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Internist 2012 · 53:990–994 DOI 10.1007/s00108-012-3075-9 Online publiziert: 23. Mai 2012 © Springer-Verlag 2012 E. Heinrich · K. Gutberlet · J. Ockenga Medizinische Klinik II, Klinikum Bremen-Mitte, Bremen 38-jährige Patientin  mit Gastroenteritis und  ungewöhnlichen Leberherden Anamnese bis zur Krankenhauseinweisung Eine 38-jährige Patientin stellte sich im April 2009 bei Ihrem Hausarzt aufgrund einer Diarrhöepisode mit Leistungsknick und Oberbauchschmerzen vor. Labor- chemisch zeigten sich erhöhte Werte der γ-Glutamyltransferase (GGT) und alka- lischen Phosphatase (AP) bei einem an- sonsten unauffälligen Routinelabor, das auch die folgenden Parameter erfasste: Bi- lirubin, Transaminasen, Lipase, Differen- zialblutbild, C-reaktives Protein, Elektro- lyte, Nierenretentionsparameter und Ge- rinnung. In einer Sonographie des Ab- domens wurde aufgrund multipler um- schriebener Veränderungen der Leber der Verdacht auf eine diffuse Lebermetastasie- rung gestellt. In der konsekutiv durchge- führten CT sowie MRT (. Abb. 1, 2) be- stätigte sich die Verdachtsdiagnose mul- tipler Leberrundherde mit letztlich unkla- rer Dignität. Zu diesem Zeitpunkt war kli- nisch bereits wieder eine weitgehende Be- schwerdefreiheit zu verzeichnen, die gas- trointestinale Symptomatik war bei kons- tantem Gewicht rückläufig. Hinweise auf extrahepatische Raumforderungen erga- ben sich CT- sowie MR-morphologisch nicht. Die erhobenen Befunde waren ins- gesamt nicht richtungsweisend für eine fokal-noduläre Hyperplasie (FNH), Le- beradenome oder multiple Hämangiome. Mit der primären Arbeitshypothese „un- klare Leberraumforderungen mit hoch- gradigem Verdacht auf maligne Dignität“ wurde die Patientin in unserer Klinik zur weiteren Abklärung vorgestellt. Befunde bei Krankenhausaufnahme Der körperliche Untersuchungsbefund der beschwerdefreien Patientin war bei athletischem Habitus (Gewicht: 66 kg, Körpergröße: 182 cm; Body-Mass-Index: 19,9 kg/m 2 ) komplett unauffällig. Abgesehen von der Einnahme eines oralen Kontrazeptivums (Valette®: 0,03 mg Ethinylöstradiol + 2 mg Dieno- gest) seit etwa 10 Jahren wurden keine Medikamente regelmäßig eingenommen. In der Vorgeschichte fanden sich serolo- gisch ein Zustand nach unkomplizierter Hepatitis-A-Infektion sowie klinisch re- zidivierende Epistaxisepisoden bei sonst unauffälliger Krankengeschichte. Es be- standen keine Grunderkrankungen, kein Nikotinabusus und nur selten mäßiger Alkoholkonsum. Die Familienanamnese war bland, in den Laboruntersuchungen zeigte sich lediglich eine Erhöhung der GGT und AP (. Tab. 1). Weiterführende Diagnostik Nativsonographisch zeigten sich multip- le, diffuse, echoarme, inhomogene Raum- forderungen der Leber unterschiedlicher Größe (. Abb. 3). Farbdopplersonogra- phisch waren die Herde hypervaskulari- siert. Es fand sich eine normkalibrige Le- berarterie mit einer v max von 96,9 cm/s und einem Widerstandsindex (RI) von 0,66. Zentral zeigte sich eine v max von 48,5 cm/s bei einem RI von 0,68. Zur wei- teren Differenzierung erfolgte eine Kont- rastmittel(KM)-Sonographie (SonoVue®, Bolus 2,4 ml, Phillips HDI 5000 3,5– 6 MHz). Hier konnte anhand einer Re- ferenzläsion im linken Leberlappen eine schnelle zentripetale Anströmung des KM nach etwa 13 s mit zentrifugalem Abflu- Abb. 17 Multislice-CT  des Oberbauchs in der  arteriellen Kontrast- mittelphase. Multip- le, echoreiche, teils in- homogene Raumfor- derungen der Leber.  Pfeil Größte und später  als „Referenzläsion“ zur  besseren Verlaufskon- trolle genutzte Raum- forderung Rubrikherausgeber K. Werdan, Halle (Saale) 990 | Der Internist 8 · 2012 Kasuistiken

38-jährige Patientin mit Gastroenteritis und ungewöhnlichen Leberherden

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Page 1: 38-jährige Patientin mit Gastroenteritis und ungewöhnlichen Leberherden

Internist 2012 · 53:990–994DOI 10.1007/s00108-012-3075-9Online publiziert: 23. Mai 2012© Springer-Verlag 2012

E. Heinrich · K. Gutberlet · J. OckengaMedizinische Klinik II, Klinikum Bremen-Mitte, Bremen

38-jährige Patientin mit Gastroenteritis und ungewöhnlichen Leberherden

Anamnese bis zur Krankenhauseinweisung

Eine 38-jährige Patientin stellte sich im April 2009 bei Ihrem Hausarzt aufgrund einer Diarrhöepisode mit Leistungsknick und Oberbauchschmerzen vor. Labor-chemisch zeigten sich erhöhte Werte der γ-Glutamyltransferase (GGT) und alka-lischen Phosphatase (AP) bei einem an-sonsten unauffälligen Routinelabor, das auch die folgenden Parameter erfasste: Bi-lirubin, Transaminasen, Lipase, Differen-zialblutbild, C-reaktives Protein, Elektro-lyte, Nierenretentionsparameter und Ge-rinnung. In einer Sonographie des Ab-domens wurde aufgrund multipler um-schriebener Veränderungen der Leber der Verdacht auf eine diffuse Lebermetastasie-rung gestellt. In der konsekutiv durchge-führten CT sowie MRT (. Abb. 1, 2) be-stätigte sich die Verdachtsdiagnose mul-tipler Leberrundherde mit letztlich unkla-rer Dignität. Zu diesem Zeitpunkt war kli-nisch bereits wieder eine weitgehende Be-schwerdefreiheit zu verzeichnen, die gas-trointestinale Symptomatik war bei kons-tantem Gewicht rückläufig. Hinweise auf extrahepatische Raumforderungen erga-ben sich CT- sowie MR-morphologisch nicht. Die erhobenen Befunde waren ins-gesamt nicht richtungsweisend für eine fokal-noduläre Hyperplasie (FNH), Le-beradenome oder multiple Hämangiome. Mit der primären Arbeitshypothese „un-klare Leberraumforderungen mit hoch-gradigem Verdacht auf maligne Dignität“ wurde die Patientin in unserer Klinik zur weiteren Abklärung vorgestellt.

Befunde bei Krankenhausaufnahme

Der körperliche Untersuchungsbefund der beschwerdefreien Patientin war bei athletischem Habitus (Gewicht: 66 kg, Körpergröße: 182 cm; Body-Mass-Index: 19,9 kg/m2) komplett unauffällig.

Abgesehen von der Einnahme eines oralen Kontrazeptivums (Valette®: 0,03 mg Ethinylöstradiol + 2 mg Dieno-gest) seit etwa 10 Jahren wurden keine Medikamente regelmäßig eingenommen. In der Vorgeschichte fanden sich serolo-gisch ein Zustand nach unkomplizierter Hepatitis-A-Infektion sowie klinisch re-zidivierende Epistaxisepisoden bei sonst unauffälliger Krankengeschichte. Es be-standen keine Grunderkrankungen, kein Nikotinabusus und nur selten mäßiger Alkoholkonsum. Die Familienanamnese war bland, in den Laboruntersuchungen

zeigte sich lediglich eine Erhöhung der GGT und AP (. Tab. 1).

Weiterführende Diagnostik

Nativsonographisch zeigten sich multip-le, diffuse, echoarme, inhomogene Raum-forderungen der Leber unterschiedlicher Größe (. Abb. 3). Farbdopplersonogra-phisch waren die Herde hypervaskulari-siert. Es fand sich eine normkalibrige Le-berarterie mit einer vmax von 96,9 cm/s und einem Widerstandsindex (RI) von 0,66. Zentral zeigte sich eine vmax von 48,5 cm/s bei einem RI von 0,68. Zur wei-teren Differenzierung erfolgte eine Kont-rastmittel(KM)-Sonographie (SonoVue®, Bolus 2,4 ml, Phillips HDI 5000 3,5–6 MHz). Hier konnte anhand einer Re-ferenzläsion im linken Leberlappen eine schnelle zentripetale Anströmung des KM nach etwa 13 s mit zentrifugalem Abflu-

Abb. 1 7 Multislice-CT des Oberbauchs in der 

arteriellen Kontrast-mittelphase. Multip-

le, echoreiche, teils in-homogene Raumfor-derungen der Leber. 

Pfeil Größte und später als „Referenzläsion“ zur 

besseren Verlaufskon-trolle genutzte Raum-

forderung

RubrikherausgeberK. Werdan, Halle (Saale)

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Kasuistiken

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Abb. 2 9 MRT Ober-bauch (3 T; T2-Wich-tung axial). Multiple, diffuse, unterschiedlich echoreiche und teils in-homogene Leberläsio-nen. Pfeil Größte und später als „Referenzlä-sion“ zur besseren Ver-laufskontrolle genutzte Raumforderung

Abb. 3 8 Nativsonographische Darstellung der Referenzläsion (3,5 MHz, „curved array“). Zen-trale echoarme und inhomogene Raumforde-rung der Leber. In der Umgebung des Herds mit teils naher Lagebeziehung sind (sonographisch echofrei) Gefäße lokalisiert

Abb. 4 9 Histologi-sche Aufarbeitung des Feinnadelpunktats. Er-haltenes hepatozellu-läres Gewebe mit er-haltener Bälkchen-architektur und deut-lich erweiterten Sinu-soiden. Fokal sind in-trasinusoidale Ent-zündungszellen ab-grenzbar. (HE-Färbung, Vergr. 20:1)

ten nach 30 s beobachtet werden. Die wei-teren Leberherde zeigten das gleiche Sig-nalverhalten. Bei unklarer Dignität wurde daraufhin eine diagnostische Feinnadel-punktion (FNP) unter sonographischer Kontrolle durchgeführt. Eine zur Kom-plettierung der Diagnostik durchgeführ-te Echokardiographie ergab einen unauf-fälligen Befund.

Histologie des Feinnadelpunktats der Leber

Histologisch zeigte sich eine fokal auf-fällige Dilatation der Sinusoide im Sin-ne einer Peliosis hepatis (PH; . Abb. 4). Weiterhin nachweisbar waren eine Rare-fikation der Portalfelder und eine fokale leichtgradige chronische Entzündungsre-aktion. Das immunhistochemische Profil stellte sich wie folgt dar:F  Hepatozyten: positiv;

F  CD34: kein pathologisches Vaskulari-sationsmuster;

F  Ki-67-Proliferationsindex: keine ge-steigerte Proliferationsrate;

F  Zytokeratin 7: fokale Darstellung positiv reagierender Gallengänge bei Rarefikation der Gallengänge.

Diagnose

F  Peliosis hepatis

Therapie und Verlauf

Die kontrazeptive Medikation wurde ab-gesetzt. In der klinischen und sonogra-phischen Verlaufskontrolle nach 4 und 12 Wochen sowie 1 und 2 Jahre nach Dia-gnosestellung zeigte sich ein stationärer Befund bei klinischem Wohlbefinden oh-ne Gewichtsverlust oder Schmerzen. Die initial auffälligen Leberwerte der GGT und AP waren weiterhin konstant erhöht

bei normalen Transaminasewerten und unauffälligen Lebersyntheseparametern (. Tab. 1). Diesbezüglich wurde auf eine weiterführende Diagnostik mit Kolosko-pie, Gastroskopie, Mammographie, gynä-kologischem Konsil verzichtet. Nach Zu-sammenschau sämtlicher Befunde sowie des speziellen Verlaufs kann über einen möglichen Zusammenhang zwischen Le-bererkrankung und Einnahme der kon-trazeptiven Medikation nur spekuliert werden, da im vorliegenden Fall keinerlei Ergebnisse einer bildgebenden oder sons-tigen Diagnostik zur weiteren Klärung des Erkrankungsbeginns existierten.

Diskussion

Peliosis hepatis

Die Peliosis hepatis (PH; gr. „peli-os“ – schwarz-blau; bei makroskopisch schwarz-bläulichen bis lividen Herden an der Leberoberfläche, disseminiert, z. T. konfluierend) ist eine seltene Le-bererkrankung, bei der die Leber ein-zelne oder viele blutige zystische Läsio-nen unterschiedlicher Größe aufweist [1]. Ähnliche Befunde können in Lymph-knoten, Milz oder anderen Organen auf-treten. Die Inzidenz und Prävalenz sind nicht bekannt. Als Auslöser der Pathoge-nese werden Toxine oder Medikamente vermutet, u. a.:F  anabole Steroide,F  Kontrazeptiva,

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F  Kortikosteroide,F  Tamoxifen,F  Azathioprin,F  6-Mercaptopurin undF  Methotrexat.

In der älteren Literatur wird zudem über Assoziationen mit Vinylchlorid oder Tho-rotrast berichtet. Weiterhin scheint eine Assoziation mit einer HIV-Infektion, aber auch mit chronisch-konsumierenden Er-krankungen wie Immunsuppression, Neoplasien und Tuberkulose bei beglei-tender bakterieller Infektion zu bestehen. Letztere wird als bazilläre Peliosis hepa-tis (BPH) beschrieben, als verantwortli-che Erreger stehen Bartonella spec. unter Verdacht. Chronische Erkrankungen, u. a. Sprue, Diabetes mellitus, Vaskulitiden, hä-matologische Erkrankungen und chroni-scher Alkoholabusus, scheinen ebenfalls mit einer PH-Diagnose assoziiert zu sein.

Mikroskopisch zeigen sich dilatierte Sinusoide mit teilweise rupturiertem Bin-degewebssaum. Die Sinusoide sind blut-gefüllt und durch Leberzellstreifen kon-turiert. Es werden 2 Typen unterschie-den. Beim sog. phlebektatischen Typ zeigt sich eine Endothelauskleidung der Hohl-räume mit ektatischer Zentralvene. Der parenchymatöse Typ ist gekennzeichnet

Zusammenfassung · Abstract

Internist 2012 · 53:990–994   DOI 10.1007/s00108-012-3075-9© Springer-Verlag 2012

E. Heinrich · K. Gutberlet · J. Ockenga

38-jährige Patientin mit Gastroenteritis und ungewöhnlichen Leberherden

ZusammenfassungEine 38-jährige Patientin wurde bei ihrem Hausarzt mit dem Beschwerdebild einer Gas-troenteritis vorstellig. Eine Abdominalsono-graphie bei erhöhten „Leberwerten“ erbrach-te den Verdacht auf multiple Raumforderun-gen der Leber. Eine konsekutiv durchgeführ-te Bildgebung mit CT und MRT konnte kei-ne weitere Klärung der Dignität ermöglichen. Daraufhin wurden eine Kontrastmittelsono-graphie und Feinnadelbiopsie durchgeführt, die zielführend waren. Es ergab sich die selte-ne Diagnose einer Peliosis hepatis. Nach Ab-setzen der antikonzeptiven Medikation („Pil-le“) konnte in den Kontrolluntersuchungen ein stationärer Befund bei klinischem Wohl-befinden verzeichnet werden.

Die Peliosis hepatis ist eine seltene Leber-erkrankung, bei der es zur Bildung von „bluti-

gen Zysten“ innerhalb der Leber kommt. Die genaue Ätiologie und Pathogenese sind wei-terhin unklar. Als Auslöser werden Medika-mente oder Toxine vermutet. Die in der Li-teratur beschriebenen Verläufe reichen von einer kompletten Asymptomatik über un-spezifische Symptome, wie Müdigkeit, Ab-geschlagenheit, Leistungsknick und Ober-bauchschmerzen, bis hin zu fulminanten Ver-läufen mit Leberruptur und Blutungskompli-kationen.

SchlüsselwörterPeliosis hepatis · Leberraumforderungen · Bildgebung · Kontrastmittelsonographie · Feinnadelpunktion

A 38-year-old patient with gastroenteritis and unusual liver lesions

AbstractA 38-year-old female presented with symp-toms of gastroenteritis including fatigue and epigastric pain. An abdominal ultrasound in-dicated on the basis of raised liver values showed multiple liver lesions. However, addi-tional imaging using contrast-enhanced ul-trasound (CEUS), computer tomography (CT) as well as a magnetic resonance tomography (MR) failed to clarify the diagnosis. A fine nee-dle biopsy revealed the histological diagno-sis of peliosis hepatis. After discontinuing oral contraceptive medication, follow-up showed a steady state with clinical well being for at least 24 months.

Peliosis hepatis is a rare hepatic disorder involving “bloody cysts” in the liver. Aetiology and pathogenesis remain unclear, but medi-cation or toxins as possible triggering factors are discussed. Different clinical courses have been reported, including total asympto matic state, unspecific fatigue, epigastric pain, as well as fulminant cases with liver rupture and bleeding complications.

KeywordsPeliosis hepatis · Liver lesions · Diagnostic imaging · Contrast-enhanced ultrasound · Biopsy, fine-needle

Infobox 1  Kriterien zur klini-schen Diagnostik der HHT. (Modifi-ziert nach [13])

Kriterien des Scientific Advisory Boards der HHT Foundation International (Curaçao-Krite-rien) zur klinischen Diagnostik der HHT:F  Epistaxis, spontan und rezidivierend;F  Teleangiektasien, multipel, an charakte-

ristischen Stellen (Lippen, Mundhöhle, Finger, Nase);

F  viszerale Beteiligung (gastrointestinale Teleangiektasien mit oder ohne Blutung, pulmonale AVM, hepatische AVM, zereb-rale AVM);

F  positive Familienanamnese (ein Verwand-ter ersten Grades mit HHT nach diesen Kriterien)

Eine HHT gilt als gesichert, wenn 3 oder 4 der Kriterien zutreffen. Werden nur 2 Kriterien erfüllt, kann lediglich von einem Verdachtsfall ausgegangen werden. Trifft nur ein Kriterium zu, ist die Diagnose HHT unwahrscheinlich.

AVM Arteriovenöse Malformation; HHT here-ditäre hämorrhagische Teleangiektasie.

durch hämorrhagische Nekrosen – zu-nächst ohne, im Verlauf dann mit nach-gebildetem Endothel. Die Hypothesen zur Pathogenese beziehen sich auf einen möglichen Zusammenhang mit Leberzell-nekrosen, Wandendothelschäden der Si-nusoide oder konsekutiven Veränderun-gen nach einer Flussblockade zwischen Lebersi nusoiden und Lebervenen [2].

D Die in der gängigen Literatur beschriebenen Verläufe zeichnen ein heterogenes Bild.

Sie erstrecken sich von kompletter Be-schwerdefreiheit über unspezifische Oberbauchschmerzen bis hin zu allge-meinen „Lebersymptomen“ wie Abge-schlagenheit, Müdigkeit und Leistungs-knick. Vereinzelt wurden jedoch auch ful-minante Verläufe mit Leberrupturen und Blutungen dokumentiert. Zusammenfas-send sind daher die Symptome der PH als uncharakteristisch zu beschreiben. Je nach Befall anderer Organsysteme kann die Symptomatik variieren [3, 4, 5].

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Bildgebung

CT-morphologisch werden in der Litera-tur z. T. diffuse Parenchymveränderun-gen, in welchen sich KM irregulär fle-ckig anreichert, und zudem Herde unter-schiedlicher Größe und KM-Anreiche-rung beschrieben [6]. MR-morphologisch wird von multiplen hypointensen Läsio-nen in der T1- sowie von hyperintensen Läsionen in der T2-Wichtung berichtet [7, 8]. Nach Verabreichung von Gadoli-nium-DTPA beschrieben Saatci et al. [9] hyperintense Läsionen in allen Sequen-zen. In der Leberangiographie konnte bei einer Peliosiserkrankung bereits vor der CT/MRT-Ära die Dynamik mit frühpha-sischen KM-Aussparungen und persis-tierenden KM-Depots in späteren Pha-sen der Untersuchung dokumentiert wer-den. Nativsonographisch zeigt sich bei Le-bergesunden häufig ein Bild echoreicher Läsionen. Bei Patienten mit einer Fettle-ber stellen sich diese Raumforderungen homogen und im Vergleich zum übrigen Lebergewebe echoärmer dar. Bei einem hämorrhagischen Verlauf (parenchyma-töser Typ) zeigen sich eher heterogene echoärmere Läsionen. In der KM-Sono-graphie [„contrast-enhanced ultrasound“ (CEUS)] zeigt sich überwiegend eine schnelle Anreicherung mit zentrifugal fortschreitender Intensität und zügigem Abfluten, wobei in diesem Zusammen-hang auch unterschiedliche Anreiche-rungen beschrieben wurden. Somit kann die CEUS allein keine sichere Diagnose-stellung und Abgrenzung zu anderen Le-

berraumforderungen, z. B. zu einem Hä-mangiom, gewährleisten [10, 11].

Differenzialdiagnose

Differenzialdiagnostisch kommen diverse häufig auftretende Leberraumforderun-gen in Betracht, die ggf. ein anderweiti-ges Vorgehen erfordern können oder spe-zifische Risiken beinhalten, z. B. die unge-wollte Punktion eines Leberabszesses. In unserem speziellen Fall mit häufigem Na-senbluten in der Patientenanamnese soll-te insbesondere an eine mögliche Leber-beteiligung beim M. Osler-Weber-Rendu [hereditäre hämorrhagische Teleangiek-tasien (HHT); . Infobox 1] gedacht wer-den. Caselitz et al. [12] haben sonographi-sche Kriterien zur Diagnose einer Leber-beteiligung bei HHT mit hoher Sensiti-vität und Spezifität identifiziert, weshalb zur weiterführenden Diagnostik neben den bekannten klinischen Kriterien, den sog. Curaçao-Kriterien, auch eine dopp-lersonographische Untersuchung der Le-ber erfolgen sollte.Zusammenfassend erweist sich die aktu-ell zugängliche bildgebende Diagnostik als heterogen und unspezifisch. Die Fra-ge, welches Verfahren am suffizientes-ten ist, bleibt offen. Die Sonographie inkl. der KM-Unterstützung, die eine Beurtei-lung der Blutflussdynamik ermöglicht, ist der MRT und CT sicherlich überlegen, da sie ein niedriges Nebenwirkungspro-fil aufweist und mit geringen Gesamtkos-ten verbunden ist. Bei unsicherer Diag-nose bzw. Befundkonstellation sollte eine

Biopsie in Kenntnis der Differenzialdiag-nosen erfolgen.

Therapie und Verlaufskontrolle

Mögliche medikamentöse Auslöser wie die „Pille“ sollten abgesetzt werden. So-fern es Hinweise auf eine BPH gibt, emp-fiehlt sich die Einleitung einer Antibiose, die vornehmlich gegen Bartonella spec. gerichtet ist, beispielsweise mit Erythro-mycin. Eine Therapie anderer auslösender Grunderkrankungen muss, soweit mög-lich, angestrebt werden. Zudem sind eng-maschige klinische, laborchemische und abdominalsonographische Verlaufskon-trollen zur Sicherung der Diagnose und zum Ausschluss der Differenzialdiagno-sen zu empfehlen. Weitere diagnostische Untersuchungen wie die Koloskopie, Gas-troskopie und ein gynäkologisches Konsil sind zunächst nicht explizit notwendig, da bei Nachweis maligner Zellen in der his-tologischen Aufarbeitung eine rein pallia-tive Situation vorliegt.

Fazit für die Praxis

Die PH ist eine seltene Erkrankung. Zur Diagnose ist eine Kombination aus Kli-nik, bildgebender Diagnostik, histologi-scher Aufarbeitung nach Probengewin-nung und engmaschigen Verlaufskon-trollen zu empfehlen. Der Verlauf ist in der Regel gutartig, es finden sich aber auch Berichte über fulminante Verläufe mit Leberrupturen und Blutungskompli-kationen.

Korrespondenzadresse

E. HeinrichMedizinische Klinik II, Klinikum Bremen-MitteSt.-Jürgen-Str. 1, 28177 [email protected]

Danksagung.  Die Autoren bedanken sich bei der Ge-meinschaftspraxis für Radiologie am St. Joseph-Stift in Bremen sowie bei Prof. Dr. K. Junker vom Zentrum für Pathologie, Klinikum Bremen-Mitte, für die Unter-stützung.

Interessenkonflikt.  Der korrespondierende Autor gibt für sich und seine Koautoren an, dass kein Interes-senkonflikt besteht.

Tab. 1  Pathologische Laborwerte der Patientin im Zeitraum von der Diagnosestellung bis 2 Jahre danach

  GGT (U/l) AP (U/l)

Referenzbereich <36 104

Erstdiagnose: März 2009

82 141

August 2009 90 150

Februar 2010 147 175

Juni 2010 122 171

November 2010 111 177

Februar 2011 109 168Bei Erstdiagnose pathologisch waren weiterhin: antinukleäre Antikörper (1:320), Hepatitis-A-IgG-Antikörper positiv. Unauffällig waren: Serologie für Hepatitisviren B/C/D, Differenzialblutbild, Nierenretentionsparameter, Bi-lirubin, Lipase, Transaminasen, C-reaktives Protein, partielle Thromboplastinzeit, Quick. Nichtpathologisch waren des Weiteren: Amöben- sowie HIV-Serologie, α-Fetoprotein, neuronenspezifische Enolase.GGT γ-Glutamyltrans-ferase; AP alkalische Phosphatase.

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Im Fokus dieses e.Tutorial plus unter der Herausgeberschaft von Prof. Dr. Dr. U. R. Fölsch (Kiel) steht das wichtige Thema Infektionen mit den Schwerpunkten:

1 Enteritis infectiosia,

1 Ambulant erworbene Pneumonien und

1 Antibiotikatherapien.

Jedes Kapitel vermittelt qualitätsgesichertes  Fachwissen in hochwertiger und   lerndidaktisch  optimierter Qualität. Die Autoren stellen die Erreger der  Enteritis  infectiosa und der ambulant erworbenen Pneumonie anschaulich vor, erklären Risiko faktoren und  spezifizieren die diagnostischen Schritte. Klassifikationen und Scoringsysteme zur Ein-stufung des   Schweregrads der Erkrankungen werden ebenso vorgestellt wie therapeu-tische Maß nahmen nach den aktuellen Empfehlungen. 

In Videointerviews beantworten die Experten Prof. Dr. A. Stallmach (Jena) und Prof. Dr. M. Pletz (Jena) aktuelle Fragen zur Diagnostik und Therapie sowie zum verant-wortungsbewussten  Antibiotikaeinsatz.

Die Teilnahme am e.Tutorial plus ist exklusiv für DGIM-Mitglieder und auch im e.Med-Paket enthalten.

DGIM | e.Akademie, www.dgim.de

Informationen zu e.Med: www.springermedizin.de/eMed

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994 |  Der Internist 8 · 2012

Kasuistiken