17
„Meine Würde tanzt.“ Geschichten zum Jahresbericht 2014/2015

„Meine Würde tanzt.“ - evangelisches-johannesstift.de · Ibraim und Khalif trafen sich auf dem Oranienplatz. Hier lebten sie wieder auf der Straße, aber die Unterstützung durch

  • Upload
    others

  • View
    3

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: „Meine Würde tanzt.“ - evangelisches-johannesstift.de · Ibraim und Khalif trafen sich auf dem Oranienplatz. Hier lebten sie wieder auf der Straße, aber die Unterstützung durch

„Meine Würde tanzt.“ Geschichten zum Jahresbericht 2014/2015

Page 2: „Meine Würde tanzt.“ - evangelisches-johannesstift.de · Ibraim und Khalif trafen sich auf dem Oranienplatz. Hier lebten sie wieder auf der Straße, aber die Unterstützung durch

Inhalt

Vorwort Vorwort der Kuratoriumsvorsitzenden 4 Vorwort des Vorstands 6

Angebote für ältere Menschen „Sich wohlfühlen in kleinen Gemeinschaften“ 8 „Mit LeNa durch die Altstadt flanieren.“ 10

Geriatrische Krankenhäuser „Laufen lernt man nur durch Laufen wieder.“ 12 „Wir wollen Wegweiser in der Altersmedizin sein.“ 14

Angebote für Kinder, Jugendliche und ihre Familien „Zu einer Familie ist die Wohngemeinschaft auch geworden.“ 16

Angebote für Menschen mit Behinderung „Ganz neu Gefühle zeigen“ 18 „Ich bin jemand, der auf Menschen zugeht.“ 20

Diakonisches Bildungszentrum „Jeder Mensch ist von Gott gewollt.“ 22

Arbeit und Beschäftigung „Die Idee schont den Geldbeutel und bringt Menschen zusammen.“ 24

„Man soll nie denken, die Tür ist zu. Alles ist in Bewegung.“ 26

Evangelisches Johannesstift Service GmbH „Der grüne Mehrwert“ 28

Stiftungsfundraising „Es gibt Sicherheit und beruhigt, wenn alles so geregelt ist, wie man es möchte.“ 30

→ Impressum

Herausgegeben vom Vorstand des Evangelischen Johannesstifts im September 2015

Redaktion: Tobias KleyTexte: Frank Beier-Rosen, Stephan Butzke, Daniela Hahlweg, Tobias Kley, Eva-Lena Lörzer, Lars Madel, Jörg Markowski, Susanne Riedel, Barbara Seybold, Wilfried Wesemann, Markus Zens Fotos: Frederic SchweizerLayout und Satz: Anke Dillinger, Stephan ButzkeDruck: Druckerei ConradAuflage: 1.500 Stück

Evangelisches Johannesstift SbRSchönwalder Allee 26 | 13587 Berlin Tel. 030 · 336 09 - [email protected] www.evangelisches-johannesstift.de

3 3 • Inhalt •

Page 3: „Meine Würde tanzt.“ - evangelisches-johannesstift.de · Ibraim und Khalif trafen sich auf dem Oranienplatz. Hier lebten sie wieder auf der Straße, aber die Unterstützung durch

Er bietet Ihnen seine bewegende Umarmung an und will Sie mit sich ziehen, egal ob Sie zum Tanzen talentiert sind oder im Rollstuhl sitzen, ob Ihnen dazu emotional zu Mute ist oder Sie ihm dabei ungelenk auf die Füße treten.

In diesem Sinne versteht auch das Evangelische Jo-hannesstift seine Aufforderung zum Tanz. Es will sich von Gottes Bewegung inspirieren lassen, um für andere zum Aufforderer zu werden. Es teilt die göttliche Unterstellung, dass jede Würde tanzen kann, dass sie sich lebendig und selbstbewusst bewegt und beschwingt durch das Leben gleitet, das ihr Gott selbst geschenkt hat. Denn Würde kennt keine Krankheit oder Behinderung, sie ist vollständig unabhängig von intellektuellen Fähigkeiten oder der Auf-merksamkeit, die einem Menschen zuteil wird. Einkommen, Herkunft, Alter, Hautfarbe und sogar Religion spielen weder für die Würde noch für Gott oder das Evangelische Johan-nesstift eine Rolle, wenn sie zum Tanz auffordern. Deshalb werden in diesem Jahresbericht ausschließlich die Tanzpart-nerinnen und Tanzpartner Gottes zu Wort kommen und ich freue mich, dass es davon so viele gibt.

Ich danke an dieser Stelle allen, die dabei helfen, dass diese Tanzaufforderung gelingt: den Mitarbeiterinnen und Mit-arbeitern des Evangelischen Johannesstifts ebenso wie den vielen Spenderinnen und Spendern und all denen, die sich dem Evangelischen Johannesstift anvertrauen und gemein-sam mit ihm tanzen.

Ich wünsche Ihnen und vor allem Ihrer Würde eine Polka mit Gott, oder wenn Sie eher ein ruhigerer Typ sind, einen langsamen Walzer. Lassen Sie sich von ihm auffordern und nehmen Sie in Kauf, wenn er Ihnen dabei aus Versehen auf die Füße tritt.

Ihre

Pfarrerin Ulrike Trautwein, GeneralsuperintendentinVorsitzende des Kuratoriums des Evangelischen Johannesstifts

„… Links / Rechts / Links - Pause - Rechts / Links / Rechts – Pause … .“ Das ist die Schrittfolge für meine Lieb-lingspolka. Ich mag es, wenn sie nicht zu langsam getanzt wird, zumindest am Anfang eines Abends, wenn ich noch genügend Kraft und Puste habe. Dazu spielt eine kleine Gruppe live Musik. Mir ist die schnelle fröhliche Polka lieber, als ein getragener würdiger Walzer.

„Meine Würde tanzt.“ Dieser Vers aus Psalm 16,9 der Bibelübersetzung in gerechter Sprache ist das Leitmotiv des Evangelischen Johannesstifts in diesem Jahr, und ich würde ihn gern ergänzen: „Meine Würde tanzt Polka“, denn meine Würde ist eine schnelle und fröhliche, eine, die auch mal eine politische Unkorrektheit riskiert, wenn sie wahr ist, eine, die sich schnell langweilt. Wer also mei-ne Würde zum Tanzen bringen will, der muss schon eine flotte Sohle aufs Parkett legen.

Genau das hat sich das Evangelische Johannesstift in diesem Jahr vorgenommen. Es will die Würde tanzen lassen. Die Bibel berichtet, dass unsere Würde tanzt, wenn wir Gott vor Augen haben, wenn er uns zur Seite steht. (Ps 16,8f.) Das Evangelische Johannesstift will sich nicht in Konkurrenz zu Gott begeben. Vielmehr will es durch seine Arbeit auf ihn verweisen, auf seine Kraft, seine Hilfe und sein Versprechen, die kranke, lahme oder traurige Würde zu beleben und sie nicht nur am Leben zu halten, sondern so froh zu machen, dass sie tanzt.

Wie bedroht die Würde ist, führt uns nicht nur Artikel 1 des Grundgesetzes vor, der sie unter den allerhöchsten

Schutz des Staates stellt. Ich erlebe diese Bedrohung gele-gentlich an mir selbst, wenn ich mich unverstanden fühle oder wenn man mich respektlos behandelt. Ich gebe zu, als Generalsuperintendentin oder auch als Vorsitzende des Kuratoriums des Evangelischen Johannesstifts passiert mir das eher selten. Aber ich erfahre es bei Menschen, denen ich begegne:

Bei den Flüchtlingen aus den ärmeren Ländern, die in Deutschland auf eine Zukunft hoffen und hier oft mit Ablehnung und Angst empfangen werden, die ihre Würde kränkt. Würde wird dort bedroht, wo Menschen der Zugang zu Arbeit verweigert wird, sei es aufgrund persönlicher

Krankheiten, Beeinträchtigungen oder mangelnder Qualifikation. Ich erlebe Unwürdiges, wenn Kinder mit der Pflege ihrer Eltern an ihre Grenzen kommen, wenn die Arbeitsdichte in den Gesundheitsberufen die Würde

von Patientinnen und Patienten opfert oder wenn Eltern bei der Erziehung ihrer Kinder scheitern.

Das sind die Momente und Situationen, die Gott wi-dersprechen, die seinen Schöpfungsplan verfälschen und ihn selbst in Frage stellen. Es sind aber auch die Momente, in denen er sich nicht beleidigt zurückzieht, sondern sich selbst als Antwort ins Spiel bringt und zum Tanz auffordert.

Gott ist in Jesus Mensch geworden, um mit Ihrer Würde tanzen zu können. Um Sie zu beleben und zu erfreuen, egal wie unbegabt Sie sich dazu fühlen. Besonders Männer meinen ja, dass Tanzen eine ihrem Körper nicht adäquate Ausdrucksweise sei. Darauf nimmt Gott keine Rücksicht.

„ Meine Würde tanzt.“ (Psalm 16,9)

Pfarrerin Ulrike Trautwein ist Vorsitzende des Kuratoriums des Evangelischen Johannesstifts

Würde wird dort bedroht, wo Menschen der Zugang zu Arbeit verweigert wird.

4 5 • Vorwort •

Page 4: „Meine Würde tanzt.“ - evangelisches-johannesstift.de · Ibraim und Khalif trafen sich auf dem Oranienplatz. Hier lebten sie wieder auf der Straße, aber die Unterstützung durch

Ibraim und Khalif trafen sich auf dem Oranienplatz. Hier lebten sie wieder auf der Straße, aber die Unterstützung durch die Kreuzberger Bevölkerung war groß. Schließlich drohte ihnen als „Illegalen“ die Abschiebung, und sie flohen zusammen mit den anderen Flüchtlingen in die Heilig-Kreuz-Kirche. Die Evangelische Kirche gewährte Kirchen-asyl. Als sie damit selbst an ihre personellen und finanzi-ellen Grenzen geriet, nahm das Evangelische Johannesstift Ibraim und Khalif zusammen mit 15 weiteren Flüchtlingen für einige Wochen im vergangenen Herbst bei sich auf. Dass beide bekennende Moslems waren, bildete weder für die Kirche noch für das Evangelische Johannesstift noch für Ibraim und Khalif ein Hindernis.

Wo Ibraim und Khalif heute sind, wissen wir leider nicht. Wir hoffen, dass sich für sie erfüllt, was sie sich erhofft haben. Ihr Schicksal und das der tausenden Menschen, die in den letzten Wochen täglich nach Deutschland fliehen, erinnert uns an unsere christliche Verantwortung. So haben wir als Vorstand beschlossen, das vielfältige diakonische Engagement des Evangelischen Johannesstifts auszuweiten, um Flüchtlinge in Deutschland zu unterstützen.

Zum Schulanfang wurden Ranzen und Schultaschen für Flüchtlingskinder gesammelt. Die Jugendhilfe wird 50 geflo-hene Kinder und Jugendliche aufnehmen, die ohne Eltern nach Deutschland gekommen sind. Wohnungen auf dem

Stiftsgelände werden für die Menschen eingerichtet, die aus ihrer Heimat vertrieben wurden.

Diese kleinen Schritte reichen uns aber nicht. Zusam-men mit dem Paul Gerhardt Stift und der Paul Gerhardt Diakonie werden wir mehr tun. Viele Spenderinnen und Spender, viele Menschen helfen uns dabei, und wir danken Ihnen für diese Unterstützung.

* Die Namen wurden nicht geändert!

Es ist der Blick dieses jungen Mannes, der sofort auffällt – suchend, suchend nach Zukunft. Für diese Zukunft ist Ibraim* lange unterwegs: nicht nur die tägliche zweistün-dige Fahrt mit dem Bus vom Evangelischen Johannesstift in der Schönwalder Allee 26 zu seinem Deutschkurs und dann wieder zurück. Aber das ist der bequemste Teil seiner langen Reise. Der 35-jährige Straßenbauingenieur hat lange Zeit in Libyen gearbeitet. Wo er geboren ist, will er lieber nicht sagen. In Libyen war er als Gastarbeiter willkommen, solange bis der Krieg ausbrach und die westlichen Alliierten zusammen mit den libyschen Freiheitskämpfern die Diktatur von Muammar al-Gaddafi been-deten. Damit verlor er nicht nur seinen Arbeitsplatz, sondern der sich anschließende Bürgerkrieg, in dem Ibraim zu keiner Seite gehörte, trieb ihn zur Flucht. Über das Mittelmeer, über die kleine Insel Lampedusa floh er nach Italien. Hier kellnerte er, meist ohne Erlaubnis und hielt sich so über Wasser. Mit der Wirtschaftskrise brachen auch diese Jobs weg. Ibraim musste auf der Straße leben, ohne Einkommen, arbeits- und obdachlos. Aber die Hoffnung auf Zukunft, die gab er nicht auf. Er hörte, dass es in Deutschland Arbeitsplätze gibt. Also

machte er sich auf den Weg, kam nach München und wurde hier als illegal eingestuft. Er sollte zurück nach Italien, zu-rück in Arbeits- und Obdachlosigkeit. Da entschied er sich, nach Berlin zu gehen. Ibraim spricht fließend Arabisch und Englisch, er kann Französisch, Italienisch und zahlreiche afrikanische Dialekte. Dass er fließend Deutsch kann, ist nur eine Frage der Zeit.

Khalif* ist heute 18 Jahre alt. Er ist vor zwei Jahren aus dem Tschad geflohen. Eines Tages kamen Milizen in sein

Dorf. Sie erschossen seine Fa-milie und verwüsteten das ganz Dorf. Khalif war noch zu jung, um das alles zu begreifen. Nach-barn nahmen ihn mit, als sie vor den Milizen flohen, und er folgte ihnen einfach, ohne zu wissen wohin. Ohne zu wissen, was aus ihm werden wird. Sie flohen in

Richtung Europa, also erst durch die sengende Hitze der afrikanischen Wüsten und dann über das Meer. Khalif kam in Italien an. Er hatte keinen Pass, keine sonstigen Papiere, kein Geld. Er hoffte auf die Möglichkeit, die Schule besu-chen zu können, und auf eine Berufsausbildung. Doch sah er keine Chance dafür. Also machte auch er sich auf nach Deutschland, nach Berlin.

„ Ist Gott zu meiner Rechten, so wanke ich nicht. Darum freut sich mein Herz. Meine Würde tanzt!Mein Körper ist wirklich in Sicherheit.“ (Bibel in gerechter Sprache, Psalm 16,9)

Das Schicksal der tausenden Menschen, die täglich nach Deutschland fliehen, erinnert uns an unsere christliche Verantwortung.

Pfarrer Martin von Essen Andreas ArentzenStiftsvorsteher Kaufmännischer Vorstand

Stiftsvorsteher Pfarrer Martin von Essen (links)Kaufmännischer Vorstand Andreas Arentzen (rechts)

6 7 • Vorwort •

Page 5: „Meine Würde tanzt.“ - evangelisches-johannesstift.de · Ibraim und Khalif trafen sich auf dem Oranienplatz. Hier lebten sie wieder auf der Straße, aber die Unterstützung durch

• Altenhilfe •

Angebote für ältere Menschen An fünf geriatrischen Zentren in Berlin, Brandenburg und Hannover bieten wir umfangreiche Leistungen für ältere und pflegebedüftige Menschen an. Gut ausgebildete Fach- und Hilfskräfte, geschulte Sozial-dienste und einfühlsame Seelsorgende gewährleisten in modern ausgestatteten Einrichtungen die hohe Qualität unserer Arbeit – zum Beispiel in Senio-renzentren, Gemeindepflegehäusern, ambulanten Pflegediensten und Tagesstätten.

Informationen unterTel. 030 · 336 09 - 300 www.altenhilfe-johannesstift.de

Wir wissen, dass ältere Menschen sich wohlfühlen, wenn Sie in kleinen Gemeinschaften liebevoll betreut werden.

Um dieser Einsicht noch besser gerecht zu werden, ver-wirklichen wir jetzt das neue Konzept der Gemeindepflege-häuser. Deren großer Vorteil ist: Neben dem „Wohlfühlfak-tor kleine Gemeinschaft“ schenken wir den Bewohnerinnen und Bewohnern auch größtmögliche Freiheit bei der Wahl der Pflege- und Betreuungsleistungen sowie bei der Gestal-tung des Lebensalltags. Grundlage dafür ist die sogenannte Ambulantisierung der Leistungen. Im Juni 2015 haben wir das Gemeindepflegehaus Brieselang eröffnet. Weitere Häu-ser folgen in den nächsten Jahren.

Im Gemeindepflegehaus Brieselang leben höchstens je 12 Seniorinnen und Senioren in vier Wohn-Pflege-Gemein-schaften. Jedes Mitglied mietet ein barrierefreies Apartment mit eigenem Duschbad, das ganz nach eigenen Wünschen eingerichtet werden kann. Ehepaare und Lebensgemein-schaften wohnen in Apartments mit zwei Zimmern. Zusätz-

lich gibt es Pflegebäder sowie Lager- und Waschräume.Den Mittelpunkt jeder Wohn-Pflege-Gemeinschaft

bildet jeweils ein großer Wohn- und Essbereich mit offener Küche und Terrasse. Die Mitglieder bestimmen selbst oder gemeinsam mit Angehörigen und gesetzlichen Betreuenden darüber, wer welche Pflege- und Betreuungsleistungen über-nimmt, sowie über Zeitpunkt und Umfang der Leistungen. Dabei können mit externen ambulanten Diensten individu-elle Pflegeverträge abgeschlossen werden.

Ebenso entscheiden die Seniorinnen und Senioren selbst über das alltägliche Leben, zum Beispiel über haus-wirtschaftliche Angelegenheiten und über die Verpflegung. Es ist ausdrücklich erwünscht, dass sich auch Angehörige, gesetzliche Betreuende, Freunde und Ehrenamtliche an der Begleitung der Seniorinnen und Senioren beteiligen.

Die Nachfrage nach diesem Angebot ist groß. Schon kurz nach Eröffnung des Gemeindepflegehauses waren alle Plätze belegt.

„Sich wohlfühlen in kleinen Gemeinschaften"Sehr geehrter Herr Wesemann,

meine Mutter, Frau Erika Z., wohnte von 2002 bis zu ihrem Tode im Jahr 2014 im Jochen-Klepper-Haus, wo ich sie regelmäßig besuchte.

Obwohl meine Mutter dement war, konnte sie die ersten sechs Jahre dort genießen, weil sie in der Wohn- gemeinschaft von einer gemütlichen Atmosphäre umgeben war, die ihr und den anderen Bewohnern Vertrautheit und Sicherheit vermittelte, ganz zu schweigen vom Pflegepersonal, das stets äußerst bemüht um jeden Bewohner war. Vor Kurzem war ich im Jochen-Klepper-Haus zu Besuch und fühlte sofort wieder diese Geborgenheit.

Ich kann dies sehr gut beurteilen, weil meine Mutter zuerst für kurze Zeit in einem anderen Heim war. Es herrschte dort keine Gemütlichkeit und keine Zuwendung wegen Zeitmangels des Personals. Genauso ist es bei der Schwester meiner Mutter, die ihre letzten Jahre in einem Heim verbringen muss, das mehr an eine Legebatterie erinnert.

Ich möchte dem Johannesstift und Ihnen, Herr Wesemann, danken, dass Sie es den alten, kranken Menschen ermöglichen, ihre letzten Jahre in gemütlichen kleinen Wohngruppen mit bester, liebevoller und kompetenter Betreuung verbringen zu dürfen. Ich hoffe, auch einmal dieses große Glück zu haben.

DANKE! Herzlich Grüße von Gabriele K.

Brief einer Angehörigen an den Geschäftsführer der Evangelisches Johannesstift Altenhilfe gGmbH, 2015

9 8

Page 6: „Meine Würde tanzt.“ - evangelisches-johannesstift.de · Ibraim und Khalif trafen sich auf dem Oranienplatz. Hier lebten sie wieder auf der Straße, aber die Unterstützung durch

[Bevor wir uns kannten] war mein Leben um einen liebevollen, ehrlichen und lebenserfahrenen Menschen ärmer. Ich wusste wenig über das Leben vor der Kriegs-zeit, während des Krieges und die Zeit danach.

[Uns verbindet] die Liebe zu Kaffee und Kuchen, die Erlebnisse der letzten 2 Jahre, die Freude am Leben – und die Freude daran, andere glücklich zu machen!

[Als Nächstes] werden wir erzählen, erzählen, erzählen …

Kathleen T. , ehrenamtliche Mitarbeiterin

[Bevor wir uns kannten] war mir sehr langweilig. Ich war oft traurig, mein Sohn war gerade gestorben, und meine Gedanken kreisten nur um ihn.

[Uns verbindet] die Liebe zum Leben! Und die Freude am Erzählen, Kochen und Backen.

[Als Nächstes] wollen wir einen Frühlingsspaziergang machen, gemeinsam meine Nachbarin besuchen und Kohlrouladen kochen.

Helga K., † 2015

Im Besuchsdienst LeNa (Lebendige Nachbarschaft) be-suchen ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter allein lebende ältere Menschen zu Hause. Sie schenken Zeit für Gespräche und Spaziergänge, gemeinsam wird der Kiez erkundet und bei kleinen Ausflügen oder Erledigungen manch neuer Kontakt geknüpft. Wer die eigene Wohnung bedingt durch Krankheit und Gehbehinderung nicht mehr verlassen kann, für den bringen die wöchentlichen Besuche wieder ein Stückchen von der Welt ins Wohnzimmer. „Ich kann kaum noch laufen, aber jung denken kann ich noch“, sagt eine ältere Nachbarin, die den lebhaften und herzlichen Austausch mit ihrer Besucherin sehr genießt.

Auch die Ehrenamtlichen erleben durch LeNa eine Bereicherung ihres Lebens. „Die Wertschätzung, die ich anderen entgegenbringe, bekomme ich auch zurück – von

den älteren Menschen selbst, aber auch von LeNa und dem Johannesstift“, so ein ehrenamtlicher Mitarbeiter, „und die gute Schulung und Begleitung geben mir die Sicherheit und das Vertrauen für diese Aufgabe.“

Seit 2014 gibt es LeNa auch im Wedding. Als „Anstifter“ sind ältere Menschen hier eingeladen, eigene Ideen einzu-bringen und Projekte der Altenhilfe aktiv mitzugestalten. Fernab der Mängelorientierung geht es hier um gelebte Beteiligungskultur und das Einbringen von Fähigkeiten und Erfahrung.

Mit Ausstellungen über die Lebenswelt und die Erin-nerungsschätze älterer Menschen versuchen die LeNa-Mitarbeiterinnen zudem, die Menschen im Sozialraum zu bewegen und zu sensibilisieren – für ein Leben und Altern in Würde.

• Altenhilfe •

Mit LeNa durch die Altstadt flanieren

11 10

Page 7: „Meine Würde tanzt.“ - evangelisches-johannesstift.de · Ibraim und Khalif trafen sich auf dem Oranienplatz. Hier lebten sie wieder auf der Straße, aber die Unterstützung durch

12 13

„Laufen lernt man nur durch Laufen wieder.“Die Forschung zum Wohle unserer Patientinnen und Patien ten gehört zu den Kernaufgaben des Evangelischen Geriatriezentrums Berlin (EGZB).

Gemeinsam mit unserem Kooperationspartner Charité – Universitätsmedizin Berlin arbeiten wir an innovativen Projekten, um die Behandlung von Krankheitsbildern wie Schlaganfall oder Demenz zu verbessern.

Unter dem Motto „Laufen lernt man nur durch Laufen wieder“ wurde im Projekt MOPASS ein mobiles, roboter-gestütztes Gangrehabilitationssystem in unserem Kranken-haus getestet, das nicht nur älteren Patienten helfen soll, wieder den Weg zurück in die Selbständigkeit zu finden.Würde gewinnt, wer sich wieder selbst helfen kann.

In weiteren Projekten beschäftigen wir uns beispiels-weise mit der Diagnostik von Demenzerkrankungen. „Viele

Menschen haben Angst vor einer Diagnose, denn noch sind die Behand-lungsmöglichkeiten begrenzt“, erklärt die Chef-

ärztin des EGZB, Prof. Dr. Ursula Müller-Werdan. „Aber die Erfahrung zeigt, dass eine verbesserte Diagnostik häufig auch zu einer Verbesserung von Therapiemöglichkeiten führt“, macht die Altersmedizinerin Betroffenen Hoffnung.

Um Demenzkranke immer besser versorgen zu können, werden wir ebenso wie das Wicherkrankenhaus zukünftig eine spezielle Abteilung für kognitiv beeinträchtigte Pa-tienten eröffnen.

Evangelisches Geriatriezentrum Berlin (EGZB) Das Evangelische Geriatriezentrum Berlin (EGZB) beherbergt auf seinem Campus in Berlin-Wedding ein Fachkrankenhaus für Altersmedizin und eine daran angeschlossene Tagesklinik, ein Pflegewohnheim mit Tagespflege, eine Akademie für Fort- und Weiterbil-dung und einen Pflegestützpunkt zur Beratung bei Fragen rund ums Alter. Es besteht eine enge Koope-ration mit der Charité – Universitätsmedizin Berlin, die auf dem Gelände ein geriatrisch-gerontologisches Forschungszentrum betreibt. Zusammen mit dem Wichernkrankenhaus bildet das EGZB die Kranken-haussparte des Evangelischen Johannesstifts.

Informationen unter:Tel. 030 · 4594 - 1000 | www.egzb.de

„Viele Menschen haben Angst vor einer Diagnose.“

• Geriatrische Krankenhäuser • EGZB •

Page 8: „Meine Würde tanzt.“ - evangelisches-johannesstift.de · Ibraim und Khalif trafen sich auf dem Oranienplatz. Hier lebten sie wieder auf der Straße, aber die Unterstützung durch

Das Wichernkrankenhaus ist ein Fachkrankenhaus für Altersmedizin und hat seinen Sitz auf dem Gelände des Evangelischen Jo-hannesstifts in Berlin-Spandau. Neben der Klinik für Innere Medizin und Akutgeriatrie und der Tagesklinik hält das Wichernkrankenhaus als ein besonderes Angebot auch eine Mobile Geriatrische Rehabilitation bereit – hier kommt das Krankenhaus sozusagen zu den Patienten nach Hause. Ein weiterer Schwerpunkt des Wichernkrankenhauses ist die Abteilung für Palli-ativmedizin für Patienten in ihrer letzten Lebenspha-se. Zusammen mit dem Evangelischen Geriatriezent-rum Berlin (EGZB) bildet das Wichernkrankenhaus die Krankenhaussparte des Evangelischen Johannesstifts.

Informationen unter:Tel. 030 · 336 09 - 370 www.wichernkrankenhaus-johannesstift.de

14

Das Wichernkrankenhaus im Evangelischen Johannesstift wurde 1983 gebaut. Für unsere Patienten und Mitarbeiten-den modernisieren wir jetzt das Krankenhaus. Dazu bauen wir gerade ein komplett neues Bettenhaus. „Mit Hilfe des Neubaus können wir unsere altersmedizinischen Angebote noch besser für unsere Patienten nutzbar machen“, so Chef-arzt Dr. Martin Warnach.

Schon jetzt gehört das Wichernkrankenhaus mit seinen Spezialangeboten, wie der Mobilen Geriatrischen Reha-bilitation und der Abteilung für Palliativpatienten, zu den Vorreitern in der Altersmedizin. Eine Abteilung für demenz-kranke und kognitiv beeinträchtigte Patienten befindet sich gerade im Aufbau. „Als Fachkrankenhäuser für Geriatrie wollen wir Wegweiser bei der Entwicklung spezialisierter Versorgungsangebote sein“, sagt Gerald Jüngling, Geschäfts-führer der Krankenhaussparte. Damit greift das Wichern-krankenhaus schon heute wichtige Rahmenbedingungen auf, die in Berlin gerade unter dem Stichwort „80plus – gesundheitliche und pflegerische Versorgung hochaltriger Menschen“ diskutiert werden.

Daher war die Freude bei allen Beteiligten groß, als das Kuratorium des Evangelischen Johannesstifts der Sanierung im zurückliegenden Jahr zugestimmt und die finanziellen

Mittel für den Neu-bau des Bettenhauses bereitgestellt hat. 2016 werden die Bauarbeiten voraussichtlich abge-

schlossen sein und die 96 Betten des Wichernkrankenhau-ses können in ihre neuen Räume umziehen.

Die hellen, modernen Zimmer sorgen dann nicht nur für mehr Wohlbefinden. Auch die Wege für Patienten, Angehö-rige und Mitarbeitende werden durch den Neubau verkürzt und unnötige Belastungen vermieden. Damit schaffen wir eine würdige Umgebung für alle, die zur Arbeit oder zur medizinischen Behandlung in das Wichernkrankenhaus kommen.

„Wir wollen Wegweiser in der Altersmedizin sein.“

Damit schaffen wir eine würdige Umgebung für alle.

15 • Geriatrische Krankenhäuser • Wichernkrankenhaus •

Page 9: „Meine Würde tanzt.“ - evangelisches-johannesstift.de · Ibraim und Khalif trafen sich auf dem Oranienplatz. Hier lebten sie wieder auf der Straße, aber die Unterstützung durch

wie er einen Angreifer abblocken würde. Gebraucht haben die Jungs ihre Abwehrstrategie aber noch nie: Hier in der Umgebung sind Wildschweine die größte Gefahr.

Die grundlegenden Dinge ihres Lebens dürfen die Jungs selber bestimmen: Wo sie zur Schule gehen wollen, was sie mit ihrem Taschengeld und ihrer Freizeit anfangen. Julians letzte Anschaffung von seinem Taschengeld war ein Fernse-her. „Da habe ich nur bei der Größe ein Veto eingelegt“, sagt Susanne Spinger. Sie lacht. Julian stimmt in ihr Lachen mit ein. Dem aufgeweckten Jungen sind andere Dinge wichtiger. Zum Beispiel, dass er weiter auf die Schule gehen darf, in die er seit der ersten Klasse geht, obwohl er dafür täglich mehr als zwei Stunden pendeln muss. Oder dass er seine Freunde sehen darf, wenn ihm Zeit neben dem Lernen bleibt.

Friedrich ist Schlafen wichtig. Der 17-Jährige schläft ger-ne – so wie andere gerne fernsehen: „Weil es entspannend ist.“ Zur Zeit macht er seine Berufsbildungsreife, später will er Koch werden. Jetzt freut sich Friedrich aber erst einmal auf die Ferien. Da fahren die Jungs wie jedes Jahr gemeinsam mit anderen Jugendlichen drei Wochen Zelten. Davor ist aber noch Friedrichs Abschlussball. Ein Date hat er bereits, ein Anzug fehlt noch. Blau soll er sein, blau und schlicht, das ist ihm wichtig. „Das schaffen wir schon“, sagt Susanne Spinger. Friedrich lächelt.

Partizipation bedeutet für uns, Kinder und Jugendliche an den sie betreffenden Entscheidungen zu beteiligen. Indem sie die Erfahrung machen, dass sie ihre Lebens-situation aktiv beeinflussen können und von anderen Menschen in ihren Belangen ernst genommen werden, entwickeln sie wesentliche Kompetenzen hinsichtlich ihrer eigenen Rechte und deren Umsetzung.

Mithilfe verschiedener Informationsmaterialien und Veranstaltungen werden die Kinder über ihre Rechte so-wie Möglichkeiten aufgeklärt und ermutigt, sich einzu-bringen und mitzuentscheiden.

• AnregelmäßigstattfindendenGruppenabendenfindetein Austausch und eine Auseinandersetzung über den gemeinsamen Alltag statt.

• ZusammenmitdenKindernwurdeeinBeschwerdever-fahrenentwickeltundeinBegrüßungsflyerentworfen.

• BeimjährlichstattfindendenPartizipationstagkommenalle Kinder aus den Wohngruppen zusammen und stel-len sich gemeinsam verschiedenen Herausforderungen.

• DieMitarbeitendenwerdendurchFortbildungenfürdasThema sensibilisiert, und ihnen wird Hilfestellung für die Umsetzung im pädagogischen Alltag gegeben.

Julian und Friedrich* sitzen ratlos an dem langen, alten Holztisch im großen Esszimmer und blicken gedankenver-loren zum Fenster. „Partizipation”, denkt Julian laut. „Ja, was ist das? Vielleicht etwas mit anderen unternehmen, ins Kino gehen oder Minigolf spielen zum Beispiel?” Dies waren Unternehmungen bei den monatlichen „Partitreffs“ (Parti-zipationstreffen). Auch Friedrich, der neben ihm am langen Esstisch sitzt, zuckt mit den Schultern: „Vielleicht Gruppen-arbeit? Viel mit anderen zu machen?” Julian und Friedrich, beide 17, wohnen mit Julians jüngerem Bruder und der Sozialarbeiterin Susanne Spinger in einem geräumigen alten

Haus am Spandauer Forst. Hier draußen im Grünen erwartet man keine Wohn-

gruppe. Dabei ist das helle Haus mit seinen neun Zimmern und dem großen Garten der schönste Ort für Kinder und Jugendliche, die aus verschiedenen Gründen nicht bei ihren Eltern leben können.

Julian und Friedrich finden das Haus besser als die Mietwohnung, in der sie davor gewohnt haben, nehmen es aber mit Selbstverständlichkeit. Ansonsten war im Leben der beiden nur wenig selbstverständlich: Julian und sein

Bruder leben seit acht Jahren in der Gruppe, Friedrich seit fünf Jahren. Friedrichs Schwester lebt in einer anderen Einrichtung, an den Wochenenden sieht Friedrich sie. Jedes zweite Wochenende sind die beiden Zuhause bei ihrer Mut-ter. „Zuhause bei Mama” und „Zuhause“ nennen die beiden Jungs ihre zwei Familien. Denn zu einer Familie ist die Wohngemeinschaft auch geworden. Hier geht es zu wie in jeder anderen Familie: Meinungsverschiedenheiten werden diskutiert und Entscheidungen nach Mehrheiten gefällt.

Mit Kindern zusammenleben, sie ins Leben begleiten und dann verabschieden – das macht Susanne Spinger aus Überzeugung. Sie identifiziert sich mit den Jungs, mit denen sie zusammenlebt, sie fiebert mit ihnen, zeigt ihnen Mög-lichkeiten und setzt ihnen Grenzen. Das wissen die Kinder, die sie bereits begleitet hat, zu schätzen. Sie melden sich als Erwachsene noch bei ihr: „Wenn sie Probleme haben, aber auch zum Geburtstag.“

Einmal in der Woche muss jeder in der Wohngemein-schaft für die anderen kochen, bei gutem Wetter müssen die Jungendlichen ab und an im Garten anpacken. Sonst müssen sie nichts. Alle Aktivitäten der Jungs – wie der Selbstverteidi-gungskurs im Johannesstift – waren Angebote für sie. In den Kurs wollten beide gerne gehen. Julian demonstriert stolz,

Angebote für Kinder, Jugendliche und ihre FamilienWir beraten und betreuen Kinder, Jugendliche und ihre Familien in allen Lebenslagen. Wir zeigen ihnen neue Wege und befähigen sie, Stärken zu entwickeln und Chancen zu nutzen. Unsere Angebote umfassen Wohn-gruppen, ambulante Gruppen, Berufsförderung und -ausbildung, therapeutische Hilfen und Jugendsuchthilfe. AußerdemfördernundstärkenwirKinderimRahmender Kindertagesbetreuung – in Krippe, Kindergarten, Hort sowie in ergänzender Betreuung und Ganztagsbetreuung.

Informationen unterTel. 030 · 336 09 - 131 | www.jugendhilfe-johannesstift.de

„Zu einer Familie ist die Wohngemeinschaft auch geworden.“

Im Leben der Beiden war nur wenig selbstverständlich.

* Namen geändert

17 • Jugendhilfe • 16

Page 10: „Meine Würde tanzt.“ - evangelisches-johannesstift.de · Ibraim und Khalif trafen sich auf dem Oranienplatz. Hier lebten sie wieder auf der Straße, aber die Unterstützung durch

Der Film „Amanda“ erzählt die Geschichte einer Tänzerin, die durch eine Erkrankung die Fähigkeit verliert, ihre Gefühle zu zeigen, und diese Fähigkeit dann ganz neu wiedergewinnt. Die Geschichte basiert auf einer anonymen Erzählung, die einen Blick in das hoch ambivalente Innenleben der Protago-nistin mit erworbener Beeinträchtigung eröffnet.

Die filmische Übersetzung erfolgte im Filmstudio der Ma-cherei. Die Darsteller/-innen der qualitativ hochwertigen No- bzw. Low-Budget-Produktion sind Laiendarsteller/-innen aus dem Kreis der Macherei. Die Filmmusik wurde ebenfalls hier komponiert. Nach dem auf dem contravision-Kurzfilmfestival

nominierten Schattenspiel-Kurzfilm „Fliegende Fische sollen keinen Alkohol trinken“ ist „Amanda“ die zweite Filmproduk-tion der Macherei.

Die Macherei ist ein Beschäftigungs- und Bildungsange-bot der Behindertenhilfe. Das Angebot ist speziell für Men-schen mit Behinderungen geeignet, die nicht in Fördergrup-pen, Werkstätten oder auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sind oder tätig sein können.

Sie können den Film im Internet sehen:www.youtube.com/watch?v=CeoX8OaYtxs

Angebote für Menschen mit BehinderungWir unterstützen Menschen mit geistigen, körper-lichen und/oder Mehrfachbehinderungen dort, wo sie Assistenz zur Entfaltung ihrer Persönlichkeit und zur Teilhabe an der Gesellschaft benötigen und wün-schen. Für unsere Klienten sind wir da in Einrichtun-gen des stationären und ambulanten Wohnens sowie mit Bildungs- und Beschäftigungsangeboten. In einem Integrationsunternehmen schaffen wir sozial-versicherungspflichtige Arbeitsplätze für Menschen mit Behinderungen.

Informationen unter:Tel. 030 · 336 09 - 438www.behindertenhilfe-johannesstift.de

• Behindertenhilfe • 19 18

„Ganz neu Gefühle zeigen“

Page 11: „Meine Würde tanzt.“ - evangelisches-johannesstift.de · Ibraim und Khalif trafen sich auf dem Oranienplatz. Hier lebten sie wieder auf der Straße, aber die Unterstützung durch

• Behindertenhilfe •

Die Kolleginnen und Kollegen der Behindertenhilfe freuen sich, wenn sie einen Menschen mit Behinderung so weit in seiner Entwicklung fördern, dass er auf ihre Hilfe nicht mehr angewiesen ist. Tanja Riedel zum Beispiel lebt jetzt ohne Assistenz. Und nun freuen sie sich umso mehr, dass diese ehemalige Klientin ihre Freizeit weiterhin im Johannesstift verbringt.

Jeden Dienstag trifft sich Tanja Riedel mit ihren Freunden von den Schwanter Kickers im Evangelischen Johannes-stift, um für die Wettkampfspiele an den Wochenenden zu trainieren. In der zurückliegenden Saison ging es um den Klassenerhalt in der Scandic-ID-Landesliga. Der liegt der begeisterten Fußballerin sehr am Herzen, denn die Mann-schaft gehört eigentlich zu den Favoriten der Klasse. Sollte es zum Abstieg in die Bezirksliga kommen, könnte das die Mannschaft stark demotivieren. „Dann hätten wir keine gleichstarken Gegner mehr“, sagt sie.

Sechs Jahre wurde Tanja Riedel vom Ambulanten Betreuungsdienst SchwanterWeg der Behindertenhilfe des Evangelischen Johannesstifts betreut. In dieser Zeit lernte sie den Sportverein Inklusiv Johannesstift e. V. und dessen Fußballmannschaft kennen. Seit Januar 2015 verzichtet sie auf die ambulante Hilfe. Möglich gemacht hat das ihr fester Wunsch nach Unabhängig-keit, die gute Vorbereitung durch die Betreuerinnen vom SchwanterWeg und die Unter-stützung ihrer Mutter.

Bevor Tanja Riedel nach Berlin kam, lebte sie in Brie-selang. Nachdem sie sich dort von Ihrem Partner getrennt hatte, wohnte sie vorübergehend bei ihrer Mutter, ent-schloss sich aber schon bald, nach Berlin zu ziehen, um dort möglichst selbstständig zu leben. Sie bezog gleich eine eigene Wohnung und wandte sich an den SchwanterWeg – unter anderem weil es ihr wichtig war, von einer christlichen Einrichtung betreut zu werden.

Auch um eine neue Arbeit kümmerte sie sich gleich. Vorher hatte Sie bei einem Maschinenbauer Bohrer ver-packt. Diese körperlich schwere und durch die ständige Be-rührung mit Öl hautschädigende Tätigkeit wollte sie nicht mehr ausüben. Deshalb stieg sie probehalber in ein Prakti-kum im Küchenservice der Spandauer Mosaik-Behinder-tenwerkstätten ein und wurde gleich danach übernommen. Täglich sieben Stunden wäscht und trocknet sie dort ab, deckt Tische ein und bedient Leute. Wie überall im Leben, kommt ihr auch am Arbeitsplatz ihre große Stärke zugute: „Ich bin jemand, der auf Menschen zugeht.“

Demnächst beantragt sie die Rente, die Menschen mit Be-hinderungen nach zwanzigjähriger Werkstattarbeit zusteht. Das heißt aber nicht, dass sie sich dann zur Ruhe setzt. Tan-ja Riedel: „Warum soll ich jetzt schon aufhören zu arbeiten. Das wäre Unsinn, nach drei Wochen würde mir die Decke auf den Kopf fallen.“

Bei Mosaik lernte Sie auch ihren neuen Partner ken-nen, der gleich bei ihr um die Ecke wohnt. Die Wochen-enden verbringen sie abwechselnd in seiner oder ihrer Wohnung, ansonsten sehen Sie sich täglich bei der Arbeit. Eine gemeinsame Wohnung wollen sie vorerst nicht bezie-hen, um sich einen gewissen Teil ihrer Unabhängigkeit zu bewahren.

Jeden Donnerstag spielt Tanja Riedel in einer Theater-Gruppe. Auch das schon seit einigen Jahren. Die einstudier-ten Stücke führt sie regelmäßig im Spandauer Theater- und Familienrestaurant Charlottchen auf. Anfang 2015 spielte die Gruppe eine Theaterfassung der Erzählung „Der kleine Prinz“ von Antoine de Saint-Exupéry – und zwar mit so großem Erfolg, dass mehrere Zusatzaufführungen folgten. Als Nächstes steht Shakespeares „Sommernachtstraum“ auf dem Programm.

Ansonsten liest sie viel, vor allem über andere Länder und Kulturen und über Geschichte. Ihre Lieblings-region ist Afrika. Dorthin fahren möchte sie aber nicht unbedingt, denn die Hitze

würde sie nicht gut vertragen.Obwohl Tanja Riedel selbstständig lebt und die ambu-

lante Betreuung nicht mehr braucht, bleibt sie dem Johan-nesstift treu – nicht nur durch den Fußballsport, bei dem sie jede Woche alte Freunde und Mitarbeiterinnen des Ambu-lanten Betreuungsdienstes trifft.

Sie besucht die großen Veranstaltungen auf dem Stiftsge-lände, zum Beispiel das Erntedankfest und den Weihnachts-markt. Dort geht sie auch zu den Gottesdiensten, denn die Kirchengemeinde im Johannesstift betrachtet sie als ihre Gemeinde. Und beim jährlichen Run of Spirit des Evangeli-schen Johannesstifts läuft sie immer die 5-Kilometer-Strecke mit. Auf die Frage, ob sie dafür trainiere, lacht sie: „Ich bin eh immer auf den Beinen, und außerdem spiele ich Fußball. Das reicht.“

Mit dem Fußball geht es in der neuen Saison wie ge-wohnt weiter. Die Mannschaft steigt nicht ab, so dass Tanja Riedel mit ihrem Team auch in den nächsten Monaten wieder gegen ebenbürtige Gegner antreten kann.

„Ich bin jemand, der auf Menschen zugeht.“

Die Kirchengemeinde im Johannesstift betrachtet sie als ihre Gemeinde.

21 20

Page 12: „Meine Würde tanzt.“ - evangelisches-johannesstift.de · Ibraim und Khalif trafen sich auf dem Oranienplatz. Hier lebten sie wieder auf der Straße, aber die Unterstützung durch

Angebote des Diakonischen BildungszentrumsDas Diakonische Bildungszentrum bildet an seinen berufsbildenden Schulen und dem Wichern-Kolleg Fachkräfte für den sozial-/pflegerischen und den dia-konischen Bereich aus. Die Mitarbeitenden des Diako-nischen Bildungszentrums begleiten darüber hinaus

• MitarbeitendeimBereichderFort-undWeiterbildung

• EhrenamtlicheundTeilnehmerInnenimFreiwilligen-dienst

• BürgerinnenundBürgerbeiderEntwicklungdesGemeinwesens in Berlin-Spandau.

Das Diakonische Bildungszentrum entwickelt das DiakonischeProfilimEvangelischenJohannesstiftweiter, setzt sich für attraktive und moderne Angebo-te in der evangelischen Erwachsenenbildung und für die Unterstützung zivilgesellschaftlichen und bürger-schaftlichen Engagements ein.

Informationen unter: Tel. 030 · 336 09 - 9942

www.bildungszentrum-johannesstift.de www.facebook.com/wichernkolleg www.facebook.com/SozialeFachschulen

• Diakonisches Bildungszentrum • 22 23

Ich kenne das Grundgesetz und stimme ihm von ganzem Herzen zu: Auch für mich ist die Würde des Menschen unantastbar. Dank meiner Ausbildung zum Dia kon kann ich diese Würde daraus ableiten, dass jeder Mensch von Gott gewollt und von ihm als sein Ebenbild erschaffen ist.(Ralf Hornung Petit, Studierender am Wichern-Kolleg , Hauptstudium)

Unsere Studierenden-WG im Lutherhaus bedeutet für mich, meine Mitbewohnerinnen und Nachbarn tagtäglich neu wahrzunehmen, miteinander Alltag und Besonderes zu erleben, aufeinander zuzugehen, aber auch achtsam und respektvoll mit den eigenen Grenzen und denen meiner Mitmenschen umzugehen.(Maimouna Guirassy, Studierende am Wichern-Kolleg , Fachausbildung an der Evangelischen Hochschule Berlin)

Meine Tätigkeit als Bundesfreiwilligendienstleistender im Haus der Schwestern und Brüder ist sehr vielfältig. Ich habe den Eindruck, dass viele Leute aus allen Häu-sern des Johannesstifts gerne hierher kommen. Sei es auf ein Käffchen zum Plaudern, zum Mittagessen oder um sich mal was von der Seele zu reden.(Tobias Böker, Bundesfreiwilligendienstleistender, Haus der Schwestern und Brüder)

„Jeder Mensch ist von Gott gewollt.“

Page 13: „Meine Würde tanzt.“ - evangelisches-johannesstift.de · Ibraim und Khalif trafen sich auf dem Oranienplatz. Hier lebten sie wieder auf der Straße, aber die Unterstützung durch

• Arbeit und Beschäftigung • Die Wille •24 25

Die Wille gGmbHMit Angeboten in Bildung, Beratung und Arbeitsför-derung begleiten wir Menschen auf ihrem Weg in die Erwerbsarbeit. Dabei stützen wir uns auf langjährige Projektarbeit in Berlin und Brandenburg – zum Beispiel unser Netzwerk für Arbeitssuchende und Arbeitgeber, Up cycling-Projekte und Repair-Cafés.

Informationen unterTel. 030 · 264 762 - 0 | www.die wille.de www.facebook.com/pages/Die-Wille-gGmbH

Neugierig und erwartungsfreudig betritt Marcel Jeske (30) den Werkstattraum des „Repair Cafés“ in der Weddinger Müllerstraße. An langen Tischen im Hofgebäude des Paul Gerhardt Stifts wird munter gefachsimpelt, geschraubt, genäht und gelacht.

Das Repair Café der „Die Wille" gibt es einmal im Monat in dieser Werkstatt und einmal im Berliner Lettekiez mit einem Angebot, das bestens angenommen wird: Menschen, die Hilfe bei einer Reparatur brauchen, treffen hier auf Eh-renamtliche, die sich mit der Fehlersuche in mechanischen und elektrischen Geräten sowie an Computern oder mit dem Ausbessern und Ändern von Textilien auskennen, und gemeinsam wird defekten Dingen ein zweites Leben einge-haucht. Die Idee ist nicht neu, aber sie ist sinnvoll und zeit-gemäß und sie passt zur christlichen Lebenssicht, sorgsam mit allem Anvertrauten umzugehen. Nicht nur wegen des kleinen Portmonees vieler Menschen ist es schlecht, kaputte Dinge gleich zu entsorgen. Knapper werdende Rohstoff-

und Energieressourcen erfordern ein Umdenken und das Ende der Wegwerf-Mentalität. Schon aus Achtung vor der menschlichen Arbeit in jedem Gerät oder jedem Kleidungs-stück sollte man sich um dessen Reparatur bemühen.

Inzwischen hat eine Mitarbeiterin, die von Anfang an das Repair Café organisiert, den Neuankömmling ausge-macht, begrüßt ihn freundlich und fragt, wie sie ihm helfen kann. Marcel Jeske erklärt, dass er bei der Suche nach einem sinnvollen Ehrenamt auf dieses Projekt gestoßen sei. Er kann Computer und Drucker reparieren. Er erzählt, dass er in einer Werkstatt für Menschen mit Behin der ungen in Berlin-Pankow arbeitet, die Elektrogeräte demontiert und nach Wertstoffarten sortiert. Die Unmengen anfallender Bauteile und manchmal nur winzige Schäden brachten ihn auf die Reparaturidee. Er begann, in seiner Freizeit unent-geltlich Computer und Zusatzgeräte in Stand zu setzen. Das Reparieren machte ihm Spaß, und noch mehr freute er sich über die Menschen, denen er helfen konnte. Weil er

ausgemusterte Geräte geschenkt bekommt, hat er sich einen persönlichen Recycling-Kreis geschaffen: Nichts wird weg-geworfen. Fast alles ist mit Köpfchen, Hand und gebrauch-ten Teilen wieder flott zu machen.

Genau diese Idee verfolgt auch das Repair Café. Der neue Ehrenamtler wird mit offenen Armen empfangen und gibt Anleitung bei der Reparatur. In der Praxis sei es aber oft so, dass derjenige, der zum Beispiel ein defektes Fahrrad, einen kaputten Toaster oder eine Kaffeemaschine vorbei-bringe, tatsächlich nur zusehe.

Das ist Marcel Jeske recht. Schon nach wenige Minuten bringt ein Weddinger einen Drucker, und er macht sich wie selbstverständlich als einer von zehn ehrenamtlichen Helfern an die Arbeit. Auf dem Hof werden derweil Fahr-räder repariert. Hier gibt es immer Andrang, und Wolfgang Rembow, der von Anfang an als Helfer aus Pankow hierher kommt, weiß eine Lösung für jedes Zweiradproblem. Für sein großes Engagement und die Idee eines Mobilen Repair Cafés

erhielt er 2014 den Ehrenamtspreis der Bayer Cares Found-ation. Von den Preisgeldern wurde ein Lastenrad gebaut, das Werkzeuge und Arbeitsmittel transportieren kann. Damit bietet „Die Wille“ jetzt in Schulen oder Mehrgenerati-onenhäusern ihre Reparatur-Selbsthilfe an. Die Idee hat großen Erfolg, weil sie den Geldbeutel schont und Menschen aus verschiedenen Lebenssituationen zusammenbringt.

In sozialen Netzwerken wie Facebook stehen die nächs-ten Termine. „Ich denke, hier kann ich viel lernen“, sagt Marcel Jeske. Derweil strahlt der Weddinger Junge Teskin, weil er auf seinem reparierten Kassettenrecorder endlich wieder „Bob, der Baumeister“ hören kann.

www.evangelisches-johannesstift.de/die-wille/repair-cafe

„Die Idee schont den Geldbeutel und bringt Menschen zusammen.“

Für sein großes Engagement erhielt er 2014 den Ehrenamtspreis.

Page 14: „Meine Würde tanzt.“ - evangelisches-johannesstift.de · Ibraim und Khalif trafen sich auf dem Oranienplatz. Hier lebten sie wieder auf der Straße, aber die Unterstützung durch

• Arbeit und Beschäftigung • PersonaGrata •

Die Wille hat sich unter anderem zur Aufgabe gemacht, Hilfestellung bei der Arbeitssuche zu geben. Die Arbeitsver-mittlerin, Frau Ludwig, ist hierbei die erste Ansprechpart-nerin: Sie führt Bewerbungsgespräche, macht Coachings und vermittelt an potenzielle Arbeitgeber. So zum Beispiel an „PersonaGrata“: Die 2006 gegründete Zeitarbeitsfirma beschäftigt professionell ausgebildete Leasingkräfte v. a. in der Pflege und verhilft ihnen dadurch nicht selten zu einer vertraglichen Übernahme durch einen ihrer Kunden. Seit 2013 arbeiten „Die Wille“ und „PersonaGrata“ zusammen in dem Bemühen, Menschen mit so genannten Vermittlungs-hemmnissen wieder Perspektiven zu schaffen.

Im Fall von Helen Ziyaei Moghadam erfolgreich: Nach mehreren Bewerbungs- und Coachingtreffen sowie einem Testpraktikum konnte ihr Frau Ludwig eine Stelle bei „PersonaGrata“ anbieten: als Leasingkraft in Pflegeeinrich-tungen in Spandau, Charlottenburg und im Wedding. Mit

ständig wechselnden Einsätzen, aber ohne Nachtschichten.„Die Zeit bei PersonaGrata war sehr gut“, erzählt Helen

Ziyaei Moghadam. „Ich konnte Arbeit und Familie bestens vereinbaren.“ Sie ist sehr froh, nun eine feste Stelle zu haben und Termine besser planen zu können, als während der Zeitarbeit. Noch ist ihr Vertrag befristet. Doch in einem Jahr, so hofft sie, könnte daraus ein unbefristeter Vertrag werden. „Als ich Frau Ludwig kennengelernt habe, war ich müde. Jetzt weiß ich: Man soll nie denken, die Tür ist zu. Alles ist in Bewegung. Die Türen gehen manchmal nur langsam auf. Aber man muss daran glauben.“

Helen Ziyaei Moghadam geht strahlend auf ihre Kolle-gin am anderen Ende des Ganges zu. Die beiden Frauen umarmen sich herzlich. Es ist kurz vor 13 Uhr, in wenigen Minuten beginnt Frau Moghadams Spätschicht hier im Ger-iatriezentrum im Wedding. Die 45-jährige Pflegehilfskraft ist nach zwei Jahren Zeitarbeit für „PersonaGrata“ gerade als feste Kraft übernommen worden und wird nicht müde, ihre Dankbarkeit dafür zu betonen: Es ist ihre erste sozial-versicherungspflichtige Beschäftigung in Deutschland. Als die Iranerin vor drei Jahren bei Ebay eine Ausschreibung der „Die Wille“ las, hatte sie die Hoffnung auf einen Arbeitsplatz fast schon aufgegeben.

Neun Jahre lang hatte die im Iran politisch verfolgte Christin nach ihrem Asylantrag in Deutschland den so ge-nannten Duldungsstatus und damit keine Arbeitserlaubnis. Neun Jahre, in denen ihr nichts übrig blieb, als abzuwarten. 2007 dann wurde über ihren Asylantrag entschieden. Neben

einer unbefristeten Aufenthaltsgenehmigung bekam Helen Ziyaei Moghadam die lang ersehnte Arbeitserlaubnis. Die meisten Langzeitarbeitslosen haben Probleme, sich wieder in die festen Strukturen des Arbeitsmarktes einzufügen. Nicht so Helen Ziayei Moghadam: „Ich hatte ja so lange gewartet. Ich war nur glücklich, dass ich endlich etwas machen durfte.“

Zunächst nahm sie an einem Integrations- und Deutsch-kurs teil. Dann absolvierte sie eine Weiterbildung zur Pfle-geassistentin und schrieb täglich Bewerbungen. Doch sie hatte ein großes Problem: In beinahe jeder ausgeschriebe-nen Stelle wurde Einsatz rund um die Uhr gefordert, Helen Moghadam aber war eine alleinerziehende Mutter, ihr Sohn zu dieser Zeit gerade einmal zwei Jahre alt. Schichtarbeit kam nicht in Frage. In einer Pflegeeinrichtung jedoch eine Stelle ohne Nachtschichten zu finden, schien aussichtslos. Bis Frau Moghadam auf „Die Wille“ stieß und dort auf Frau Ludwig traf.

PersonaGrata istdiePersonalentwicklungsfirmades Evangelischen Johannesstifts. Sie bietet Zeitarbeit vor allem in der Pflege sowie in Küche und Hauswirtschaft. Ob Vollzeit oder Nebenerwerb, ob Zweitjob oder Zuverdienst zur Rente, PersonaGrata findetpassendeStellenangebote.Der(Wieder-)Einstieg über Zeitarbeit bietet Interessierten die Chance, Tätigkeiten im Sozialbereich kennenzulernen. Alle Mitarbeitenden, vom Berufsanfänger bis zum Wiedereinsteiger (z. B. nach einer Ausbildung, Arbeitslosigkeit oder längerer Familienphase), werden intensiv begleitet. Das Ziel ist dabei in der Regel eine dauerhafte berufliche Perspektive.

Informationen unter:Tel. 030 · 336 09 - 357www.evangelisches-johannesstift.de/personagrata

„Man soll nie denken, die Tür ist zu. Alles ist in Bewegung.“

Seit 2013 arbeiten „Die Wille“ und „PersonaGrata“ zusammen in dem Bemühen, Menschen Perspektiven zu schaffen.

27 26

Page 15: „Meine Würde tanzt.“ - evangelisches-johannesstift.de · Ibraim und Khalif trafen sich auf dem Oranienplatz. Hier lebten sie wieder auf der Straße, aber die Unterstützung durch

• Evangelisches Johannesstift Service GmbH •

Es finden sich Mitarbeitende mit Handicap, die schon seit zwanzig Jahren die tägliche Arbeit mit Engagement und Freude versehen, ein ehemaliger Auszubildender, der als Seilkletterer die Baumpflege übernimmt, eine Mutter von vier Kindern, die gleichzeitig noch Familie und Haushalt organi-siert, ein Auszubildender, der mit tatkräftiger Unterstützung des Immobilienmanagements vor drohender Wohnungslosig-keit bewahrt wurde. Unkomplizierte Hilfe ohne große Worte.

Und nicht zu vergessen: der immer freundliche und kaum wahrzunehmende Mitarbeiter, der sich um die Sau-berkeit auf dem Gelände bemüht. Neben der Pflege der 31 Müllplätze und dem Blick für die Müllsortierung sorgt er auch dafür, dass oftmals unachtsam entsorgter Kleinstmüll rasch wieder verschwindet.

Auch nach Feierabend geht es für manch einen mit dem Rad auf dem Stiftsgelände weiter. Der Blick schweift dann im Sinne einer Inspektion über die Parklandschaft, und

Auffälligkeiten am Gelände werden am nächsten Tag gleich beseitigt.

Ein Besuch lohnt sich. Schauen Sie doch bei Ihrem nächsten Weg über das Stiftsgelände einmal ganz bewusst auf die Natur und suchen nach den fleißigen grünen Hel-fern. Vielleicht dort, wo es ein wenig lauter ist, der Rasen-mäher knattert, die Baum-sägen lär-men oder die Kehrmaschine brummt. Genießen Sie zu jeder Jahreszeit mit allen Sinnen die Schönheit des gepflegten Geländes. Alle Mitarbeitenden der Parkgärtnerei leisten mit der Pflege des Geländes auch immer ein kleines Stück Betreuung und Pflege der vielen Menschen, die hier Zuhause sind, denn der „Wohlfühlfaktor“ ist Handwerk.

Sind Sie schon einmal von Besucherinnen oder Besuchern auf die wunderschöne parkähnliche Landschaft des Evange- lischen Johannesstifts in der Schönwalder Allee angespro-chen worden? Mit Betreten des Geländes über den Haupt-eingang gelangen Sie auf die historische Platanenallee mit dem Blick auf das Zentrum, die über einhundertjährige Stiftskirche, rechts und links von denkmalgeschützten Klin-kerbauten umrahmt, die sich bis weit hinter die Stiftskirche ziehen, von kleineren und größeren Parks und unzähligen gepflegten Grünflächen umrahmt.

Auf 75 Hektar Fläche bewegen sich täglich jüngere und ältere Menschen mit und ohne Behinderung, die auf diesem Gelände leben, unzählige Mitarbeitende, die betreuende und pflegerische Aufgaben übernehmen, Schülerinnen und Schüler, die vielfältige Ausbildungen genießen. Insbesonde-re morgens und am frühen Abend kommt vergleichsweise viel Trubel auf.

Und mitten in diesem Trubel bahnen sich die Mitarbeiterin-nen und Mitarbeiter der Parkgärtnerei ihren Weg. Uner-müdlich sind sie zu jeder Jahreszeit täglich auf dem Gelände unterwegs und pflegen die zahlreichen Rasenflächen, die über 3000 Bäume, die vielen Hecken und Sträucher. Sie sorgen für die Sauberkeit auf den kilometerlangen Wegen und Straßen und pflegen die kleinen Waldflächen. Im Win-ter beginnen bei Schneefall die Aufgaben in der Nacht um zwei Uhr, um Eingänge, Wege und Straßen zu Tagesbeginn freigeräumt zu haben. Ohne sie gäbe es dieses lebens- und liebenswerte Fleckchen Berlins wohl so nicht.

Die Mitarbeitenden sind Gartenbautechniker, Gärt-nermeister und Gärtner mit langjähriger Erfahrung im Gartenbau und bieten vielen Jugendlichen eine engagierte, intensive und wertvolle Ausbildung oder auch einen Prakti-kumsplatz im Gartenbauhandwerk mit dem Wissen, dass im Gartenbau der Nachwuchs immer spärlicher wird.

Die Evangelisches Johannesstift Service GmbH bietet professionelle Verwaltungs-, Versorgungs- und Immobiliendienstleistungen für den Unternehmens-verbund des Evangelischen Johannesstifts und für externe Auftraggeber. Ziel der Gesellschaft ist es, den Kunden mehr Zeit für das Wesentliche zu ermögli-chen, damit diese sich auf ihre Kernaufgaben konzen-trieren können. Die Angebote umfassen Leistungen in den Fachgebieten: Personal-, Finanz- und Rechnungs-wesen, Informationstechnologie, Immobilienmana-gement, Haustechnik, Ausbau, Garten- und Land-schaftsbau, Friedhofspflege, Gastronomie & Catering sowie Reinigung.

Informationen unter:Tel. 030 · 336 09 - 6000www.evangelisches-johannesstift.de/service

„Der grüne Mehrwert“

Mitten in diesem Trubel bahnen sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Parkgärtnerei ihren Weg.

29 28

Page 16: „Meine Würde tanzt.“ - evangelisches-johannesstift.de · Ibraim und Khalif trafen sich auf dem Oranienplatz. Hier lebten sie wieder auf der Straße, aber die Unterstützung durch

Wie gestaltet sich der Kontakt zwischen Ihnen und dem Johannesstift heute?Die Mitarbeiterin und ich sind in persönlichem Kontakt. Wir telefonieren regelmäßig, und sie besucht mich zum Geburtstag. Ich weiß, dass ich mich jederzeit melden kann, sollte ich Hilfe benötigen. In meiner Handtasche trage ich stets ein Kärtchen des Freundeskreises bei mir, damit man in einer Notsituation dort anrufen kann. Auch in meiner Wohnung liegt diese Karte. Sollte mir etwas zustoßen, wird das Johannesstift umgehend verständigt und kümmert sich um das Notwendige. Das ist mir eine große Beruhigung. Das Evangelische Johannesstift sorgt mit seinen Einladun-gen zu Vorträgen und zu Feiern wie Erntedankfest und Weihnachten dafür, dass ich mich in der großen Familie des Freundeskreises immer willkommen fühle.

Sie sprechen ganz offen über Ihre Entscheidung. Was ist Ihnen dabei wichtig? Was können Sie raten?Mein Rat an alle, die dies lesen: Schieben Sie Ihr Testament nicht auf die lange Bank. Es gibt Sicherheit und beruhigt, wenn alles so geregelt ist, wie man es möchte.

Menschen wie Frau T. tun über ihren Tod hinaus Gutes für andere, die unsere Hilfe und Unterstützung brauchen. Dafür möchte sich das Evangelische Johannesstift bereits zu Lebzeiten als dankbarer Erbe erweisen und pflegt Kontakt zu den Testamentsgebern, wenn gewünscht. Im Todesfall regelt das Johannesstift als Schluss-Erbe alles Organisatorische. Der letzte Wille wird so erfüllt, wie er festgelegt wurde.

Stiftungsfundraising Spenderinnen und Spender, Erblasserinnen und Erblasser, Stifterinnen und Stifter, Förderer und Ehrenamtliche un-terstützen das Evangelische Johannesstift in den diako-nischen Aufgaben. Durch diesen Freundeskreis können jenseitsderEntgeltfinanzierungzahlreicheVorhabeninder Begleitung von Menschen realisiert werden.

Informationen unterTel. 030 · 336 09 - 325 | www.johannesstift-spenden.de

Das ist eine wertvolle und sehr persönliche Hilfe: Immer wiederentschließensichMenschen,dasEvangelischeJohannesstift in ihrem Testament zu bedenken. Auch Frau T. ist Testamentsgeberin und schildert im Interview, was dies für sie bedeutet.

Frau T., was hat Sie dazu bewogen, ein Testament zu schreiben?Ich bin allein stehend, und mir ist es wichtig, dass meine Dinge geregelt sind. Ich habe mir Gedanken gemacht, wer einmal mein Erbe werden soll und sich um alles kümmert. Mir ist es wichtig, bis zum Schluss und über das eigene Leben hinaus, dass meine Wünsche leitend sind für die, die mein Vermächtnis antreten. Ich möchte mit meinem Vermögen etwas Gutes tun und habe deshalb eine Einrich-tung gesucht, der ich vertrauen kann und die meinen letzten Willen so erfüllt, wie ich es mir wünsche. Dabei ist die Begegnung auf Augenhöhe wichtig. Das hat ganz viel mit Beziehung, Vertrauen und Ernstnehmen zu tun.

Warum haben Sie sich entschieden, das Evangelische Johannes-stift im Testament zu bedenken?Eine Bekannte erzählte mir, dass sie das Evangelische Jo-hannesstift im Testament als Erben eingesetzt hat. Sie nahm mich mit zu einer Veranstaltung für Spender im Johannes-stift. Die soziale Arbeit, die dort geleistet wird, überzeugte mich. Ich fühle mich hier mit meinen Ideen und Wünschen gut aufgehoben und angenommen.

Welche Informationen haben Ihnen dabei geholfen?In der Broschüre „Erben und vererben“ und in dem persönli-chen Ratgeber „Gut zu wissen“ sind die Themen gut erläutert. Dann hatte ich ein Beratungsgespräch mit einer Mitarbeiterin der Freundeskreisbetreuung, die meine Fragen und Anliegen mit mir durchsprach. Wir füllten den Bogen „Anweisungen für den Fall meines Todes“ aus. Besonders gut finde ich, dass die Mitarbeiter der Freundeskreisbetreuung sich persönlich um Organisatorisches rund um Beerdigung und Wohnungs-auflösung kümmern. Mir ist wichtig, dass das Private geachtet wird und mit meinem Eigentum nach meinem Tode würdig, respektvoll und pfleglich umgegangen wird.

„Es gibt Sicherheit und beruhigt, wenn alles so geregelt ist, wie man es möchte.“

• Stiftungsfundraising • 30 31

Page 17: „Meine Würde tanzt.“ - evangelisches-johannesstift.de · Ibraim und Khalif trafen sich auf dem Oranienplatz. Hier lebten sie wieder auf der Straße, aber die Unterstützung durch

Evangelisches Johannesstift SbRSchönwalder Allee 26 13587 Berlin Tel. 030 · 336 09 - 0 [email protected] www.evangelisches-johannesstift.de

Wenn Sie mehr erfahren möchten...