9
§ 16 Kommunale Unternehmen und Betätigungen 1, 2 § 16 Rn . e) Verpachtung eines Hoheitsbetriebs? .... .... .. ..... .. 1414 f) Verpachtung land- und forstwirtschaftlicher Be- triebe .. ..... .. ...................................... .. .............. 1415, 1416 IV Zusammenfassende Übersicht ..... ..... .. .. ...... .. ... ... .. .. ... 1417-141 9 A. Zuschüsse der öffentlichen Hand (Umsatzsteuer und Ertragsteuer) I. Die öffentliche Hand und Umsatzsteuer 1. Allgemeines a) Problematik Zuwendungen der öffentlichen Hand können im Umsatzsteuerrecht un- 1 terschiedlich beurteilt werden. 1 Sie erfolgen teilweise, um Einrichtungen zu fordern, um Personen die Ausübung ihrer Tätigkeiten zu ermöglichen und teilweise, um- nach Aufgabenauslagerung (Outsourcing) aus der öffentlichen Hand auf Zweckgesellschaften - Letztere mit finanziellen Mitteln auszustat- ten.2 Dabei sind die Organisationsform des Zuwendungsempfängers/Bedach- ten (GmbH, Zweckverband, Verein, etc.) sowie das Tätigkeitsspektrum (Wirtschaftsfcirderung, Tourismus, Abwasserentsorgung, Enrwicklungsprojek- te, Marketing, Durchfiihrung von Stadtfesten bzw . Kulturfestivals, interkom- munale Zusammenarbeit) vielfältig. Die Einordnung einer derartigen Zahlung oder geldwerten Zuwendung 2 unterliegt den allgemeinen Regelungen des Umsatzsteuerrechts. Es gibt kein Sonde rrecht fiir Zuschüsse und auch kein Sonderrecht flir Leistungen aus öf- fentlichen Kassen oder an eine KöR. 3 Daher ist für die umsatzsteuerrechtliche Einordnung zu unterscheiden, ob die "Zuschüsse" der öffentlichen Hand Entgelt für eine umsatzsteuerrechtliche (unionsrechtlich: wirtschaftliche) Leistung des Zuwendungsempfängers (Bedachten) an den Zuwendungsgeber sind oder Entgelt von Dritter Seite an den Zuwendungsempfänger ftir eine Leistung, die der Zuwendungsempfänger einem Dritten gegenüber erbringt, oder einen echten nichtsteuerbarer Zuschuss darstellen. 1 Aus dem neueren Schrifttum Baumgart, ZKF 2015, 63; Baldauj, ZKF 2016, 153; Bottner, Ve"orgW 2016, 143; Dziadkows ki , DB 1987, 1965; Fest, DStR 2011 , 1293; Gröpl, DStZ 1998, 113; Husmann, UR 2000, 137 ; Kronawitte r, VersorgW 2009, 181; Kube, ZevKR 56 (2011), 27; Leverenz, VereinsBrief 2006, 14; Lippross, UR 2010, 214; Lippross, DStR 2013, 433; List, BB 2005, 241; Möser/Schmitz, MwStR 2014 , 503; Müller, BWGZ 2016, 258; Müller, DB 1987, 961; Noack , UR 2016 , 217; Noack, DStR 2013, 343; NOack, DStR 2011 , 2027; Renz /Ffifferle, NWB 2016, 1961; Renz!Ffiffe rle, NWB 2016, 1965; Schmitz!Möser, MwStR 2015, 120. 2 Renz!Fftifferle, NWB 2016, 1961. 3 BFH v. 12.4.2016, V B 3/1 5, BFH/NV 2016, 1184, mit der Differenzierung, dass strukturpolitische, volkswirtschaftliche oder allgemeinpolitische Gründe vorliegen können, welche allerdings nicht allein auf Zuwendungen der öffentlichen Hand beschränkt sind; ebenso Baldauj, ZKF 2016, 153; Baumgart, ZKF 2015, 63. Höink 1969

A. Zuschüsse der öffentlichen Hand (Umsatzsteuer und … · 2018. 1. 23. · 11.4.1967 zur Harmortisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Struktur

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nd Gestaltungsfrage"

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.. 1309, 1310

1311-1316

1317

1318-1373 1318

1319-1338 1319, 1320

1321-1323 1324, 1325 1326-1328 1329-1338 1329, 1330

1331-1338 ... 1339-1348

1339-1344 1345-1347

1348 1349-1351 1352-1366 1352-1355

ta-1356, 1357 1358-1364

1365, 1366 1367-1373 1367-1369 1370-1372

1373

1374-1416 1374, 1375 1376-1378 1379-1416

>r-1379-1391

1392-1399 1400-1408

1409-1413

§ 16 Kommunale Unternehmen und Betätigungen 1, 2 § 16

Rn. e) Verpachtung eines Hoheitsbetriebs? .... .... .. ..... .. 1414 f) Verpachtung land- und forstwirtschaftlicher Be-

triebe .. ..... .. .... .................................. .. .............. 1415, 1416

IV Zusammenfassende Übersicht ..... ..... .... ...... .. ... ... .. .. ... 1417-1419

A. Zuschüsse der öffentlichen Hand (Umsatzsteuer und Ertragsteuer)

I. Die öffentliche Hand und Umsatzsteuer

1. Allgemeines

a) Problematik

Zuwendungen der öffentlichen Hand können im Umsatzsteuerrecht un- 1 terschiedlich beurteilt werden. 1 Sie erfolgen teilweise, um Einrichtungen zu fordern, um Personen die Ausübung ihrer Tätigkeiten zu ermöglichen und teilweise, um- nach Aufgabenauslagerung (Outsourcing) aus der öffentlichen Hand auf Zweckgesellschaften - Letztere mit finanziellen Mitteln auszustat­ten.2 Dabei sind die Organisationsform des Zuwendungsempfängers/Bedach­ten (GmbH, Zweckverband, Verein, etc.) sowie das Tätigkeitsspektrum (Wirtschaftsfcirderung, Tourismus, Abwasserentsorgung, Enrwicklungsprojek-te, Marketing, Durchfiihrung von Stadtfesten bzw. Kulturfestivals, interkom­munale Zusammenarbeit) vielfältig.

Die Einordnung einer derartigen Zahlung oder geldwerten Zuwendung 2 unterliegt den allgemeinen Regelungen des Umsatzsteuerrechts. Es gibt kein Sonderrecht fiir Zuschüsse und auch kein Sonderrecht flir Leistungen aus öf­fentlichen Kassen oder an eine KöR. 3 Daher ist für die umsatzsteuerrechtliche Einordnung zu unterscheiden, ob die "Zuschüsse" der öffentlichen Hand Entgelt für eine umsatzsteuerrechtliche (unionsrechtlich: wirtschaftliche) Leistung des Zuwendungsempfängers (Bedachten) an den Zuwendungsgeber sind oder Entgelt von Dritter Seite an den Zuwendungsempfänger ftir eine Leistung, die der Zuwendungsempfänger einem Dritten gegenüber erbringt, oder einen echten nichtsteuerbarer Zuschuss darstellen.

1 Aus dem neueren Schrifttum Baumgart, ZKF 2015, 63; Baldauj, ZKF 2016, 153; Bottner, Ve"orgW 2016, 143; Dziadkowski, DB 1987, 1965; Fest, DStR 2011 , 1293; Gröpl, DStZ 1998, 113; Husmann, UR 2000, 137; Kronawitter, VersorgW 2009, 181; Kube, ZevKR 56 (2011), 27; Leverenz, VereinsBrief 2006, 14; Lippross, UR 2010, 214; Lippross, DStR 2013, 433; List, BB 2005, 241; Möser/Schmitz, MwStR 2014, 503; Müller, BWGZ 2016, 258; Müller, DB 1987, 961; Noack, UR 2016, 217; Noack, DStR 2013, 343; NOack, DStR 2011 , 2027; Renz /Ffifferle, NWB 2016, 1961; Renz!Ffifferle, NWB 2016, 1965; Schmitz!Möser, MwStR 2015, 120.

2 Renz!Fftifferle, NWB 2016, 1961. 3 BFH v. 12.4.2016, V B 3/1 5, BFH/NV 2016, 1184, mit der Differenzierung, dass

strukturpolitische, volkswirtschaftliche oder allgemeinpolitische Gründe vorliegen können, welche allerdings nicht allein auf Zuwendungen der öffentlichen Hand beschränkt sind; ebenso Baldauj, ZKF 2016, 153; Baumgart, ZKF 2015, 63.

Höink 1969

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§ 16 3-7 3. Teil. Querschnitts-, Anwendungs- und Gestaltungsfragen

3 Abb. 1: Einordnung des Zuschusses Zuschuss

echter Zuschuss unechter Zuschuss

Entgelt Entgeltvon Dritter Seite

nichtsteuerbar Leistungsaustausch

4 Von der zutreffenden Einordnung und umsatzsteuerrechtlichen Abwick-lung sind sowohl der Zuwendungsempfänger als auch die öffentliche Hand betroffen. Im Hinblick auf die Beurteilung von Zuschüssen der öffentlichen Hand im Bereich der Umsatzbesteuerung ist wesentlich, ob die Zuschüsse Entgelt für einen steuerbaren und ggf. steuerpflichtigen Leistungsaustausch sind oder nicht.

5 Dies ist deshalb bedeutsam, weil die öffentliche Hand - soweit sie nicht Unternehmerirr ist - nicht über den Vorsteuerabzug nach § 15 UStG eine wirtschaftliche Entlastung von der Umsatzsteuer auf Eingangsumsätze er­fahrt. Sollte mithin ein als echter Zuschuss gedachter Zuwendungsbetrag als Entgelt oder Entgelt von Dritter Seite einzuordnen sein, so wird die tatsächli­che finanzielle Förderung um den Umsatzsteuerbetrag verrnindert.4 Zudem wird eine .Tatigkeit, welche bspw. bislang in Eigenregie innerhalb der Ein­richtung der öffentlichen Hand erledigt wurde, bei entsprechender Auslage­rung um die nicht als Vorsteuer abzugsfahige Umsatzsteuer teurer, wenn die Tatigkeit von einem Dritten gegen Entgelt an die Einrichtung der öffentli­chen Hand erbracht wird (zB Hausmeister- und Reinigungsdienste an öffent­lichen . Gebäuden).5 Mithin wird die Umsatzsteuer bei fehlerhafter oder un­bedachter Abwicklung zu einer definitiven wirtschaftlichen Belastung. Zum anderen werden aber auch teilweise Potentiale nicht genutzt, welche bei zu­treffender Einordnung und Gestaltung der Leistungsbeziehung weitere Vor­teile (zB eine Ausweitung des Vorsteuerabzugs aufgrund Unternehmereigen­schaft und Leistungsaustausch) schaffen könnten.6

6 Um diese - nicht nur in der Praxis oft schwierige - Abgrenzungsfrage, ob ein "Zuschuss" (eine Zuwendung) Gegenleistung im Leistungsaustausch oder ein echter nichtsteuerbarer Zuschuss ist, einordnen zu können, soll zunächst das grundlegende System der Umsatzsteuer kurz betrachtet werden.

b) Grundprinzipien des Umsatzsteuerrechts

7 Die Mehrwertsteuer auf europäischer Ebene bzw. deren nationale Umset-zung als Umsatzsteuer ist eine gerrau proportionale Verbrauchsteuer. Art. 1 Abs. 2 MwStSystRL bestimmt, dass das gemeinsame Mehrwertsteuersystem auf dem Grundsatz beruht, dass auf Lieferungen von Gegenständen oder Dienstleistungen (im nationalen UStG: sonstige Leistungen) ungeachtet der Produktions- und Vertriebsstufen und ungeachtet der Zahl der vorangehen-

4 Leverenz, VereinsBrief 2006, 14. 5 Renz!Pfefferle, NWB 2016, 1961. 6 Baldauf, ZKF 2016, 153.

1970 Höink

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§ 16 Kommunale Unternehmen und Betätigungen 8-10 § 16

den Umsätze und bis zur Einzelhandelsstufe eine zum Preis der Gegenstände oder Dienstleistungen proportionale Verbrauchsteuer anzuwenden ist.

Das UStG als nationale Umsetzung des harmonisierten Mehrwertsteuersys- 8 tems in Deutschland steht in einem ständigen Spannungsverhältnis zum sup­ranationalen (europäischen) Recht. Zudem weicht das nationale UStG, wel­ches seine Ursprünge bereits imJahre 1918 erhielt, in vielen Begrifllichkeiten und Termini von der unionsrechtlichen Vorgabe in der 6. EG-RL bzw. jetzt der MwStSystRL ab. Unser heutiges Allphasen-Netto-Umsatzsteuersystem7

aus dem Jahr 1967 ist die Anpassung des Umsatzsteuerrechts in Umsetzung der europäischen Verpflichtungen zur Einfuhrung des harmonisierten Mehr­wertsteuersystems (1. EWG-Richtlinie8 und 2. EWG-Richtlinie9) zum 1.1. 1968. Damit wurde zugleich dem Auftrag des BVerfG, 10 das die vorherige Umsatzsteuerbesteuerung ftir nicht wettbewerbsneutral und damit verfas­sungswidrig (gleichheitswidrige Besteuerung)11 erklärte, entsprochen.

Nach dem Allphasen-Netto-Umsatzsteuerprinzip soll jeder Unter- 9 nehmer in einer Wertschöpfungskette (Leistungs-/Produktionskette) mit dem Mehrwert seiner Leistung zur Besteuerung herangezogen werden. Über den Vorsteuerabzug wird der Unternehmer aus der Umsatzsteuerbelastung auf­grund seiner Eingangsleistungen (Vor-Umsatzsteuer) entlastet. Letztendlich solllediglich der jeweilige Mehrwert auf Ebene des jeweiligen Unternehmers wirtschaftlich mit der Umsatzsteuer belastet werden. Die Steuer auf Aus­gangsumsätze wird über die im Kaufpreis enthaltene Umsatzsteuer auf den Abnehmer übergewälzt und in Rechnung gestellt. 12 Im Grundsatz findet so­mit nur eine Endverbrauchsbelastung statt, da Unternehmer über den Vor­steuerabzug idR von der Umsatzsteuer aus den Vorumsätzen wirtschaftlich entlastet werden und der Endverbraucher (also alle Nichtunternehmer oder Unternehmer, welche fUr den nichtunternehmerischen (nichtwirtschaftlichen oder unternehmensfremden) Bereich die Leistung beziehen oder welche den Vorsteuerabzug ausschließende (steuerfreie) Leistungen erbringen) mangels Zuordnung zum Unternehmen keine Entlastung von der Steuer erhält. Die­ser Grundsatz der Neutralität der Umsatzsteuer gehört zu den Eckpfeilern des gemeinsamen Mehrwertsteuer-/Umsatzsteuersystems der EU.

Der Neutralitätsgrundsatz gebietet es insbesondere, dass der Unterneh- 10 mer auf jeder Wertschöpfungsstufe von der Umsatzsteuer vollständig entlastet wird. Damit soll einerseits sichergestellt werden, dass dem Verbrauchsteuercha­rakter genügt wird und eine tatsächliche Belastung nur beim Endverbraucher erfolgt, andererseits wird vermieden, dass die Mehrwertsteuer zu einem wett­bewerbsbeeinflussenden Kostenfaktor wird. Steuerdestinatar der Umsatzsteuer

7 BGBI I 1967, 545. 8 Erste Richtlirtie (67/ 227/EWG) des Rates v. 11.4.1967 zur Harmonisierung der

R echtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern, ABI. EG 1967, 1301. 9 Zweite Richtlirtie (67/228/EWG) des R ates v. 11.4.1967 zur H armortisierung der

Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Struktur und Anwen­dungsmodalitäten des gemeinsamen M ehrwertsteuersystems, ABI. EG 1967, 1303.

10 BVerfGE 21, 12. 11 W<tigel, UR 1993, 1. 12 Ausnahmen von diesem System sind die Fälle der Steuerschuldverlagerung nach § 13b

UStG.

Höink 1971

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§ 16 11-15 3. Teil. Querschnitts-, Anwendungs- und Gestaltungsfragen

ist der Endverbraucher, der Einkommen und Vermögen ftir verbrauchbare Güter aufwendet.13 Beide Grundsätze stellen fundamentale Pfeiler des Mehr­wertsteuersystems dar und sind fi.ir den EuGH maßgebende Maximen bei der Auslegung der Richtlinien. 14

11 Die Umsatzsteuer ist allerdings nicht liquiditätsneutral. Der Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 UStG erfordert eine ordnungsgemäße Rechnung nach den §§ 14, 14a UStG15 und das Prinzip der Soll-Besteuerung (Besteue­rung nach vereinbarten Entgelten) nach §§ 16, 18 UStG fUhrt zur Steuerer­hebung unabhängig davon, ob die Gegenleistung/ der Kaulpreis bereits ver­einnahmt wurde.

12 Träger der Umsatzsteuer (Steuerdestinatar) ist derjenige, der Einkommen oder Vermögen für verbrauchbare Güter oder sonstige Leistungen (unions­rechtlich: Dienstleistungen) aufwendet.16 Die Umsatzsteuer ist eine indirekte Steuer. Als solche sind der wirtschaftlich Belastete (Steuerdestinatar) und der Steuerschuldner grundsätzlich nicht identisch. Daher wird vielfach zu Recht das Verhältnis des Unternehmers zur Umsatzsteuer auch als zwangs­verpflichteter "Steuereinsammler"17 des Staates bezeichnet, der im Rahmen seiner Verpflichtungen seitens der Legislative, durch Entscheidungen der Ju­dikative und vor allem im Zusammenwirken mit der Exekutive auf klare und eindeutige Grundlagen zurückgreifen muss, um seinen Auftrag erfullen zu können.

13 Der Grundsatz der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit ist für den Steuer-pflichtigen in der Umsatzsteuer von zentraler Bedeutung. Der Unternehmer als Steuerpflichtiger ist fi.ir die zutreffende Umsatzbesteuerung verantwortlich und legt sein wirtschaftliches Handeln auf eine Überwälzung der Steuerlast auf seinen Abnehmer bzw. Leistungsempfänger an. Unsicherheiten,18 wie sie im Bereich der Einordnung von Zuschüssen und Zuwendungen vielfach existieren, sind mit diesen Grundsätze nur schwer in Einklang zu bringen.

c) Vorrang des Unionsrechts

14 In Ausftihrung des Umsetzungsauftrags aus Art. 113 AEUV bzw. aus den Mehrwertsteuer-Richtlinien (insb. der 6. EG-RL, jetzt MwStSystRL) hat Deutschland das UStG und die UStDV zum 1.1.1968 (mit nachfolgend er­heblichen Änderungen) angepasst. Das Unionsrecht lässt dabei aber auch den Mitgliedstaaten gewisse Umsetzungsfreiheiten und Spielräume. Sowohl die Festlegung des Anwendungsbereichs als auch der Steuersätze (in Deutschland derzeit 7 % und 19%) sowie mittels einer Vielzahl von Wahlrechten auch gan­ze Tatbestände werden der Umsetzungsfreiheit der Mitgliedstaaten überlassen.

15 Da die Zielsetzung des Unionsrechts zwar verbindlich, aber in der Ausprä-gung den Mitgliedsstaaten die Wahl überlassen (Art. 288 Abs. 3 AEUV) ist, tref-

13 Statt vieler Englisch in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 17 Rn. 11. 14 St. Rspr., etwa EuGH v. 3.5.2011, C-481/98, Slg. 2001, 1-3369 Rn. 21; EuGH v.

10.4.2008, C-309/06, Slg. 2008, I-2283 Rn. 47. 15 Zur Rückwirkung der Rechnungsberichtigung siehe Höink /Hudasch, BB 201 6, 215. 16 Englisch UR 2011, 488. 17 Etwa Englisch in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 17 Rn. 40. 18 In der Praxis sind viele Beurteilungen einer Zuwendung Einzelfallentscheidungen mit

rechtlicher Unsicherheit.

1972 Höink

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nd Gestaltungsfragen

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•9 Rn. 21; EuGH v.

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llentscheidungen mit

§ 16 Kommunale Unternehmen und Betätigungen 16-19 § 16

fen den Steuerpflichtigen die Wirkungen erst durch die nationalen Umset­zungsmaßnahmen der europäischen Richtlinien. Auch treten immer wieder Qualifikationskonflikte hervor, welche bedingt durch die teilweise unterschied­lichen Ansichten und Gepflogenheiten der europäischen Mitgliedstaaten zu einer Doppel- oder Nichtbesteuerung fUhren. Derartige Divergenzen sind dem Umstand geschuldet, dass das Unionsrecht im Bereich der Umsatzsteuer grund­sätzlich als Richtlinienrecht ausgestaltet ist. Begünstigungen aufgrund von Di­vergenzen in Anspruch zu nehmen, ist kein Rechtsmissbrauch, 19 solange nicht der Lebenssachverhalt allein der Ausnutzung selbiger dient.

Die Verordnung (EU) Nr. 282/2011 vom 15.3.2011, welche Durchflih- 16 rungsvorschriften zur MwStSystRL enthält, ist bspw. unmittelbar geltendes Recht flir die Bürger. Diese MwSt-DVO dient der einheitlichen Anwendung der unionsrechtlichen Regelungen mittels gemeinschaftlicher Definitionen und Grundsätze und ist seit dem 1. 7.2011 in allen Mitgliedstaaten bindend.

Das UStG als formelles Gesetz/Parlamentsgesetz, ergänzt durch die UStDV 17 als materielles Gesetz, ist die nationale Rechtsgrundlage der Umsatzbesteue­rung. Flankiert werden diese Normen durch eine Vielzahl an Verwaltungs­anweisungen (BMF-Schreiben, Verftigungen, etc.), deren wichtigste der UStAE ist. Die früheren UStR (zuletzt UStR 2008) wurden durch den UStAE abgelöst. Letzterer ermöglicht der Finanzverwaltung kurzfristiger auf Veränderungen in der Rechtsprechung einzugehen. Weder Legislative noch Steuerpflichtiger sind unmittelbar an den UStAE gebunden; gleichwohl ha-ben Verwaltungsanweisungen als verfasste Verwaltungsbindung eine erhebli-che Bedeutung flir die Steuerpflichtigen. Zudem ist die Finanzbehörde auf bewusste Abweichungen von der Verwaltungsanweisung im Rahmen von Steuererklärungen hinzuweisen, um vorwertbares Handeln (den Vorwurf der bewussten Steuerverkürzung) zu vermeiden.

Sofern die unionsrechtlichen Richtlinienvorgaben kein Wahlrecht flir die 18 Mitgliedstaaten eröffnen und die jeweilige Richtlinienregelung inhaltlich ein­deutig sowie unbedingt ist sowie selbige nicht fristgerecht in nationales Recht umgesetzt wurde, besteht fti.r den Steuerpflichtigen (Unternehmer) die Mög­lichkeit, sich unmittelbar auf das Richtlinienrecht zu berufen, sofern es ftir ihn günstiger ist (unmittelbare Anwendung des Unionsrechts). Hat ein Mitgliedstaat in Ausübung seiner Befugnisse aus der MwStSystRL innerstaat­liche Vorschriften erlassen, die mit dieser Richtlinie nicht vereinbar sind, so gilt Vergleichbares. Dies gilt ebenso, wenn die Verwaltung durch nationale Maßnahmen zur Umsetzung gegen das Unionsrecht verstößt. Verstöße können sogar unionsrechtliche Haftungsansprüche (Staatshaftung) gegen den Mitglied­staat entstehen lassen.20 Der Vorrang des Unionsrechts ist von der Legislative, der Judikative sowie der Exekutive unmittelbar zu beachten. Die Anwendungs­praxis verdeutlicht allerdings regelmäßig, dass eine stetige Überprüfung viel­fach lediglich durch die Gerichte erfolgt.

Ein nationales Gericht hat bei Zweifel über die zutreffende Umsetzung 19 oder Auslegung des Unionsrechts die Fragestellung dem EuGH vorzulegen.

19 EuGH v. 22.12.2010, C-277 /09, RBS, Deutschland Holding, Slg. 2010, I-13805 Rn. 53fT.

20 Etwa EuGH v. 18.1.2001, C-150/99, Slg. 2001, I-493.

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§ 16 20-23 3. Teil. Querschnitts-, Anwendungs- und Gestaltungsfragen

Unterlässt das Gericht die EuGH-Vorlage, so ist dies ein Verstoß gegen Art. 101 GG (Entzug des gesetzlichen Richters). 21 Nicht letztinstanzliehe Ge­richte können bei derartigen Zweifeln unmittelbar eine Vorabentscheidung beim EuGH einholen. Der EuGH entscheidet im Verfahren allein über die Auslegung der Richtlinie,22 sofern die Vorlagefrage nicht bereits Gegenstand eines Vorabentscheidungsersuchens war. Über nationales Recht oder die je­weilige Streitsache entscheidet der EuGH nicht. Dies ist, nach Entscheidung des EuGH im Vorabentscheidungsersuchen, die Aufgabe des nationalen Ge­richts.

20 Unternehmer bzw. Steuerpflichtige haben selbst hingegen keine Möglich-keit, sich selbstständig an den EuGH zu wenden. EU-Bürger haben lediglich das Recht, sich mit einem Beschwerdeverfahren an die EU-Kommission zu wenden.23 Die EU-Kommission hingegen hat diesbezüglich die Option, ein­zelne Mitgliedstaaten wegen eines Verstoßes gegen das Unionsrecht vor dem EuGH zu verklagen (Art. 258 AEUV) (Vertragsverletzungsverfahren).

21 EuGH-Entscheidungen entfalten Wirkung ftir die Unternehmen und Verwaltungspraxis sowie fiir die Gerichtsbarkeit. Die steuerrechtliehen Vor­schriften sind nach der Auslegung des Unionsrechts durch den EuGH auch auf Rechtsverhältnisse anwendbar, die vor Erlass des auf das Ersuchen um Auslegung ergangenen Urteils entstanden sind, sodass eine Rückwirkung vorliegen kann.

d) Allgemeines zur Steuerentstehung

22 In den Anwendungsbereich der Umsatzsteuer fallen nur die in § 1 Abs. 1 UStG benannten oder ihnen gleichgestellten Tatbestände, wie bspw. das in­nergemeinschaftliche Verbringen unternehmenseigener Waren über eine EU­Binnenmarktgrenze (§ 1a Abs. 2 bzw. § 3 Abs. 1a UStG) sowie unentgelt­liche Wertabgaben (nach § 3 Abs. 1b bzw. § 3 Abs. 9a UStG), welche einer Leistung gegen Entgelt gleichgestellt werden. Nach § 1 Abs. 1 UStG sind steuerbar: (1) die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unterneh­mer im Inland gegen Entgelt (also im Leistungsaustausch) im Rahmen seines Unternehmens ausfuhrt; (2) die Einfuhr von Gegenständen im Inland oder in den Österreichischen Gebieten Jungholz und Mittelberg (Einfuhrumsatzsteu­er); (3) der innergemeinschaftliche Erwerb im Inland gegen Entgelt.

23 Der Leistungsaustausch ist Hauptanwendungsfall der Besteuerung. Leistung ist der Oberbegriff ftir Lieferungen (§ 3 Abs. 1 UStG) und sonstige Leistun­gen (unionsrechtlich: Dienstleistungen) (§ 3 Abs. 9 UStG). Nur eine steuer­bare Leistung (§ 1 Abs. 1 UStG bzw. § 1a UStG) unterliegt der Besteuerung. Vorgänge im hoheitlichen Bereich, im nichtwirtschaftlichen Bereich sowie auf der privaten Vermögensebene unterliegen mithin auch bei Personen, wel­che teilweise unternehmerisch tätig sind, nicht der Besteuerung. Ist eine wirt­schaftliche Tatigkeit nach vorgenannten Voraussetzungen steuerbar, so fillt dennoch eine Umsatzsteuer lediglich dann an, wenn keine Steuerbefreiungs­norm (§§ 4-7, 8, 26 Abs. 5 UStG) einschlägig ist.

21 BVerfGE 73, 339; BVerfGE 75, 223. 22 Art. 267 AEUV 23 Vgl. Külfner! Zugmaier, ZSteu 2006, 513 mit dem Muster einer Beschwerdeschrift.

1974 Höink

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d Gestaltungsfragen

verstoß gegen Art . . ~tinstanzliche Ge­lorabentscheidung en allein über die •ereits Gegenstand ',echt oder die je­Lach Entscheidung es nationalen Ge-

n keine Möglich­er haben lediglich I-Kommission zu t die Option, ein­ansrecht vor dem erfahren). nternehmen und rrechtlichen Vor­den EuGH auch

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hwerdeschrift.

§ 16 Kommunale Unternehmen und Betätigungen 24-28 § 16

Das Ziel der Umsatzsteuer ist es, eine Besteuerung des Endverbrauchs her- 24 zustellen. Es gibt kein Sonderrecht, wenn der Leistende an eine JPöR leistet. Der Unternehmer seinerseits enthält aber grundsätzlich eine Entlastung über den Vorsteuerabzug nach § 15 UStG. Nichtunternehmerisch tätige JPöR sind demzufolge beim Leistungsbezug ebenso mit Umsatzsteuer auf Eingangsleis­tungen belastet wie ein privater Endverbraucher. Wird mithin eine Zuwen­dung im Leistungsaustausch zur Gegenleistung, so wird die Höhe der ver­wendbaren Zuwendung um die Umsatzsteuer belastet.

Auf die zutreffende Besteuerung sollte im Vorfeld bereits geachtet werden, 25 um die regelmäßig gewünschte Überwälzung der Umsatzsteuer auf den End­verbraucher sicherzustellen. Bei Beteiligten, denen kein Vorsteuerabzugsrecht zusteht (Privatpersonen, hoheitliche Einrichtungen bzw. JPöR im unterneh­mensfremden bzw. nichtwirtschaftlichen Bereich) sind spätere Korrekturen definitive Kosten, sodass eine nachträgliche Überwälzung - sofern überhaupt zivilrechtlich möglich - mit erheblichen praktischen Problemen verbunden ist.

e) Bedeutung der Unternehmereigenschaft

Die Unternehmereigenschaft hat eine Schlüsselfunktion im Umsatzsteuer- 26 recht. Unternehmer ist, wer eine gewerbliche oder berufliche Titigkeit selbst­ständig ausübt (§ 2 Abs. 1 UStG). Gewerblich oder beruflich ist jede Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen, auch wenn die Absicht, Gewinn zu erzielen, fehlt (§ 2 Abs. 1 S. 3 UStG). Im Unionsrecht wird der Unternehmer als "Steuerpflichtiger" bezeichnet (Art. 9 MwStSystRL). Steuerpflichtiger ist, wer eine wirtschaftliche Tätigkeit unabhängig von ihrem Ort, Zweck und Ergebnis selbstständig ausübt. Als "wirtschaftliche Tätigkeit" gelten alle Tätig­keiten eines Erzeugers, Händlers oder Dienstleistenden einschließlich der Tätigkeiten der Urproduzenten, der Landwirte sowie der freien Berufe und der diesen gleichgestellten Berufe. Insbesondere gilt die Nutzung von körper­lichen oder nichtkörperlichen Gegenständen zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen als wirtschaftliche Tätigkeit. Vorgänge zwischen Privatpersonen oder hoheitlich bzw. nichtunternehmerisch Tätigen sollen nicht der Um­satzsteuer unterliegen. Zur Bestimmung, ob eine JPöR (ganz oder teilweise) Unternehmer im umsatzsteuerrechtlichen Sinne ist, sind die allgemeinen Grundsätze heranzuziehen.24 Im Umsatzsteuerrecht besteht eine eigene Steu­errechtsfähigkeit.

Nach Art. 13 MwStSystRL (früher Art. 4 Abs. 5 der sog. 6. EG-RL) 27 gelten Staaten, Länder, Gemeinden und sonstige Einrichtungen des öffentli­chen Rechts als Nichtunternehmer (unionsrechtlich: Nicht-Steuerpflichtige) , soweit sie die Tätigkeiten ausüben oder Umsätze bewirken, die ihnen im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegen, auch wenn sie im Zusammenhang mit diesen Tätigkeiten oder Umsätzen Zölle, Gebühren, Beiträge oder sonsti-ge Abgaben erheben und dies nicht zu größeren Wettbewerbsverzerrungen fuhrt.

Nach § 2 Abs. 3 UStG (aF) handelt eine JPöR nur dann als Unterneh- 28 merin, wenn sie im Rahmen eines BgA (§ 1 Abs. 1 Nr. 6, § 4 KStG) tätig ist.

24 Baumgart, ZKF 2015, 63.

Höink 1975

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§ 16 29-31 3. Teil. Querschnitts-, Anwendungs- und Gestaltungsfrage1,

Mithin war sie nach Verwaltungsauffassung25 keine Unternehmerin, wenn ihre Tatigkeit nach körperschaftsteuerrechlichen Grundsätzen nicht als BgA, sondern als Vermögensverwaltung oder Beistandsleistung zu beurteilen ist. Der EuGH und der BFH haben in diversen Entscheidungen die bisherige Regelung des § 2 Abs. 3 UStG mit der Anknüpfung an den körperschaftsteu­errechtlichen Begriff des "Betriebs gewerblicher Art" (§ 1 Abs. 1 Nr. 6, § 4 KStG) als gesetzestechnisch nicht im Einklang mit dem Unionsrecht angese­hen.26 Der BFH hat im Wege der richtlinienkonformen Auslegung des § 2 Abs. 3 UStG (aF) daher Vorgaben des Art. 13 MwStSystRL herangezogen27 Handelt die JPöR auf privatrechtlicher Grundlage durch Vertrag, kommt es ftir ihre Unternehmereigenschaft auf weitere Voraussetzungen nicht an.28

29 Bis zur Einftihrung des § 2b UStG bestand aufgrund des Vorrangs des Ge-meinschaftsrechts flir die JPöR vielfach die Möglichkeit, sich entgegen der bisherigen nationalen Auslegung der Regelung des § 2 Abs. 3 UStG auch auf eine unionsrechtskonforme Anwendung der Unternehmereigenschaft der JPöR zu berufen. 29 Dieses Berufungsrecht hatte auch eine JPöR selbst. Da die höchstrichterliche Rechtsprechung vielfach § 2 Abs. 3 UStG unter Be­achtung der MwStSystRL (Art. 13 MwStSystRL, früher Art. 4 Abs. 5 der 6. EG-RL) unionsrechtskonform auslegte und eine unter den vorgenannten allgemeinen Voraussetzungen ausgeübte Tatigkeit auf privatrechtlicher Grund­lage als zur Unternehmereigenschaft fuhrend ' beurteilte, konnte die JPöR teilweise die gewünschte Behandlung "auswählen" (sog. Rosinenpickerei) und ein faktisches Wahlrecht in Anspruch nehmen.

30 , Durch Art. 12 des StÄndG 2015 v. 2.11.201530 wurden die Regelungen zur Unternehmereigenschaft von JPöR neu gefasst. Mit Wirkung vom 1.1. 2016 bzw. 1.1.2017 wurde ein neuer § 2b UStG in das Gesetz aufgenom­men, der an die Stelle von § 2 Abs. 3 UStG (aF) getreten ist. Nach § 2b Abs. 1 UStG gelten JPöR nicht als Unternehmer iSd § 2 UStG, soweit sie Tatigkeiten ausüben, die ihnen im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegen, auch wenn sie in Zusammenhang mit diesen Tatigkeiten Zölle, Gebühren, Beiträge oder sonstige Abgaben erheben, sofern eine Behandlung als Nicht­unternehmer nicht zu größeren Wettbewerbsverzerrungen fuhren würde. Damit dürfte der bisherigen Unsicherheit im Zusammenhang mit der Alt­Regelung des§ 2 Abs. 3 UStG (aF) begegnet worden sein.

31 Gleichzeitig ist in § 27 Abs. 22 UStG eine Übergangsregelung geschaffen worden.31 Danach ist § 2 Abs. 3 UStG (aF) in der am 31.12.2015 geltenden Fassung aufUmsätze, die nach dem 31.12.2015 und vor dem 1.1.2017 ausge-

25 OFD Nds. v. 27.2.2012, UR 2013, 42. 26 Statt vieler: EuGH v. 4.6.2009, C-102/08, Salix, UR 2009, 484. 27 Namentlich BFH v. 20.8.2009, V R 70/05, UR 2009, 884; BFH v. 20.8.2009, V R

30/06, BStBI II 2010, 863; BFH v. 17.3.2010, XI R 17/08, UR 2010, 943; BFH v. 15.4.2010, V R 10/09, UR 2010, 646; BFH v. 2.3.2011, XI R 65/07, UR 2011, 657; BFH V. 3.3.2011, V R 23/10, BStBl II 2012, 74; BFH V. 10.11.2011, V R 41/10, UR 2012, 272; BFH v. 1.12.2011 , V R 1/11, UR 2012, 363.

28 BFH v. 19.3.2014, XI B 126/13, VersorgW 2014, 274. 29 Baumgart, ZKF 2015, 63. 30 BGBl I 2016, 1834. 31 Zur Übergangsregelung BMF v. 19.4.2016, BStBl I 2016, 481; praktische Hinweise

Küffner!Rust, DB 2016, 1469, siehe aktuell BMF-Schreiben v. 16.12.2016, DStR 2017, 40.

1976 Höink

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.- und Gestaltungsfragen

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~regelung geschaffen 1.12.2015 geltenden lern 1.1.2017 ausge-

1 .. lFH V. 20.8.2009, V R R 2010, 943; BFH v. 65/07, UR 2011, 657; ~011, V R 41/10, UR

1; praktische Hinweise 2016, DStR 2017, 40.

§ 16 Kommunale Unternehmen und Betätigungen 32-34 § 16

führt werden, weiterhin anzuwenden. § 2b UStG in der am 1.1.2016 gelten­den Fassung ist nach § 27 Abs . 22 S. 2 UStG auf Umsätze anzuwenden, die nach dem 31.12.2016 ausgeführt werden. Nach§ 27 Abs. 22 S. 3 UStG kann jedoch die JPöR die Fortführung der Besteuerung nach den Grundsätzen des § 2 Abs. 3 UStG längstens bis zum 31.12.2020 erklären. Für die praktische Umsetzung ist besonders zu beachten, dass selbst in den Fällen, in denen eine JPöR sich hinsichtlich ihrer Unternehmereigenschaft bisher auf die erwähnte neuere BFH-Rechtsprechung berufen hat, diese wieder "einen Schritt zu­rück" machen darf und eine Optionserklärung mit der Wirkung abgeben kann, dass für sie ab dem 1.1.2017 § 2 Abs. 3 UStG (aF) in der arn 31.12. 2015 geltenden Fassung (ohne Berücksichtigung der neueren BFH-Recht­sprechung) angewendet wird.

Mithin ist zu unterscheiden, ob eine JPöR auf privatrechtlicher Grundlage 32 oder auf öffentlich-rechtlicher Basis tätig wird. Eine Tätigkeit auf privatrecht­lieber Grundlage unterliegt immer den allgemeinen umsatzsteuerrechtlichen Anforderungen (§ 2 Abs. 1 UStG). Lediglich wenn ein Tätigwerden auf öf­fentlich-rechtlicher Grundlage ("hoheitliches Handeln") erfolgt, greift die Regelung des § 2b UStG. Hinzu tritt, dass nach § 2b Abs. 3 UStG besondere Rückausnahmen ("liegt eine größere Wettbewerbsverzerrung nicht vor, wenn ... ") für Leistungen der öffentlichen Hand untereinander (zB sog. Bei­standsleistungen zwischen JPöR) vorsieht. Derartige Leistungen sollen nun de lege lata nicht zur Unternehmetischen Tätigkeit führen. Ob diese Regelung des§ 2b UStG dem Unionsrecht entspricht, wird ggf. noch gerichtlich über­prüft werden müssen.

Das Vorsteuerabzugsrecht ist ein fundamentaler Grundsatz des Umsatz- 33 steuer- sowie des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems, das grundsätzlich nicht eingeschränkt werden darf und für die gesamte Steuerbelastung der vor­ausgehenden Stufen sofort ausgeübt werden kann. Der Vorsteuerabzug soll gewährleisten, dass alle wirtschaftlichen Tätigkeiten eines Unternehmers, so­fern sie der Umsatzsteuer unterliegen, unabhängig von ihrem Zweck und wirtschaftlichen Ergebnis in neutraler Weise steuerlich belastet werden. 32 Das Vorsteuerabzugsrecht gilt aber nur für Unternehmer. Unternehmer erlangen demnach grundsätzlich die Entlastung von der Umsatzsteuer auf Eingangsleis­tungen über den Vorsteuerabzug. Die öffentliche Hand ist je nach Ausgestal­tung als Unternehmer oder Nichtunternehmer zu betrachten. Mithin liegt insbesondere für hoheitlich tätige JPöR sowie für die JPöR, welche über § 2b Abs. 3 UStG von der Unternehmereigenschaft ausgeschlossen sind, keine Möglichkeit vor, sich über den Vorsteuerabzug zu entlasten.

f) Grundsätzliches zum Leistungsaustausch

Gegenstand der Umsatzsteuer sirld Lieferungen oder sonstige Leistungen, 34 die ein Unternehmer im Rahmen seines Unternehmens gegen Entgelt im Inland ausführt (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG), sowie die Einfuhr (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 UStG) und der innergemeinschaftliche Erwerb im Inland gegen Entgelt (§ 1 Abs. 1 Nr. 5 UStG) . Mit Ausnahme der Einfuhr erfordern alle Tatbestände

32 EuCH v. 9.7.2015 C-183/ 14, Salmnie und Oltean, Rn. 57.

Höink 1977