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Quantenchemie und organische farbige Stoffe LP 4 Wir sperren π-Elektronen in einen Kasten; das Elektronengas-Modell 67 4 Wir sperren π-Elektronen in einen Kasten; das Elektronen- gas-Modell 4.1 Übersicht und Lernziele Übersicht Farbstoffmoleküle absorbieren sichtbares Licht, deshalb erscheinen sie farbig. Durch die Energie des absorbierten Lichts entstehen angeregte Moleküle. Bei der Anregung werden Elektronen von einem niedrigeren in einen höheren Energiezustand angehoben. In diesem Kapitel wird ein Modell entwickelt, das die Berechnung der Anregungsenergie für Farb- stoffmoleküle erlaubt. In Kapitel 2 haben Sie gelernt, dass man Elektronen als Materiewellen beschreiben kann. Diese Erkenntnis werden wir für die Entwicklung unseres Modells einsetzen. Ob das entwickelte Modell brauchbar ist, kann nur durch Vergleich mit Experimenten festgestellt werden. Deshalb lernen Sie eine Methode zur experimentellen Bestimmung der Anre- gungsenergie kennen. Dazu wird ein Spektralfotometer benützt. Keine Angst vor der Mathematik Die Formeln und Berechnungen sind nur halb so schlimm wie sie ausse- hen. Es werden nur die vier Grundrechnungsarten verwendet. Lernziele 1. Sie kennen das Gedankenmodell vom Elektron im eindimensio- nalen Kasten. 2. Sie können das Modell des eindimensionalen Kastens auf ein lineares Farbstoffmolekül mit vollständig delokalisierten π- Elektronen übertragen. 3. Sie sind in der Lage, die Anregungsenergie für den Übergang eines Elektrons vom höchsten besetzten in den niedrigsten unbe- setzten Energiezustand zu berechnen. 4. Sie wissen, wie man die Wellenlänge des für die Anregung er- forderlichen Lichts ermittelt.

4 Wir sperren π-Elektronen in einen Kasten; das …€¦ · Molekül: Das Elektron wird von der positiven Ladung der Atomkerne /- ... in das tiefste unbesetzte Energieniveau übergeht

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Quantenchemie und organische farbige Stoffe LP 4 Wir sperren π-Elektronen in einen Kasten; das Elektronengas-Modell

67

4 Wir sperren π-Elektronen in einen Kasten; das Elektronen-

gas-Modell

4.1 Übersicht und Lernziele

Übersicht Farbstoffmoleküle absorbieren sichtbares Licht, deshalb erscheinen sie

farbig. Durch die Energie des absorbierten Lichts entstehen angeregte

Moleküle. Bei der Anregung werden Elektronen von einem niedrigeren

in einen höheren Energiezustand angehoben. In diesem Kapitel wird ein

Modell entwickelt, das die Berechnung der Anregungsenergie für Farb-

stoffmoleküle erlaubt.

In Kapitel 2 haben Sie gelernt, dass man Elektronen als Materiewellen

beschreiben kann. Diese Erkenntnis werden wir für die Entwicklung

unseres Modells einsetzen. Ob das entwickelte Modell brauchbar ist,

kann nur durch Vergleich mit Experimenten festgestellt werden. Deshalb

lernen Sie eine Methode zur experimentellen Bestimmung der Anre-

gungsenergie kennen. Dazu wird ein Spektralfotometer benützt. Keine Angst vor der Mathematik

Die Formeln und Berechnungen sind nur halb so schlimm wie sie ausse-

hen. Es werden nur die vier Grundrechnungsarten verwendet.

Lernziele 1. Sie kennen das Gedankenmodell vom Elektron im eindimensio-

nalen Kasten.

2. Sie können das Modell des eindimensionalen Kastens auf ein

lineares Farbstoffmolekül mit vollständig delokalisierten π-

Elektronen übertragen.

3. Sie sind in der Lage, die Anregungsenergie für den Übergang

eines Elektrons vom höchsten besetzten in den niedrigsten unbe-

setzten Energiezustand zu berechnen.

4. Sie wissen, wie man die Wellenlänge des für die Anregung er-

forderlichen Lichts ermittelt.

Quantenchemie und organische farbige Stoffe LP 4 Wir sperren π-Elektronen in einen Kasten; das Elektronengas-Modell

68

4.2 Wir sperren ein Elektron in einen Kasten Elektron im eindimen-sionalen Kasten

Stellen Sie sich vor, dass sich das Elektron nicht frei bewegen kann,

sondern nur entlang einer Raumrichtung auf einer Geraden – also in

einem eindimensionalen Kasten von atomarer Grösse mit unendlich ho-

hen und undurchdringlichen Wänden.

Dies entspricht in guter Näherung der Situation eines Elektrons in einem

Molekül: Das Elektron wird von der positiven Ladung der Atomkerne /-

rümpfe angezogen und bleibt daher im Molekül. Wenn wir annehmen,

dass es sich um ein unverzweigtes Molekül handelt, ist auch die Wahl

einer Geraden einsichtig.

Abb. 4.1 Eindimensio-naler Kasten (symboli-sche Darstellung)

Nach dem Wellenmodell lässt sich das Elektron als stehende Welle be-

schreiben (Kap.2), die an den Kastenwänden jeweils einen Knoten auf-

weist. Da die Elektronenwelle in den Kasten hineinpassen muss, gilt für

die möglichen Energiezustände (Schwingungszustände) folgende Bedin-

gung:

n

2Lλ =

λ: Wellenlänge; n: Nummer des Energiezustands (Schwingungszustands); L: Kasten-

länge

Als Wellenfunktion für das Elektron im eindimensionalen Kasten findet

man (Abschnitte 8.4.1 und 8.4.2):

LL(x)ψn

xπnsin2⋅=

ψn: Amplitude der Materiewelle im n-ten Energiezustand am Ort x; n:Nummer des

Energiezustands; L: Kastenlänge

Quantenchemie und organische farbige Stoffe LP 4 Wir sperren π-Elektronen in einen Kasten; das Elektronengas-Modell

69

Abb. 4.2 Mögliche Energiezustände (Schwingungszustände) eines Elektrons im eindimensionalen Kas-ten

Mithilfe dieser Wellenfunktion lassen sich die möglichen Energiezu-

stände des Elektrons berechnen (Abschnitt 8.4.3), wobei die potentielle

Energie V des Elektrons als konstant angenommen wird:

2e

2

n LmhE⋅⋅

⋅=8

n2 + V [J]

En: Energie des Elektrons im n-ten Zustand; me: Masse des Elektrons; h: Plancksches

Wirkungsquantum; L: Länge des Kastens

Die Energiezustände En sind proportional zu n2. Das Elektron kann also

nur ganz bestimmte diskrete Energiezustände einnehmen.

- Das Elektron nimmt im eindimensionalen Kasten nur bestimmte Ener-

giezustände an.

- Die Energie des Elektrons im eindimensionalen Kasten „ist gequan-

telt“:

2

e

2

n LmhE⋅⋅

⋅=8

n2 + V [J]

Quantenchemie und organische farbige Stoffe LP 4 Wir sperren π-Elektronen in einen Kasten; das Elektronengas-Modell

70

Wo hält sich das Elekt-ron auf?

Die Frage, wo sich das Elektron im Kasten eigentlich befindet, lässt sich

mit der Wellenfunktion ψ nicht beantworten. Sie beschreibt nur die

Amplitude der Materiewelle, liefert aber keine messbare Grösse.

Amplituden von Materiewellen sind nicht beobachtbar. Wird jedoch die

Wellenfunktion ψ quadriert, so ergibt sich daraus die Elektronendichte.

Sie ist ein Mass für die Wahrscheinlichkeit, das Elektron im jeweiligen

Energiezustand an einer bestimmten Stelle des Kastens anzutreffen (Ab-

schnitt 2.3.4).

Abb. 4.3 Grafische Darstellung der quad-rierten Wellenfunktio-nen und symbolische Darstellung der Auf-enthaltswahrschein-lichkeit eines Elektrons (als Teilchen) im ein-dimensionalen Kasten

Im Energiezustand n = 1 ist das Elektron am häufigsten in der Mitte des

Kastens anzutreffen. Im zweiten Energiezustand findet man das Elekt-

ron hauptsächlich in der Mitte der rechten und linken Kastenhälfte. In

der Mitte des Kastens ist die Aufenthaltswahrscheinlichkeit null. Ent-

sprechend sind die höheren Zustände zu interpretieren.

”Wie gelangt das Elektron im zweiten Schwingungszustand von einer

Kastenhälfte in die andere?” Diese Frage darf man eigentlich nicht stel-

len. Das Elektron verhält sich eben nicht wie ein klassisches Teilchen!

Aus quantenchemischer Sicht lässt sich folgende Antwort geben:

Quantenchemie und organische farbige Stoffe LP 4 Wir sperren π-Elektronen in einen Kasten; das Elektronengas-Modell

71

Das Elektron wird modellmässig als eine stehende Materiewelle in ei-

nem linearen Kasten behandelt. Diese hat z. B. für n = 2 einen Knoten

in der Kastenmitte.

A 4.1

Berechnen Sie die kinetische Energie eines Elektrons im ersten Schwin-

gungszustand in einem Kasten von 10-9 m Länge. Wie gross ist seine

Geschwindigkeit? Welche Wellenlänge lässt sich dem Elektron zuord-

nen? (Die nötigen Angaben zu den Konstanten findet man im Abschnitt

8.1.)

4.3 Eindimensionaler Kasten und farbige Stoffe; das Elektronengas-

Modell

Farbstoffmoleküle mit einem System konju-gierter Doppelbindun-gen

Das Modell des eindimensionalen Kastens mit einem Elektron

lässt sich auch auf die Vielelektronensysteme von Molekülen far-

biger Stoffe übertragen, wobei es sich um lineare Moleküle han-

deln muss. Das Molekül wird dabei als Kasten mit konstantem

Potential definiert, in dem delokalisierte Elektronen eines Systems

konjugierter Doppelbindungen stehende (Materie-) Wellen ausbil-

den, die durch eindimensionale Wellenfunktionen entlang der

Längsachse des Moleküls beschrieben werden. Die Wellenlänge λ

entspricht dabei, wie z.B. bei der Saite eines Streichinstruments,

einem ganzzahligen Bruchteil der doppelten Kastenlänge L:

λ = n

2L (vgl. Abb. 4.2).

Derartige Moleküle trifft man u.a. bei den Cyaninen an:

Abb. 4.4 Allgemeine Lewis-Formel eines Cyanin-Farbstoff-moleküls

+N CH CH CH CH CH N

R

R

R

R Das Molekül enthält 3 konjugierte Doppelbindungen und 8 π-Elektronen (die freie, doppelt besetzte Elektronenwolke am Stickstoff-Atom wird in das System delokalisierter Elektronen miteinbezogen)

Quantenchemie und organische farbige Stoffe LP 4 Wir sperren π-Elektronen in einen Kasten; das Elektronengas-Modell

72

Abb. 4.5 Das Molekül eines Cyanin-Farb-stoffs als eindimensio-naler Kasten: a) An-sicht der π-Elektronen-wolken von oben; b) Ansicht von der Seite; c) Definition des ein-dimensionalen Kas-tens: Kastenlänge = L

Jede stehende Welle wird durch eine Wellenfunktion beschrieben und

besitzt eine bestimmte Energie, die mit der Anzahl der Knoten ansteigt.

Jeder Wellenfunktion lassen sich maximal zwei Elektronen zuordnen

(Pauli-Prinzip), d.h. die Elektronen werden paarweise, vom energieärms-

ten Zustand ausgehend, auf die verschiedenen Energieniveaus verteilt.

Abb. 4.6 Grafische Darstellung der Wel-lenfunktionen für n = 1 bis n = 5 im eindimen-sionalen Kasten

Quantenchemie und organische farbige Stoffe LP 4 Wir sperren π-Elektronen in einen Kasten; das Elektronengas-Modell

73

Elektronen besitzen einen Spin. Der Spin beträgt entweder +½ oder -½.

Man kann sich das Elektron als rotierendes Kügelchen vorstellen, das

entweder im Uhrzeigersinn (würde Spin +½ entsprechen) oder im Ge-

genuhrzeigersinn (würde Spin -½ entsprechen) dreht. Man stellt den

Spin mit einem Pfeil dar:

↑ bedeutet +½, ↓ bedeutet -½.

Eine Elektronenwellenfunktion kann maximal zwei Elektronen be-

schreiben, die sich in ihrem Spin unterscheiden müssen (Pauli-Prinzip).

Für die 8 π-Elektronen des gegebenen Cyanin-Moleküls (Pfeile in Abb.

4.4) lässt sich deshalb folgendes Energieniveau-Schema aufstellen (Abb.

4.7):

Abb. 4.7 Energieni-veauschema (kinetische Energie T) eines Farb-stoffmoleküls mit 8 π-Elektronen nach dem Modell des eindimensi-onalen Kastens

„Anregung“ bedeutet nun, dass ein Elektron aus dem höchsten besetzten

in das tiefste unbesetzte Energieniveau übergeht. Liegt die Energiediffe-

renz im sichtbaren Bereich der elektromagnetischen Strahlung, so ist der

Stoff farbig.

Quantenchemie und organische farbige Stoffe LP 4 Wir sperren π-Elektronen in einen Kasten; das Elektronengas-Modell

74

Abb. 4.8 Grundzustand und angeregter Zu-stand eines Farbstoff-moleküls mit 8 π-Elektronen im eindi-mensionalen Kasten

Man kann ein solches ausgedehntes System konjugierter Doppelbindun-

gen als „eindimensionales Elektronengas“ auffassen: Die delokalisierten

Elektronen (π-Elektronen) bewegen sich in einem eindimensionalen

Kasten, stehen aber in Wechselwirkung mit den Atomrümpfen. Bei die-

ser Vorstellung geht man von einer vollständigen Delokalisierung der π-

Elektronen aus, wobei es keine Unterscheidung mehr zwischen Einfach-

und Doppelbindungen gibt. Ausserdem wird die potentielle Energie der

π-Elektronen vereinfachend als konstant angesehen (gleicher mittlerer

Abstand der π-Elektronen von den Atomrümpfen der Kohlenstoff-

Atome), und für die Kettenenden ein unmittelbarer Anstieg ins Unendli-

che angenommen (Elektronengas-Modell).

Quantenchemie und organische farbige Stoffe LP 4 Wir sperren π-Elektronen in einen Kasten; das Elektronengas-Modell

75

Abb. 4.9 Potentielle Energie V der π-Elek-tronen eines Cyanin-Moleküls im eindimen-sionalen Kasten: oben: realer Verlauf (schema-tisch); unten: verein-fachter Verlauf (V = konstant; die delokali-sierten Elektronen sind durch die gestrichelte Linie symbolisiert)

4.4 Anregungsenergie und absorbierte Wellenlänge

Gesamtlänge Kasten

HOMO

LUMO

Wie bereits erwähnt, erhält man als mögliche Energiezustände der π-

Elektronen im eindimensionalen Kasten:

2e

2

n LmhE⋅⋅

⋅=8

n2 + V [J]

L: Länge des Kastens; me: Elektronenmasse; 2Lem

2h

⋅⋅⋅

8

2n : kinetische Energie T

Die Gesamtlänge L des Kastens ergibt sich aus der Summe der mittleren

Atombindungsabstände, wobei man die dreidimensionale räumliche

Struktur des Moleküls durch eine eindimensionale ersetzt. Diese Länge

wird vergrössert um je eine Bindungslänge am Anfang und am Ende des

Moleküls.

( ) d1z ⋅+=L

z: Anzahl Atomrümpfe des Grundgerüsts; d : mittlerer Bindungsabstand

Berechnung der Anregungsenergie:

Die Anregungsenergie ΔEber ist die Differenz zwischen dem höchsten

von einem π-Elektron besetzten (höchstes besetztes Molekülorbital

HOMO: highest occupied molecular orbital) und dem niedrigsten unbe-

setzten (niedrigstes unbesetztes Molekülorbital LUMO: lowest unoccu-

Quantenchemie und organische farbige Stoffe LP 4 Wir sperren π-Elektronen in einen Kasten; das Elektronengas-Modell

76

pied molecular orbital) Energieniveau. Setzt man die Anzahl der π-

Elektronen gleich N, so ergibt sich für

das höchste besetzte Energieniveau: 2Nn = und

das niedrigste unbesetzte Energieniveau: 12Nn += .

Für die Anregungsenergie (ΔEber) gilt:

)2/N()12/N( EEEber −=Δ +

⎥⎥⎦

⎢⎢⎣

⎡+⎟

⎠⎞

⎜⎝⎛⋅

⋅⋅−

⎥⎥⎦

⎢⎢⎣

⎡+⎟

⎠⎞

⎜⎝⎛ +⋅

⋅⋅=Δ .konst

2N

8.konst1

2N

8

22

2e

2

2e

2

ber Lmh

LmhE

( )1N82

N12N

8

22

+⋅⋅⋅

=⎥⎥⎦

⎢⎢⎣

⎡⎟⎠⎞

⎜⎝⎛−⎟

⎠⎞

⎜⎝⎛ +⋅

⋅⋅= 2

e

2

2e

2

Lmh

Lmh

Formel zur Berechnung der Anregungsenergie:

1)+(N8

⋅⋅⋅

=Δ 2e

2

ber LmhE [J]

Setzt man die Beziehung für L in der Formel zur Berechnung der Anre-

gungsenergie ein, so resultiert der folgende Ausdruck:

22 )1z()1N(

d1

8 ++

⋅⋅⋅

=Δe

2

ber mhE [J]

Nun werden die Werte für die Konstanten eingesetzt:

me = 9,110.10-31 kg, h = 6,626.10-34 Js und für d 2 = (139 pm)2 =

1,932.10-20 m2.

2220231

234

)1z()1N(

m10932,11

kgm10110,98)Js10626,6(

++

⋅⋅

⋅⋅⋅⋅

=Δ −−

berE

222

2218

)1z()1N(

mkgssJkgm10118,3

++

⋅⋅= −

Der Ausdruck zur Berechnung der Anregungsenergie eines Moleküls

lautet somit:

218

)1z()1N(10118,3

++

⋅⋅=Δ −berE [J/Molekül]

Meistens wird die Anregungsenergie nicht für ein Molekül, sondern für

ein Mol Moleküle angegeben. Man multipliziert die obige Gleichung

Quantenchemie und organische farbige Stoffe LP 4 Wir sperren π-Elektronen in einen Kasten; das Elektronengas-Modell

77

Anregungsenergie

deshalb mit der Avogadro-Konstanten (NA = 6.02.1023 mol-1) und divi-

diert für die Umrechnung von J in kJ durch 1000:

23

22318

)1z()1N(1088,1

)1z()1N(

100011002,610118,3

++

⋅⋅=++

⋅⋅⋅⋅⋅=Δ +−berE [kJ⋅mol-1]

- Berechnung der Anregungsenergie eines π-Elektronensystems:

23

)1z()1N(1088,1

++

⋅⋅=Δ berE [kJ⋅mol-1]

- Je grösser die Kastenlänge und damit die Anzahl der π-Elektronen,

desto kleiner ist die Anregungsenergie.

- Je mehr Elektronen das delokalisierte π-Elektronensystem enthält und

je länger der Kasten, desto kleiner ist die Energiedifferenz zwischen

dem höchsten besetzten und dem niedrigsten unbesetzten Energiezu-

stand (Abb. 4.10).

Abb. 4.10 Elektronen im eindimensionalen Kas-ten: Energien im höchs-ten besetzten und nied-rigsten unbesetzten Zu-stand in Abhängigkeit von der Anzahl π-Elek-tronen

--------------------------------------------------------------------------------------

Exkurs

Aus der Anregungsenergie ΔEber und der Energie eines Photons kann

die Wellenlänge λber der absorbierten Strahlung berechnet werden:

Quantenchemie und organische farbige Stoffe LP 4 Wir sperren π-Elektronen in einen Kasten; das Elektronengas-Modell

78

berPhoton λ

chfhE ⋅=⋅=

berLichtber λ

chfhEE ⋅=⋅==Δ [J] Energie der absorbierten Strahlung

Da die Anregungsenergie eines Moleküls der Energie eines Photons

entspricht (ΔEber = ELicht), können die beiden Ausdrücke gleichgesetzt

werden:

bere λc

m⋅

=++

⋅⋅⋅

h)1z(1N

d1

8h

22

2

Umformen liefert:

1N)1z(d

h8 2

2

++

⋅⋅⋅⋅

=cm

λ eber [m] Wellenlänge der absorbierten

Strahlung

Nun werden die Werte für die Konstanten eingesetzt:

d 2 = 1,932⋅10-20 m2; c = 2,998⋅108 m⋅s-1; h = 6,626⋅10-34 Js; me =

9,110⋅10-31 kg

1N)1z(m10932,1

Js10 6,626sm102,998 kg109,110 8 2

220 34-.

-1 8 -31

++

⋅⋅⋅⋅⋅⋅⋅⋅

= −berλ [m]

Mit 1m = 109 nm folgt:

λber 1N)1z(70,63

1N)1z(10932,11010297,3

2220912

++

⋅=++

⋅⋅⋅⋅⋅= − [nm]

---------------------------------------------------------------------------------------

1N)1z(71,63

2

++

⋅=berλ [nm]

Berechnung der Wellenlänge des absorbierten Lichts [nm]

A 4.2

a) Berechnen Sie die Anregungsenergie für ein Mol des folgenden Cya-

nin-Farbstoffs (4,4'-Cyanine) für j = 1 und R = C2H5 (1,1'-Diethyl-4,4'-

carbocyaniniodid). Das System delokalisierter Elektronen wird von den

beiden Stickstoff-Atomen begrenzt, das nicht bindende Elektronenpaar

am Stickstoff-Atom zählt zum System delokalisierter Elektronen, die

Quantenchemie und organische farbige Stoffe LP 4 Wir sperren π-Elektronen in einen Kasten; das Elektronengas-Modell

79

beiden eingekreisten Benzolringe hingegen rechnet man nicht dazu.

NR CH (CH CH)j N+ R

I-

b) Berechnen Sie die entsprechende Wellenlänge der absorbierten Strah-

lung.

4.5 Überprüfung des Modells anhand der Cyanin-Farbstoffe

Cyanine sind eine sehr alte und umfangreiche Farbstoffklasse. Heute

sind weit über 100’000 Cyanin-Farbstoffe bekannt. Sie haben für das

Färben von Textilien wegen ihrer geringen Lichtechtheit in der Regel

keine grosse Bedeutung. Hingegen sind sie als Sensibilisatoren in der

Fotografie sehr wichtig. Mit ihrer Hilfe kann man Silberbromidschichten

für jeden beliebigen Wellenlängenbereich bis ins Infrarot sensibilisieren.

Die Cyanine gehören zu den Polymethin-Farbstoffen (Methingruppe:

=CH–) und zeichnen sich durch die beiden Endgruppen –NR2 aus, wobei

ein N-Atom (in der entsprechenden Grenzformel) eine positive Ladung

trägt. Die Stickstoff-Atome sind jeweils Teil eines heterocyclischen

Ringsystems. Ein Cyanin-Ion kann als linear betrachtet werden, indem

man die π-Elektronen der beiden heterozyklischen Ringe (also ohne die

delokalisierten Elektronen der Benzolringe) in das Grundgerüst mit ein-

bezieht, da sie in Konjugation zum π-System des Grundgerüsts stehen.

Gemessene (Experimentiervorschrift: Abschnitt 5.2.9) und berechnete

Werte stimmen dann praktisch überein, wenn man das nicht bindende

Elektronenpaar des links stehenden Stickstoff-Atoms in das System de-

lokalisierter Elektronen integriert. Damit ist die Anzahl N der π-

Elektronen gleich z + 1. (vgl. auch Aufgabe 4.2).

Quantenchemie und organische farbige Stoffe LP 4 Wir sperren π-Elektronen in einen Kasten; das Elektronengas-Modell

80

V 4.1 Absorptionsspektrum eines Cyanin-Farbstoffs

Nehmen Sie ein Absorptionsspektrum von 1,1'-Diethyl-4,4'-

carbocyaniniodid im Bereich von 500 - 800 nm auf.1 (Abzug! Hand-

schuhe!).

Probenküvette : Ethanollösung (stark verdünnt)

Referenzküvette: Ethanol

Ermitteln Sie das Absorptionsmaximum von 1,1'-Diethyl-4,4'-

carbocyaniniodid. Vergleichen Sie Ihren Messwert mit A 4.2.

Absorptionsspektrum zur Berechnung der Anregungsenergie

Die vom Spektralfotometer gemessene Schwächung der Lichtintensität,

d.h. die Lichtabsorption, ist bei der Wellenlänge am stärksten, deren

Energie der Anregungsenergie des Farbstoffmoleküls entspricht. Aus der

experimentell ermittelten Wellenlänge beim Absorptionsmaximum (λexp)

lässt sich somit die Anregungsenergie Eexp berechnen.

Anregungsenergie

expLichtexp λ

chνhEE ⋅=⋅==Δ [J/Molekül]

---------------------------------------------------------------------------------------

Exkurs

Um die Anregungsenergie Eexp für ein Mol Farbstoffmoleküle aus λexp

zu berechnen, muss man die obige Gleichung mit der Avogadro-

Konstanten (NA = 6,02⋅1023 mol-1) multiplizieren und h = 6,626⋅10-34 Js

sowie c = 2,998⋅108 m⋅s-1 einsetzen. Für die Umrechnung von J in kJ

wird durch 1000 dividiert. Da λexp in nm vorliegt, wird für die Umrech-

nung von m in nm mit 109 multipliziert.

nm11sm10998,2Js10626,6mol1002,6 1834123 ⋅⋅⋅⋅⋅⋅⋅⋅=Δ −−−

expexp λ

E

[ ]191 molkJ1101000

110196,1 −− ⋅⋅⋅⋅⋅=expλ

---------------------------------------------------------------------------------------

Aus der experimentell ermittelten Wellenlänge berechnet sich die Anre-

1 Bezugsquelle: Firma Aldrich-Chemie D 89555 Steinheim/Albuch bzw. Dr. Grogg Chemie AG, Gümligen-talstrasse 83, CH 3066 Stettlen-Deisswil; Tel. 031 932 11 66.

Quantenchemie und organische farbige Stoffe LP 4 Wir sperren π-Elektronen in einen Kasten; das Elektronengas-Modell

81

Anregungsenergie aus λexp

gungsenergie pro Mol Farbstoffmoleküle wie folgt:

expexp λ

E 110196,1 5 ⋅⋅=Δ [kJ⋅mol-1]

Anregungsenergie Eexp für 1 Mol Farbstoffmoleküle

(Für λexp ist nur der Zahlenwert einzusetzen, die Einheit nm wurde be-

reits berücksichtigt.)

Für weitere 4,4'-Cyanine erhält man folgende Werte:

Tabelle 4.1 Berechnete und experimentell ermittelte Werte für Energie bzw. Wellen-

länge der absorbierten elektromagnetischen Strahlung der 4,4'-Cyanine

N(j)

λexp in nm

λber in nm

ΔEexp in kJ⋅mol-1

ΔEber in kJ⋅mol-1

10 (0)

590,0

579,1

202,7

206,8

12 (1) 79,7 705,7 168,5 169,7

14 (2) 818,0 832,0 146,2 143,9

16 (3) 932,0 959,3 128,3 124,8

Abb. 4.11 4,4'-Cyanine: Grafische Darstellung der berechneten und experimentell ermittel-ten Werte für Energie bzw. Wellenlänge der absorbierten elektromagnetischen Strahlung

Die im Abschnitt 4.3 behandelten Grundlagen für das Elektronengas-Modell (vollständiger Bindungsausgleich durch delokalisierte π-Elek-tronen, konstante potentielle Energie) lassen sich also auf die 4,4'-Cyanine anwenden. Der wahre Zustand der Moleküle kann somit durch

Quantenchemie und organische farbige Stoffe LP 4 Wir sperren π-Elektronen in einen Kasten; das Elektronengas-Modell

82

zwei energetisch gleichwertige Grenzformeln beschrieben werden. Er liegt in der Mitte und ist energieärmer (Mesomerie; Mesomerieenergie).

Abb. 4.12: Grenzfor-meln eines 4,4'-Cyanin-Moleküls

N (CH CH)j CH N RR

NR CH NCH)j(CH R+

+

Für die 4,4'-Cyanine gilt:

- Das π-Elektronensystem erstreckt sich über die gesamte Kette (von N

bis N+), enthält das nicht bindende Elektronenpaar des Stickstoff-

Atoms, und die π-Elektronen sind vollständig delokalisiert.

- Die beiden Endgruppen (N bzw. N+) sind für den vollständigen Bin-

dungsausgleich verantwortlich.

- Zwischen der Anzahl π-Elektronen und der absorbierten

elektromagnetischen Strahlung besteht eine lineare Abhängigkeit

(siehe oben). Je grösser die Anzahl der π-Elektronen, desto geringer

ist die Energie der absorbierten Strahlung.

- Das Modell des Elektronengases lässt sich direkt auf die 4,4'-Cyanine

anwenden und ermöglicht es, quantitative Voraussagen über die Ab-

sorptionsenergie, und damit die Farbe des Stoffs, zu machen.

- Der wahre Zustand der Moleküle kann durch zwei energetisch gleich-

wertige Grenzformeln beschrieben werden.

Quantenchemie und organische farbige Stoffe LP 4 Wir sperren π-Elektronen in einen Kasten; das Elektronengas-Modell

83

A 4.3

Ein Elektron in einem 10-9 m langen Kasten hat eine Geschwindigkeit

von v = 1,09.106 m⋅s-1 Wie gross ist seine kinetische Energie? Welchen

Energiezustand besetzt das Elektron?

me = 9,110.10-31 kg; h = 6,626.10-34 Js A 4.4 a) Zeichnen Sie für 1,3,5,7,9-Decapentaen ein Schema der im Grundzu-

stand mit π-Elektronen besetzten Energieniveaus.

b) Berechnen Sie die Anregungsenergie (pro Mol) für 1,3,5,7,9-

Decapentaen unter der Annahme, dass die π-Elektronen vollständig de-

lokalisiert sind.

A 4.5 Das Absorptionsspektrum eines Farbstoffs zeigt ein Absorptionsmaxi-

mum bei einer Wellenlänge von λexp = 420 nm. Berechnen Sie daraus

die Anregungsenergie in kJ⋅mol-1.

4.6 Lösungen zu den Aufgaben

A 4.1

Kinetische Energie des Elektrons für n = 1:

2n82

⋅⋅⋅

=⋅

= 2e

22e

LmhvmT = ( )

( )2931

234

1010110,9810626,6

−−

⋅⋅⋅

⋅ 2

22

mkgsJ⋅⋅ =

6,025⋅10-20 J

Geschwindigkeit des Elektrons für n = 1

15231

220

sm10637,3skg10110,9mkg10025,622 −

⋅⋅=⋅⋅⋅⋅⋅

=⋅

=emTv

Wellenlänge des Elektrons für n = 1:

nm 2 m 102sm10637,3kg10110,9

Js10626,6= 91531

34

=⋅=⋅⋅⋅⋅

⋅=

⋅−

−−

vmhλe

A 4.2 Mit 23

)1z(1N1088,1

++

⋅⋅=Δ berE [kJ⋅mol-1] und

λber = 1N)1z(70,63

2

++

⋅ [nm] sowie j = 1 ergibt sich:

z = 11, N = 12

a) ΔEber = 169,7 kJ⋅mol-1

Quantenchemie und organische farbige Stoffe LP 4 Wir sperren π-Elektronen in einen Kasten; das Elektronengas-Modell

84

b) λber = 706 nm

A 4.3 J10411,5

2)sm1009,1(kg10110,9

219

21631−

−−

⋅=⋅⋅⋅⋅

=⋅

=2

e vmT

n8

h 22

⋅⋅⋅

= 2e

n LmT

3 )Js10626,6(

)m10(kg10110,98J10411,58=n 234

293119

=⋅

⋅⋅⋅⋅⋅=

⋅⋅−

−−−

2

2en

hLmT

Das Elektron befindet sich im 3. Energiezustand.

A 4.4 a)

b)

Anzahl der π-Elektronen des Farbstoffmoleküls: N = 10

Anzahl der Atomrümpfe des π-Elektronensystems: z = 10

Berechnete Anregungsenergie pro Mol Moleküle:

23

)1z(1N1088,1

++

⋅⋅=Δ berE kJ⋅mol-1 = 170,64 kJ⋅mol-1

A 4.5 ΔEexp berechnet sich folgendermassen (für ein Mol Moleküle und die

Umwandlung von nm in m bzw. von J in kJ):

ΔEexp = expλ

ch ⋅ = 39

23834

10104201002,610998,210626,6

⋅⋅⋅⋅⋅⋅⋅

= 284,7 kJ⋅mol-1