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Differentialdiagnostik und Therapie der Gicht Monika Reuss-Borst 1 1 Klinik Am Kurpark, Fachklinik für Rheumatologie und Onkologie, Bad Kissingen. IN KOOPERATION MIT DER BAYERISCHEN LANDESÄRZTEKAMMER Praxis FORTBILDUNG INNERE MEDIZIN 3 P u n k t e Z e r t i f i z i e r t e F o r t b i l d u n g Continuous Medical Education CME 710 Med Klin 2009;104:710–22 DOI 10.1007/s00063-009-1154-z KASUISTIK Anamnese: Ein 55-jähriger Patient wird unter dem Verdacht auf eine rheumatoide Arthritis (RA) mit erosivem Verlauf zugewiesen. Seit 09/2005 erhält der Patient eine Basistherapie mit Methotrexat 20 mg/Woche subku- tan, ohne dass diese bislang zu einer wesentlichen klinischen Besserung der Beschwerden geführt hat. Bei Aufnahme klagt der Patient über seit ca. 5 Jahren bestehende Arthral- gien in beiden Schulter- und Kniegelenken sowie seit ca. 2 Jahren rezidivie- rende Schmerzen und zeitweise auch Schwellungen in den Finger- und Hand- gelenken. Angegeben wird zudem eine Morgensteifigkeit von ca. 30 min. In der Vorgeschichte erwähnenswert sind ein typischer Gichtanfall im Kniegelenk vor > 10 Jahren, im weiteren Verlauf auch Gichtanfälle im Groß- zehengrundgelenk. Vor mehreren Jahren erfolgte auch intermittierend eine Therapie mit Allopurinol. Zurzeit keine Therapie mit einem Urikostati- kum. Der Patient berichtet über eine Operation einer Bursitis olecrani rechts 2007 und eine Operation eines Karpaltunnelsyndroms der rechten Hand 2004. Seit 2003 wird eine arterielle Hypertonie medikamentös therapiert, 05/2008 war wegen einer dekompensierten Herzinsuffizienz ein stationärer Aufenthalt erforderlich. Der Patient, ein gelernter Metzger, zuletzt als Bauarbeiter im Hoch- und Tiefbau tätig, gibt an, pro Tag drei Flaschen Bier zu trinken. Befund: Gewicht bei Aufnahme 110 kg bei 164 cm Körpergröße (Body- Mass-Index 40,8). RR 106/78 mmHg. Bei der klinischen Untersuchung findet sich ein Druckschmerz über beiden Schulter- und Handgelenken. Beide Handgelenke, insbesondere die Handrücken, sind mäßig geschwollen, ebenso die Metakarpophalangeal-(MCP-) und proximalen Interphalangeal- (PIP-)Gelenke II–IV beidseits (Abbildung 1). Außer einem Faustschlussdefi- zit keine funktionsrelevanten Einschränkungen im Bereich des gesamten Be- wegungssystems. Multiple Tophi im Bereich beider Ellbogen und Unter- armstreckseiten. Der übrige internistisch/orthopädisch-rheumatologische Untersuchungsbefund ist unauffällig. Laborchemisch finden sich bei Aufnahme eine deutliche Entzündungs- konstellation (C-reaktives Protein [CRP] 5,32 mg/dl, Blutkörperchensen-

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  • Differentialdiagnostik und Therapie der Gicht Monika Reuss-Borst1

    1Klinik Am Kurpark, Fachklinik fr Rheumatologie und Onkologie, Bad Kissingen.

    IN KOOPERATION MIT DER BAYERISCHEN LANDESRZTEKAMMER

    Praxis

    FORTBILDUNG INNERE MEDIZIN 3 Punkte

    Zert

    ifizie

    rte Fortbildung

    Continuous Medical Education

    CME

    710

    Med Klin 2009;104:71022DOI 10.1007/s00063-009-1154-z

    KASUISTIK

    Anamnese: Ein 55-jhriger Patient wird unter dem Verdacht auf eine rheumatoide Arthritis (RA) mit erosivem Verlauf zugewiesen. Seit 09/2005 erhlt der Patient eine Basistherapie mit Methotrexat 20 mg/Woche subku-tan, ohne dass diese bislang zu einer wesentlichen klinischen Besserung der Beschwerden gefhrt hat.

    Bei Aufnahme klagt der Patient ber seit ca. 5 Jahren bestehende Arthral-gien in beiden Schulter- und Kniegelenken sowie seit ca. 2 Jahren rezidivie-rende Schmerzen und zeitweise auch Schwellungen in den Finger- und Hand-gelenken. Angegeben wird zudem eine Morgensteifigkeit von ca. 30 min.

    In der Vorgeschichte erwhnenswert sind ein typischer Gichtanfall im Kniegelenk vor > 10 Jahren, im weiteren Verlauf auch Gichtanflle im Gro-zehengrundgelenk. Vor mehreren Jahren erfolgte auch intermittierend eine Therapie mit Allopurinol. Zurzeit keine Therapie mit einem Urikostati-kum.

    Der Patient berichtet ber eine Operation einer Bursitis olecrani rechts 2007 und eine Operation eines Karpaltunnelsyndroms der rechten Hand 2004. Seit 2003 wird eine arterielle Hypertonie medikaments therapiert, 05/2008 war wegen einer dekompensierten Herzinsuffizienz ein stationrer Aufenthalt erforderlich.

    Der Patient, ein gelernter Metzger, zuletzt als Bauarbeiter im Hoch- und Tiefbau ttig, gibt an, pro Tag drei Flaschen Bier zu trinken.

    Befund: Gewicht bei Aufnahme 110 kg bei 164 cm Krpergre (Body-Mass-Index 40,8). RR 106/78 mmHg. Bei der klinischen Untersuchung findet sich ein Druckschmerz ber beiden Schulter- und Handgelenken. Beide Handgelenke, insbesondere die Handrcken, sind mig geschwollen, ebenso die Metakarpophalangeal-(MCP-) und proximalen Interphalangeal-(PIP-)Gelenke IIIV beidseits (Abbildung 1). Auer einem Faustschlussdefi-zit keine funktionsrelevanten Einschrnkungen im Bereich des gesamten Be-wegungssystems. Multiple Tophi im Bereich beider Ellbogen und Unter-armstreckseiten. Der brige internistisch/orthopdisch-rheumatologische Untersuchungsbefund ist unauffllig.

    Laborchemisch finden sich bei Aufnahme eine deutliche Entzndungs-konstellation (C-reaktives Protein [CRP] 5,32 mg/dl, Blutkrperchensen-

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    Abbildung 1. Mige Schwellung am Handrcken, Schwellungen der MCP- und PIP-Gelenke der linken Hand sowie kleines Gichtkntchen am kleinen Finger.

    kungsgeschwindigkeit [BSG] 54 n.W.) sowie ein deutlich positiver Rheuma-faktor (RF, 475 IU/ml) und ein erhhter CCP-AK-Wert (Antikrper gegen zyklische citrullinierte Peptide) von 840 U/ml. Die Harnsure liegt mit 7,13 mg/dl im oberen Normbereich. Das Ferritin ist mit 522 ng/ml erhht.

    Ebenfalls im Normbereich bzw. unauffllig: Blutbild, Quick, partielle Thromboplastinzeit, Elektrolyte, Kreatinin, Harnsure, Transaminasen, Cho-lestaseparameter, Triglyzeride, Cholesterin, Lipase, Gesamtprotein, Glucose.

    Weiterfhrende Diagnostik: Duplexsonographisch findet sich ber dem Metatarsophalangeal-(MTP-)Gelenk I rechts eine deutlich echoarme Gelenk-spaltverbreiterung, die in eine nodulre Struktur inhomogener Echogenitt mit echoreicheren Binnenstrukturen und teilweise Schallschattenbildung ber-geht; daran anschlieend zeigt sich eine stanzlochhnliche Usur passend zu einer Gichtarthritis (Abbildung 2).

    In der Duplexarthrosonographie der MCP- und Handgelenke finden sich an allen untersuchten Gelenken echoarme Gelenkspaltverbreiterungen und mehrere echogene Noduli mit inhomogener Echostruktur.

    Die Schwellungen am Handgelenk und ber dem Handrcken entsprechen z.T. nodulren Vernderungen sowie Tendinitiden bzw. Tendovaginitiden mit deutlicher Hypervaskularisation im Sehnenscheiden- und Sehnenbe-reich.

    In der Abdomensonographie deutliche Steatosis hepatis, linke Niere mit Parenchymbrcke, ansonsten unaufflliger Befund.

    Abbildung 2. Sonographie des MTP-I-Gelenks rechts im Lngs- und Querschnitt.

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    Diagnose und Differentialdiagnose der Gicht

    Definition: Hyperurikmie

    Ursache der Gicht ist die Hyperurikmie, wobei die Hyperurikmie per se noch keine Erkrankung, sondern ein zunchst harmloser Laborbefund ist. Unter Be-rcksichtigung der Lslichkeitsgrenze von Natriumurat im Plasma bei einer Krpertemperatur von 37 C ist sie definiert als eine mehrfach gemessene Er-hhung des Serumharnsurespiegels > 6,5 mg/dl oder > 380 mol/l.

    Die Hyperurikmie ist entweder Folge einer vermehrten Bildung oder ver-ringerten Ausscheidung von Harnsure.

    Nach der tiologie unterscheidet man primre und sekundre Formen der Hyperurikmie. Primre (familire, idiopathische) Formen treten hufiger bei Mnnern auf und sind meist auf Strungen der tubulren Harnsuresekretion zurckzufhren (> 90%). Eine vermehrte endogene Harnsuresynthese wird lediglich bei 1% aller familiren Hyperurikmieflle beobachtet. Ursache dieser gesteigerten endogenen Harnsuresynthese sind seltene Enzymdefekte des Purin-stoffwechsels wie z.B. eine verminderte Aktivitt (Kelley-Seegmiller-Syndrom) oder gar der Verlust der Hypoxanthin-Guanin-Phosphoribosyltransferase-Akti-vitt (Lesch-Nyhan-Syndrom).

    Sekundre Formen der Hyperurikmie sind auf exogene Ursachen zurck-zufhren, die entweder auf einer vermehrten Harnsurebildung (z.B. maligne Erkrankungen, erhhte Purinzufuhr), verminderten renalen Ausscheidung (z.B. Niereninsuffizienz, Medikamente) oder vermehrten Bildung und verminderten Ausscheidung (z.B. Alkohol, Fasten) beruhen (Tabelle 1).

    In Industrienationen ist die Hyperurikmie ein sehr hufiger, zunchst harm-loser Laborbefund. Bei ca. 2530% der Mnner und 510% der Frauen findet sich eine Hyperurikmie ohne die klinischen Symptome einer Gicht. Ledig-lich ca. 10% der Menschen mit einer Hyperurikmie entwickeln auch das klinische Bild einer Gicht, d.h., es tritt ein Gichtanfall auf. Dabei hngt das Risiko, einen Gichtanfall zu entwickeln, 1. von der Dauer der Hyperurikmie, 2. vom Ausma der Hyperurikmie sowie 3. von der genetischen Veranlagung ab [1].

    Die Gicht als klinische Manifestation einer Hyperurikmie

    In Industrienationen ist die Gicht mit einer Prvalenz von 12% eine der hu-figsten entzndlichen Gelenkerkrankungen. Grundstzlich sind Mnner etwa vier- bis neunmal hufiger betroffen als Frauen. Die Prvalenz der Gicht nimmt dabei mit dem Alter zu. Bei Frauen ist die Erstmanifestation eines Gichtanfalls meist 10 Jahre spter als bei Mnnern zu beobachten, was darauf zurckzufhren ist, dass strogene die tubulre Sekretion der Harnsure frdern, so dass Frauen von der Gicht meist erst nach der Menopause (Erstmanifestation 55.65. Le-bensjahr) betroffen sind. Bei den > 75-Jhrigen leiden > 7% der Mnner und > 4% der Frauen an einer Gicht [2, 3].

    Patienten mit einer Gicht leiden hufig an Begleiterkrankungen wie z.B. arterieller Hypertonie, Diabetes mellitus, Adipositas (metabolisches Syndrom) und auch koronarer Herzerkrankung.

    Der akute Gichtanfall Arthritis urica

    Unter physiologischen Bedingungen liegt die Harnsure im Blut bis zu einer Konzentration von 380 mol/l (6,5 mg/dl) in gelster Form vor. Bei hheren Konzentrationen liegt eine gesttigte Lsung mit Neigung zur Ausfllung von Harnsurekristallen vor. Bei niedrigen Temperaturen und/oder niedrigem pH-Wert ist die Lslichkeitsgrenze herabgesetzt, was die bevorzugte Ablagerung von Uratkristallen in weniger gut durchbluteten Akren, in azidotischen Gewe-ben wie entzndeten Gelenken oder auch die Manifestation des Anfalls in der Nacht erklren knnte.

    Die Hyperurikmie ist Folge einer vermehrten Bildung oder verminderten

    Ausscheidung von Harnsure.

    Die Hyperurikmie ist ein sehr hufiger, zunchst harmloser

    Laborbefund.

    Gicht ist die klinische Manifestation einer Hyperurikmie.

    Mnner sind hufiger betroffen als Frauen.

    Der akute Gichtanfall manifestiert sich meist als sehr schmerzhafte Mon-

    arthritis.

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    Der akute Gichtanfall tritt fast immer als extrem schmerzhafte Monarthritis auf, die in etwa 6080% der Flle das Grozehengrundgelenk (Podagra), seltener das Knie- (Gonagra 50%), Sprung- und auch das Handgelenk (Chiragra) betrifft. Bei der Erstmanifestation ist der asymmetrische, meist monarthritische Befall

    Primre Hyperurikmie

    Strung der tubulren Harnsuresekretion (ca. 99%)

    Vermehrte endogene Harnsuresynthese infolge von Enzymdefekten des Purin-stoffwechsels (ca. 1% aller Patienten)

    Sekundre Hyperurikmie

    Vermehrte Harnsurebildung

    Hohe Purinzufuhr mit der Nahrung

    Alkohol

    Hmatologische Erkrankungen

    CML

    Polycythaemia vera

    Osteomyelosklerose

    Lymphoproliferative Erkrankungen

    Hmolytische Anmien

    Tumorlysesyndrom bei Zytostatikatherapie

    Psoriasis

    Rhabdomyolyse

    Verminderte renale Harnsureausscheidung

    Nierenerkrankungen

    Lactatazidose

    Ketoazidose

    Fasten

    Diabetes mellitus

    Hypothyreose

    Alkohol

    Sarkoidose

    Medikamente

    Diuretika

    -Blocker CSA

    Salicylate

    Zytostatika

    Pyrazinamid

    Ethambutol

    Vermehrte Bildung und verminderte Ausscheidung von Harnsure

    Fasten

    Alkoholexzess

    Glykogenspeicherkrankheit Typ I

    Tabelle 1. tiologische Klassifikation der Hyperurikmie. CML: chronische myeloische Leukmie; CSA: Ciclo-sporin A.

    In 6080% der Flle ist das Grozehengrundgelenk betroffen.

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    (90%) mit den klassischen Entzndungszeichen Calor, Rubor, Tumor, Dolor pathognomonisch. Klassisch beginnt der Anfall meist nachts mit extremer Be-rhrungs- und Druckempfindlichkeit des betroffenen Gelenks. Begleitet wird er meist von einer ausgeprgten Allgemeinsymptomatik (Schttelfrost, Fieber) sowie einer deutlichen Entzndungskonstellation (CRP-Erhhung, BSG-Be-schleunigung, Leukozytose, Thrombozytose).

    In der Anamnese lassen sich sehr hufig ein vorausgegangener Alkoholexzess, ein Nahrungsexzess mit extrem purinreicher Kost (Schlachtplatte), ein Trau-ma/eine Operation oder auch eine interkurrente Erkrankung und krperliche Anstrengungen als auslsendes Ereignis (Trigger des Anfalls) eruieren. Weitere Risikofaktoren fr einen Gichtanfall sind Dehydratation, Fastenkuren mit ex-tremer Gewichtsreduktion sowie die Einnahme bestimmter Medikamente wie z.B. Diuretika.

    Im Unterschied zu den meisten Arthritiden ist der Gichtanfall zunchst im-mer selbstlimitierend und dauert wenige Tage bis maximal 2 Wochen.

    Diagnose des akuten Gichtanfalls

    In fast allen Fllen handelt es sich beim akuten Gichtanfall um eine klinische Diagnose, die auf der typischen Anamnese (vorausgegangener Gichtanfall, Nah-rungs- und/oder Alkoholexzess, akuter nchtlicher Krankheitsbeginn) sowie den klassischen Untersuchungsbefunden (Monarthritis, Schwellung und Rtung des Gelenks, ausgeprgte Allgemeinsymptomatik) beruht. Im Labor findet sich fast immer eine deutliche Entzndungskonstellation. Erhhte Harnsurewerte un-tersttzen die Verdachtsdiagnose, sind jedoch im Anfall bei ca. 50% der Gicht-patienten nicht nachweisbar. Daher sollten bei fortbestehendem Verdacht auf eine Gichtarthritis in jedem Fall 14 Tage nach dem Anfall nochmals die Harn-surewerte bestimmt werden.

    Mit Blick auf bildgebende Verfahren zeigt sich in der Sonographie das typische Bild einer Synovialitis mit deutlicher Mehrvaskularisation im Power-Mode. Das Rntgenbild ist dagegen bei Erstmanifestation der Arthritis urica meist noch wenig wegweisend.

    Letztlich fr eine Gicht beweisend ist der polarisationsmikroskopische Nach-weis von stark negativ doppelbrechenden intrazellulren Harnsurekristallen im Punktat [4, 5]. Da die wichtigste Differentialdiagnose der akuten Arthritis urica die septische Arthritis ist, sollte insbesondere bei nicht mglichem Ausschluss einer septischen Arthritis eine Gelenkpunktion angestrebt werden.

    Die Gicht als chronische Gelenkerkrankung

    Zunchst sind die Gichtanflle selbstlimitierende Attacken, die mit unterschied-lich langen beschwerdefreien Intervallen zwischen den Gichtanfllen einherge-hen (sog. interkritische Gicht). Ohne adquate Therapie haben die meisten Patienten in der Regel rezidivierende Gichtattacken; es werden sukzessive auch andere, bislang nicht betroffene Gelenke befallen. 60% der Patienten erleiden im 1. Jahr, 80% im 2. Jahr und > 90% innerhalb von 5 Jahren einen erneuten Gichtanfall. Bei rezidivierenden Anfllen resultiert meist das typische Bild einer chronischen Gicht, die letztlich mit erheblichen Gelenkdestruktionen und auch funktionellen Einschrnkungen einhergehen kann.

    Die destruierende Arthritis fhrt dabei aufgrund schleichend progredienter Vernderungen an den Gelenken zu einem Bild, das durchaus auch einer Ar-throse hneln kann. Radiologische Vernderungen entwickeln sich oft langsam und meist schmerzlos.

    Typische radiologische Zeichen einer chronischen Gichtarthritis sind Stanz-lochdefekte, Usuren und tophse Destruktionen (Abbildung 3).

    Die Gelenkvernderungen sind Folge der Zerstrung gelenknaher Knochen-anteile durch Harnsureablagerungen. Extraartikulre Manifestationen der chro-nischen Gicht sind typischerweise auch Tophi der Weichteile, die von Sehnen-scheiden, Schleimbeuteln oder der Subkutis der Ohrmuscheln (Gichtperlen)

    Anamnestisch lassen sich hufig aus-lsende Ereignisse eruieren (Trigger

    des Anfalls).

    Erhhte Harnsurewerte untersttzen die Verdachtsdiagnose, sind jedoch

    im Anfall bei ca. 50% der Patienten nicht nachweisbar.

    Gichtanflle sind zunchst meist selbstlimitierend.

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    ausgehen. Brechen Tophi nach auen durch, entstehen typische sog. Gichtge-schwre.

    Weitere extraartikulre Manifestationen der chronischen Gicht sind chronische Bursitiden z.B. des Ellbogens oder auch Tendovaginitiden.

    Die Uratnephropathie (Gichtniere) ist durch rezidivierend auftretende rnt-gennegative Harnsuresteine, oft auch durch eine Hypertonie und einen langsam fortschreitenden Nierenfunktionsverlust gekennzeichnet. Proteinurie, Leukozyt-urie, Hmaturie und Blutdruckerhhung weisen auf eine Beteiligung der Niere hin. Eine sekundre Pyelonephritis kann die Nierenfunktionseinschrnkung begnstigen. Dies gilt natrlich auch fr die oft begleitend auftretenden Komor-biditten arterielle Hypertonie und Diabetes mellitus, die mit einer Nierenfunk-tionseinschrnkung einhergehen, so wie umgekehrt die Uratnephropathie zu einer erhhten Hypertonierate fhren kann.

    Wichtigste Differentialdiagnosen der chronischen Gicht

    Rheumatoide ArthritisDie RA hat als hufigste entzndliche rheumatische Systemerkrankung eine Prvalenz von ca. 0,8%. Frauen sind im Gegensatz zur Gicht etwa dreimal hu-figer betroffen als Mnner. Die Erkrankung manifestiert sich mit einem ersten Erkrankungsgipfel zwischen dem 35. und 45. Lebensjahr sowie einem zweiten Erkrankungsgipfel in der 6.7. Lebensdekade.

    Im Gegensatz zur typischen Gicht ist der Krankheitsbeginn meist schleichend. Nach einem sog. Prodromalstadium mit Abgeschlagenheit, vermehrter Schwei-neigung und allgemeinem Krankheitsgefhl treten typischerweise symmetrische Arthritiden vor allem der MCP- und PIP-Gelenke sowie der Handgelenke auf. Frhzeitig im Verlauf finden sich auch Schmerzen/Schwellungen der MTP-Ge-lenke. An diesen finden sich hufig die frhesten radiologischen Vernde-rungen.

    Neben dieser typischen Polyarthritis (Gicht meist Monarthritis!) klagen die Patienten hufig ber eine morgendliche, aber auch im Tagesverlauf nach ln-geren Ruhephasen auftretende Steifigkeit, die mindestens 3060 min andauert.

    Differentialdiagnostische Schwierigkeiten bereiten vor allem die Patienten, bei denen die RA sich nicht mit o.g. klinischem Bild manifestiert.

    Abbildung 3. Radiologische Zeichen einer chronischen Gichtarthritis: Weichteilverkalkungen, Tophi, Gelenkdestruktion.

    Die Uratnephropathie ist eine typische Manifestation der chronischen Gicht.

    Im Gegensatz zur Gicht ist der Krankheitsbeginn bei der RA meist schleichend.

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    So gilt: In ca. 2030% kann die RA sich als Monarthritis manifestieren oder auch akut auftreten! In gleicher Hufigkeit wird ein asymmetrischer Beginn oder die Primrmanifestation an groen Gelenken beobachtet.

    Laborchemisch findet sich bei der RA meist nur eine geringe bis mige Entzndungskonstellation. Im Frhstadium ist der RF bei 50% der Betroffenen negativ und hilft diagnostisch nicht weiter. Hinzu kommt, dass der RF nur eine Spezifitt von ca. 70% aufweist und auch bei einer Reihe anderer Erkrankungen nachweisbar ist. Mit zunehmendem Alter ist er bei bis zu 1520% ohne jegliche Krankheitsrelevanz nachweisbar.

    Bei den sog. CCP-AK handelt es sich um Antikrper gegen zyklische ci-trullinierte Peptide. Sie sind oft bereits im Frhstadium (evtl. vor Erstmanifes-tation der Erkrankung) nachweisbar und gehen mit einem aggressiveren Krank-heitsverlauf einher.

    Koinzidenz von Gicht und rheumatoider ArthritisBei dem eingangs vorgestellten Patienten liegt mit sehr hoher Wahrscheinlich-keit eine Koinzidenz von chronischer Gicht und RA vor. Im typischen Alter von ca. 45 Jahren hatte der Patient erstmals, im weiteren Verlauf noch mehrfach Gichtanflle in Grozehengrund- und Kniegelenk bei typischer Risikokonstel-lation (Metzger mit hufigem Fleisch-/Wurstverzehr, regelmigem Bierkonsum, Adipositas). Anamnestisch waren die Harnsurewerte erhht, und demzufolge wurde auch ber lngere Zeit eine urikostatische Therapie durchgefhrt. Die bei der klinischen Untersuchung aufflligen Tophi loco typico mssen ebenso wie die Bursitis olecrani (mit Nachweis von Harnsurekristallen im Punktat) als Ausdruck extraartikulrer Manifestationen einer im weiteren Verlauf chronifi-zierten Gicht (s. Die Gicht als chronische Gelenkerkrankung) interpretiert wer-den.

    Die im weiteren Verlauf aufgetretenen symmetrischen Schmerzen und Schwellungen in den MCP- und PIP-Gelenken mssen vor allem mit Blick auf die typische Morgensteifigkeit sowie die typische Autoantikrperkonstellation mit Nachweis von hochpositiven RF und (fr eine RA hochspezifischen) CCP-AK als Symptome einer RA interpretiert werden. Die vorliegende Ent-zndungskonstellation ist unspezifisch und bringt differentialdiagnostisch keinen zustzlichen Informationsgewinn. In der englischsprachigen medizinischen Li-teratur wurden zwischen 1964 und 2009 nur 33 Flle beschrieben, in denen Gicht und RA bei einem Patienten gleichzeitig auftraten [6, 7]. Kuo et al. [6] berichteten in ihrer Arbeit ber insgesamt 32 Flle (24 aus der Literatur und acht eigene). Dabei zeigte sich, dass die Patienten mit Koinzidenz von RA und Gicht meist lter (mittleres Alter 55,8 Jahre) und berwiegend mnnlich (75%) waren und sich der RF seltener nachweisen lie. In 75% der Flle ging die Gicht der Manifestation der RA voraus, wie es auch in der hier beschriebenen Kasuistik der Fall war. Nur bei einem der publizierten Flle waren sowohl RF als auch CCP-AK positiv wie bei unserem Patienten. Da CCP-AK hochspezifisch fr eine RA sind, sprechen dieser Befund wie auch die Klinik (polyartikulre RA) in unserem Fall fr die selten zu beobachtende Koinzidenz von Gicht und RA.

    Weitere Differentialdiagnosen

    Polyarthrose der kleinen FingergelenkeDie Polyarthrose insbesondere der kleinen Fingergelenke ist eine weitere wich-tige Differentialdiagnose zur Gicht, zumal in der Praxis Patienten hufig selbst die Diagnose einer Gicht stellen. Meist beginnt die Polyarthrose schleichend und betrifft bevorzugt perimenopausale Frauen (Geschlechtsverhltnis 10 : 1). Betroffen sind berwiegend die PIP- (Bouchard-Arthrosen) und distalen Inter-phalangeal-(DIP-)Gelenke (Heberden-Arthrosen) sowie das Daumengrundgelenk (Rhizarthrose). Im Gegensatz zur RA sind die MCP- und MTP-Gelenke typi-scherweise nicht betroffen. Wie bei der RA treten die Vernderungen meist symmetrisch, d.h. an beiden Hnden auf. Bei der klinischen Untersuchung

    Im Frhstadium ist der Rheumafaktor nur bei 50% des Patienten positiv.

    Die Polyarthrose der kleinen Fingergelenke wird oft als Gicht

    fehlinterpretiert.

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    finden sich knotige Vernderungen ber den betroffenen Gelenken (Bouchard-, Heberden-Knoten; Abbildung 4), die mit Gichtknoten verwechselt werden knnen.

    Dies ist auch deshalb von klinischer Relevanz, da vor allem bei Frauen gehuft atypische Gichtmanifestationen, insbesondere an mehreren Gelenken (Polyar-thritis), so speziell an den kleinen Fingergelenken, beschrieben wurden.

    Fast immer fehlen bei der Polyarthrose Allgemeinsymptome. Laborchemisch zeigt sich mit Ausnahme aktivierter Arthrosen keine Entzndungskonstella-tion.

    Da die betroffenen Frauen hufig auch an den groen Gelenken degenerative Vernderungen aufweisen (oft eine Gonarthrose bei Adipositas), kann die Ab-grenzung zu einer chronischen Gicht durchaus schwierig sein. Hier helfen die Anamnese (frhere typische Gichtanflle, metabolisches Syndrom etc.) und pathognomonische radiologische Vernderungen diagnostisch vielfach weiter.

    PsoriasisarthritisEtwa 20% der Patienten mit einer Psoriasis entwickeln im Krankheitsverlauf eine Psoriasisarthritis. Diese kann sich auch vor Auftreten der Psoriasis manifes-tieren, selten kommt es zu einer Psoriasisarthritis sine psoriasis. Die Psoriasis-arthritis beginnt wie die RA oft schleichend. Nach einer aus dem Jahr 1973 stammenden Klassifikation von Moll & Wright werden fnf klinische Manifes-tationsformen unterschieden (Tabelle 2). Differentialdiagnostische Schwierig-keiten knnen dabei vor allem die Formen mit ausschlielichem Befall der DIP- und PIP-Gelenke (Differentialdiagnose: Polyarthrose) sowie die Manifes-tation als symmetrische Polyarthritis bereiten.

    Im Gegensatz zur RA zeigt sich oft nur eine geringe bzw. keine Entzn-dungskonstellation. Hufig findet sich aufgrund des erhhten Zellumsatzes bei

    DIP- und PIP-Befall (5%)

    Deformierende mutilierende Polyarthritis (5%)

    Symmetrische Polyarthritis (20%)

    Asymmetrische Oligoarthritis (60%)

    Arthritis mit Achsenskelettbefall mit HLA-B27 (10%)

    Tabelle 2. Unterschiedliche Mani-festationen der Psoriasisarthritis nach Moll & Wright (1973). DIP: distale Interphalangealgelenke; HLA: hu-manes Leukozytenantigen; PIP: pro-ximale Interphalangealgelenke.

    Abbildung 4. Fortgeschrittene Poly-arthrosen der kleinen Fingergelenke (vor allem Bouchard-Arthrosen).

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    Psoriasis eine Hyperurikmie, die zu Verwechslungen mit einer chronischen Gicht Anlass geben kann. In fortgeschrittenen Stadien ist die Differenzierung einer Psoriasisarthritis von einer chronischen Gicht aufgrund typischer radiolo-gischer Vernderungen einfacher als im Frhstadium der Erkrankung.

    Pseudogicht (Chondrokalzinose, Pyrophosphatgicht)Die Pseudogicht ist nach der Gicht die zweithufigste Kristallarthropathie und die hufigste Arthritis bei alten Patienten. Ihre Prvalenz betrgt bei > 60-Jh-rigen ca. 10%. Ursache ist die Ablagerung von Calciumpyrophosphat-(CCPD-)Kristallen in Faser- und hyalinem Knorpel, Kapselbandapparat und periartikulren Weichteilstrukturen der Gelenke. Am hufigsten befallen ist das Kniegelenk, gefolgt von Hand-, Schulter-, Sprung- und Ellbogengelenk. Meist manifestiert sich die Pseudogicht wie auch die Gicht als Monarthritis, Anflle in mehr als einem Gelenk betreffen < 10% der Flle [8].

    In 95% der Flle liegt eine primr idiopathische Pseudogicht vor, sekundre Formen finden sich bei endokrinen und metabolischen Erkrankungen wie z.B. der Hmochromatose, dem Morbus Wilson, dem Hyperparathyreoidismus, der Hypomagnesimie und anderen seltenen Erkrankungen [9].

    Diagnostisch beweisend ist fr diese Kristallarthropathie der polarisations-mikroskopische Nachweis von (schwach positiv) doppelbrechenden rhomboiden Kristallen im Punktat.

    Die typische Ablagerung von CCPD-Kristallen in der Intermedirzone des Faser- und hyalinen Gelenkknorpels zeigt im nativen Rntgenbild typische li-neare feinstreifige Verkalkungen in Menisken, Symphyse, Bandscheiben und betroffenen Gelenken.

    Therapie der Gicht

    Therapie des akuten Gichtanfalls

    Im akuten Gichtanfall sind nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) in ausreichend hoher Dosierung Medikamente der ersten Wahl. Alternativ knnen insbeson-dere bei manifesten Komorbiditten wie eingeschrnkter Niereninsuffizienz, aber auch Herz-Kreislauf-Erkrankungen Steroide systemisch (meist per os) oder auch intraartikulr mit gutem Erfolg zum Einsatz kommen [10, 11]. Bei kurz-zeitiger Gabe ist die Steroidtherapie meist effektiv und gut vertrglich.

    Colchicin hat in den letzten Jahren aufgrund seiner geringen therapeutischen Breite mit hufig auftretenden gastrointestinalen Nebenwirkungen (Diarrhen, Bauchschmerzen, belkeit) an Bedeutung verloren, wird aber sowohl in den EULAR-Therapieempfehlungen (European League Against Rheumatism) als auch in den BSR-Empfehlungen (British Society of Rheumatology) weiterhin als mgliche Therapieoption genannt [5, 12]. Bei diagnostisch nicht gesicherten Fllen kann Colchicin auch als Diagnostikum verwendet werden.

    Therapie der Hyperurikmie

    Die Therapie der Hyperurikmie strebt eine dauerhafte Senkung des Harnsu-respiegels an. Dabei wird ein Zielwert von < 5 mg/dl (BSR-Empfehlungen) bzw. 6 mg/dl (EULAR-Empfehlungen) angestrebt.

    Neben ditetischen Manahmen, die auf eine Verringerung der Purinzufuhr abzielen, kommen Medikamente zum Einsatz, die die Harnsurebildung hemmen (Urikostatika) bzw. die Harnsureausscheidung frdern (Urikosurika).

    Ditetische Manahmen umfassen die Empfehlung einer purinarmen Kost (Verzicht auf Innereien, Hlsenfrchte etc.) sowie die Einschrnkung des Al-koholkonsums, da Alkohol ber eine Zunahme der Lactatbildung eine Abnah-me der renalen Harnsureausscheidung bewirkt. Darber hinaus hat vor allem Bier einen hohen Puringehalt. Auch ausreichende Flssigkeitszufuhr ist fr eine optimale renale Harnsureelimination wichtig. Da die meisten Patienten ber-gewichtig sind, muss fast immer auch eine Gewichtsreduktion empfohlen wer-

    Bei der Psoriasisarthritis findet sich hufig auch eine Hyperurikmie.

    Die Pseudogicht manifestiert sich meist als Monarthritis der groen

    Gelenke.

    NSAR sind im akuten Anfall Medikamente der ersten Wahl.

    Ditetische Manahmen sind Grundlage der Therapie einer

    Hyperurikmie.

  • PRAXIS

    719

    den, die zur Vermeidung einer Ketonmie jedoch nicht mehr als 1 kg/Woche betragen sollte. Moderates Ausdauertraining kann die langsame Gewichtsreduk-tion gut untersttzen und auch andere oft bestehende Komorbiditten (z.B. Diabetes mellitus, arterielle Hypertonie etc.) gnstig beeinflussen. In den meis-ten Fllen lsst sich durch nichtpharmakologische Manahmen eine 10- bis 15%ige Reduktion der Harnsure erreichen.

    Zu betonen ist, dass nicht jede asymptomatische Hyperurikmie, jeder erhhte Harnsurewert medikaments therapiert werden muss! Eine Indikation zur me-dikamentsen Therapie besteht bei Harnsurewerten > 10 mg/dl oder dem Vorliegen klinischer Komplikationen (z.B. zweiter Gichtanfall innerhalb 1 Jah-res, Nephrolithiasis oder Tophi). Hinzu kommen Einzelfallentscheidungen z.B. bei Niereninsuffizienz, Komorbiditt oder positiver Familienanamnese [1, 13].

    Allopurinol ist nach den EULAR- und BSR-Empfehlungen Medikament der ersten Wahl zur Therapie der Hyperurikmie. Es hemmt das Enzym Xan-thinoxidase und wird in einer Tagesdosis von 200300 mg eingesetzt. Bei Nie-reninsuffizienz muss die Dosis angepasst werden, bei Einleitung einer Zytosta-tikatherapie kann kurzzeitig zur Vermeidung eines Tumorlysesyndroms die Dosis auch auf 600 mg/d erhht werden.

    Im Anfall darf Allopurinol nicht gegeben werden! Optimaler Therapiebeginn ist ca. 14 Tage nach dem Anfall, wobei zu Beginn der Therapie mit Allopurinol auch eine Anfallsprophylaxe mit Colchicin erfolgen kann.

    Nebenwirkungen unter Allopurinol sind selten. Gastrointestinale Beschwer-den und allergische Reaktionen werden am hufigsten beobachtet; in seltenen Fllen werden auch Vaskulitiden und granulomatse Hepatitiden als Nebenwir-kungen beschrieben. Von praktischer Relevanz ist die Medikamenteninterak tion bei gleichzeitiger Gabe von Azathioprin oder Mercaptopurin, die ebenfalls die Xanthinoxidase hemmen.

    Mit Febuxostat steht vermutlich in Krze ein weiterer Xanthinoxidasehemmer zur Verfgung, der keine biochemische Verwandtschaft mit Allopurinol aufweist und somit vermutlich eine gute therapeutische Alternative bei Allopurinolunver-trglichkeit bzw. allergischen Reaktionen gegen Allopurinol darstellt. Da Febu-xostat zudem nicht ber die Niere ausgeschieden wird, ist es auerdem eine Therapiealternative fr Patienten mit eingeschrnkter Nierenfunktion [14].

    Urikosurika wie z.B. Benzbromaron hemmen die tubulre Rckresorption der Harnsure und steigern so die renale Harnsureausscheidung (Urikosurika). Kontraindiziert ist diese Substanzgruppe bei Patienten mit eingeschrnkter Nie-renfunktion, Uratnephropathie und Harnsureberproduktion. Um tubulre Harnsureausfllungen zu vermeiden, mssen Urikosurika einschleichend dosiert werden, eine ausreichende Flssigkeitszufuhr sichergestellt sein und auch eine Neutralisierung des Harns auf einen pH-Wert von 6,57 erfolgen.

    Nicht jede asymptomatische Hyperurikmie muss medikaments therapiert werden.

    Allopurinol ist das Medikament der ersten Wahl.

    Urikosurika sind bei Uratnephropathie kontraindiziert.

    Die Gicht ist die in der Praxis am hufigsten diagnostizierte Gelenkerkrankung.

    Fazit fr die Praxis

    Die Gicht ist die in der Praxis am hufigsten diagnostizierte Gelenkerkran-kung und spielt in der Differentialdiagnose der entzndlichen rheumatischen Erkrankungen, vor allem der RA, eine wichtige Rolle.

    Ein akuter Gichtanfall lsst sich dabei in der Regel relativ einfach diffe-rentialdiagnostisch von der RA abgrenzen und ist im Gegensatz zu dieser meist selbstlimitierend. Bei einer chronischen Gicht dagegen kann diese Differentialdiagnose durchaus schwierig sein, zumal aufgrund der Hufigkeit beider Erkrankungen auch Koinzidenzen wie in unserem Fallbeispiel zu diskutieren vorkommen knnen. Dabei trifft offenbar die frher geuerte Meinung nicht zu, dass Gicht und RA sich gegenseitig ausschlieen [15].

    Fr eine chronische Gicht sprechen in unserem Fall die typische Anfalls-anamnese mit Manifestation rezidivierender Arthrititiden am Knie- und Grozehengrundgelenk bei wiederholt dokumentierter Hyperurikmie.

  • Literatur 1. Grbner W, Zllner N. Gicht. Z Rheumatol

    2004;63:29. 2. Arromdee E. Michet CJ, Crowson CS, et al. Epi-

    demiology of gout: is the incidence rising? J Rheu-matol 2002;29:77899.

    3. Bieber JD, Terkeltaub RA. Gout. On the brink of novel therapeutic options for an ancient disease. Arthritis Rheum 2004;50:240014.

    4. Zhang W, Doherty M, Pascual E, et al. EULAR evidence based recommendations for gout. Part I: Diagnosis. Report of a task force of the EULAR Standing Committee for International Clinical Stud-ies Including Therapeutics (ESCISIT). Ann Rheum Dis 2006;65:130111.

    5. Zhang W, Doherty M, Bardin T, et al. EULAR evidence based recommendations for gout. Part II: Management report of a task force of the EULAR Standing Committee for International Clinical Stud-ies Including Therapeutics (ESCISIT). Ann Rheum Dis 2006;65:131224.

    6. Kuo CF, Tsai WP, Liou L. Rare copresent rheu-matoid arthritis and gout: comparison with pure rheumatoid arthritis and a literature review. Clin Rheumatol 2008;27:2315.

    7. Puszczewicz MJ, Ociepa-Zawal M. Co-present rheumatoid arthritis and gout successfully treated with abatacept. Clin Rheumatol 2009;28:105.

    8. Doherty M, Dieppe PA. Clinical aspect of calcium-pyrophosphate dehydrate crystal deposition. Rheum Dis Clin North Am 1988;14:395414.

    9. Schneider P, Schneider I. Calciumpyrophosphatdi-hydrat (CPPD)-Kristallarthropathie. Z Rheumatol 2004;63:1021.

    10. Janssens HJEM, Janssen M, van de Lisdonk EH, et al. Use of oral prednisolone or naproxen for the treatment of gout arthritis: a double-blind, random-ized equivalence trial. Lancet 2008;371:185460.

    11. Man CY, Cheung ITF, Camerun PA, et al. Com-parison of oral prednisolone/paracetamol and oral indomethacin/paracetamol combination therapy in the treatment of acute goutlike arthritis: a dou-

    ble-blind, randomized, controlled trial. Ann Emerg Med 2007;49:6707.

    12. Jordan KM, Cameron JS, Snaith M, et al. Guideline for the management of gout. Rheumatology (Oxf) 2007;1:117.

    13. Underwood M. Diagnosis and management of gout. BMJ 2006;332:13159.

    14. Schumacher HR, Becker MA, Wortmann RL, et al. Effects of febuxostat versus allopurinol and pla-cebo in reducing serum urate in subjects with hy-peruricemia and gout: a 28-week phase III, random-ized, double-blind, parallel-group trial. Arthritis Rheum 2008;59:15408.

    15. Wallace DJ, Klinenberg JR, Morhaim D, et al. Co-existent gout and rheumatoid arthritis. Arthritis Rheum 1979;22:816.

    16. Elliot AJ, Cross KW, Fleming DM. The seasonality and trends in the incidence and prevalence of gout in England and Wales 19942007. Ann Rheum Dis 2009:in press (Epub 2008 Nov 24).

    17. Singh JA, Strand V. Gout is associated with more comorbidities, poorer health-related quality of life and higher healthcare utilization in US veterans. Ann Rheum Dis 2008;67:13106.

    KorrespondenzanschriftProf. Dr. Monika Reuss-BorstKlinik Am KurparkKurhausstrae 997688 Bad KissingenTelefon (+49/971) 919-113Fax -120E-Mail: [email protected]

    Auch die klassische Bursitis olecrani, multiple Tophi mit typischem Sono-graphiebefund belegen ebenso wie pathognomonische radiologische Ver-nderungen am Grozehengrundgelenk, dass hier eine chronische Gicht vorliegt.

    Fr das seltene gleichzeitige Vorliegen einer RA sprechen die typische Autoantikrperkonstellation mit hochtitrigem Nachweis von RF und hoch-spezifischen CCP-AK, die symmetrische Beteiligung von Hand- und Fin-gergelenken sowie die geklagte Morgensteifigkeit. Das schlechte Ansprechen auf die Basistherapie (in diesem Fall Methotrexat) wurde dabei in der Lite-ratur bei Patienten mit RA und Gicht hufiger beschrieben. Krzlich wur-de bei diesen Patienten ber ein gutes Ansprechen auf eine Therapie mit Biologika (Etanercept/Abatacept) berichtet [6, 7].

    Ein von unserem Patienten ebenfalls angegebenes Karpaltunnelsyndrom wird bei beiden Erkrankungen gehuft beobachtet.

    Eine krzlich publizierte Studie aus England hat gezeigt, dass die jhrliche Prvalenz der Gicht von 2001 bis 2007 zugenommen hat. Die hchste Prvalenz war in der Altersgruppe von 6574 Jahren zu verzeichnen. Als mgliche Erklrung fr diese Beobachtung mssen vor allem die Zunahme der Adipositas und die Einnahme von Diuretika in dieser Altersgruppe diskutiert werden [16].

    Unter Bercksichtigung der Tatsache, dass das metabolische Syndrom als ein wichtiger fr die Gicht prdisponierender Risikofaktor in den nchs-ten Jahren weiter stark an Hufigkeit zunehmen wird, wird der klinisch ttige Arzt diese differentialdiagnostischen berlegungen in Zukunft hufiger anstellen mssen [17].

    PRAXIS

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  • 721

    Multiple-Choice-Fragen zum Thema Differentialdiagnostik und Therapie der Gicht

    Jeweils eine Antwort ist korrekt.

    Frage 1: Welche Aussage trifft fr die Hyperurikmie nicht zu?a) Ein Harnsurewert > 6 mg/dl muss in je-

    dem Fall therapiert werden.b) Erhhte Harnsurewerte finden sich bei

    > 10% der Patienten.c) Eine Hyperurikmie besitzt per se keine

    Krankheitsrelevanz.d) Bei der Psoriasis findet sich hufiger eine

    Hyperurikmie.e) Erhhte Harnsurewerte finden sich hu-

    figer bei Mnnern als bei Frauen.

    Frage 2: Welche Aussage trifft fr die Arthritis urica nicht zu?a) Es handelt sich hufig um eine Monarthri-

    tis.b) Die Arthritis ist nie selbstlimitierend.c) Charakteristisch ist die ausgeprgte

    Schmerzhaftigkeit.d) Meist liegt eine ausgeprgte Entzndungs-

    konstellation vor.e) Sie kann sich mit Fieber und Schttelfrost

    manifestieren.

    Frage 3: Welche Aussage trifft zu?a) Die rheumatoide Arthritis beginnt nie

    akut.b) Die Psoriasisarthritis manifestiert sich nie

    am Achsenskelett.c) Die Polyarthrose der kleinen Fingerge-

    lenke geht fast immer mit einer Entzn-dungskonstellation einher.

    d) Bei der Psoriasisarthritis kann die Arthritis der Hautmanifestation vorausgehen.

    e) Die Psoriasisarthritis verluft nie destruie-rend.

    Frage 4: Welche Aussage trifft fr die Gicht nicht zu?a) Die Erkrankung kann chronisch-progre-

    dient verlaufen.b) Eine chronische Niereninsuffizienz kann

    Folge der Gicht sein.c) Weichteiltophi finden sich immer nur an

    den Ohren.d) Eine Bursitis olecrani ist ein typischer Be-

    fund einer chronischen Gicht.e) Nierensteine knnen bei einer chronischen

    Gicht gehuft vorkommen.

    Frage 5: Welche Aussage trifft zu?a) Die Pseudogicht tritt fast nie im hohen Al-

    ter auf.b) Im Polarisationsmikroskop sieht man bei

    der Pseudogicht nadelfrmige Kristalle.c) Die Pseudogicht ist hufiger als die Gicht.d) Bei der Pseudogicht handelt es sich um ei-

    ne Kristallarthropathie mit Ablagerung von Calciumpyrophosphatkristallen.

    e) Die Pseudogicht verluft nie chronisch.

    Frage 6: Welche Aussage trifft fr Allopurinol nicht zu?a) Es handelt sich um ein Urikostatikum.b) Vaskulitiden sind seltene Nebenwirkun-

    gen.c) Allopurinol sollte nicht im Gichtanfall ge-

    geben werden.d) Gastrointestinale Nebenwirkungen sind

    relativ hufig.e) Es bestehen keine Interaktionen mit ande-

    ren Medikamenten.

    Frage 7: Welche Aussage trifft fr Colchicin zu?a) Colchicin ist auch heute Mittel der ersten

    Wahl im Gichtanfall.b) Die Tageshchstdosis betrgt 15 mg.c) Hufige Nebenwirkungen unter Colchi-

    cintherapie sind Diarrhen.d) Colchicin darf nicht im Anfall eingenom-

    men werden.e) Bei Niereninsuffizienz ist die Einnahme

    von Colchicin unbedenklich.

    A. Arlt, Kiel

    U.R. Flsch, KielG. Hintze, Bad Oldesloe

    D. von Jagow, Bad OldesloeJ. Kbberling, Wuppertal

    M. Kropp, LbeckS. Rogge, Bad Oldesloe

    BEIRAT

    FORTBILDUNGSZERTIFIKAT

    (Hinweise zum Erwerb von CME-Punk-ten s. S. 722)

    Laut Beschluss des Gemeinsamen Bun-desausschusses vom 20. Dezember 2005 unterliegen nun auch die an Kliniken ttigen Fachrzte seit dem 1. Januar 2006 der Fortbildungspflicht. Fr Vertragsrzte gilt weiterhin der ab dem 1. Juli 2004 laufende, verbindlich vorgeschriebene Nachweis der Fortbildung.

    Innerhalb von fnf Jahren sind fr das Fortbildungszertifikat insgesamt 250 CME-Punkte zu erwerben. Im Kran-kenhaus ttige Fachrzte mssen von den 250 Punkten mindestens 150 Punkte in fachspezifischer Fortbildung erwerben. Unter fachspezifischer Fortbildung sind Fortbildungsinhalte zu verstehen, die dem Erhalt und der Weiterentwicklung der fachrztlichen Kompetenz dienen.

    Ihre Zeitschrift bietet Ihnen die Mglichkeit, an fachspezifischer Fort-bildung teilzunehmen und innerhalb von fnf Jahren bis zu 180 Punkte zu erwerben.

    Bei erfolgreicher Teilnahme (mindes-tens 70% richtig beantwortete Fragen) vergibt die BLK, mit der diese Zeit-schrift kooperiert, zwei Punkte, bei richtiger Beantwortung aller Fragen drei Punkte. Die Punkte werden online dem Punktekonto der erfolgreichen Teilneh-mer gutgeschrieben.

    PraxisFRAGEN ZUR ZERTIFIZIERUNG

  • 722

    FREIWILLIGES FORTBILDUNGSZERTIFIKAT

    VORSCHLAG ZUR BEANTRAGUNG

    Bitte arbeiten Sie das Fortbildungsmodul und den am Schluss abgedruckten Fragebogen sorg-fltig durch.

    Die Fragen beantworten Sie ber www.cme-punkt.de. Dort knnen Sie sich fr die zertifizierte Fort-bildung der BLK kostenlos akkreditieren. Sie knnen online unter dem Namen dieser Zeitschrift das Fortbildungsmodul sowie den Fragebogen aufrufen und bearbeiten. Letzter mglicher Einsendungstag ist der 15. 03. 2010.

    Wenn Sie 70% der Fragen richtig beantwortet haben, werden Ihnen zwei CME-Punkte gutgeschrieben, bei Lsung aller Fragen drei Punkte.

    Die Besttigung Ihres Lernerfolgs mit Angabe der erworbenen Punktzahl knnen Sie nach Beantwortung des Fragebogens direkt abrufen.

    Das freiwillige Fortbildungszertifikat Ihrer Landesrztekammer erlangen Sie durch Ein-reichung Ihrer Punktebesttigungen, sobald Sie die erforderliche Gesamtpunktzahl er-reicht haben.

    Per Briefpost eingesandte Fragebgen kn-nen nicht mehr bearbeitet werden.

    Frage 8: Ursache/n einer sekundren Hyperurik mie kann/knnen sein:a) Polycythaemia vera.b) Chronische myeloische Leukmie.c) Psoriasis vulgaris.d) Hmolytische Anmien.e) Alle genannten Erkrankungen.

    Frage 9: Welche/s Medikament/e wird/werden nicht zur Therapie des akuten Gichtanfalls eingesetzt?a) Steroide (oral).b) Steroide (intraartikulr).c) Allopurinol.d) NSAR.e) Colchicin.

    Frage 10: Welcher Wirkstoff hemmt das Enzym Xanthinoxidase?a) Allopurinol.b) Benzbromaron.c) Probenecid.d) Colchicin.e) Diclofenac.

    Bearbeitung des Fragebogens und Erwerb von CME-Punktennur ber www.cme-punkt.de mglich