-Jahresfeier der Klinik für Naturheilkun-de und Integrative Medizin der Kliniken Essen-Mitte und der 5-Jahresfeier des Lehrstuhls für Naturheilkunde der Alfried-Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung der Uni-versität Duisburg-Essen stattfand.Wissenschaftliche Studien und klinische Praxis bestätigen, dass die Chinesische Medizin vor allem bei der Behandlung

chronischer Krankheiten einen wichtigen Beitrag leisten kann. Doch Medizinern wie Patienten fehlt die Orientie-rung im Dschungel der seriösen wie unseriösen Angebote. Deshalb sind eine bessere Qualitätssicherung sowie eine Standortbestimmung dringend geboten.Ziel der Veranstaltung war die kritische und kreative Re-fl exion der Chinesischen Medizin allein bzw. als Teilaspekt einer Integrativen Medizin in Deutschland. Dabei sollten der Status ihrer medizinischen Praxis systematisch von Exper-ten aufgearbeitet, ihr therapeutisches Potenzial aufgezeigt und mögliche Einsatzgebiete identifi ziert werden. Im Zent-