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Quantenchemie und organische farbige Stoffe LP 4 Wir sperren π-Elektronen in einen Kasten; das Elektronengas-Modell
67
4 Wir sperren π-Elektronen in einen Kasten; das Elektronen-
gas-Modell
4.1 Übersicht und Lernziele
Übersicht Farbstoffmoleküle absorbieren sichtbares Licht, deshalb erscheinen sie
farbig. Durch die Energie des absorbierten Lichts entstehen angeregte
Moleküle. Bei der Anregung werden Elektronen von einem niedrigeren
in einen höheren Energiezustand angehoben. In diesem Kapitel wird ein
Modell entwickelt, das die Berechnung der Anregungsenergie für Farb-
stoffmoleküle erlaubt.
In Kapitel 2 haben Sie gelernt, dass man Elektronen als Materiewellen
beschreiben kann. Diese Erkenntnis werden wir für die Entwicklung
unseres Modells einsetzen. Ob das entwickelte Modell brauchbar ist,
kann nur durch Vergleich mit Experimenten festgestellt werden. Deshalb
lernen Sie eine Methode zur experimentellen Bestimmung der Anre-
gungsenergie kennen. Dazu wird ein Spektralfotometer benützt. Keine Angst vor der Mathematik
Die Formeln und Berechnungen sind nur halb so schlimm wie sie ausse-
hen. Es werden nur die vier Grundrechnungsarten verwendet.
Lernziele 1. Sie kennen das Gedankenmodell vom Elektron im eindimensio-
nalen Kasten.
2. Sie können das Modell des eindimensionalen Kastens auf ein
lineares Farbstoffmolekül mit vollständig delokalisierten π-
Elektronen übertragen.
3. Sie sind in der Lage, die Anregungsenergie für den Übergang
eines Elektrons vom höchsten besetzten in den niedrigsten unbe-
setzten Energiezustand zu berechnen.
4. Sie wissen, wie man die Wellenlänge des für die Anregung er-
forderlichen Lichts ermittelt.
Quantenchemie und organische farbige Stoffe LP 4 Wir sperren π-Elektronen in einen Kasten; das Elektronengas-Modell
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4.2 Wir sperren ein Elektron in einen Kasten Elektron im eindimen-sionalen Kasten
Stellen Sie sich vor, dass sich das Elektron nicht frei bewegen kann,
sondern nur entlang einer Raumrichtung auf einer Geraden – also in
einem eindimensionalen Kasten von atomarer Grösse mit unendlich ho-
hen und undurchdringlichen Wänden.
Dies entspricht in guter Näherung der Situation eines Elektrons in einem
Molekül: Das Elektron wird von der positiven Ladung der Atomkerne /-
rümpfe angezogen und bleibt daher im Molekül. Wenn wir annehmen,
dass es sich um ein unverzweigtes Molekül handelt, ist auch die Wahl
einer Geraden einsichtig.
Abb. 4.1 Eindimensio-naler Kasten (symboli-sche Darstellung)
Nach dem Wellenmodell lässt sich das Elektron als stehende Welle be-
schreiben (Kap.2), die an den Kastenwänden jeweils einen Knoten auf-
weist. Da die Elektronenwelle in den Kasten hineinpassen muss, gilt für
die möglichen Energiezustände (Schwingungszustände) folgende Bedin-
gung:
n
2Lλ =
λ: Wellenlänge; n: Nummer des Energiezustands (Schwingungszustands); L: Kasten-
länge
Als Wellenfunktion für das Elektron im eindimensionalen Kasten findet
man (Abschnitte 8.4.1 und 8.4.2):
LL(x)ψn
xπnsin2⋅=
ψn: Amplitude der Materiewelle im n-ten Energiezustand am Ort x; n:Nummer des
Energiezustands; L: Kastenlänge
Quantenchemie und organische farbige Stoffe LP 4 Wir sperren π-Elektronen in einen Kasten; das Elektronengas-Modell
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Abb. 4.2 Mögliche Energiezustände (Schwingungszustände) eines Elektrons im eindimensionalen Kas-ten
Mithilfe dieser Wellenfunktion lassen sich die möglichen Energiezu-
stände des Elektrons berechnen (Abschnitt 8.4.3), wobei die potentielle
Energie V des Elektrons als konstant angenommen wird:
2e
2
n LmhE⋅⋅
⋅=8
n2 + V [J]
En: Energie des Elektrons im n-ten Zustand; me: Masse des Elektrons; h: Plancksches
Wirkungsquantum; L: Länge des Kastens
Die Energiezustände En sind proportional zu n2. Das Elektron kann also
nur ganz bestimmte diskrete Energiezustände einnehmen.
- Das Elektron nimmt im eindimensionalen Kasten nur bestimmte Ener-
giezustände an.
- Die Energie des Elektrons im eindimensionalen Kasten „ist gequan-
telt“:
2
e
2
n LmhE⋅⋅
⋅=8
n2 + V [J]
Quantenchemie und organische farbige Stoffe LP 4 Wir sperren π-Elektronen in einen Kasten; das Elektronengas-Modell
70
Wo hält sich das Elekt-ron auf?
Die Frage, wo sich das Elektron im Kasten eigentlich befindet, lässt sich
mit der Wellenfunktion ψ nicht beantworten. Sie beschreibt nur die
Amplitude der Materiewelle, liefert aber keine messbare Grösse.
Amplituden von Materiewellen sind nicht beobachtbar. Wird jedoch die
Wellenfunktion ψ quadriert, so ergibt sich daraus die Elektronendichte.
Sie ist ein Mass für die Wahrscheinlichkeit, das Elektron im jeweiligen
Energiezustand an einer bestimmten Stelle des Kastens anzutreffen (Ab-
schnitt 2.3.4).
Abb. 4.3 Grafische Darstellung der quad-rierten Wellenfunktio-nen und symbolische Darstellung der Auf-enthaltswahrschein-lichkeit eines Elektrons (als Teilchen) im ein-dimensionalen Kasten
Im Energiezustand n = 1 ist das Elektron am häufigsten in der Mitte des
Kastens anzutreffen. Im zweiten Energiezustand findet man das Elekt-
ron hauptsächlich in der Mitte der rechten und linken Kastenhälfte. In
der Mitte des Kastens ist die Aufenthaltswahrscheinlichkeit null. Ent-
sprechend sind die höheren Zustände zu interpretieren.
”Wie gelangt das Elektron im zweiten Schwingungszustand von einer
Kastenhälfte in die andere?” Diese Frage darf man eigentlich nicht stel-
len. Das Elektron verhält sich eben nicht wie ein klassisches Teilchen!
Aus quantenchemischer Sicht lässt sich folgende Antwort geben:
Quantenchemie und organische farbige Stoffe LP 4 Wir sperren π-Elektronen in einen Kasten; das Elektronengas-Modell
71
Das Elektron wird modellmässig als eine stehende Materiewelle in ei-
nem linearen Kasten behandelt. Diese hat z. B. für n = 2 einen Knoten
in der Kastenmitte.
A 4.1
Berechnen Sie die kinetische Energie eines Elektrons im ersten Schwin-
gungszustand in einem Kasten von 10-9 m Länge. Wie gross ist seine
Geschwindigkeit? Welche Wellenlänge lässt sich dem Elektron zuord-
nen? (Die nötigen Angaben zu den Konstanten findet man im Abschnitt
8.1.)
4.3 Eindimensionaler Kasten und farbige Stoffe; das Elektronengas-
Modell
Farbstoffmoleküle mit einem System konju-gierter Doppelbindun-gen
Das Modell des eindimensionalen Kastens mit einem Elektron
lässt sich auch auf die Vielelektronensysteme von Molekülen far-
biger Stoffe übertragen, wobei es sich um lineare Moleküle han-
deln muss. Das Molekül wird dabei als Kasten mit konstantem
Potential definiert, in dem delokalisierte Elektronen eines Systems
konjugierter Doppelbindungen stehende (Materie-) Wellen ausbil-
den, die durch eindimensionale Wellenfunktionen entlang der
Längsachse des Moleküls beschrieben werden. Die Wellenlänge λ
entspricht dabei, wie z.B. bei der Saite eines Streichinstruments,
einem ganzzahligen Bruchteil der doppelten Kastenlänge L:
λ = n
2L (vgl. Abb. 4.2).
Derartige Moleküle trifft man u.a. bei den Cyaninen an:
Abb. 4.4 Allgemeine Lewis-Formel eines Cyanin-Farbstoff-moleküls
+N CH CH CH CH CH N
R
R
R
R Das Molekül enthält 3 konjugierte Doppelbindungen und 8 π-Elektronen (die freie, doppelt besetzte Elektronenwolke am Stickstoff-Atom wird in das System delokalisierter Elektronen miteinbezogen)
Quantenchemie und organische farbige Stoffe LP 4 Wir sperren π-Elektronen in einen Kasten; das Elektronengas-Modell
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Abb. 4.5 Das Molekül eines Cyanin-Farb-stoffs als eindimensio-naler Kasten: a) An-sicht der π-Elektronen-wolken von oben; b) Ansicht von der Seite; c) Definition des ein-dimensionalen Kas-tens: Kastenlänge = L
Jede stehende Welle wird durch eine Wellenfunktion beschrieben und
besitzt eine bestimmte Energie, die mit der Anzahl der Knoten ansteigt.
Jeder Wellenfunktion lassen sich maximal zwei Elektronen zuordnen
(Pauli-Prinzip), d.h. die Elektronen werden paarweise, vom energieärms-
ten Zustand ausgehend, auf die verschiedenen Energieniveaus verteilt.
Abb. 4.6 Grafische Darstellung der Wel-lenfunktionen für n = 1 bis n = 5 im eindimen-sionalen Kasten
Quantenchemie und organische farbige Stoffe LP 4 Wir sperren π-Elektronen in einen Kasten; das Elektronengas-Modell
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Elektronen besitzen einen Spin. Der Spin beträgt entweder +½ oder -½.
Man kann sich das Elektron als rotierendes Kügelchen vorstellen, das
entweder im Uhrzeigersinn (würde Spin +½ entsprechen) oder im Ge-
genuhrzeigersinn (würde Spin -½ entsprechen) dreht. Man stellt den
Spin mit einem Pfeil dar:
↑ bedeutet +½, ↓ bedeutet -½.
Eine Elektronenwellenfunktion kann maximal zwei Elektronen be-
schreiben, die sich in ihrem Spin unterscheiden müssen (Pauli-Prinzip).
Für die 8 π-Elektronen des gegebenen Cyanin-Moleküls (Pfeile in Abb.
4.4) lässt sich deshalb folgendes Energieniveau-Schema aufstellen (Abb.
4.7):
Abb. 4.7 Energieni-veauschema (kinetische Energie T) eines Farb-stoffmoleküls mit 8 π-Elektronen nach dem Modell des eindimensi-onalen Kastens
„Anregung“ bedeutet nun, dass ein Elektron aus dem höchsten besetzten
in das tiefste unbesetzte Energieniveau übergeht. Liegt die Energiediffe-
renz im sichtbaren Bereich der elektromagnetischen Strahlung, so ist der
Stoff farbig.
Quantenchemie und organische farbige Stoffe LP 4 Wir sperren π-Elektronen in einen Kasten; das Elektronengas-Modell
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Abb. 4.8 Grundzustand und angeregter Zu-stand eines Farbstoff-moleküls mit 8 π-Elektronen im eindi-mensionalen Kasten
Man kann ein solches ausgedehntes System konjugierter Doppelbindun-
gen als „eindimensionales Elektronengas“ auffassen: Die delokalisierten
Elektronen (π-Elektronen) bewegen sich in einem eindimensionalen
Kasten, stehen aber in Wechselwirkung mit den Atomrümpfen. Bei die-
ser Vorstellung geht man von einer vollständigen Delokalisierung der π-
Elektronen aus, wobei es keine Unterscheidung mehr zwischen Einfach-
und Doppelbindungen gibt. Ausserdem wird die potentielle Energie der
π-Elektronen vereinfachend als konstant angesehen (gleicher mittlerer
Abstand der π-Elektronen von den Atomrümpfen der Kohlenstoff-
Atome), und für die Kettenenden ein unmittelbarer Anstieg ins Unendli-
che angenommen (Elektronengas-Modell).
Quantenchemie und organische farbige Stoffe LP 4 Wir sperren π-Elektronen in einen Kasten; das Elektronengas-Modell
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Abb. 4.9 Potentielle Energie V der π-Elek-tronen eines Cyanin-Moleküls im eindimen-sionalen Kasten: oben: realer Verlauf (schema-tisch); unten: verein-fachter Verlauf (V = konstant; die delokali-sierten Elektronen sind durch die gestrichelte Linie symbolisiert)
4.4 Anregungsenergie und absorbierte Wellenlänge
Gesamtlänge Kasten
HOMO
LUMO
Wie bereits erwähnt, erhält man als mögliche Energiezustände der π-
Elektronen im eindimensionalen Kasten:
2e
2
n LmhE⋅⋅
⋅=8
n2 + V [J]
L: Länge des Kastens; me: Elektronenmasse; 2Lem
2h
⋅⋅⋅
8
2n : kinetische Energie T
Die Gesamtlänge L des Kastens ergibt sich aus der Summe der mittleren
Atombindungsabstände, wobei man die dreidimensionale räumliche
Struktur des Moleküls durch eine eindimensionale ersetzt. Diese Länge
wird vergrössert um je eine Bindungslänge am Anfang und am Ende des
Moleküls.
( ) d1z ⋅+=L
z: Anzahl Atomrümpfe des Grundgerüsts; d : mittlerer Bindungsabstand
Berechnung der Anregungsenergie:
Die Anregungsenergie ΔEber ist die Differenz zwischen dem höchsten
von einem π-Elektron besetzten (höchstes besetztes Molekülorbital
HOMO: highest occupied molecular orbital) und dem niedrigsten unbe-
setzten (niedrigstes unbesetztes Molekülorbital LUMO: lowest unoccu-
Quantenchemie und organische farbige Stoffe LP 4 Wir sperren π-Elektronen in einen Kasten; das Elektronengas-Modell
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pied molecular orbital) Energieniveau. Setzt man die Anzahl der π-
Elektronen gleich N, so ergibt sich für
das höchste besetzte Energieniveau: 2Nn = und
das niedrigste unbesetzte Energieniveau: 12Nn += .
Für die Anregungsenergie (ΔEber) gilt:
)2/N()12/N( EEEber −=Δ +
⎥⎥⎦
⎤
⎢⎢⎣
⎡+⎟
⎠⎞
⎜⎝⎛⋅
⋅⋅−
⎥⎥⎦
⎤
⎢⎢⎣
⎡+⎟
⎠⎞
⎜⎝⎛ +⋅
⋅⋅=Δ .konst
2N
8.konst1
2N
8
22
2e
2
2e
2
ber Lmh
LmhE
( )1N82
N12N
8
22
+⋅⋅⋅
=⎥⎥⎦
⎤
⎢⎢⎣
⎡⎟⎠⎞
⎜⎝⎛−⎟
⎠⎞
⎜⎝⎛ +⋅
⋅⋅= 2
e
2
2e
2
Lmh
Lmh
Formel zur Berechnung der Anregungsenergie:
1)+(N8
⋅⋅⋅
=Δ 2e
2
ber LmhE [J]
Setzt man die Beziehung für L in der Formel zur Berechnung der Anre-
gungsenergie ein, so resultiert der folgende Ausdruck:
22 )1z()1N(
d1
8 ++
⋅⋅⋅
=Δe
2
ber mhE [J]
Nun werden die Werte für die Konstanten eingesetzt:
me = 9,110.10-31 kg, h = 6,626.10-34 Js und für d 2 = (139 pm)2 =
1,932.10-20 m2.
2220231
234
)1z()1N(
m10932,11
kgm10110,98)Js10626,6(
++
⋅⋅
⋅⋅⋅⋅
=Δ −−
−
berE
222
2218
)1z()1N(
mkgssJkgm10118,3
++
⋅⋅= −
Der Ausdruck zur Berechnung der Anregungsenergie eines Moleküls
lautet somit:
218
)1z()1N(10118,3
++
⋅⋅=Δ −berE [J/Molekül]
Meistens wird die Anregungsenergie nicht für ein Molekül, sondern für
ein Mol Moleküle angegeben. Man multipliziert die obige Gleichung
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Anregungsenergie
deshalb mit der Avogadro-Konstanten (NA = 6.02.1023 mol-1) und divi-
diert für die Umrechnung von J in kJ durch 1000:
23
22318
)1z()1N(1088,1
)1z()1N(
100011002,610118,3
++
⋅⋅=++
⋅⋅⋅⋅⋅=Δ +−berE [kJ⋅mol-1]
- Berechnung der Anregungsenergie eines π-Elektronensystems:
23
)1z()1N(1088,1
++
⋅⋅=Δ berE [kJ⋅mol-1]
- Je grösser die Kastenlänge und damit die Anzahl der π-Elektronen,
desto kleiner ist die Anregungsenergie.
- Je mehr Elektronen das delokalisierte π-Elektronensystem enthält und
je länger der Kasten, desto kleiner ist die Energiedifferenz zwischen
dem höchsten besetzten und dem niedrigsten unbesetzten Energiezu-
stand (Abb. 4.10).
Abb. 4.10 Elektronen im eindimensionalen Kas-ten: Energien im höchs-ten besetzten und nied-rigsten unbesetzten Zu-stand in Abhängigkeit von der Anzahl π-Elek-tronen
--------------------------------------------------------------------------------------
Exkurs
Aus der Anregungsenergie ΔEber und der Energie eines Photons kann
die Wellenlänge λber der absorbierten Strahlung berechnet werden:
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berPhoton λ
chfhE ⋅=⋅=
berLichtber λ
chfhEE ⋅=⋅==Δ [J] Energie der absorbierten Strahlung
Da die Anregungsenergie eines Moleküls der Energie eines Photons
entspricht (ΔEber = ELicht), können die beiden Ausdrücke gleichgesetzt
werden:
bere λc
m⋅
=++
⋅⋅⋅
h)1z(1N
d1
8h
22
2
Umformen liefert:
1N)1z(d
h8 2
2
++
⋅⋅⋅⋅
=cm
λ eber [m] Wellenlänge der absorbierten
Strahlung
Nun werden die Werte für die Konstanten eingesetzt:
d 2 = 1,932⋅10-20 m2; c = 2,998⋅108 m⋅s-1; h = 6,626⋅10-34 Js; me =
9,110⋅10-31 kg
1N)1z(m10932,1
Js10 6,626sm102,998 kg109,110 8 2
220 34-.
-1 8 -31
++
⋅⋅⋅⋅⋅⋅⋅⋅
= −berλ [m]
Mit 1m = 109 nm folgt:
λber 1N)1z(70,63
1N)1z(10932,11010297,3
2220912
++
⋅=++
⋅⋅⋅⋅⋅= − [nm]
---------------------------------------------------------------------------------------
1N)1z(71,63
2
++
⋅=berλ [nm]
Berechnung der Wellenlänge des absorbierten Lichts [nm]
A 4.2
a) Berechnen Sie die Anregungsenergie für ein Mol des folgenden Cya-
nin-Farbstoffs (4,4'-Cyanine) für j = 1 und R = C2H5 (1,1'-Diethyl-4,4'-
carbocyaniniodid). Das System delokalisierter Elektronen wird von den
beiden Stickstoff-Atomen begrenzt, das nicht bindende Elektronenpaar
am Stickstoff-Atom zählt zum System delokalisierter Elektronen, die
Quantenchemie und organische farbige Stoffe LP 4 Wir sperren π-Elektronen in einen Kasten; das Elektronengas-Modell
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beiden eingekreisten Benzolringe hingegen rechnet man nicht dazu.
NR CH (CH CH)j N+ R
I-
b) Berechnen Sie die entsprechende Wellenlänge der absorbierten Strah-
lung.
4.5 Überprüfung des Modells anhand der Cyanin-Farbstoffe
Cyanine sind eine sehr alte und umfangreiche Farbstoffklasse. Heute
sind weit über 100’000 Cyanin-Farbstoffe bekannt. Sie haben für das
Färben von Textilien wegen ihrer geringen Lichtechtheit in der Regel
keine grosse Bedeutung. Hingegen sind sie als Sensibilisatoren in der
Fotografie sehr wichtig. Mit ihrer Hilfe kann man Silberbromidschichten
für jeden beliebigen Wellenlängenbereich bis ins Infrarot sensibilisieren.
Die Cyanine gehören zu den Polymethin-Farbstoffen (Methingruppe:
=CH–) und zeichnen sich durch die beiden Endgruppen –NR2 aus, wobei
ein N-Atom (in der entsprechenden Grenzformel) eine positive Ladung
trägt. Die Stickstoff-Atome sind jeweils Teil eines heterocyclischen
Ringsystems. Ein Cyanin-Ion kann als linear betrachtet werden, indem
man die π-Elektronen der beiden heterozyklischen Ringe (also ohne die
delokalisierten Elektronen der Benzolringe) in das Grundgerüst mit ein-
bezieht, da sie in Konjugation zum π-System des Grundgerüsts stehen.
Gemessene (Experimentiervorschrift: Abschnitt 5.2.9) und berechnete
Werte stimmen dann praktisch überein, wenn man das nicht bindende
Elektronenpaar des links stehenden Stickstoff-Atoms in das System de-
lokalisierter Elektronen integriert. Damit ist die Anzahl N der π-
Elektronen gleich z + 1. (vgl. auch Aufgabe 4.2).
Quantenchemie und organische farbige Stoffe LP 4 Wir sperren π-Elektronen in einen Kasten; das Elektronengas-Modell
80
V 4.1 Absorptionsspektrum eines Cyanin-Farbstoffs
Nehmen Sie ein Absorptionsspektrum von 1,1'-Diethyl-4,4'-
carbocyaniniodid im Bereich von 500 - 800 nm auf.1 (Abzug! Hand-
schuhe!).
Probenküvette : Ethanollösung (stark verdünnt)
Referenzküvette: Ethanol
Ermitteln Sie das Absorptionsmaximum von 1,1'-Diethyl-4,4'-
carbocyaniniodid. Vergleichen Sie Ihren Messwert mit A 4.2.
Absorptionsspektrum zur Berechnung der Anregungsenergie
Die vom Spektralfotometer gemessene Schwächung der Lichtintensität,
d.h. die Lichtabsorption, ist bei der Wellenlänge am stärksten, deren
Energie der Anregungsenergie des Farbstoffmoleküls entspricht. Aus der
experimentell ermittelten Wellenlänge beim Absorptionsmaximum (λexp)
lässt sich somit die Anregungsenergie Eexp berechnen.
Anregungsenergie
expLichtexp λ
chνhEE ⋅=⋅==Δ [J/Molekül]
---------------------------------------------------------------------------------------
Exkurs
Um die Anregungsenergie Eexp für ein Mol Farbstoffmoleküle aus λexp
zu berechnen, muss man die obige Gleichung mit der Avogadro-
Konstanten (NA = 6,02⋅1023 mol-1) multiplizieren und h = 6,626⋅10-34 Js
sowie c = 2,998⋅108 m⋅s-1 einsetzen. Für die Umrechnung von J in kJ
wird durch 1000 dividiert. Da λexp in nm vorliegt, wird für die Umrech-
nung von m in nm mit 109 multipliziert.
nm11sm10998,2Js10626,6mol1002,6 1834123 ⋅⋅⋅⋅⋅⋅⋅⋅=Δ −−−
expexp λ
E
[ ]191 molkJ1101000
110196,1 −− ⋅⋅⋅⋅⋅=expλ
---------------------------------------------------------------------------------------
Aus der experimentell ermittelten Wellenlänge berechnet sich die Anre-
1 Bezugsquelle: Firma Aldrich-Chemie D 89555 Steinheim/Albuch bzw. Dr. Grogg Chemie AG, Gümligen-talstrasse 83, CH 3066 Stettlen-Deisswil; Tel. 031 932 11 66.
Quantenchemie und organische farbige Stoffe LP 4 Wir sperren π-Elektronen in einen Kasten; das Elektronengas-Modell
81
Anregungsenergie aus λexp
gungsenergie pro Mol Farbstoffmoleküle wie folgt:
expexp λ
E 110196,1 5 ⋅⋅=Δ [kJ⋅mol-1]
Anregungsenergie Eexp für 1 Mol Farbstoffmoleküle
(Für λexp ist nur der Zahlenwert einzusetzen, die Einheit nm wurde be-
reits berücksichtigt.)
Für weitere 4,4'-Cyanine erhält man folgende Werte:
Tabelle 4.1 Berechnete und experimentell ermittelte Werte für Energie bzw. Wellen-
länge der absorbierten elektromagnetischen Strahlung der 4,4'-Cyanine
N(j)
λexp in nm
λber in nm
ΔEexp in kJ⋅mol-1
ΔEber in kJ⋅mol-1
10 (0)
590,0
579,1
202,7
206,8
12 (1) 79,7 705,7 168,5 169,7
14 (2) 818,0 832,0 146,2 143,9
16 (3) 932,0 959,3 128,3 124,8
Abb. 4.11 4,4'-Cyanine: Grafische Darstellung der berechneten und experimentell ermittel-ten Werte für Energie bzw. Wellenlänge der absorbierten elektromagnetischen Strahlung
Die im Abschnitt 4.3 behandelten Grundlagen für das Elektronengas-Modell (vollständiger Bindungsausgleich durch delokalisierte π-Elek-tronen, konstante potentielle Energie) lassen sich also auf die 4,4'-Cyanine anwenden. Der wahre Zustand der Moleküle kann somit durch
Quantenchemie und organische farbige Stoffe LP 4 Wir sperren π-Elektronen in einen Kasten; das Elektronengas-Modell
82
zwei energetisch gleichwertige Grenzformeln beschrieben werden. Er liegt in der Mitte und ist energieärmer (Mesomerie; Mesomerieenergie).
Abb. 4.12: Grenzfor-meln eines 4,4'-Cyanin-Moleküls
N (CH CH)j CH N RR
NR CH NCH)j(CH R+
+
Für die 4,4'-Cyanine gilt:
- Das π-Elektronensystem erstreckt sich über die gesamte Kette (von N
bis N+), enthält das nicht bindende Elektronenpaar des Stickstoff-
Atoms, und die π-Elektronen sind vollständig delokalisiert.
- Die beiden Endgruppen (N bzw. N+) sind für den vollständigen Bin-
dungsausgleich verantwortlich.
- Zwischen der Anzahl π-Elektronen und der absorbierten
elektromagnetischen Strahlung besteht eine lineare Abhängigkeit
(siehe oben). Je grösser die Anzahl der π-Elektronen, desto geringer
ist die Energie der absorbierten Strahlung.
- Das Modell des Elektronengases lässt sich direkt auf die 4,4'-Cyanine
anwenden und ermöglicht es, quantitative Voraussagen über die Ab-
sorptionsenergie, und damit die Farbe des Stoffs, zu machen.
- Der wahre Zustand der Moleküle kann durch zwei energetisch gleich-
wertige Grenzformeln beschrieben werden.
Quantenchemie und organische farbige Stoffe LP 4 Wir sperren π-Elektronen in einen Kasten; das Elektronengas-Modell
83
A 4.3
Ein Elektron in einem 10-9 m langen Kasten hat eine Geschwindigkeit
von v = 1,09.106 m⋅s-1 Wie gross ist seine kinetische Energie? Welchen
Energiezustand besetzt das Elektron?
me = 9,110.10-31 kg; h = 6,626.10-34 Js A 4.4 a) Zeichnen Sie für 1,3,5,7,9-Decapentaen ein Schema der im Grundzu-
stand mit π-Elektronen besetzten Energieniveaus.
b) Berechnen Sie die Anregungsenergie (pro Mol) für 1,3,5,7,9-
Decapentaen unter der Annahme, dass die π-Elektronen vollständig de-
lokalisiert sind.
A 4.5 Das Absorptionsspektrum eines Farbstoffs zeigt ein Absorptionsmaxi-
mum bei einer Wellenlänge von λexp = 420 nm. Berechnen Sie daraus
die Anregungsenergie in kJ⋅mol-1.
4.6 Lösungen zu den Aufgaben
A 4.1
Kinetische Energie des Elektrons für n = 1:
2n82
⋅⋅⋅
=⋅
= 2e
22e
LmhvmT = ( )
( )2931
234
1010110,9810626,6
−−
−
⋅⋅⋅
⋅ 2
22
mkgsJ⋅⋅ =
6,025⋅10-20 J
Geschwindigkeit des Elektrons für n = 1
15231
220
sm10637,3skg10110,9mkg10025,622 −
−
−
⋅⋅=⋅⋅⋅⋅⋅
=⋅
=emTv
Wellenlänge des Elektrons für n = 1:
nm 2 m 102sm10637,3kg10110,9
Js10626,6= 91531
34
=⋅=⋅⋅⋅⋅
⋅=
⋅−
−−
−
vmhλe
A 4.2 Mit 23
)1z(1N1088,1
++
⋅⋅=Δ berE [kJ⋅mol-1] und
λber = 1N)1z(70,63
2
++
⋅ [nm] sowie j = 1 ergibt sich:
z = 11, N = 12
a) ΔEber = 169,7 kJ⋅mol-1
Quantenchemie und organische farbige Stoffe LP 4 Wir sperren π-Elektronen in einen Kasten; das Elektronengas-Modell
84
b) λber = 706 nm
A 4.3 J10411,5
2)sm1009,1(kg10110,9
219
21631−
−−
⋅=⋅⋅⋅⋅
=⋅
=2
e vmT
n8
h 22
⋅⋅⋅
= 2e
n LmT
3 )Js10626,6(
)m10(kg10110,98J10411,58=n 234
293119
=⋅
⋅⋅⋅⋅⋅=
⋅⋅−
−−−
2
2en
hLmT
Das Elektron befindet sich im 3. Energiezustand.
A 4.4 a)
b)
Anzahl der π-Elektronen des Farbstoffmoleküls: N = 10
Anzahl der Atomrümpfe des π-Elektronensystems: z = 10
Berechnete Anregungsenergie pro Mol Moleküle:
23
)1z(1N1088,1
++
⋅⋅=Δ berE kJ⋅mol-1 = 170,64 kJ⋅mol-1
A 4.5 ΔEexp berechnet sich folgendermassen (für ein Mol Moleküle und die
Umwandlung von nm in m bzw. von J in kJ):
ΔEexp = expλ
ch ⋅ = 39
23834
10104201002,610998,210626,6
⋅⋅⋅⋅⋅⋅⋅
−
−
= 284,7 kJ⋅mol-1