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festgehalten Die Veranstaltungen der Chemieverbände Rheinland-Pfalz Altersgerecht Führen EDITORIAL Laut einer aktuellen Studie des Verbandes angestellter Akademiker und leitender Angestellter der chemischen Industrie e.V. (VAA) orientieren sich Nachwuchsführungs- kräfte bei der Arbeitgeberwahl zunehmend an weichen Faktoren, wie einem guten Arbeitsklima. Doch nicht nur die potentiellen Bewerber messen die Betriebe und deren Management zunehmend an den sogenannten Hygienefaktoren. Um dem Fachkräfte- mangel zu begegnen, ist es ebenso wichtig, die vorhandenen Mitarbeiter an das Unter- nehmen zu binden. Neben den Fragen nach der Gesunderhaltung und einer lebens- phasenorientierten Personalpolitik ist die Mitarbeiterführung ein zentrales Element. Die Verantwortung der Mitarbeiterführung bleibt, denn an der Führungsaufgabe ändert sich grundsätzlich nichts. Jedoch wird sie individueller. Die Beschäftigten bewerten die Arbeitsabläufe und Entscheidungsprozesse im Betrieb je nach Altersgruppe unter- schiedlich. Jüngere und ältere Mitarbeiter wollen auf ihre Art gehört und eingebunden werden. Die Personalverantwortlichen müssen solche Entwicklungen rechtzeitig erken- nen und Verständnis für die Veränderungen in der Belegschaft erlangen. Altersgerechtes Führen hat nachhaltigen Einfluss auf das Image des Unternehmens als Arbeitgeber, da die Mitarbeiter als Botschafter des Unternehmens solche Prozesse im Familien- und Freundeskreis kommentieren. Das vorliegende festgehalten berichtet über praktikable Instrumente, um das Thema im betrieblichen Alltag anzugehen. Tobias Göpel | Chemieverbände Rheinland-Pfalz INHALT >> Anspruch an Führung in unterschied- lichen Lebensphasen >> Die Botschaft braucht den passenden Kanal >> Die sechs Rollen einer Führungskraft >> Praxistipp: Altersgerechtes Führen >> nachgefragt, Interview mit den Referenten Dr. Andreas Grabenstein und Robert Plasberg Das Titelbild ist ein Mindmapping aus der Seminarrunde >>

Altersgerecht führen

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Page 1: Altersgerecht führen

festgehaltenDie Veranstaltungen der Chemieverbände Rheinland-Pfalz

Altersgerecht Führen

EDITORIALLaut einer aktuellen Studie des Verbandes angestellter Akademiker und leitender Angestellter der chemischen Industrie e.V. (VAA) orientieren sich Nachwuchsführungs-kräfte bei der Arbeitgeberwahl zunehmend an weichen Faktoren, wie einem guten Arbeitsklima. Doch nicht nur die potentiellen Bewerber messen die Betriebe und deren Management zunehmend an den sogenannten Hygienefaktoren. Um dem Fachkräfte-mangel zu begegnen, ist es ebenso wichtig, die vorhandenen Mitarbeiter an das Unter-nehmen zu binden. Neben den Fragen nach der Gesunderhaltung und einer lebens-phasenorientierten Personalpolitik ist die Mitarbeiterführung ein zentrales Element.

Die Verantwortung der Mitarbeiterführung bleibt, denn an der Führungsaufgabe ändert sich grundsätzlich nichts. Jedoch wird sie individueller. Die Beschäftigten bewerten die Arbeitsabläufe und Entscheidungsprozesse im Betrieb je nach Altersgruppe unter-schiedlich. Jüngere und ältere Mitarbeiter wollen auf ihre Art gehört und eingebunden werden. Die Personalverantwortlichen müssen solche Entwicklungen rechtzeitig erken-nen und Verständnis für die Veränderungen in der Belegschaft erlangen.

Altersgerechtes Führen hat nachhaltigen Einfluss auf das Image des Unternehmens als Arbeitgeber, da die Mitarbeiter als Botschafter des Unternehmens solche Prozesse im Familien- und Freundeskreis kommentieren. Das vorliegende festgehalten berichtet über praktikable Instrumente, um das Thema im betrieblichen Alltag anzugehen.

Tobias Göpel | Chemieverbände Rheinland-Pfalz

INHALT

>> Anspruch an Führung in unterschied-lichen Lebensphasen

>> Die Botschaft braucht den passenden Kanal

>> Die sechs Rollen einer Führungskraft

>> Praxistipp: Altersgerechtes Führen

>> nachgefragt, Interview mit den Referenten Dr. Andreas Grabenstein und Robert Plasberg

Das Titelbild ist ein Mindmapping aus der Seminarrunde

>>

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ANSPRUCH AN FÜHRUNG IN UNTERSCHIEDLICHEN LEBENSPHASENEine Führungskraft muss in verschiedenen Rollen überzeugen können, um die Motivation der Mitarbeiter je nach Altersgruppe nutzen zu können und deren Arbeit zu wertschätzen. Besonders junge Führungskräfte stehen zunehmend vor der schwierigen Aufgabe, Menschen anzuleiten, die deutlich älter sind, als sie selbst. Es erfordert eine besondere soziale Fähigkeit, sich die notwen-dige Akzeptanz bei allen Mitarbeitern zu erarbeiten.

Während ältere Menschen eher in der Lage sind, sich in jüngere Lebens-phasen hineinzuversetzen, ist dies umgekehrt deutlich schwerer. In der Folge entstehen Blockadehaltungen aufgrund von Verhaltensunsicherheit. Das da-raus resultierende Konfliktpotential kann durch Gespräche über Erwartungen und Werthaltungen in der beruflichen Lebenswelt entschärft werden. Beide Seiten bedürfen dazu des gegenseitigen Respekts und der Wertschätzung.

DIE BOTSCHAFT BRAUCHT DEN PASSENDEN KANALJüngere können neue frische Ideen einbringen, während Ältere wertvolle Erfahrungen bieten. Auf welchem Weg die Beteiligung erfolgt, ist eine Auf-gabe der Führungskraft. Sie muss die individuellen Persönlichkeiten und deren verschiedenen Lebenswelten akzeptieren und ein Bewusstsein dafür ent-wickeln, wie sie das Know-how optimal einsetzen kann. Dafür müssen alle Ebenen der Kommunikation beachtet werden.

Altersgerecht Führen | Dürkheim an der Weinstraße

Leitfragen für den Sichtwechsel

>> Welche Bedürfnisse und Anforderungen an den Vorgesetz-ten haben die Mitarbeiter verschiedener Altersgruppen?

>> Wie kann eine Führungskraft diesen begegnen?

>> Wie fühlt sich vermutlich ein jüngerer Vorgesetzter in der Führungssituation mit meiner Altersgruppe?

>> Was würde ich dieser Führungskraft empfehlen?

DIE SECHS ROLLEN EINER FÜHRUNGSKRAFT

Vorgesetzter>> Planung von Zielen und Vorgaben>> Entscheidungsverantwortung

Fachmann>> Fachkenntnisse, Erfahrung>> Vermitteln von Sicherheit und Routine

Moderator>> Teamerleben und Identifikation fördern>> Beteiligung vermitteln, Konflikte managen

Mitarbeiter>> erfüllen vereinbarter Ziele

Unternehmer>> Vorgeben von Visionen und Mission, Marktbeobachtung

Coach>> Mitarbeiter entwickeln, fördern, beraten

Die Führungskraft als individuelle Persönlichkeit

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PRAXISTIPP: ALTERSGERECHTES FÜHRENZum altersgerechten Führen gehört, sich auf andere Sichtweisen einzustellen. Ein anschauliches Mittel bietet die Lebensuhr. Sie beschreibt die typischen Lebensphasen und die damit ver-bundenen Werthaltungen, Prioritäten und Lebenseinstellungen. Die Erkenntnisse aus den Diskussionen sind eine gute Grundlage für die Personalentwicklung.

Ablauf

In Workshops setzen sich die Mitarbeiter in kleinen Gruppen mit den Erwartungshaltungen in den jeweiligen Lebensphasen aus-einander und fassen die Ergebnisse schriftlich zusammen. Am Ende der Workshops, wenn alle Mitarbeiter beteiligt wurden, können die Ergebnisse betriebsintern präsentiert werden.

Dies kann jungen und älteren Mitarbeitern eine innere Orien-tierung dazu geben, wie sich die Bedürfnisse altersbedingt verändern und auf was eine Führungskraft achten sollte.

1. Bauen Sie eine »Lebensuhr« mit Pinnwänden im Raum auf und bitten Sie alle Teilnehmer/innen, sich bei Ihrer Altersgruppe aufzustellen.

2 Auf den Pinnwänden notieren Sie jeweils folgende Fragen und lassen Sie Platz für die Antworten.

a. Wie wichtig ist in dieser Altersgruppe Leistung? b. Was bedeutet Motivation? c. Was ist ein geeigneter Arbeitsrahmen für diese Altersgruppe? d. Was macht für sie gute Führung aus?

3. Nun bitten Sie alle Teilnehmer die Fragen zu beantworten. Beginnend bei der eigenen Altersgruppe, anschließend auf den anderen Pinnwänden.

Altersgruppe 40 – 45

Altersgruppe 45 – 55

Altersgruppe 33 – 40

Altersgruppe 55 – 65

Altersgruppe 25 – 32

Altersgruppe 65 +

Page 4: Altersgerecht führen

Impressum | HERAUSGEBER: Chemieverbände Rheinland-Pfalz, Bahnhofstraße 48, 67059 Ludwigshafen, Telefon 06 21-5 20 56 -0, Telefax 06 21-5 20 56 -20, [email protected], www.chemie-rp.de, REDAKTION: Tobias Göpel. FOTOS: Marcel Hasübert, mh-foto.de, GESTALTUNG: [email protected], Köln, DRUCK: Müllerdruck GmbH & Co. KG, Mannheim, Auflage: 400, Stand: Juni 2012 Die Veranstaltung fand am 27.3.2012 in Dürkheim an der Weinstraße statt.

»Die Jungen laufen schneller, aber die Alten kennen die Abkürzung « (Ursula von der Leyen)

Jung führt Alt. Ist das machbar oder unmöglich?

AG: Menschen in Leitungsfunktionen werden traditionell nach ihren Kompetenzen und der Zugehörigkeit beurteilt. Dazu zählen die Fachkompetenzen als auch die Zugehörig-keit zum Betrieb und das Lebensalter. Um akzeptiert zu werden, müssen die Führungskräfte das junge Lebensalter durch eine hohe soziale Kompetenz ausgleichen, insbeson-dere durch den Respekt vor der längeren Zugehörigkeit der Älteren. Älteren Mitarbeitern wiederum empfehle ich, den jungen Menschen eine Chance zu geben, durch altersge-rechtes Führen zu überzeugen – ohne Vorverurteilungen.

Wie verändert sich ein Team, wenn der Altersdurch-schnitt deutlich ansteigt?

RP: Die Prioritäten verändern sich, der Kampfeswille um Karriere und um jeden Preis weicht der Qualität der großen Erfahrung, des Abwarten-Könnens und einer reflektierten Abwägung. Wenn die Führungskraft das nicht als Wirklich-keit akzeptiert und zu nutzen versteht, wird sie nicht ernst-genommen. Das kann die Leistungsfähigkeit des Teams deutlich beeinträchtigen.

Warum kommt es zum Führungskonflikt?

AG: Arbeitgeber bringen oft jüngere Menschen in Lei-tungspositionen, weil diese als innovativer und belastbarer gelten. Zum Konflikt kommt es meist dann, wenn die Jun-gen mangelnde Erfahrung durch den Rückzug auf die Hie-rarchie kompensieren. Ältere Mitarbeiter bekommen dann das Gefühl, dass ihre Erfahrung nicht benötigt wird und sie in Entscheidungsprozesse nicht einbezogen werden.

Wie sieht also eine altersgerechte Führungskultur aus?

RP: In erster Linie geht es um die professionelle Haltung aller Beteiligten. Führung auf Augenhöhe und in wechsel-seitigem Respekt wird immer wichtiger. Wenn Führungs-kräfte und Mitarbeitende ihre unterschiedlichen Sicht-weisen kennen, sie akzeptieren, wird eine konstruktive Kooperationsbeziehung geschaffen, in der sich alle ein-bringen können. Die Arbeit mit der Lebensuhr ist ein Weg, die Bedürfnisse der anderen zu erfahren und in die eigene Arbeitsorganisation einfließen zu lassen. Das ist ein Mehr-wert für alle.

Dr. Andreas Grabenstein (AG)

Robert Plasberg (RP)

INTERVIEW MIT DR. ANDREAS GRABENSTEIN (AG) UND ROBERT PLASBERG (RP)

Altersgerecht Führen | Dürkheim an der Weinstraße

NACHGEFRAGT