13
Sektion Physik/Elektroui k iler F,rnst-~liirita-~rndt-ullivenitiit Grrifsw;ild Anomales Verhalten des Siiulenplasmas von Edelgasen t laclungen im longi t uclinalen Magnetfelcl Von H. DEUTSCH und S. PFAU Es wurden systematische 1CIessungen der axialen elektrischen Feldstarke itn Plmna der positiven Saule stromschwacher Entladungen in den Edelgasen Helium, Neon, Argon und Krypton in Ab- hiingigkeit vom longitudinulen Magnetfeld durchgefuhrt. Uberraschenderweise zeigen die erhaltenen Ergebnisse, daU der Siiulengradient mit wachsendem Magnetfeld zunachst ansteigt, um erst nach dem Durchlnufen eines flnchen bIaximiims abzusinken. Dieses im Gegensntz zu den Ausstxgen der klnssischen Diffusionstheorie des Siiinlenpliism;is im Magnetfeld stehende Verhalten konnte in allen Edelgasen beobachtet werden. Die chtrrakteristischen Werte der magnetischen Induktion B,,,/po fiir dils Maximum hiingen nur scliwach von den Entladungspariimetern nb und betrngen fCir Helium 300 G/Torr, fur Neon 500 G/Torr, fiir Argon 1000 G/Torr und fCir Krypton etwi 1500 G/Torr. Als Ursuche fur das Auftreten des Maximums im Gradienten wircl die rildiale Andertmg der Energie- verteilung der Elektronen in Ablilngigkeit vom longitudinalen JIagnetfeld angesehen. 1. Einfuhriing Das stronierzeugte nichtisothertrie Plasiiia. der positiven Siiiile einer elektrischen Ent- ladung hat sich a19 ein selw wertvolles Untersuchungsobjekt zuiii Studiuni allgemein interessierender Fragen der Plasinaphysik erwiesen. Xcht zuletzt zeigte sirh das Plasma. der positiven Slule besonders geeignet, seine Verhaltensweisen unter den Bedingungen eines auBeren magnetischen Feldes zu studieren. Die ersten Untersuchungen des Saulenplasinas im longitudinalen Magnetfeld beschrank- ten sich dabei zunachst auf den Bereich schwacher niagnetischer Xelder von einigen Hundert GauB. Dieser Bereich ist durch die Abnahme der axialen elektrischen Feld- starke sowie der mittleren Energie der Elektronen mit wachsendem longitudinalem Magnetfeld gekennzeichnet. Die Ursache fur dieses Verhalten des Saulenplasmas liegt in der Verringerung des ambipolaren Diffusionsverlustes der Ladungstrager mit stei- gender magnetischer Induktion. Die theoretischen Berechnungen auf der Gundlage per um die Wirkung des longitudinalen Magnetfeldes erweiterten Diffusionstheorie des Saulenplasmas geben, wie umfangreiche Untersuchungen zeigten [ 11, unter gewissen Bedingungen den qualitativen Verlauf der experimentellen Resultate zufriedenstellend wieder. Eine Abweichung von diesem normalen Verhalten wurde erstmals von LEHNERT [2] Ende der 50er Jahre beobachtet. LEIMERT konnte feststellen, daB oberhalb eines kritischen Wertes B, des longitudinalen magnetischen Feldes die elektrische Langsfeld- starke im Saulenplasma wieder ansteigt. Eine theoretische Erklarung dieses anomalen Verhaltens gaben KADOMZEV und NEDOSPASOV [3], die dieses Phanonien als helikale

Anomales Verhalten des Säulenplasmas von Edelgasentladungen im longitudinalen Magnetfeld

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Anomales Verhalten des Säulenplasmas von Edelgasentladungen im longitudinalen Magnetfeld

Sektion Physik/Elektroui k iler F,rnst-~liirita-~rndt-ullivenitiit Grrifsw;ild

Anomales Verhalten des Siiulenplasmas von Edelgasen t laclungen im longi t uclinalen Magnet felcl

Von

H. DEUTSCH und S. PFAU

Es wurden systematische 1CIessungen der axialen elektrischen Feldstarke itn Plmna der positiven Saule stromschwacher Entladungen in den Edelgasen Helium, Neon, Argon und Krypton in Ab- hiingigkeit vom longitudinulen Magnetfeld durchgefuhrt. Uberraschenderweise zeigen die erhaltenen Ergebnisse, daU der Siiulengradient mit wachsendem Magnetfeld zunachst ansteigt, um erst nach dem Durchlnufen eines flnchen bIaximiims abzusinken. Dieses im Gegensntz zu den Ausstxgen der klnssischen Diffusionstheorie des Siiinlenpliism;is im Magnetfeld stehende Verhalten konnte in allen Edelgasen beobachtet werden. Die chtrrakteristischen Werte der magnetischen Induktion B,,,/po fiir dils Maximum hiingen nur scliwach von den Entladungspariimetern nb und betrngen fCir Helium 300 G/Torr, fur Neon 500 G/Torr, fiir Argon 1000 G/Torr und fCir Krypton etwi 1500 G/Torr. Als Ursuche fur das Auftreten des Maximums im Gradienten wircl die rildiale Andertmg der Energie- verteilung der Elektronen in Ablilngigkeit vom longitudinalen JIagnetfeld angesehen.

1. Einfuhriing

Das stronierzeugte nichtisothertrie Plasiiia. der positiven Siiiile einer elektrischen Ent- ladung hat sich a19 ein selw wertvolles Untersuchungsobjekt zuiii Studiuni allgemein interessierender Fragen der Plasinaphysik erwiesen. Xcht zuletzt zeigte sirh das Plasma. der positiven Slule besonders geeignet, seine Verhaltensweisen unter den Bedingungen eines auBeren magnetischen Feldes zu studieren.

Die ersten Untersuchungen des Saulenplasinas im longitudinalen Magnetfeld beschrank- ten sich dabei zunachst auf den Bereich schwacher niagnetischer Xelder von einigen Hundert GauB. Dieser Bereich ist durch die Abnahme der axialen elektrischen Feld- starke sowie der mittleren Energie der Elektronen mit wachsendem longitudinalem Magnetfeld gekennzeichnet. Die Ursache fur dieses Verhalten des Saulenplasmas liegt in der Verringerung des ambipolaren Diffusionsverlustes der Ladungstrager mit stei- gender magnetischer Induktion. Die theoretischen Berechnungen auf der Gundlage per um die Wirkung des longitudinalen Magnetfeldes erweiterten Diffusionstheorie des Saulenplasmas geben, wie umfangreiche Untersuchungen zeigten [ 11, unter gewissen Bedingungen den qualitativen Verlauf der experimentellen Resultate zufriedenstellend wieder.

Eine Abweichung von diesem normalen Verhalten wurde erstmals von LEHNERT [2] Ende der 50er Jahre beobachtet. LEIMERT konnte feststellen, daB oberhalb eines kritischen Wertes B, des longitudinalen magnetischen Feldes die elektrische Langsfeld- starke im Saulenplasma wieder ansteigt. Eine theoretische Erklarung dieses anomalen Verhaltens gaben KADOMZEV und NEDOSPASOV [3], die dieses Phanonien als helikale

Page 2: Anomales Verhalten des Säulenplasmas von Edelgasentladungen im longitudinalen Magnetfeld

24 H. DEUTSCH und S. PFAU

Instabilitat deuteten. Die Theorie von KADOMZEV und NEDOSPASOV wurde durch eine Reihe zielgerichteter Untersuchungen anderer Autoren untermauert und in einigen Punkten erweitert [4, 5, 61.

In jungerer Zeit durchgefiihrte Untersuchungen zeigten, daR das Saulenplasma bei weiterer Steigerung der niagnetischen Feldstarke erneut stabil werden kann. In diesem stark magnetfeldbestimmten Bereich sinkt die axiale elektrische Feldstarke bis zu sehr kleinen Werten ab [7, 81. Der Instabilitiitsbereich hangt auRer von den Plasma- parametern auch von der Lange des Saulenplasmas ab. So kann bei sehr kurzen Entla- dungsrohren der Fall eintreten, daR die Saule unabhiingig von der GroBe des ange- legten magnetischen Feldes stabil bleibt [8].

Die vorliegende -4rbeit beschaftigt sich niit deni Saulenplasma diffusionsbestinimter Edelgasentladungen it11 longitudinalen homogenen niagnetischen Feld unterhalb des kritischen Wertes €3,. Detaillierte experimentelle Untersuchungen der axialen elektri- schen Feldstarke als der bestirnnienden GroRe des Saulenplasmas zeigen, daR der Saulengradient abweichend zu den1 bisher bekannten Verlauf mit wachsendem Magnet- feld zunachst ansteigt, um erst nach dem Durchlaufen eines flachen, aber deutlich ausgepriigten Maximums in den bekannten Abfall einzurnunden. Dieses Verhalten, das erstmals von Rosenbauni [9] in einer Neon-Niederdruckentladung beobachtet wurde, konnte als eine fur alle Edelgase charakteristische Erscheinung bestatigt werden. Um den EinfluR durch die in den Edelgasentladungen weit verbreiteten Ionisationswellen auf die Messungen RusschlieRen zu konnen, wurden fur einen Teil der Messungen solche Bedingungen ausgewahlt, unter denen die Saule frei von derartigen Storungen war. Dabei konnte kein wesentlicher Unterschied im Verhalten des Saulenplasmas festge- stellt werden. Die hier mitgeteilten Untersuchungen legen nahe, daB die Ursache fur diese ini Widerspruch zur klassischen Diffusionstheorie des Saulenplasmas stehende Abhangigkeit der elektrischen Saulengradienten von der longitudinalen magnetischen Feldstiirke in einer Anderung des radialen Verlaufs der Energieverteilung der Elek- tronen zu suchen ist.

2. Experimentelle Einrichtung

Die Messung des axialen elektrischen Potentialgradienten erfolgte auf elektrostati- scheni Wege mit Hilfe zweier in das Saulenplasma eingefiihrter dunner Langmuir- Sonden. Der Sondenabstand betrug rund 15 cm.

Zur Eneugung des longitudinalen Magnetfeldes diente eine Spule von 40 cin Lange mit einem nutzbaren Innendurchmesser von 9,5 mi. Die Spule, deren Aufbau nach einer in [lo] angegebenen Konstruktionsvorlage erfolgte, gestattet die Eneugung eines homo- genen Magnetfeldes, das im mittleren Teil der Spule auf einer Lange von etwa 20 cm Abweichungen von weniger als 4% aufwies. Die verwendeten Entladungsrohre waren rund 100 cm lang und ihre Elektrodengebiete befanden sich weitgehend auBerhalb des Wirkungsbereiches des verwendeten Magnetfeldes.

3. Experimentelle Ergebnisse

Die hier durchgefiihrten experimentellen Untersuchungen beschrankten sich auf die Messung des axialen elektrischen Potentialgradienten als den bestinimenden Para- meter des Saulenplasmas stromschwacher Entladungen. Bei konstant gehaltenem Strom stellt sich die elektrische Feldstarke so ein, da13 die Diffusionsverluste der Ladungs- triiger an der Rohrwand durch die Trigerneuerzeugung in der Saule gerade kompensiert werden. Die Abb. 1 gibt die gemessenen Gradienten einer Neonentladung fur verschie-

Page 3: Anomales Verhalten des Säulenplasmas von Edelgasentladungen im longitudinalen Magnetfeld

Anomales Verhalten des Saiilenpl~smas im JItLgnetfeld 35

A A A A L A A - - -

I I I I I I I

dene Werte von poro ( p o : Druck; ro: Rohrradius) in Abhangigkeit voni longitudinalen Magnetfeld wieder. Man erkennt, dal3 die elektrische Feldstkrke zuniichst niit wachsen- der niagnetischer Induktion ansteigt, um erst nach den1 Erreichen eines Maximunis wieder nbzusinken. Dieses anomale Verhalten des axialen Saulengradienten, das im Widerspruch zur klassischen Diffusionst heorie steht, konnte bei allen Edelgasen beob- achtet werden. Um den EinfluB einer kleinen transversalen Komponente des Magnet- feldes auf den Saulengradienten abschatzen zu kiinnen, wurde das Entladunasrohr gering gegen das aullere longitudinale Magnetfeld geneigt. -4uf die Ausbildung des Maximums i t r i axinlen Potentialgradienten ergab sich dabei keine nennenswerte Aus- wirkung.

V/cm Torr 1 Neon

‘t

Die vorgenomtiienen systematischen Messungen des Siiulengradienten fiir verschie- dene Rohrradien und Gasdrucke bei gleichem poro bestatigen die Giiltigkeit des B- invarianten Ahnlichkeitsgesetzes [i 11 fur das Siiulenplasma im longitudinalen blagnet- feld. Abb. 2 denionstriert diesen Sachverhalt am Beispiel des Neons. Auf Grund dieses Gesetzes sind zwei stationare positive Siiulen gleicher Gasfiillung einander ahnlich, wenn sie in den auBeren Parametern pore, i / ro und B/po iibereinstimmen. Xhnliche Saulen besitzen gleiche reduzierte Gradienten E/po, gleiche Ionisierungsgrade n,/N usw. Die Anwendung des Ahnlichkeitsgesetzes gestattet eine besonders rationelle Darstellung experimenteller wie theoretischer Ergebnisse, deshalb werden wir im folgenden stets von dieser Darstellungsform Gebrauch machen.

Das Maximum des Saulengradienten hiingt in seiner Lage und Hohe von den Entla- dungsbedingungen und der Gasart ah. Einen unmittelbaren Vergleich der gemessenen

Page 4: Anomales Verhalten des Säulenplasmas von Edelgasentladungen im longitudinalen Magnetfeld

26 H. DEUTSCH und S. PFAU

Gradienten in den Edelgasen Helium, Neon und Argon verinittelt die Abb. 3. Wje aus der Abb. 3 zu entnehmen ist, steigt die reduzierte magnetische Feldstiirke Bm/po, fur die das Maximum irn Gradienten angenominen wird, mit hoherem Atomgewicht auch zit hoheren Werten an. Unter vergleichbaren Entladungsbedingungen liegen diese Werte fur Helium und Neon bei etwa 300 bzw. 500 G/Torr und fur Argon und Krypton bei 1000 bzw. 1500 G/Torr.

L Neon

I 1 I ’ I 0 500 1000 I500 G/ Torr ZOO0

/ P o

Ahb. 2. Uberpriifung des B- inviwinnten Almlichkeitsgesetzes far das Saulenplnsrnn im longitudinalen hlagnetfeld fur zwei verschiedene Rohrrarlien

Tabelle 1

Neon (i/r, = 10-9 A/cm)

pore BlnlPo Torr cm G/Torr

540 500 415 420

In dem untersuchten Variationsbereich der Entladnngsparameter hang. der Wert von Bmlpo fur das Maximum des Gradienten nur gering vom reduzierten Driick pore und der reduzierten Stromstarke i/ro ab. Tabelle 1 zeigt, wie sich das Maximum des Gradien- ten beim Neon mit wachsendem poro nur wenig zu kleineren reduzierten magnetischen Feldstarken verschiebt.

Eine Auswahl aus den umfangreichen Gradientenmessungen in Helium, Neon und .Argon wird in den Abbn. 4 , s nnd 6 wiedergegeben. Am deutlichsten ausgepragt, ist das

Page 5: Anomales Verhalten des Säulenplasmas von Edelgasentladungen im longitudinalen Magnetfeld

V/cm rorr ! \

a B

500 1000 2000 3a70 .G GOO0 I I I I I I I I

Helium po r,, = 1,3 rorr cm r, ZIcm

L 1 I I I I I

B / P o 0 500 1000 2000 G / rorr 3000

Abb. 4. -1bhangigkeit der gemessenen nxinlen elektrischen Feldetiirke rom longitudinnlen Xignetfeld in Helium

Page 6: Anomales Verhalten des Säulenplasmas von Edelgasentladungen im longitudinalen Magnetfeld

28 H. DEUTSCR und S. PFAU

Page 7: Anomales Verhalten des Säulenplasmas von Edelgasentladungen im longitudinalen Magnetfeld

Anomales Verhalten des Siiulenplasmas im Jhgnetfeld 29

Masiiiiuiii bei den kleinsten reduzierten Entladungsstronistarken. Mit wachsendem Stroni tritt das Maxiitiiiin iniiiier niehr zurucli. Von den drei Edelgasen zeigt Helium die geringste i'herhijhnng des Gradienten. Der Abb. 4 kann entnonimen werden, daIJ in Heliiini bereits bei etwa. 2500 G/Torr der kritische Wert BJp, fiir die Ausbildung der E;atioiiizev-Instabilit~t erreicht wird, oberhalb dieses Wertes steigt die axiale elektri- sche Feldstarke erneut steil an. Fur die schwereren Edelgase liegen die kritischen Induk- tionswerte fur den Einsatz der Kadomzev-Instabilitat bei hoheren reduzierten Magnet- feldern (vgl. z. B. [A]). Iiii Hinblick auf ihre Abhangigkeit von der Stromstarke, deni I h r k und der Gasart zeigen die GroBen des Magnetfeldes fur die das Maximum des axialen Siulengradienten angenommen wird, ein ganz analoges Verhalten wie die kritischen Intliiktionswerte fiir das Auftreten der helikalen Instabilitlt.

4. Uercclinung des diffusionsbestimmten Slulenplasmas in1 honiogcncn longitudinalen Yagnetfeld.

Die bisherigen Uerer hnungen der wichtigsten KenngroBen des Saulenplasnias basie- rcn iwf der Schottkyschen Diffusionstheorie, die auf die Verhaltnisse eines zusatzlichen riulleren honiogenen longitudinalen Magnetfeldes ausgedehnt wurde (vgl. z. B. [l, 21). ]lie Schottkysche Tlieorie setzt voraus, daB das -Elektronengas des Saulenplasinss eine hlimwellsche Geschwindigkeitsverteilung besitzt und die Ladungstrager durcli Direkt - ionisation bei Zusaiiiiiienstii Wen zwischen genugencl schnellen Elektronen und dcn als riiliend itngenonimericii Atoriien erzeugt werden. S u n Iialwn neiiere cxperiiiientelle wic t t i ivh theoretische Untcrsuchungen gezeigt, daB fur 'die stromschwache Kntludung die ( :escliwindigkeitsvertciliin~ der Elcktronen im allgemeinen sehr erlicblic~ti von dcr ~~iLxwell-Verteiliirlg ahvcicht Ll2, 131, uiid daW in der Tragererzeugung Stufenionisation tlurch zweininligen Elektrorienstoll sowie Ionisation durch Paarstiille zweier lilnglebig itngeregter Atoiiie his herab zii sehr klcinen Entladungsstriiiiien berucksichtigt werden iiiiissen. Eine so crweiterte Diffusionstheorie braclite fur den iiiagnetfeldfreien Fall ziifrit~denstellencle t'})ereinstii7iuiiing zwischen esperinientellen und tlieorctischen Ergcbnissen [ lA] .

Ausganppunkt fiir diese erweiterte Diffusionstheoric stronischwacher Entladungcn ist cine aus der Boltziiiann-Gleicliung unter Berucksichtigiing elastischer und nnelasti- srher Stolle der Elektronen berechnete Geschwindigkeitsverteilung der Elektronen. Ihhei wiirde bisher die Isotropverteilung der Elektronen eines niagnetfeldfreien Saulen- plasmas ausschlielJlicli linter Vernachlassigung des radialen elektrischen Feldes und der radialen Inhomogenitat der Elektronenkonzentration n, berechnet und dann zur Bestim- itiung der Transportkoeffizienten fiir den radialen Teilchenstroni herangezogen. Wir wollen auch hier von dieser wesentlichen Vereinfachung des Problem fur das Saulen- plasiiis im honiogenen longitudinalen Magnetfeld Gebrauch machen. Bei Parallelitat von elektrischem und inagnetischem Feld ist die Isotropverteilung von B/po unabhangig [ 151. Die Wirkung des longitudinalen Magnetfeldes beschrankt sich allein auf den Aniso- troptcil der Verteilungsfunktion, durch den die tensoriellen Komponenten der Trans- portkoeffizienten (Beweglichkeit, Diffusion, Thermodiffusion) bestimmt werden. Die StoBraten fur die Direktionisation zOm, die Stufenionisation J ~ ~ , und die Anregung zoa, die sich aus der Isotropverteilung berechnen, sind megen der Unabhangigkeit von B/p, allein Funktionen der axialen elektrischen Feldstarke E/p,.

Zum kompletten Ausgangsgleichungssystem gehoren auRer der Boltzmann-Gleichung zur Bestimmung der Geschwindigkeitsverteilung der Elektronen die Stronibilanzglei- chung

70

i = Zne,b,EJn,(r) r dr (1) 0

Page 8: Anomales Verhalten des Säulenplasmas von Edelgasentladungen im longitudinalen Magnetfeld

3 0 H, DEUTSCH und S. PFau

sowie die Bilanzgleichungen fur die Ladungstrager und die angeregten Atome

d i v n , w , = P , ; v = e , i , a ... (2)

(v: die Teilchenart kennzeichnender Index, n,, w,, P,: Konzentration, Driftgeschwindigkeit und Erzeugungsterni der v-ten Teil- chenart)

Integriert man die Elektronenbilanzgleichung fur das stationiire, axial hoiiiogene zylindersymmetrische Saulenplasma uber den Entladungsquerschnitt , so ergibt sich

iriit

und

(3a)

Pe beL-utet dabei den uber den Entladungsquerschnitt gemittelten Erzeugungsterni der Elektronen, der sich aus den bereits oben erwahnten Ionisationsprozessen - Direk- tionisation, Stufenionisation und Ionisation durch PaarstoSe - zusanimensetzt. Jlic linke Seite der Elektronenhilanzgleichung (3) stellt die radialen Diffusionsverluste dcr Elektronen dar.

Fur das quasineutrale Saulenplasnia (n, M ni) mit einer uber den Entladungsquer- schnitt konstanten Energieverteilung der Elektronen Uem(r) = corist. ergibt sicli aus der Ambipolaritatsbedingung we, = wei fur den Verlustterm

Damit lautet die Elektronenbilanzgleichung

mit

und - - Ne = ge = neog(r); N , = a, = naoh(r).

Von den tensoriellen Transportkoeffizienten benotigen wir nur ihre radialen Kom- ponenten. Wir beschranken uns zuniichst auf eine naherungsweise Erfassung der Elek- tronentransportkoeffizienten, so da13 sich fur Ionen und Elektronen die folgenden Be- ziehungen ergeben

(v = e , i ) .

Page 9: Anomales Verhalten des Säulenplasmas von Edelgasentladungen im longitudinalen Magnetfeld

V/cm rorr

5 0 -

Wie Messungen der radialen Konzentrationsverteilung der Elektronen und angereg- ten *4tome ini magnetfeldfreien Saulenplasma zeigen [ 161, konnen die Verteilungen noch gut durch die Bessel-Funktion nullter Ordnung als Standardforni approximiert werden. Indem wir auch fur das Magnetfeld diese Form benutzen, ergiht sich fur die Konstanten

gh h h 1 = 2,405 und - = - = l , i 5 .

Aus der Ladungstragerbilanz (D), der Strombilanz (1) sowie den Bilanzgleichungen fur die angeregten Atome konnen die wichtigsten KenngroBen des Saulenplasnms berechnet

g E E E

Neon

ir, = I cm l me* po 5 ( 3 Torr cm mm

1,s -

I I I I I I

Page 10: Anomales Verhalten des Säulenplasmas von Edelgasentladungen im longitudinalen Magnetfeld

H. DEUTSCH und S. PFAU

E/p, fVo/t/rorrcml

N o / N f 1 0 - 6 1 Ne /N l l O - 9 I

8 -

6 -

4-

8 0 500 1000 1500 2000 2500 G 3000

I I I I I I I I

Neon

-

-

- 2 -

‘0

- I I I I

Abb. S. Theoretisch ermittelte Bbhingigkeit des Gradienten sowie der Elektronenkonzentrntion und der Konzentretion der nngeregten Atome vom longitudinalen JIagnetfeld

i -_- I I I. I I c 500 1003 1500 ?OOOG/Torr 2

3 /’Zd

1 x:

Abb. 9. Berechnete Snteile der einzelnen Ionisierungsprozesse in Abhangigkeit vom 3I;ignetfel Es gilt:

- hh

ZA* = - - N,IN

werden. Da die Bilanzgleichungen fur die angeregten Atome im longitudinalen Magne: feld gegenuber dem magnetfeldfreien Fall keinerlei Anderungen erfahren, gehen wir a diese Gleichunnen nicht naher ein und verweisen in diesem Zusammenhang auf v - Arbeit [ 141.

Abb. 7 zeiet die eemessenen und berechneten Werte des axialen elektrischen Felde 3

in Abhangigieit vo& longitudinalen Magnetfeld am Beispiel zweier Neonentladungen.

Page 11: Anomales Verhalten des Säulenplasmas von Edelgasentladungen im longitudinalen Magnetfeld

Anomales Verhalten des Siulenplasmas im Magnetfeld 33

Entsprechend den nionoton abnehmenden Diffusionsverlusten der Ladungstrager sinkt der Saulengradient mit wachsendem Magnetfeld. Ein Maximum im Gradienten, wie es das Experiment aufweist, ergiht sich aus der so erweiterten Diffusionstheorie nicht. Das Verhalten der Elektronen- und tler Angeregten- konzentration sowie der Anteile der einzelnen Ionisierungsprozesse an der Gesamttrager- erzeugung fur eines der oben genannten Entladungsbeispiele demonstrieren die Abbn. 8 und 9. Wahrend die Angeregtenkonzentration nahezu konstant bleibt, steigt die mittlere Elektronenkonzentration entsprechend der Abnahme des asialen Gradienten mit wachsendeni B / p , an.

5. Radiale Anderung der Energieverteilung der Elektrorieri

Als mogliche Ursache fiir das Auftreten eines Maximuills im Sadengradienten kann die radiale Bnderung der Energieverteilungsfunktion der Elektronen angesehen werden. So zeigen neuere exnerimentelle Untersuchungen uber die Elektronenenergieverteilung, daO die Annahnie einer iiber den Rohrquerschnitt konstanten Energieverteilungsfunk- Lion der Elektronen nich: zutreffen kann [17]. Bereits eine suniniarische Diskussion der Ladungstrager- sowie der Energiebilanzgleichung des Saulenplasiiias giht naherungs- weise AufschlnW iiber die radiale Abhangigkeit der Energieverteilungsfunktion der Elektronen.

Unter den Bedingungen der positiven Saule befindet sich cins E1el;troneriensenihle in rndialer Richtung irii Hinblick auf die Teilchenstroniung nahezu i i i i (+leichgewicht. Held- und Diffusionsstroiii konipensieren sich fast vollstandig. So erhiilt nian atis der Bedingung we, = 0 die in der Saulentheorie henutzte Xiherung fiir die radiale elektri- sche Feldstarke. Ein ahnlicher Gleichgewichtszustand sollte auch fur die racliale Energie- striimung vorherrschen, da, sich sonst fur Nicht-Maxwellsche Energieverteilungen der Elektronen sehr erhebliche radiale Energiestrijnie einstellen wiirden [ 171.

Fur die Berechnung der radialen Komponenten der Energietransport koeffizienten b:, DF, und Ktr in Abhangigkeit voni longitudinalen Magnetfeld benutzen wir die bei der Bestimmung der entsprechenden Grolien des Teilchentransports gemachten Ver- einfachungen. GemaB (6), (7), (8) folgt

(11) be*

b:T = 1 + be2BZ’

. hbei bedeuten be*, D,* und K,* die Energietransportkoeffizienten fur den magnet- feldfreien Fall. Aus der Bedingung we, = wir = 0, w: = 0 ergibt sich nach kurzer Zwi- qchenrechnung

trr. 41)

3 Phsmaphyik

Page 12: Anomales Verhalten des Säulenplasmas von Edelgasentladungen im longitudinalen Magnetfeld

34 H. DEUTSCH und S. PFAU

Fur eine Maxwellsche Energieverteilung der Elektronen ist b = 0 , das bedeutet aber, da13 sich die Energieverteilungsfunktion der Elektronen und damit ihre niitt,lere Energie radial nicht andern. Fur Nicht-Maxwellsche Verteilungen, fiir die d + 0 ist, tritt eine mit den] Konzentrationsabfall zur Rohrwand. entsprechend der Beziehung (14) gekop- pelte radiale Bnderung der Energieverteilung und der durch sie bestimniten Inittleren Energie Uem(r) ein.

Abb. 10 gibt die nach Gleichung (15) unter Berucksichtigung der Beziehungen (6), (7) , (8), (ll), (12), (13) berechneten Werte von 6 in Abhangigkeit von der reduzierten ma- gnetischen Feldstarke Blp, wieder. Mit wachsendem Magnetfeld verringert sich B und

-03 -96 t Ahb. 10. Magnetfeldabhiingigkeit dea Exponenten 6

erreicht in dem hier betrachteten Falle bei etwa 1000 G/Torr den Wert Kull. Fur noch hohere magnetische Feldstarken wird 6 negativ. Ein negatives 6 bedeiitet jedoch gem613 Gleichung (14) eine Erhohung der mittleren Energie der Elektronen zuiii Rande hin. Ein solches Verhnlten konnte in einer neueren Arbeit von KAGAN und Mitarbeitern [ 181 experimentell nachgewiesen werden. Mit steigendem Magnetfeld nirnmt also die mittlere Energie der Elektronen an der Rohrwand zu. Nun bedingt eine Erhohung der mittleren Energie der Elektronen an der Rohrwand einerseits eine VergroBerung der Ladungs- tragerverluste, andererseits verringern sich aber auch die Verluste mit wachsendeni longitudinalen Magnetfeld auf Grund der im Nenner stehenden Magnetfeldabhangigkeit des ambipolaren Diffusionskoeffizienten. In der Gegenlaufigkeit dieser beiden magnet- feldabhangigen Prozesse durfte die Ursache fur das Auftreten des Maximums im axialen Saulengradienten zu suchen sein.

Zweifellos ist fur die quantitative Erfassung des Maximums im axialen elektrischen Saulengradienten eine detaillierte Theorie unter Berucksichtigung der radialen In- homogenitat des Saulenplasmas notwendig. Die Hauptschwierigkeit dabei beruht gegen- wiirtig in der Losung der ortsabhangigen Boltzmann-Gleichung zur Bestimmung der radialen Abhangigkeit der Energieverteilungsfunktion der Elektronen.

Herrn Prof. Dr. RUTSCHER danken wir fur zahlreiche anregende Diskussionen.

Page 13: Anomales Verhalten des Säulenplasmas von Edelgasentladungen im longitudinalen Magnetfeld

Anomales Verhalten des Saulenpl~Lsnlts im JIagnetfeld 3 6

Litorstur

[ l ] BICKERTON, R. J., VON ENGEL, A,, Proc. Phys. Soc. (London) B 69 (1956) 468.

[2] LEHNERT, B., Proc., 2. Inter. Conf. on Peacefull Use of Atomic Energy Geneva 1958 Vol. 3 2 , TONKY, L., Phys. Rev. 56 (1939) 360; 59 (1941) 514, 522.

p. 343; HOH, F. C., Arkiv f. Fysik 18 (1960) 433.

[3] KADOMZEV, B. B., SEDOSPASOV, J., Journ. X'ucl. Energy 1 (1960) 230. [4] W ~ H L E R , K. H., %. Saturforsch. 17u (1962) 937. [5] ALLEN, T. K., PAULIKAY, G. A., PYLE, R. V., Phys. Rev. Letters 5 (1960) 409. [6] EWALD, H. X., CRAWFORD, F. W., SELF, S. A., Phys. Fluids 12 (19G9) 3 0 3 . 9 1 G . [7] JANZEN, G., HHUCHLE, E., Proc. 8th Int. Conf. Pheri. Ion Gases, Wien 1967. [8] JANZEN, G., MOSER, F., RKUCHLE, E., Z. Naturforsch. 25s (1970) 992. [9] ROSENBAUM, I(. D., Wiss. Z. der Universitst Greifswalcl S I X (1970) 177.

[lo] HAK, J., Arch. Elektrotechn. 30 (1936) 736. [ll] ~ F A u , s., RUTSCIIER, A., WOJACZEK, K., Beitr. Plasmaphys. 9 (1969) 333. [12] PFAU, S., Beitr. Plasmuphys. 7 (1967) 57. [I31 WILHELJI, J., \VrxKLER, R., Beitr. Plirsmaphys. Y (1968) 405. [14] ~ F A u , s., RUTSCHER, A, Beitr. Plasmuphys. 7 (1967) lS7; S (1968) 85. [15] WINKLER, R., Beitr. Plasmaphys. 1'1 (1972) 317. [16] BEHNKE, J., Beitr. Pl.ismctphy8. 11 (1971) 23. [17] HERMANN, D., RUTSCHER, A., PFAU, S., Beitr. Pl;tsinnphys. 10 (1970) 75. [18] WAGNER, S. D., VIRULAIJIEN, V. A., KAGAN, J. &I., %mi. techn. fisiki, 44 (1974) 4(i8.

3*