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2. Rundbrief „Ein Jahr geht dem Ende zu“ Wenn du frische Pfirsiche vom Baum pflückst und direkt genießt, dann ist es Dezember auf Madagaskar, also Hochsommer, und ein Jahr geht dem Ende zu. Vor einigen Tagen war ich mal wieder zu Besuch in der Hauptstadt Antananarivo und stand im Garten unserer Gemeinschaft*, als mir dieser surreale Gedanke durch den Kopf ging und mich über die saftigen Pfirsiche freute. Immer wieder habe ich Bilder von Weihnachtsmarktbesuchen, Plätzchen, Weihnachtsbäumen und auch Schneelandschaften von Familie und Freunden in den letzten Wochen erhalten und trotzdem spüre ich keinen Hauch von Weihnachtsstimmung. Da hilft auch kein Adventskalender und auch die selbstgebackenen Plätzchen von Mama, die in einem Paket kurz vor der Adventszeit kamen und super lecker sind, nicht weiter. Aber finde ich das schlimm? Wenn ich ehrlich bin: nein! Denn ein bisschen Angst hatte ich zuvor schon, dass mich zu Weihnachten das große Heimweh packt und deshalb bin ich fast etwas erleichtert. Dafür hat sich ein anderes Gefühl eingestellt, was noch viel besser als vorweihnachtliche Stimmung ist: das Gefühl des „angekommen Seins“. Angekommen im Mitleben in der Gemeinschaft, angekommen im Mitbeten, angekommen in meiner Arbeit im Jugendzentrum. Auch sprachlich habe ich in den letzten Wochen sehr große Fortschritte gemacht, sodass ich selbst oft überrascht bin, wie viel ich verstehe und manchmal sogar ohne groß zu überlegen auf Malagasy los plappere. Natürlich gibt es auch Tage, an denen ich so gut wie gar nichts verstehe, doch auch hier ist der Schlüssel nach wie vor es mit Humor zu nehmen und einfach dran zu bleiben. Wenn ich überlege, wo ich vor drei Monaten bei meiner Ankunft angefangen habe und wie groß mein Wortschatz in Malagasy heute ist, kann ich mir auf jeden Fall auf die Schulter klopfen. Hier haben die Schwestern und alle Menschen mit denen ich tagtäglich zu tun habe auch einen großen Beitrag geleistet. Es ist sicher auch für sie nicht immer einfach mir oft Dinge mehrmals erklären zu müssen und deshalb weiß ich ihre Geduld mit mir sehr zu schätzen. Im Jugendzentrum unterstütze ich mittlerweile Madame Lea, die hier als Lehrerin arbeitet,und helfe ihr in der Vorschulklasse (Alter zwischen 3 und 6 Jahren). Meine Aufgaben sind vor allem die Arbeitsergebnisse der Kinder zu kontrollieren, Unterrichtsstunden vor- und nachzubereiten, sowie für Ordnung im Klassenzimmer und bei den Unterrichtsmaterialien zu sorgen. Wir sind in dieser kurzen Zeit schon ein richtig gutes Team geworden und durch ihre herzliche und wissbegierige Art, macht die Zusammenarbeit auch Spaß. Bild rechts: Madame Lea in unserem Klassenzimmer Silke Forstmeier Fianarantsoa, den 20.12.2018 *Die 150 Schwestern der Jeanne Delanoue auf Madagaskar sind im ganzen Land auf mehrere Gemeinschaften verteilt. Davon habe ich bereits zwei von drei Stellen in der Hauptstadt Antananarivo, die beiden Stellen in Ambositra und natürlich meine eigene Einsatzstelle in Fianarantsoa kennengelernt. Und es werden natürlich noch weitere folgen. Außerdem ist die Ordensgemeinschaft auch in Frankreich, Mali und Indonesien vertreten

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2. Rundbrief „Ein Jahr geht dem Ende zu“

Wenn du frische Pfirsiche vom Baum pflückst und direkt genießt, dann ist es Dezember auf Madagaskar, also Hochsommer, und ein Jahr geht dem Ende zu.

Vor einigen Tagen war ich mal wieder zu Besuch in der Hauptstadt Antananarivo und stand im Garten unserer Gemeinschaft*, als mir dieser surreale Gedanke durch den Kopf ging und mich über die saftigen Pfirsiche freute.Immer wieder habe ich Bilder von Weihnachtsmarktbesuchen, Plätzchen, Weihnachtsbäumen und auch Schneelandschaften von Familie und Freunden in den letzten Wochen erhalten und trotzdem spüre ich keinen Hauch von Weihnachtsstimmung. Da hilft auch kein Adventskalender und auch die selbstgebackenen Plätzchen von Mama, die in einem Paket kurz vor der Adventszeit kamen und super lecker sind, nicht weiter. Aber finde ich das schlimm? Wenn ich ehrlich bin: nein!Denn ein bisschen Angst hatte ich zuvor schon, dass mich zu Weihnachten das große Heimweh packt und deshalb bin ich fast etwas erleichtert. Dafür hat sich ein anderes Gefühl eingestellt, was noch viel besser als vorweihnachtliche Stimmung ist: das Gefühl des „angekommen Seins“.Angekommen im Mitleben in der Gemeinschaft, angekommen im Mitbeten, angekommen in meiner Arbeit im Jugendzentrum.Auch sprachlich habe ich in den letzten Wochen sehr große Fortschritte gemacht, sodass ich selbst oft überrascht bin, wie viel ich verstehe und manchmal sogar ohne groß zu überlegen auf Malagasy los plappere. Natürlich gibt es auch Tage, an denen ich so gut wiegar nichts verstehe, doch auch hier ist der Schlüssel nach wie vor es mit Humor zu nehmen und einfach dran zu bleiben. Wenn ich überlege, wo ich vor drei Monaten bei meiner Ankunft angefangen habe und wie groß mein Wortschatz in Malagasy heute ist, kann ich mir auf jeden Fall auf die Schulter klopfen. Hier haben die Schwestern und alle Menschen mit denen ich tagtäglich zu tun habe auch einen großen Beitrag geleistet. Es istsicher auch für sie nicht immer einfach mir oft Dinge mehrmals erklären zu müssen und deshalb weiß ich ihre Geduld mit mir sehr zu schätzen.

Im Jugendzentrum unterstütze ich mittlerweile Madame Lea, diehier als Lehrerin arbeitet,und helfe ihr in der Vorschulklasse(Alter zwischen 3 und 6 Jahren). Meine Aufgaben sind vor allemdie Arbeitsergebnisse der Kinder zu kontrollieren,Unterrichtsstunden vor- und nachzubereiten, sowie für Ordnungim Klassenzimmer und bei den Unterrichtsmaterialien zusorgen. Wir sind in dieser kurzen Zeit schon ein richtig gutesTeam geworden und durch ihre herzliche und wissbegierige Art,macht die Zusammenarbeit auch Spaß.

Bild rechts: Madame Lea in unserem Klassenzimmer

Silke Forstmeier Fianarantsoa, den 20.12.2018

*Die 150 Schwestern der Jeanne Delanoue auf Madagaskar sind im ganzen Land auf mehrere Gemeinschaften verteilt. Davon habe ich bereits zwei von drei Stellen in der Hauptstadt Antananarivo, die beiden Stellen in Ambositra und natürlich meine eigene Einsatzstelle in Fianarantsoa kennengelernt. Und es werden natürlich noch weitere folgen. Außerdem ist die Ordensgemeinschaft auch in Frankreich, Mali und Indonesien vertreten

Page 2: 5XQGEULHI Ä(LQ -DKU JHKW GHP (QGH ]X³ · 2019. 1. 22. · 5xqgeulhi Ä(lq -dku jhkw ghp (qgh ]x³ :HQQ GX IULVFKH 3ILUVLFKH YRP %DXP SIO FNVW XQG GLUHNW JHQLH W GDQQ LVW HV 'H]HPEHU

Passend zur Weihnachtszeit haben wir mit den Kindern sogar„Oh Tannenbaum“ einstudiert und ich bin immer wiedererstaunt, wie schnell die Kleinen lernen. Natürlich gibt es auchTage, an denen die 23 Kinder, die wir aktuell betreuen, alles andere als konzentriert und engagiert mitmachen und nur am Unruhe stiften sind. Hier motivieren wir uns oft gegenseitig und können auch nach einem anstrengenden Unterrichtstag noch darüber lachen.

Dass ich angekommen bin habe ich vor allem gemerkt, als ich von meiner einwöchigen Reise in die Hauptstadt zurückgekommen bin. Das erste Mal, dass ich nach meiner Ankunft in Fianarantsoa wieder unterwegs war. Obwohl es eineschöne kurze Reise war, so war das Gefühl wieder in dieEinsatzstelle zurückzukehren wie ein „nach Hause kommen“ undein unerwartet, unbeschreiblich Gutes. Ich wurde von meinerGemeinschaft so herzlich in Empfang genommen, als wäre ichMonate weg gewesen. Da sind mir sogar die Tränen in die Augengeschossen und dann gleich noch mal, als ich am nächstenMorgen wieder ins Jugendzentrum kam und mich alle Kinderfreudestrahlend begrüßten als ich das Klassenzimmer betrat. Dawurde natürlich gleich erst mal gezeigt, was sie alles währendmeiner Abwesenheit gelernt haben und ich war so stolz auf jedeneinzelnen. Seit diesem Moment weiß ich, dass ich meinen Platzhier gefunden habe und noch schöner ist, dass die Freude aufbeiden Seiten da ist.

Bild rechts: Soeur Rose und ich. Sie gehört ebenfalls derSchwesterngemeinschaft Jeanne Delanoue an und lebt noch in der Hauptstadt.Im Laufe des nächsten Jahres wird sie für drei Jahre in die Gemeinschaft nach Saumur in Frankreich gehen.

Und auch wenn die vorweihnachtliche Stimmung nicht mit nach Madagaskar gekommen ist, so habe ich die Adventszeit dennoch dafür genutzt, um selbst etwas zur Ruhe zu kommen und das Jahr und meine ersten drei Monate hier Revue passieren zu lassen.Dabei hat eine Sache immer mehr an Bedeutung für mich hier gewonnen und beschäftigt mich tagtäglich: es ist das Thema Zeit. Seit meiner Ankunft nehme ich mir ganz bewusst Zeit für alles was ich tue und gebe sie mir auch, wo Manches einfach länger dauert:

Zeit, um eine neue Sprache zu lernenZeit, mich mit dem Alltag der Schwestern vertraut zu machenZeit, alle neuen Gesichter um mich herum besser kennenzulernenZeit, neue Eindrücke zu reflektieren und in Gesprächen zu teilenZeit, um ein Buch nach dem anderen zu lesenZeit, um mit meiner verantwortungsvollen Aufgabe im Jugendzentrum klarzukommenZeit, spontan zu sein. Egal ob es ein Spaziergang durch die Stadt oder Bummeln auf dem Wochenmarkt istZeit, um einfach nur meinen Gedanken nachzuhängen und für mich zu seinZeit, …

Silke Forstmeier Fianarantsoa, den 20.12.2018

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Tatsächlich nehme ich mir auf Madagaskar die Zeit, die ichbrauche und genieße das Hier und Jetzt in vollen Zügen. Dazu gehören auch immer wieder Auszeiten von sozialenMedien und dem ständigen erreichbar sein wollen, was einfach mal gut tut.Da frag ich mich, warum mir das in Deutschland so schwer fällt. Vor allem das Gestern gestern sein zu lassen und sich nicht immer zu viele Gedanken um Morgen zu machen und was ich noch alles erledigen muss bzw. könnte. Dabei ist es ja keine Frage des Könnens, sondern eine Frage des Wollens, für was ich mirZeit nehme und wie ich sie erlebe. Diese positive Entwicklung möchte ich auf jeden Fall auch ins nächste Jahr und dann auch vor allem mit nach Deutschland nehmen, wo ich oft das Gefühl hatte, der Hamster im Laufrad zu sein.

Damit komme ich auch schon wieder zum Ende meines zweiten Rundbriefes. Am Ende findet ihr noch ein paar Bilder aus meinem Alltag.

Ich wünsche euch, liebe Leserinnen und Leser, ein gesegnetes und schönes Weihnachtsfest im Kreise eurer Lieben und dass ihr alle gesund ins neue Jahr startet.Ich bin schon sehr gespannt, wie das Weihnachtsfest hier in der Schwesterngemeinschaft gefeiert wird. Das neue Jahr werde ich auf jeden Fall mit der Postulantin Emeline in Ambadfinandrahana feiern, wo die Soeurs de Jeanne Delanoue ebenfalls eine Comminutehaben. Darauf freue ich mich auch schon sehr.

Bei Fragen und Anregungen könnt ihr mich gerne jederzeit per E-Mail kontaktieren.

Mandra-pihaona! – Bis zum nächsten Mal!

Eure Silke

Silke Forstmeier Fianarantsoa, den 20.12.2018

Noch in eigener Sache:

Wie ihr wisst, kann das MaZ-Projekt nur mit Spenden weiter fortbestehen, da es nicht vollständig durch das Weltwärts-Programm gedeckt wird. Wer uns finanziell unterstützen möchte findet hier alle Daten:

Empfänger: Spiritaner StiftungIBAN: DE 88 6005 0101 0002 4131 90BIC: SOLADET600BW-BankVerwendungszweck: Solidaritätskreis Silke Forstmeier

Bei Fragen könnt ihr euch auch hier gern jederzeit an mich wenden.

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Bild links: Foto von den Arbeitsheften derVorschulkinder.

Sowohl Malen als auch erste Schreibübungen undFormen zeichnen sind Teil des Unterrichts.

Bild rechts: Auch draußen gibt es vielzu lernen. Hier sind dwir mit den Kindernim Hof des Jugendzentrums „Lapan nyankizy“

Silke Forstmeier Fianarantsoa, den 20.12.2018

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Bild oben: Blick über die Stadt Ambositra, wo die Schwestern der Jeanne Delanoue ebenfalls zwei Gemeinschaften haben

Bild unten: auf dem Weg von Fianarantsoa nach Ambositra. Von der bergigen Landschaft mit ihren zahlreichen Reisfeldern im Inland bin ich immer wieder beeindruckt

Silke Forstmeier Fianarantsoa, den 20.12.2018