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A NDREA J ÖRDENS F ÜNF NEUE S YMMACHOS -P APYRI aus: Zeitschrift für Papyrologie und Epigraphik 92 (1992) 219–231 © Dr. Rudolf Habelt GmbH, Bonn

A J FÜNF NEUE SYMMACHOS-P - Universität zu Köln · 2002. 5. 14. · Dank gilt auch der Emil-Kießling-Stiftung für Papyrusforschung, die die Arbeiten in Paris durch einen großzügigen

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  • ANDREA JÖRDENS

    FÜNF NEUE SYMMACHOS-PAPYRI

    aus: Zeitschrift für Papyrologie und Epigraphik 92 (1992) 219–231

    © Dr. Rudolf Habelt GmbH, Bonn

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    Fünf neue Symmachos-Papyri*

    Unter dem Material, das ich in Band 66 dieser Zeitschrift zu den vornehmlich in byzantinischenPapyri auftretenden Symmachoi zusammenstellte und untersuchte,1 befanden sich auch dreibisher unpublizierte Papyri, deren Edition hiermit vorgelegt wird. Sie werden ergänzt durch zweiweitere inzwischen in der Papyrussammlung des Louvre aufgefundene Stücke, in denen solcheberittenen, teilweise auch bewaffneten und vor allem zu Transportbegleitung und Botendiensteneingesetzten Sicherheitskräfte erwähnt werden.

    Die zahlreichen seither neu erschienenen Belege für diesen Berufsstand verändern das vorgut fünf Jahren gezeichnete Bild nur wenig, da kaum weiterführende Informationen aus ihnen zugewinnen waren. Manches erscheint erwähnenswert, etwa eine Liste über Geldzahlungen, die unseinige érxisÊmmaxoi (teils genauer als é. t«n kvm«n oder t«n kthmãtvn bezeichnet) nament-lich überliefert;2 vgl. dazu unten App. I. Ein érxisÊmmaxow pÒlevw erhält unten in Nr. 3, 8Gelder; ein sÊmmaxow t«n despotik«n und ein §kklhsiastikÚw sÊmmaxow begegnen alsBriefboten;3 in einem Brief spricht ein §jk°ptvr von ‘seinem’ Symmachos;4 der Symmachoseines Riparios taucht in einer “Übung dokumentarischen Formelgutes” auf.5 Zu dem inzwischenals P. Heid. V 350 edierten Arbeitsvertrag eines Symmachos6 ist jetzt ein zweiter hinzuge-kommen: P. Lond. III 1027 descr. aus dem VI./VII. Jhdt.7 Die Hypographe wurde hier auffälli-gerweise von dem als Arbeitgeber auftretenden comes Christophoros bzw. seinem VertreterPetros, aber nicht, wie üblich, von dem Arbeitnehmer ausgestellt; dies dürfte ebenso wie der hoheRang des Arbeitgebers die These stützen, daß es sich bei den Symmachoi um normalen Arbeit-nehmern nicht vergleichbare Beauftragte in öffentlichem Dienst handelt.8 Daß zu ihrer Standard-ausrüstung auch ein Schild gehören soll, ist inzwischen stärker in Zweifel gezogen worden.9

    * Für die Publikationserlaubnis des Heidelberger Stückes sowie für zahlreiche wertvolle Hinweisemöchte ich Dieter Hagedorn herzlich danken. Für die Überlassung der Pariser Papyri und stetsfreundliche Unterstützung bin ich erneut Jean-Louis Hélouin de Cenival und Marie-France Aubert zubestem Dank verpflichtet. Die Aufnahmen fertigte zumeist in bewährter Weise Roland Zachmann. MeinDank gilt auch der Emil-Kießling-Stiftung für Papyrusforschung, die die Arbeiten in Paris durch einengroßzügigen Reisekostenzuschuß förderte.

    1 A. Jördens, Die ägyptischen Symmachoi, ZPE 66, 1986, 105-118.2 P. Cairo Cat. gén. 10054, ed. P. J. Sijpesteijn, Aegyptus 68, 1988, 45 ff.3 SB XVIII 13762,1 bzw. 9 (im Druck).4 P. Oxy. LVIII 3932, 10 f.: ¶gnvn d¢ ... ka‹ parå toË §moË summãxou ka‹ parå êllvn poll«n.5 MPER XV 108, 13.6 In ZPE 66, 1986, 105 ff. noch unter der Inventarnummer P. Heid. inv. G 70 behandelt.7 Ed. P. J. Sijpesteijn, CE 65, 1990, 288 f.8 Zu ihrer aus ehemals liturgischen Ämtern entwickelten Stellung vgl. jetzt genauer P. Heid. V 350,

    bes. Exkurs 2, S. 55 ff.9 Vgl. P. J. Sijpesteijn, A Small Note on P. Oxy. XVI 2057, ZPE 69, 1987, 170: “From P. Oxy.

    XVI 2057 it does, however, not follow that sÊmmaxoi carry shields … it only follows that ‘messengers’(sÊmmaxoi) too had to supply shields”. Daß die in dieser g(n«siw) skoutar¤vn (Z. 1. 16) aufgeführten 11Personen nicht Empfänger von Schilden bzw., wie Sijpesteijn ebda. glänzend dargelegt hat, Helmen sind,sondern Lieferanten, ergibt sich freilich einzig aus der Konstruktion diå NN (statt reinen Dativs). Obdiese Interpretation zwingend ist, sei dahingestellt. Doch mag man kaum glauben, daß das Auftretenzweier in P. Oxy. XVI 2045 als sÊmmaxoi spayãrioi gekennzeichneter Personen in dieser Listemilitärischer Ausrüstungsgegenstände reinem Zufall entspringt.

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    Eine Übersicht über neu hinzugekommene sowie von mir damals übersehene Belege ist alsErgänzung zu den früheren Listen den Editionen angeschlossen.

    1) ZahlungsanweisungOxyrhynchites? 15,5 x 3,5 cm V./VI. Jhdt.P. Heid. inv. G 1402 Tafel VVollständig erhaltenener Papyrusstreifen von 15,5 cm Breite und 3,5 cm Höhe. Der kurze Text istrecht nachlässig mit einer schwarzen, wäßrigen Tinte und einer schlechten Feder geschrieben.Die Schrift läuft parallel zu den Fasern, mit Ausnahme der dritten Zeile, wo ein Faserstreifenbereits vor der Beschriftung abgesprungen oder vermutlich gar nicht erst verklebt worden ist. DasVerso ist frei.

    Eine nicht zu späte Datierung ergibt sich außer aus der Schrift auch aus der Verwendungvon dhnar¤vn muriãdew als Zahlungsmittel in Z. 3; vgl. dazu R. S. Bagnall, Currency andInflation in Fourth Century Egypt (Basp. Suppl. 5), s. l. [Missoula] 1985, S. 12. Für eine Her-kunft aus dem Oxyrhynchites spricht der bisher fast ausschließlich dort belegte PersonennamePraoËw, vgl. den Kommentar.

    | Tª éde(l)f(ª) Sof¤& Yaop¤aw P°trou §noikol(Ògow).Parãsxou PraoËtow summÅãÄx(ƒ) Íp(¢r) pÅaÄrast(a)y(m¤aw)(dhnar¤vn muriãdaw) toe, g¤(nontai) mur(iãdaw) triakos¤aw •bdomÆk(onta)

    4 p°nte. TËbi ih, ie findik(t¤onow).

    Am Ende von Z.4, kopfstehend: k]erãtia

    2 l. PraoËti 3 (dhnar¤vn muriãdaw): X Pap.

    An die Schwester Sophia Thaopias, der Sohn des Petros, Enoikologe. Zahle an Praus, denSymmachos, für parastaym¤a 375 Myr., macht dreihundertfünfundsiebzig Myriaden. Am 18.Tybi der 15. Indiktion.

    1: Die Anrede der Adressatin Sophia als édelfÆ ist wohl im christlichen Sinn gemeint, da derAbsender seinen Vatersnamen nennt; vgl. dazu M. Naldini, Il Cristianesimo in Egitto,Firenze 1968, S. 15 f. Andere Zahlungsanweisungen an “édelfo¤” vgl. z. B. in SB I 4889;5296 = 4905; 4918; 5355; XVI 12614; 12623; 12663; 12665; 13054; SPP VIII 957; 960;968; 975; 991; 993 usw.; an eine édelfÆ gerichtet ist SPP VIII 1002; vgl. auch III 364. EineQuittung über eine Zahlung lÒg(ou) Sof¤aw édelf(∞w) liegt in SPP III 480 vor (VI. Jhdt.,Faijûm). Die Häufigkeit des Namens erlaubt jedoch keine Identifizierung. Nicht belegt istbisher der Name Yaop¤aw, problematisch auch die Nennung seines Vatersnamens. Mög-licherweise ist daher sogar an einen zweiten Namen der Sophia zu denken, was gut zu demNamensbeginn Ya- passen würde; dann müßte P°trou l. P °trow oder P°trou§noikol(Ògou) gelesen bzw. ergänzt werden. Zur Funktion des Enoikologen vgl. E. R.Hardy, The Large Estates of Byzantine Egypt, New York 1931 (ND 1968), S. 93 f.; vgl. jetztauch den Arbeitsvertrag eines Enoikologen in P.Oxy. LVIII 3958, bes. die Anm. zu Z. 12.

    2: Der Genetiv PraoËtow anstelle des korrekteren Dativs PraoËti ist wohl durch die syntak-tische Vereinfachung des Griechischen zu erklären, die bis zum völligen Verschwinden desDativs in der modernen Sprache geführt hat; vgl. dazu Jannaris, Historical Greek Grammar, §1242 ff. Der Name PraoËw begegnet fast ausschließlich in Dokumenten aus dem Oxy-

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    rhynchites, vgl. P.Oxy.VI 996; XVI 1896, 9; 1911, 51; 1917, 35 u.ö.; 1941, 2 = O’Callaghan,Cartas Cristianas 29; 1995, 5; 2019, 12; 2027, 54; 2029, 11; 2033, 1. 2; XVIII 2195, 27. 162.182; 2197, 110; XIX 2238, 4; 2242, 1; 2244, 13. 55; XXIV 2419, 2; XXVII 2480, 142. 143;XLVIII 3400, 8. 10. 11; P. Berl. Zill. 7, 76. 29. Verso; P. Ryl. IV 715, 6; PSI VIII 954, 44mit BL VII 238; P. Princ. III 154 mit Sijpesteijn, ZPE 68, 1987, 146; SB XVI 12484, 10;XVIII 13949, 5 (wobei die Söhne zwar aus dem §po¤kion ÉAmmvnianoË im benachbartenHerakleopolites stammen, aber §napÒgrafoi gevrgo¤ eines oxyrhynchitischen Grundherrensind); bei P. Laur. IV 185, A 9 (und also dem Symmachos LeÒntiow in Z. B 8) wird eineHerkunft aus dem Oxyrhynchites durch das gautypische Hohlmaß der shk≈mata gestützt,vgl. unten Anm. 12. Einzige Ausnahme ist bisher der unsicher in den “Arsinoites?”lokalisierte P. Prag. I 80, 4. Ein Symmachos dieses Namens war bisher noch nicht bekannt. –Bei der parastaym¤a handelt es sich vom Wort her offenbar um eine Ausgleichszahlung beiGewichtsunterschieden. Daß damit die Differenz bezeichnet worden sein soll, die zwischendem reinen Goldgewicht der sog. “minderwertigen” Solidi und dem normierten Vollgewichtvon 24 Siliquae pro Solidus besteht (so in der ausführlichen Anm. zu P. Hamb. I 68, 33 f.),hat J. Gascou in CRIPEL 7, 1985, 133 f. aufgrund einer neuen Lesung und Ergänzung derStelle zurückgewiesen. Dennoch ist dieses Substantiv nach P. Vars. 28, 5 und SB XII 11077,12. 21. 26 und danach auch P.Oxy. I 132, 5. 8. 11 mit BL VII 127 nicht aus denWörterbüchern zu streichen. Genaueres ist freilich unklar.

    2) Fragment eines Briefes an den GutsherrnArsinoites? 11,7 x 29,5 cm VI. Jhdt.P. Paris M. N. E 7120 / App. 484 Tafel VDas hellbraune Papyrusfragment enthält die Zeilenenden eines Privatbriefes, dessen größter Teilverloren ist. Der rechte Seitenrand sowie Ober- und Unterrand sind original. Ungefähr 7 cm vomoberen Rand entfernt verläuft ein waagerechtes Kollema. Der Papyrus ist mit einer großen Schriftund breitem Interlineum transversa charta beschrieben und war einmal horizontal gefaltetworden. Auf dem Verso steht, parallel zu den Fasern, der Beginn der Adresse.

    Die Inventarnummer des Louvre weist auf eine Herkunft des Papyrus aus dem Faijûm hin.Nach der Schrift ist er wohl dem VI. Jahrhundert zuzuordnen, vgl. etwa P. Cair. Masp. I 67031(um 547, mit pl. XXI); P. Lond. III 1003 (S. 259 f.) (562, mit Plate 89, allerdings sehr viel flüs-siger); BGU XII 2205 (590, mit Tafel 11). Auffällig ist vor allem die Form des Beta, dievielleicht am ehesten einer si-Ligatur ähnelt; sie hat einen “Bauch” nach der linken Seite undeine stärker als bei den anderen Buchstaben nach links gebogene Oberlänge. Zu dem großenSpektrum verschiedener Buchstabenformen gerade beim Beta vgl. etwa P. Leid. Z (391/92, mitTab. IV); P. Köln VI 281 (VI. Jhdt., mit Tafel XXXIX und XL); vgl. auch Bataille, Les Papyrus,App. III, S. 74, bes. B Nr. 4 zu dem vielleicht von der lateinischen Kursive beeinflußten Bauchzur “falschen” Seite.

    Das Erhaltene sagt wenig über den Inhalt des Briefes aus. Der Adresse an den ‡diow despÒ-thw zufolge handelt es sich um den Brief eines Gutsangestellten an den Gutsherrn, offenbar ineiner dringenden Angelegenheit (vgl. êrti, Z. 3; sÆmeron, Z. 4; xre¤a §st¤, Z. 11). Da vonsÊmmaxoi die Rede ist (Z. 7), dürfte §k toË ériymoË (Z. 8) technisch zu verstehen sein, ‘aus demTrupp’. Sogar Gott wird um Beistand gebeten (yeÚw ı oÈrãniow parãsx˙, Z. 12). Bemerkens-wert ist die Verwendung einiger Wörter, die in dieser späten Zeit kaum oder selten belegt sind,etwa §p¤tropow (Z. 4) oder §jantl°v (Z. 10).

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    t]oË g̀Òmou o ≥negkan ]°labon ] ̀ta êrti efiw tÚn

    4 ] sÆmeron ofl §p¤trop̀[o]i῭ ]°làb`on` ˜ti êlla disx¤lia ] tå kataleify°nta o]usin d¢ ofl sÊmmaxoi

    8 ]e ` `en §k toË ériymoË ] ǹe≈teron, ·na sthxÆs˙ ] x̀iliãdaw ≥dh §jantlÆyÅhÄ k]a‹ xre¤a §st‹ despo( ) ˜pou

    12 ] yeÚw ı oÈrãniow parãsx˙ ]¨¨¨`tvw toË eÈloghm°nou

    Verso, mit den Fasern:ÉId¤ƒ mou dès`(pÒt˙) [

    1 t]oË g̀Òmou oder t]oËt̀Ò mou 9 l. stoixÆs˙? 11 despÒ(tou) oder §st¤, d°spo(ta)

    1: Zum schwachen Aorist ≥negkan vgl. Gignac, Grammar II, S. 338 ff., bes. S. 339 mit wei-teren Beispielen.

    3: Der am Anfang der Zeile noch erkennbare Rest einer langen Haste gehört entweder zu dem tvon ]ta oder zu einem vorausgehenden Buchstaben, etwa r`.

    9: Zum Wechsel oi > h in sthxÆs˙ vgl. Gignac, Grammar I, S. 265 (ff.).10: Nicht auszuschließen ist eine Lesung ] x`e`iliãdaw, doch vgl. die auffällig gerundete, kaum

    unter die Zeile gezogene rechte Hälfte des x selbst etwa auch in Z. 12 parãsx˙.12: Vgl. auch P.Oxy. XVI 1936, 13: ·na ı yeÚw tel¤an eÈlus¤an parã[sx˙.13: Wer hier als eÈloghm°now ‘gesegnet’ bezeichnet wird, ist unklar; außer einer dritten Person

    wäre etwa auch eine Ergänzung toË eÈloghm°nou | [sou o‡kou denkbar; vgl. PSI VII 839, 3;VIII 889, 4; XIII 1345, 14.

    3) ZahlungslisteArsinoites? 16 x 27,5 cm VII. Jhdt.P. Paris M. N. E 7133 C / App. 145 Verso Tafel VINach dem Recto mißt der mittelbraune Papyrus 16 cm in der Breite und 27,5 cm in der Höhe.Während die rechte Seite original ist, sind alle anderen Seiten abgebrochen, die linke sehr unre-gelmäßig, da an den waagerechten Bruchkanten des vierfach gefalteten (oder gerollten?) Blattesz. T. größere Stücke herausgebrochen sind. 3 cm vom oberen und 2,5 cm vom unteren Randentfernt befinden sich waagerechte Kollemata. Das Recto wurde von Carl Wessely in den WienerDenkschriften 37, 1889, 137 erstmals publiziert und ist als SB I 4707 wiederabgedruckt; Korrek-turen dazu vgl. in ZPE 90, 1992, 286. Das Format, die Beschriftung transversa charta und dasPronomen moi in Z. 5 lassen eher an einen Brief denken als an den von Wessely vorsichtigerwogenen, bezeichnenderweise von Preisigke aber nicht in das SB übernommenen “officiellenAct mit Verhaltungsmassregeln für die Gerichtsdiener”.

  • Fünf neue Symmachos-Papyri 223

    Auf dem von Wessely nicht erwähnten Verso wurde zu einem späteren Zeitpunkt, ebenfallsgegen die Fasern, eine Zahlungsliste eingetragen. Von einer ersten Kolumne ist allein die Spaltemit den Summen erhalten; die zweite, in voller Breite erhaltene Kolumne nennt nur nach ihren –sämtlich im öffentlichen Bereich angesiedelten – Berufen, aber nicht namentlich gekennzeichneteEmpfänger und die ihnen zugeordneten Beträge. Am unteren Rand sind 8, 5 cm (col. I) bzw. 7cm (col. II) freigelassen.

    Die mit dünner Feder geschriebene Schrift mit betonten Ober- und Unterlängen bei extremreduziertem Buchstabenkörper weist in das VII. Jhdt. Die für diese Zeit typische Abkürzung fürkerãtion, ein mit einem Häkchen ansetzender, von rechts oben nach links unten verlaufenderSchrägstrich, ist bereits in P. Lond. IV, S. XLV beschrieben worden. Das in der Transkriptionmit dem altbewährten Zeichen l wiedergegebene Kürzel für ¥misu besteht hier aus einersenkrechten Haste mit weit nach unten rechts ausgezogenem Schrägstrich. Vergleichbare Stückewurden zuletzt bes. von P.J. Sijpesteijn publiziert, etwa P. Cair. Cat. gén. 10023 (Aegyptus 68,1988, 43 ff., mit Tafel) oder P. Lond. III 1097 b (Tyche 5, 1990, 166 f., mit Tafel 17 f.); vgl. auchz. B. die Listen CPR X 1 (mit Tafel I); P. Lond. I 113/8a (S. 219, mit Tafel 140); III 1028 (S.277); V 1672 ff.

    Teile der Beschriftung waren bei der Restauration überklebt worden (so auch noch auf derbeigegebenen Tafel); eine nach Ablösung der Papierchen angefertigte Nachzeichnung verdankeich Paul Schubert.

    col. I- - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - -

    ] no(m.) iw (ker.) h l dÄ `[] no(m.) d̀ (ker.) ìe] no(m.) ia (ker.) g l gÄ

    4 ] ` (ker.) g ibÄ kdÄvacat 8, 5 cm

    col. II- - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - -l`[Ògow?vacatxart(oular¤ƒ) toË érx( ) ̀[ ]b̀ l [ `]Äxar(toular¤ƒ) ÉIekoÊndou no(m.) [ ̀ (ker.)]w wÄ

    8 érxisumm(ã)x(ƒ) pÒlevw no(m.) z̀ [ ]stativnar(¤ƒ) ǹo(m.) i ̀

    vacat 7 cm

    1: Vor der Lücke ist noch eine lange senkrechte Haste zu erkennen, die scheinbar durchge-kreuzt ist und daher einem Christogramm ähnelt. Der von links unten nach rechts obengeführte Querstrich dürfte allerdings noch zu dem vorausgehenden d gehören, alsKennzeichnung der Bruchzahl; vgl. ebenso bei gÄ = 1/3 in Z. 3. Vielleicht ist daher nur i` (etwazu i``[w = 1/16 zu ergänzen) zu lesen.

  • 224 A. Jördens

    3: Zu der deutlich von dem sorgfältigen g = 3 unterscheidbaren Bruchzahl gÄ = 1/3 vgl. die zahl-reichen Parallelen in CPR IX 44 ff. mit Tafel 20 ff., bes. 46 recto, 2 u. ö. mit Tafel 23.

    4: Die Zahl 31/121/24 ist in einem Zug geschrieben, ohne daß die Feder zwischendurch – wiesonst etwa nach i durchweg üblich – abgesetzt wurde. Zu der Form des extrem reduzierten dvgl. auch unten Nr. 4, 7 mit Anm.

    6.7: Beide hier genannte xartoulãrioi sind durch die Angabe ihres Dienstherrn näher spezi-fiziert, sei es mit dessen Position (Z. 6), sei es mit dessen Namen (Z. 7). Der Begriff konnteoffenbar untechnisch für jeden verwendet werden, der berufsmäßig mit xãrtai zu tun hatte,also vor allem die verschiedenen Sekretäre und Verwalter, vorzüglich im Finanzmanage-ment, wobei es sich häufig eher um untergeordnete Stellungen handelte; vgl. Hardy, LargeEstates (wie oben Nr. 1, 1 Anm.), bes. S. 94 ff. Dies änderte sich unter arabischer Herrschaft,wo xartoulãrioi hohe Würdenträger waren, die selbst über mehrere – jetzt als notãrioi be-zeichnete – Sekretäre verfügten; vgl. P. Lond. IV, S. XXI. Im vorliegenden Fall zeigt bereitsdie Spezifikation, daß wir es mit den xartoulãrioi älteren Typs, also einfachen Sekretären,zu tun haben.

    7: Zu dem sicher gelesenen, aber merkwürdigen Namen ÉIekoÊndou vgl. den ebenso skeptischkommentierten ÉI`ek«n in P. Lond. V 1652, 8 (“this seems the reading”). Lieber würde manS`ekoÊndou herstellen.

    9: Die ursprünglich dem Militär angehörenden stativnãrioi wurden schon in den ersten Jahr-hunderten römischer Herrschaft vornehmlich in der Überwachung der Verkehrswege, aberauch in polizeilichen Funktionen eingesetzt, vgl. O. Amst., S. 5-7; R. S. Bagnall, Army andPolice in Roman Upper Egypt, JARCE 14, 1977, 67-86. Im nachdiokletianischen Ägyptenverlagerten sich ihre Aufgaben immer mehr in diesen Bereich, vgl. jetzt neben der ausführli-chen Anm. zu P. Herm. 19, 15 (mit weiterer Lit.) und den in der Anm. zu P. Ant. II 87, 8nachgewiesenen Digestenstellen die gründliche Behandlung bei B. Kramer in APF 32, 1986,37 f. (Anm. zu Z. 5 der Ed. pr. von SB XVIII 13251). Zusammen mit sÊmmaxoi begegnensie erstmals in dem als lÒgow merismoË summãxvn überschriebenen P. Rainer Cent. 147 ausdem IV. Jhdt., in dem der stativnãriow ÉAp¤v`[n von zwei herakleopolitischen Dörfernjeweils einen halben (oder genauer: die halbe Stelle für einen ganzen) Symmachos zugeteiltbekommt; vgl. dazu J. Gascou, CE 59, 1984, 345. Den von Daris, Lessico latino, s. v. S. 109gesammelten Belegen sind inzwischen hinzuzufügen: O. Amst. 8, 1 (?); 12, 2 [beide II]; SBXVI 12967, 1 [II/III]; P. Wash. II 80, I 18. II 8 u. ö.; SB XVI 12966, 2 [beide III]; CPR V 12,1; P. Laur. III 61, 21; P. Oxy. LVI 3874, 35; P. Rainer Cent. 147, 2. 5; SB XIV 11297, 1;XVIII 13251, 5 [sämtl IV]; P. Haun. III 54, 5; P. Oxy. XLIII 3147, 14 [beide IV/V]. SPP III460 ist inzwischen als CPR XIV 29 neuediert. Der vorliegende Papyrus bietet eines derspätesten Zeugnisse.

    4) Geschäftsbrief aus arabischer ZeitArsinoites 32 x 15, 5 cm VII./VIII. Jhdt.P. Paris M. N. E 7092 / W CXXVI Tafel VIIDer hellbraune Papyrus ist bis auf ein größeres Loch in der unteren Hälfte vollständig erhalten.Er ist 32 cm breit und 15, 5 cm hoch. 5 cm vom unteren Rand entfernt verläuft ein waagerechtesKollema. Der nur wenige Zeilen umfassende Text, ein Geschäftsbrief, ist mit dünner Feder undschwarzer Tinte transversa charta geschrieben. Auf Verso steht, parallel zu den Fasern, dieAdresse.

    Nach der Schrift, dem einzigen Datierungskriterium, stammt der Papyrus aus der zweitenHälfte des VII. oder dem Beginn des VIII. Jahrhunderts. Charakteristisch sind für diese Zeit das

  • Fünf neue Symmachos-Papyri 225

    breite Interlineum, die kleinen Buchstabenkörper mit schwungvollen Ober- und Unterlängen, dieauffällige Rechtsneigung und überhaupt der großzügige Duktus der Schrift; ebenso das Formatdes Briefes mit der Schriftrichtung gegen die Fasern. Vgl. dazu PUG I 39 (mit Tav. XXIV), CPRV 25 (mit Tafel 24), XIV 54 (mit Pl. 49); SB VIII 9868 (mit Tafel in CE 38, 1963, 269) und dieKorrespondenz des Qorra ben Sarik um das Jahr 710, so etwa SB X 10453 bis 10460 (mit Tafelnin Rech. Pap. 4, 1967, Pl. V und VI); P. Ross. Georg. IV 3 und 5 (mit Tafel 1); P. Lond. IV 1346,1347, 1350, 1351 und 1375 (inv. 1343, 1344, 1347, 1348 und 1371, vgl. Atlas zu P. Lond. III, Pl.96 bis 100). Geradezu verblüffend sind jedoch im vorliegenden Fall die Gemeinsamkeiten mitSchriftstücken aus dem wesentlich südlicher gelegenen Apollonos Ano, vor allem mit P. Apoll. 7(Pl. I), 27 (Pl. VI) und 24 = PSI XII 1267 (Pl. III = Norsa, Scritture documentarie III, Tav.XXVIII = Bataille, Les papyrus, Pl. XIV). Während die Papyri dieses Archivs früher ebenfalls indas beginnende VIII. Jahrhundert datiert wurden, sind J. Gascou und K. A.Worp vor einigen Jah-ren für die Neudatierung einiger Texte in die zweite Hälfte des VII. Jahrhunderts eingetreten; vgl.ZPE 49, 1982, 83-95.

    Daß der vorliegende Papyrus dennoch aus dem Arsinoites stammt, geht ebenso aus derInventarnummer des Louvre hervor wie aus der Adressierung des Briefes an die Meizones desaus arsinoitischen Papyri gut bekannten Dorfes Psenyris. Diese geographische Angabe wurdebereits von Carl Wessely in den Wiener Denkschriften 37, 1889, 109 vermerkt, in denen er diePariser Papyri des Fundes von El-Faijûm behandelt hat. Dort erwähnt er im Ortsverzeichnisunter dem Stichwort cenuriw einen Teil der Adresse: “meizzo xvriou ... cenurevw”; weiter un-ten zitiert er etwas ungenau den Anfang des Briefes: “¶pemca tÚn sÊmmaxon efiw égroÁw ..Ùfe¤lonta §n°gkai Ímçw efiw tØn pÒlin CXXVI MN 7093”. Die erste dieser Angaben wiederholter in seiner Topographie des Faijûm (Arsinoites Nomus) in griechischer Zeit s.v. k≈mh C°nuriwS.164: “me¤zonew xvr¤ou CenÊrevw Paris CXXVI MN 7092”.

    Trotz der Adressierung an die Meizones richtet sich der Text des Briefes weitgehend aneine Einzelperson, deren Bruder Maximinos in finanzielle Verwicklungen verstrickt ist. Maxi-minos hatte von Senuthios insgesamt 6 Solidi erhalten (Z. 6), offenbar 2 Solidi zuviel. Denn zurBegleichung dieser beiden noch ausstehenden Solidi (Z. 3) soll der Adressat nun anstelle seinesBruders dem Senuthios möglichst rasch einen Solidus (zurück?)geben; ob der andere Solidusmöglicherweise bereits bezahlt oder wenigstens ausgelegt wurde, ist unklar (Z. 5 f., mit Lücken).Falls der Adressat nicht bereit ist, die geforderten zwei Solidi zu begleichen, soll er sich dafürpersönlich in der Stadt verantworten; er, der Absender, werde sie dann direkt von seinem Brudereintreiben (Z. 3 ff.).

    Sinn und Zweck dieser Transaktionen, der logische und zeitliche Ablauf bleiben, wie meistin Briefen, unerwähnt und folglich für uns unverständlich. Auf eine Regelung öffentlicherAngelegenheiten deuten nicht nur die relativ hohen Beträge, sondern auch der Einsatz einesSymmachos, die Erwähnung von naËtai, die Stellung der Adressaten als Meizones eines Dorfesund der gesamte Ton des Briefes.

    ~ ÉEpeidØ ¶pemca Xrusãfin tÚn sÊmmaxon diÉ §[m]¢ efiw égroÁw Ùfe`¤`lonta §n°gkaiÍmçw efiw tØn

    pÒlin xãrin Majim¤nou toË édelfoË sou, loipÚn ëma tª énagn≈sei t«ngrammãtvn parãsxÅewÄ

    Senouy¤ou ©n ılokott¤nin efiw sumplÆrvsin t«n dÊo___

    Åno(mismat¤vn)Ä toË aÈtoËMajim¤nou. Efi d¢ ka‹ oÈ y°leiw

  • 226 A. Jördens

    4 doËnai tå dÊo___

    , katãlabe efiw tØn pÒli`n, ·na Ípãg`[v met]å` t«n naut«n kãtv ka‹§g∆ épaitvÅ ̀v`Ä

    tÚn Majim›no[n] e`[fi]w` t[å] d`Ê`o`___

    [ı]lokÒttina. ÖHdh g`[år? ± 5 ] ` tÚn aÈtÚn SenoÊ-yion

    tÚ êllo ılokott¤nin. ÖEdvsen _t´ d¢ t“ aÈt“̀ [Ma]j̀[im¤nƒ t]å ©j ılokÒttina.~

    Verso, 2ª m.: ~ ~~ ÉEp̀[¤]d(ow) me¤z(osi) xvr¤ou vacat 4,5 cm CenÊrevw ~ p(a)r(å) ÉIsãk ~

    3 l. Senouy¤ƒ 3, 5, 6 olokotÉtin- Pap. 4 #pag[ Pap. 7 meizozo Pap.

    Nachdem ich den Symmachos Chrysaphis von mir aus auf das Land geschickt habe, damiter Euch zur Stadt bringe wegen Deines Bruders Maximinos, gib nun gleich beim Durchlesen desBriefes dem Senuthios einen Solidus, um die zwei Solidi des genannten Maximinos aufzufüllen.Wenn Du aber die zwei nicht geben willst, komm in die Stadt, damit ich mit den Schiffern hinun-terkomme und selbst den Maximinos bezüglich der zwei Solidi auffordere … den genanntenSenuthios den anderen Solidus. Er hatte dem Maximinos die sechs Solidi gegeben.Verso: Übergib den Meizones des Dorfes Psenyris von Isak.

    1: Die Namensform Xrusãfiw ist neu in den Papyri; aber vgl. den bisher einem NominativXrusãfiow zugeordneten Genetiv Xrusaf¤ou in SB XIV 12198, 3 f.; PSI VIII 890, 42; XIV1426, 8; P. Apoll. 60, 2. – diÉ §m¢ hier wohl eher ‘auf meine Veranlassung hin, von mir aus’als ‘um meinetwillen’. Vgl. eine auch in der Fortführung ganz ähnliche Konstruktion in CPRXIV 55, 2, ebenfalls einem Brief: diÉ §m¢ xãrin toÁw édelfoÊw (statt t«n édelf«n). – Zuder Verwendung von Ùfe¤lv + Infinitiv als periphrastischem Futur vgl. B.G. Mandilaras,The Verb in the Greek Non-Literary Papyri, Athen 1973, § 220; 377. Ein damit gebildeterAcP an der Stelle eines Finalsatzes ist typisch für die offiziellen Briefe dieser Zeit und kanngeradezu als Stilelement der Amtssprache gelten, besonders wenn von Anweisungen an einedritte Person die Rede ist; so etwa in P. Harr. I 155, 9 f.; P. Ness. 72, 5 ff.; 73, 5 ff.; 74, 4 f.;P. Apoll. 18, 2, vgl. Z. 5 f. 9; 27, 3; SB X 10454, 10; XVI 12575, 10; CPR XIV 54, 3 und al-lein über ein Dutzend Male in P. Lond. IV; ähnlich wäre wohl auch SB X 10453, 14 zuergänzen. Vgl. auch P. Fouad I 87, 8. – Zu dem mit der Endung des schwachen Aorists ge-bildeten Infinitiv §n°gkai, der auch sonst in arabischer Zeit belegt ist, vgl. Gignac, GrammarII, S. 339.

    2: Zu der Präposition xãrin + Genetiv, die bereits seit hellenistischer Zeit das “klassischere”ßneka + Genetiv mehr und mehr verdrängt, vgl. Mayser, Grammatik II 2, S. 535 f.; aus derSpätzeit vgl. außer dem oben zitierten CPR XIV 55, 2 mit Anm. die zahlreichen in denIndices von P. Apoll. und P. Lond. IV verzeichneten Stellen. – Andere Belege für den inbyzantinischer Zeit eher seltenen Namen Maximinos vgl. in Pros. Ars. I, Nr. 3377-3383. Derbisher einzige “aus arab. Zeit” stammende Beleg BGU II 608, 20 ist inzwischen auf “ca.342” neudatiert, vgl. Bagnall – Worp, BASP 17, 1980, 5 f. Eine Identifizierung ist nichtmöglich. – Über den Gebrauch des adverbiell erstarrten (tÚ) loipÒn vgl. die grundlegendeStudie von A. Cavallin, (tÚ) loipÒn. Eine bedeutungsgeschichtliche Untersuchung, Eranos39, 1941, 121-144. loipÒn scheint hier eher als Korrelativum zu verstehen zu sein, indem eszu Beginn des Hauptsatzes als kausale Konjunktion das einleitende §peidÆ wiederaufnimmtund verstärkt (vgl. dazu Cavallin, S. 133 ff.). Ebenso ließe sich loipÒn hier aber auch als

  • Fünf neue Symmachos-Papyri 227

    Interjektion auffassen, nach Cavallin eine umgangssprachliche und daher in den Papyri sogarbesonders häufig belegte Funktion (vgl. ebda., S. 136 ff.). Damit würde v. a. die folgendeAufforderung unterstützt, der logische Zusammenhang zum vorausgehenden §peidÆ-Satzwäre loser. – Am Ende der Zeile ist eher parãsxÅewÄ (mit einem s wie etwa in Z. 1 égroÊw)als parãsxÅouÄ zu lesen. Das links von den übergeschriebenen Buchstaben abgesetzteStrichlein ist Tinte und damit wohl die untere Hälfte eines e; außerdem müßte ein o wie auchsonst zur Rundung geschlossen sein.

    3: Die Schreibung Senouy¤ou statt Senouy¤ƒ ließe sich zwar rein phonologisch erklären (zumWechsel ou – v vgl. Gignac, Grammar I, S. 208 ff.), ist aber wohl eher auf syntaktische Pro-bleme zurückzuführen; vgl. zu dem Phänomen Gignac, Grammar II, S. 22; auch oben Nr. 1,2 mit Kommentar. Bei Personennamen mochte die Rückentwicklung des Kasussystemsdurch die nicht flektierenden ägyptischen Namen begünstigt worden sein. Der häufige NameSenuthios (vgl. nur Pros. Ars. I, Nr. 4832-4909) macht eine Identifizierung des Mannesunmöglich. – In der Form ılokott¤nin, die der Schreiber hier wie in Z. 6 verwendet, ist wohleine besonders bei Diminutiven beliebte defektive Endung (statt ılokott¤nion) zu erkennen,vgl. Gignac, Grammar II, S. 27 f.; so z. B. auch in P. Apoll. 43, 3. Zu dieser Bezeichnung fürden Solidus vgl. Bagnall, Currency (wie oben Nr. 1, Einl.), S. 15 f.: “a Greek-Latin hybrid”.

    4: Katalambãnein ist in diesem späten Briefstil das übliche Wort für ‘kommen’, vgl. etwaBGU IV 1039, 9; P. Grenf. I 64, 2; P. Fouad I 87, 10; P. Cair. Masp. I 67022, 14; 67032, 20;67060, 6; 67061, 1. 4; 67087, 4; P. Ross. Georg. III 22, 7; 23, 1; SB X 10453, 24; 10455, 3und die in den Indices von P. Apoll. und P. Lond. IV verzeichneten Belege. – Die Erwäh-nung von naËtai in diesem Brief deutet auf eine offizielle Korrespondenz; für ihre großeBedeutung im arabischen Ägypten spricht die hohe Anzahl der Belege in den Papyri dieserZeit, vgl. nur die genannten Indices. – Die Lesung des letzten Wortes der Zeile erscheintproblematisch. Möglicherweise hatte der Schreiber ein ursprünglich präsentisches épait«nachträglich durch das Suffix Å-s`v`Ä ins Futur setzen wollen, dabei aber versäumt, die kor-rekte Form herzustellen.

    5: Die Schrift dieser Zeile läuft zum Teil über das Kollema und wurde dadurch stellenweisestark abgerieben. Von den zwei oder drei Buchstaben nach Majim›no[n] ist der erste wohlals e`, der letzte vielleicht als a` zu lesen. Mit ≥dh beginnt wohl ein neuer Satz.

    6: Nach ılokott¤nin sind kleine Tintenspuren zu erkennen, bei denen es sehr fraglich ist, ob sieBuchstaben darstellen. Mit ¶dvsen d¢ scheint ein neuer Satz zu beginnen. Die in Analogie zuden regelmäßigen Verben gebildete Form eines Aorists auf -s- bei d¤dvmi, die sich immodernen Griechisch weitgehend durchgesetzt hat, begegnet in den Papyri vor allem beimKonjunktiv. Vgl. aber den selteneren Indikativ auch in P. Oxy. VII 1066, 12; XVI 1874, 14;SB XVI 12574, 3 und ausführlicher Gignac, Grammar II, S. 386 f. Das folgende d¢ war vomSchreiber ursprünglich vergessen und nachträglich über das schon für den folgenden Artikelangesetzte t geschrieben worden.

    7: Zwar erscheint die Unterscheidung von Kreuzen, Abkürzungsstrichen und dem Buchstabenc in der von einer zweiten Hand auf dem Verso geschriebenen Adresse etwas schwierig,doch dürfte es sich bei den Zeichen über dem ersten wie dem letzten Wort um Kreuzehandeln. Der mit dem sehr kleinen d verbundene Abkürzungsstrich von §p`[¤]d(ow) ähnelt fasteiner au-Ligatur; ein ähnlich reduziertes d, jedoch mit abgesetztem Kürzungsstrich, vgl.etwa in P. Cair. Cat. gén. 10023, 1 ff. (wie oben Nr. 3, Einl.) bei fid(ivtik“); vgl. auch obenNr. 3, 4. Zu der Adressierung §p¤dow A parå B auch noch im VII./VIII. Jhdt. vgl. etwa CPRXIV 50, 3; SB X 10291, 1; XVI 13084, 3; §p¤dow ohne parã in CPR XIV 54, 5; parã ohne§p¤dow in CPR XIV 55, 7.

  • 228 A. Jördens

    5) Geschäftsbrief aus arabischer ZeitArsinoites? 25,5 x 18,5 cm VII./VIII. Jhdt.P. Paris M. N. E 7140 / App. 201 Tafel VIIIDer hellbraune Papyrus von 25, 5 cm Breite und 18, 5 cm Höhe ist stark zerfasert, die schwarzeTinte zudem stellenweise abgerieben. Der rechte, wahrscheinlich auch der obere Rand sind origi-nal, an den beiden anderen Seiten ist das Blatt unregelmäßig abgebrochen. Die Schrift steht derdes vorausgehenden Papyrus M. N. E 7092 / W CXXVI recht nahe, erscheint allerdingswesentlich nachlässiger. Mit den dort genannten Parallelen ist sie in das VII. oder beginnendeVIII. Jahrhundert zu datieren.

    Wie bei dem vorigen Stück handelt sich auch hier um einen transversa charta aufgesetztenBrief mit breitem Interlineum. Auf dem Verso sind undeutliche Spuren der Adresse zu erkennen.Der fragmentarische Zustand des Papyrus läßt freilich vom Inhalt des Briefes nur wenigerkennen. Mehrfach ist davon die Rede, daß jemand unterwegs ist (épelye›n, Z. 2. 3. 5; p°mcai,Z. 7), einmal zusammen mit einem nicht näher identifizierbaren kÊriow PaËlow, der über‘Mauren’ verfügen kann (Z. 5). Dabei handelt es sich offenbar um die als jährlicher Tribut vonden Nubiern gestellten dunkelhäutigen Sklaven, vgl. P. Apoll. 85, 10 mit Anm. Einer von ihnenträgt überraschenderweise den außergewöhnlichen, aber gut griechischen Namen XrusÒpterow.Nach dem Ton zu urteilen und auch den in Z. 3 und 6 erwähnten sÊmmaxoi, gehört auch dieserBrief wahrscheinlich in den öffentlichen Bereich. Welche Rolle freilich die im selben Atemzuggenannten Kleriker hierbei spielen, wäre allenfalls zu raten.

    ]h[ ± 20 ]èi`m`hn ka‹ ¶̀m`ay ̀[] `m` `e`mh[ ± 5 ] efiẁ t`Øn pÒl[in ± 4 ] ép°ly˙ oÔn prÚw aÈ̀tÚ`n ka‹ mãy˙ tÚ t¤ poie›] `i ¶gn`v summ[a]x`[ ` `] `!e ` ` `e`n` Xr`usÒpterow ı Ma`Ë`ro`w ka‹ ép∞lyen ênv efiw t`[Ú]

    t`[o]Ë4 ]e ka`‹ o[ ` `] ` ` ` ` ` ``li`o`w ka‹ diama`rturÆsate aÈtÚn` §p`i` ` `lon, ka‹ efi m¢n` é`p`o`l` ` `

    ` ] Efi d¢ mÆ, t̀[ ̀ ̀ é]p°̀[l]ỳ˙̀ pãlin metå toË kur[¤o]u PàÊlòu ka‹ ˜souw MaÊrouw

    aÈtoË §ån k̀a`t`a- ] ̀sevw t̀[«n] klhr[i]k«n ka‹ t«n summãxvn. ÉIdoÁ̀ taÊthn ¶pemca mètå` ]prÚw tÚn kỀr`[i]on [

    8 ] ̀ ` `[ `] `[ - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - -

    Verso, etwa in Höhe von Z. 2:~ DÚw Sar̀[ ` ` ` ` `] ` ` ` `( ) ̀[

    … in die Stadt … (Damit?) er sich also zu ihm begibt und erfährt, was er macht … derNeger Chrysopteros erkannt hat, daß ein (?) Symmachos … und begab sich nilaufwärts zum …und bezeugt, daß er verständig (?) ist, und wenn … Wenn aber nicht, (dann) soll er wieder mitdem Herrn Paulos und allen seinen Negern kommen … der Kleriker und Symmachoi. Siehe, dieseschickte ich mit … zum Herrn …Verso: Gib an Sar…

  • Fünf neue Symmachos-Papyri 229

    2: Am Anfang der Zeile ist statt e`mh[ auch eine Lesung s`mh[ denkbar. – Zur Einleitung direkteroder indirekter Fragen mit dem bestimmten Artikel tÒ vgl. Jannaris, Historical GreekGrammar, § 1217 f.; bes. § 2041. Weitere Beispiele aus den Papyri vgl. etwa in P. Apoll. 11,3. 4; 28, 3; 32, 3; 49, 9.

    3: Am Anfang der Zeile wohl nicht ] d`i°gnv; die Reste des ersten Buchstabens passen nicht zueinem d. – Bei dem Namen Xr`usÒpterow sind die Unterlängen von x und r verloren, dasfolgende -u!- wie in Z. 5 bei MaÊrouw in – hier allerdings nach rechts anschließender –Ligatur geschrieben. Der Name ist neu in den papyrologischen Namenbüchern; auch nichtbei Pape-Benseler, Griechische Eigennamen; vgl. allenfalls die bisher zu dem (femininen!)Namen XrusÒp(oliw) aufgelöste Abkürzung in der Steuerliste P. Princ. I 13, XIV 23.XrusÒpterow, ‘mit goldenen Schwingen’, ist in der Literatur ein Epitheton der Iris oder vonBegleitern der Aphrodite, vgl. LSJ, s. v. Möglicherweise dient es hier als Spitzname, etwa füreinen schnellen Boten; daran ist umso eher zu denken, als “à cette époque MaËrow désigneun Nègre”, vgl. die schon genannte Anm. zu P. Apoll. 85, 10; auch 87, A 3; 97, A 7. EineZugehörigkeit dieses ‘Mauren’ zu der gleichnamigen, in Hermupolis stationierten und gutbekannten Militäreinheit ist auf jeden Fall ausgeschlossen, da diese spätestens 539umbenannt wurde; vgl. zu diesen und anderen nach Völkerschaften benannten Truppenteilendes römischen Heeres J. Maspero, Organisation militaire de l’ Égypte byzantine, Paris 1912(ND Hildesheim – New York 1974), S. 47 ff., bes. auch 147 f.; als neuesten Beleg P. Prag. I42, bes. den Kommentar zu Z. 4-6 mit weiterer Lit.

    4: Statt -li`o`w wäre auch eine Lesung -lv`w denkbar. – Diamartur°v, hier als Imp. Pl. Aor. mitdoppeltem Akkusativ, ist in den Papyri bisher nur in einem Beleg aus Palästina nachge-wiesen: P. Ness. 19, 3 aus dem VI. Jhdt. Komposita waren in der Spätzeit besonders beliebt,vgl. P. Lond. IV, S. XLIII. Der zweite zugehörige Akk. – also der eigentliche Inhalt der Zeu-genaussage – ist aufgrund des starken Abriebs fast unleserlich. Die scheinbare Endung -lv`nresultiert aus einem Fasersprung, am Original ist ein deutliches o zu erkennen. Denkbar wärevielleicht ein (bisher allerdings ebenfalls nicht belegtes) §p`¤b`o`lon, nach der Gleichsetzung§pibÒlvw = fron¤mvw bei Hesych (vgl. LSJ, s. v.) ‘verständig’ (?). – Am Ende der Zeile hatvielleicht eine Form von épolÊv gestanden, etwa im Sinne von ‘wenn man ihn freiläßt, dannist es o. k., falls aber nicht, …’.

    5: In kata- am Ende der Zeile liegt vermutlich das Präfix einer Verbform vor, etwa von ka-talambãnv; denn in den unbestimmten Relativsätzen des Typs ˜soi §ãn steht §ãn regel-mäßig direkt vor dem Verb.

  • 230 A. Jördens

    Addenda zu ZPE 66, 1986, 112-118

    Zu Appendix I Alphabetisches Namensregister der Symmachoi

    Name des sÊmm. Bemerkungen Datum Herkunft Beleg

    ÉAbçw EÈlãliow érxisÊmmaxow VI. Jhdt. Herm. SPP III 271, 2 f.ÉAnoËp – V./VI. Jhdt. ? P.Wash. II 99, 3ÖApa äVl – V. Jhdt. Herakl.? P. Vindob. G 41340, 1Ge≈rgiow érxisÊmmaxow VI./VII. Jhdt. Oxy. P. Cair. CG 10054, 5

    t«n kthmãtvnYeÒdvrow – VI./VII. Jhdt. ? P. Wash. II 105,1ÉIoËstow érxisÊmmaxow VI./VII. Jhdt. Oxy. P. Cair. CG 10054, 8ÉIvãnnhw §kklhsiastikÚw VI./VII. Jhdt. ? SB XVIII 13762, 9

    sÊmmaxowÉIvãnnhw érxisÊmmaxow VI./VII. Jhdt. Oxy. P. Cair. CG 10054, 7ÉIvãnnhw sÊmmaxow =ipar¤ou 631 Ars. MPER XV 108, 13

    S. d. FoibãmmvnÉIvãnnhw sÊmmaxow VIII. Jhdt. Ars. CPR XII 21,5

    von IsauraMakãriow S. d. SilbanÒw V./VI. Jhdt. Herakl. CPR XIV 6, 7Max[ – IX. Jhdt. ? CPR XII 5, 28Mhnçw érxisÊmmaxow VI./VII. Jhdt. Oxy. P. Cair. CG 10054, 3

    t«n kvm«nMhnçw ßterow érxisÊmmaxow VI./VII. Jhdt. Oxy. P. Cair. CG 10054, 4

    t«n kvm«nMhnçw (AÈr.) S. d. ÖApa äVrow 652? Ars. CPR XIV 17, 10ÉOnn≈friow – VII. Jhdt. ? P. Lugd. Bat. XXV 79, 19PapnoËyiw – VII. Jhdt. Ars. P. Lond. I 113/8b (S. 220), 6

    mit BL I 239Sarap¤vn – IV./V. Jhdt. ? P. Princ. GD 7936, 31F¤b – V. Jhdt. Herakl.? SB XVI 13052, 1F¤b érxisÊmmaxow VI./VII. Jhdt. Oxy. P. Cair. CG 10054, 2

    t«n kvm«nF¤b érxisÊmmaxow VI./VII. Jhdt. Oxy. P. Cair. CG 10054, 6

    uflÚw ÉIvsÆfouFoibãmmvn – IV./V. Jhdt. Oxy. SB XVIII 13110, 12f.Fore – ? ? P. Vindob. K 1287

    Zu Appendix II Liste der Symmachoi bestimmter DörferName des Dorfes Gau Datum Beleg Name des sÊmmaxow

    Isaura Ars. VIII. Jhdt. CPR XII 21, 5 ÉIvãnnhw

  • Fünf neue Symmachos-Papyri 231

    Zu Appendix III Verzeichnis sämtlicher BelegeBeleg Datum Herkunft Bemerkungen

    CPR XII 5 IX. Jhdt. ?21 VIII. Jhdt. Ars.

    CPR XIV 6 V./VI. Jhdt. Herakl.17 652? Ars.55 VII. Jhdt. Ars.

    O. Epiph. 346 VI./VII. Jhdt. ThebenP. Bodl. 65. 6B. 32/M (6) IV./V. Jhdt. ? ed. Ioannidou, masch. Diss. London

    1986, Nr. 15P. Cair. CG 10023 VI./VII. Jhdt. Oxy. ed. Sijpesteijn, Aegyptus 68, 1988, 43 ff.

    10054 VI./VII. Jhdt. Oxy. ed. Sijpesteijn, Aegyptus 68, 1988, 45 ff.10703 VI./VII. Jhdt. ? ed. Sijpesteijn, Aegyptus 68, 1988, 38 f.

    PL I/3 VI./VII. Jhdt. ? ed. Pintaudi / Thomas, Tyche 1, 1986,162 ff.

    P. Lond. I 113/8b (S. 220) VII. Jhdt. Ars.P. Lond. III 1027 descr. VI./VII. Jhdt. ? ed. Sijpesteijn, CE 65, 1990, 288 f.P.Köln VII 317 VI. Jhdt. Herm.?P. Lugd. Bat. XXV 79 VII. Jhdt. ?P. Oxy. LVIII 3932 VI. Jhdt. Oxy. ı §mÚw (sc. §jk°ptorow) sÊmmaxowP. Princ. GD 7936 IV./V. Jhdt. ? ed. Sijpesteijn, JJP 20, 1990, 135 ff.P. Vindob. G 41340 V. Jhdt. Herakl.? ed. Stefas, An. Pap. 2, 1990, 121 ff.

    K 1287 VIII.Jhdt.10 ?P. Wadi Sarga 111 VII. Jhdt.11 Wadi SargaP. Wash. II 99 V./VI. Jhdt. ?

    105 VI/VII. Jhdt. Oxy.12 sÊmmaxow §k t∞w mer¤dow Matae¤SB XII 10926 VI. Jhdt. ?SB XIV 11844 VII. Jhdt. Apoll.SB XVI 13052 V. Jhdt. Herakl.SB XVIII 13110 IV./V. Jhdt. Oxy.

    13116 V./VI. Jhdt. ?13601 V./VI. Jhdt. ? érxisÊmmaxow13762 VI./VII. Jhdt. ? Z. 1: sÊmmaxow t«n despotik«n

    Z. 9: §kklhsiastikÚw sÊmmaxow

    Marburg Andrea Jördens

    10 Vgl. A. Biedenkopf-Ziehner, Untersuchungen zum koptischen Briefformular unter Berücksichti-gung ägyptischer und griechischer Parallelen (Koptische Studien, 1), Würzburg 1983, Anm. 55.

    11 Vgl. ebda. S. 113.12 Die Herkunft wird zwar vom Ed. nicht ausdrücklich angegeben, doch wird in der Einl. und den in

    den Anm. zitierten Parallelen (bes. zu der mer‹w Matae¤) mehrfach auf den Oxyrhynchites verwiesen.Dafür spricht auch das gautypische Hohlmaß der shk≈mata, vgl. A. Jördens, Vertragliche Regelungenvon Arbeiten im späten griechischsprachigen Ägypten (P. Heid. V), Heidelberg 1990, Kap. VIII B, S. 319mit Anm. 181 ff.

  • TAFEL V

    Nr. 1

    Nr. 2

    Nr. 1 Zahlungsanweisung (Oxy.?, V./VI. Jhdt.)Nr. 2 Fragment eines Briefes an den Gutsherrn (Ars.?, VI. Jhdt.)

  • TAFEL VI

    Nr.

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    , VII

    . Jhd

    t.)

  • TA

    FEL

    VII

    Nr. 4 Geschäftsbrief aus arabischer Zeit (Ars., VII./VIII. Jhdt.)

  • TA

    FEL

    VIIINr. 5 Geschäftsbrief aus arabischer Zeit (Ars.?, VII./VIII. Jhdt.)