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Befragt man Deutsche nach ihren Sorgen und Wünschen, ergibt sich regelmäßig folgendes Bild: Der Normalbürger, zu- mindest in Umfragen existent, strebt ei- nen sicheren Arbeitsplatz an, hofft auf Gesundheit für sich und seine Familie und möchte den erreichten Wohlstand erhalten, besser noch vergrößern. Im Vergleich zu ihren europäischen Nach- barn geben die Bundesbürger in solchen Umfragen zusätzlich deutlich häufiger an, daß Natur- und Umweltschutz für sie von großer Bedeutung sind. Während die persönlichen, namentlich materiellen, Anliegen meist recht genau beschrieben werden können, ist das Ver- langen nach einer intakten Natur nicht selten von einer Mischung aus Zivilisa- tionsangst und Naturromantik geprägt, die der wichtigen Aufgabe des Schutzes der natürlichen Ressourcen nicht gerecht wird. Die Kampagnen von finanzkräfti- gen Umweltorganisationen fördern die- sen Trend noch und schüren Gewissens- nöte von denen so mancher sich durch eine Spende „ökologischen Ablaß“ ver- schaffen möchte, in letzter Konsequenz jedoch mit seinem Geld eine gewaltige PR-Aktion finanziert. Im Gegensatz hierzu haben sich an der Universität Göttingen mehrere Einrich- tungen etabliert, deren Aufgabe es u.a. ist, wissenschaftlich zuverlässige Daten über die Umweltsituation zu gewinnen, mit dem Ziel, auf dieser Basis realisier- bare Schutz- und Nutzungskonzepte zu entwickeln. Niedersachsens Umweltmini- ster Wolfgang Jüttner, im Rahmen eines Informationsbesuches Anfang Februar zu Gast an der Universität Göttingen, zeigte sich von der sowohl in ihrer Quan- tität umfangreichen als auch auf hohem wissenschaftlichen Niveau arbeitenden Umwelt- und Naturschutzforschung der Georgia Augusta beeindruckt: Das Zentrum für Naturschutz (ZfN) ist eine gemeinsame wissenschaftliche Ein- richtung der Biologischen Fakultät, der Fakultäten für Agrar- bzw. Geowissen- schaften sowie der Fakultät für Forstwis- senschaften und Waldökologie. Fakultäts- übergreifend werden hier Lehrveranstal- tungen auf dem Gebiet des Naturschutzes koordiniert und Konzepte für die Durch- führung von Forschungsprojekten reali- siert. In die Abteilungen I (biologischer Schwerpunkt) und II (interfakultativer Schwerpunkt) gegliedert, soll das ZfN auch als Naturschutzkontaktstelle der Universität zum außeruniversitären Be- reich dienen. Leiter der Abteilung I ist Prof. Dr. Michael Mühlenberg, die ande- re Abteilung ist mit Zweitmitgliedern der beteiligten Fakultäten besetzt. Initiierung, Koordination und Durchfüh- rung von interdisziplinären Forschungs- projekten im Themenbereich „Nachhalti- ge Entwicklung“ sind wesentliche Aufga- ben des 1998 gegründeten (die endgülti- ge Mittelbewilligung steht noch aus) In- terdisziplinären Zentrums für Nachhalti- ge Entwicklung der Universität Göttin- gen. Prinzipiell steht das Zentrum allen Fakultäten offen. Derzeit existieren am Zentrum die Projektfelder „Energie“, „Umwelt- und Nachhaltigkeitsmonito- ring“, Biodiversität“ und das Projekt „Lebenskulturwandel“. Neben der Beteiligung an interdiszi- plinären Einrichtungen ist das „For- schungszentrum Waldökosysteme“ das Flaggschiff der ökologisch orientierten forstwissenschaftlichen Forschung Göt- tingens. Zwar steht der Wald in Forschung und Lehre im Vordergrund, allerdings geht es nicht mehr nur um die Produktion von Holz; ökologische und soziale Funktionen des Waldes gewinnen zunehmend an Bedeutung. Vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert wird das Projekt „Indikatoren und Strategien für eine multifunktionelle Waldnutzung“. Bean- tragt ist ferner ein Graduiertenkolleg „Ökologie und Ökonomie von Mischbe- ständen“. Die Arbeit des Forschungszentrums Landwirtschaft und Umwelt orientiert sich an den Polen des Spannungsfeldes, welches der Name des Zentrums be- schreibt. Landwirtschaft als Ganzes ist stets interdisziplinär, so daß naturwissen- schaftliche Erkenntnisse in das wirt- schaftliche und soziale Gefüge der Ge- sellschaft integriert werden müssen, un- ter Abwägung einzelbetrieblicher Vortei- le und gesamtwirtschaftlicher Notwen- digkeiten. Das Göttinger Graduierten- kolleg Landwirtschaft und Umwelt ist ei- nes der am längsten existierenden Gra- duiertenkollegs Deutschlands. Umweltminister Jüttner, der während seines Besuches einerseits umfassende Informationen über die Göttinger Natur- und Umweltschutzforschung erhielt, an- derseits mit seinen gezielten Fragen fun- dierte Detailkenntnisse verriet, gab sei- nen Eindruck mit knappen Worten wie- der: „Ich denke, daß sich die Politik nicht immer hinreichend der Wissenschaft be- dient“. hol 19 SPEKTRUM 1 / 99 Seite 19 Anzeige Deuerlich 100/1spaltig Umweltminister Jüttner, begleitet von Universitätspräsident Horst Kern, läßt sich von Prof. Hansjörg Abel die Funktionsweise des Pansensimulators demonstrieren. Durch die hier gewonnenen Erkenntnisse können Landwirte die Fütterung ihrer Rinderherden mit dem Ziel optimieren, umweltschädliche Methanemissionen zu verringern. Foto: „POLITIK BEDIENT SICH NICHT HINREICHEND DER WISSENSCHAFTMinister Jüttner besuchte Umweltforschungsbereiche der Universität

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Befragt man Deutsche nach ihren Sorgenund Wünschen, ergibt sich regelmäßigfolgendes Bild: Der Normalbürger, zu-mindest in Umfragen existent, strebt ei-nen sicheren Arbeitsplatz an, hofft aufGesundheit für sich und seine Familieund möchte den erreichten Wohlstanderhalten, besser noch vergrößern. ImVergleich zu ihren europäischen Nach-barn geben die Bundesbürger in solchenUmfragen zusätzlich deutlich häufigeran, daß Natur- und Umweltschutz für sievon großer Bedeutung sind.

Während die persönlichen, namentlichmateriellen, Anliegen meist recht genaubeschrieben werden können, ist das Ver-langen nach einer intakten Natur nichtselten von einer Mischung aus Zivilisa-tionsangst und Naturromantik geprägt,die der wichtigen Aufgabe des Schutzesder natürlichen Ressourcen nicht gerechtwird. Die Kampagnen von finanzkräfti-gen Umweltorganisationen fördern die-sen Trend noch und schüren Gewissens-nöte von denen so mancher sich durcheine Spende „ökologischen Ablaß“ ver-schaffen möchte, in letzter Konsequenzjedoch mit seinem Geld eine gewaltigePR-Aktion finanziert.

Im Gegensatz hierzu haben sich an derUniversität Göttingen mehrere Einrich-tungen etabliert, deren Aufgabe es u.a.ist, wissenschaftlich zuverlässige Datenüber die Umweltsituation zu gewinnen,

mit dem Ziel, auf dieser Basis realisier-bare Schutz- und Nutzungskonzepte zuentwickeln. Niedersachsens Umweltmini-ster Wolfgang Jüttner, im Rahmen einesInformationsbesuches Anfang Februarzu Gast an der Universität Göttingen,zeigte sich von der sowohl in ihrer Quan-tität umfangreichen als auch auf hohemwissenschaftlichen Niveau arbeitendenUmwelt- und Naturschutzforschung derGeorgia Augusta beeindruckt:

Das Zentrum für Naturschutz (ZfN) isteine gemeinsame wissenschaftliche Ein-richtung der Biologischen Fakultät, derFakultäten für Agrar- bzw. Geowissen-schaften sowie der Fakultät für Forstwis-senschaften und Waldökologie. Fakultäts-übergreifend werden hier Lehrveranstal-tungen auf dem Gebiet des Naturschutzeskoordiniert und Konzepte für die Durch-führung von Forschungsprojekten reali-siert. In die Abteilungen I (biologischerSchwerpunkt) und II (interfakultativerSchwerpunkt) gegliedert, soll das ZfNauch als Naturschutzkontaktstelle derUniversität zum außeruniversitären Be-reich dienen. Leiter der Abteilung I istProf. Dr. Michael Mühlenberg, die ande-re Abteilung ist mit Zweitmitgliedern derbeteiligten Fakultäten besetzt.

Initiierung, Koordination und Durchfüh-rung von interdisziplinären Forschungs-projekten im Themenbereich „Nachhalti-ge Entwicklung“ sind wesentliche Aufga-ben des 1998 gegründeten (die endgülti-ge Mittelbewilligung steht noch aus) In-terdisziplinären Zentrums für Nachhalti-ge Entwicklung der Universität Göttin-gen. Prinzipiell steht das Zentrum allenFakultäten offen. Derzeit existieren amZentrum die Projektfelder „Energie“,„Umwelt- und Nachhaltigkeitsmonito-ring“, Biodiversität“ und das Projekt„Lebenskulturwandel“.

Neben der Beteiligung an interdiszi-plinären Einrichtungen ist das „For-schungszentrum Waldökosysteme“ dasFlaggschiff der ökologisch orientiertenforstwissenschaftlichen Forschung Göt-tingens. Zwar steht der Wald inForschung und Lehre im Vordergrund,allerdings geht es nicht mehr nur um dieProduktion von Holz; ökologische undsoziale Funktionen des Waldes gewinnenzunehmend an Bedeutung.

Vom Bundesministerium für Bildung undForschung gefördert wird das Projekt„Indikatoren und Strategien für einemultifunktionelle Waldnutzung“. Bean-tragt ist ferner ein Graduiertenkolleg„Ökologie und Ökonomie von Mischbe-ständen“.

Die Arbeit des ForschungszentrumsLandwirtschaft und Umwelt orientiertsich an den Polen des Spannungsfeldes,welches der Name des Zentrums be-schreibt. Landwirtschaft als Ganzes iststets interdisziplinär, so daß naturwissen-schaftliche Erkenntnisse in das wirt-schaftliche und soziale Gefüge der Ge-sellschaft integriert werden müssen, un-ter Abwägung einzelbetrieblicher Vortei-le und gesamtwirtschaftlicher Notwen-digkeiten. Das Göttinger Graduierten-kolleg Landwirtschaft und Umwelt ist ei-nes der am längsten existierenden Gra-duiertenkollegs Deutschlands.

Umweltminister Jüttner, der währendseines Besuches einerseits umfassendeInformationen über die Göttinger Natur-und Umweltschutzforschung erhielt, an-derseits mit seinen gezielten Fragen fun-dierte Detailkenntnisse verriet, gab sei-nen Eindruck mit knappen Worten wie-der: „Ich denke, daß sich die Politik nichtimmer hinreichend der Wissenschaft be-dient“. hol

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Seite 19

Anzeige Deuerlich100/1spaltig

Umweltminister Jüttner, begleitet von Universitätspräsident Horst Kern, läßt sich von Prof. Hansjörg Abel die Funktionsweise des Pansensimulators demonstrieren. Durch die hier gewonnenen Erkenntnisse können Landwirte die Fütterung ihrer Rinderherden mit dem Ziel optimieren, umweltschädliche Methanemissionen zu verringern.

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„POLITIK BEDIENT SICH NICHT HINREICHEND DER WISSENSCHAFT“Minister Jüttner besuchte Umweltforschungsbereiche der Universität

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Das Thema

Vom Ackerboden und seiner Produktivi-tät leben wir Menschen. Wir nutzen denAcker als Pflanzenstandort. Damit wirder notwendigerweise auch Fahrbahn fürPflege- und Erntemaschinen. Diese An-forderungen widersprechen sich zuneh-mend. Der folgende Bericht schildert einForschungsvorhaben zu dieser Problema-tik und stellt ein begleitendes Filmwerkvor.

Das Problem

Im nassen Herbst 1998 wurden unsereLandwirte in besonders krasser Weisemit einem Grundproblem modernerLandbewirtschaftung konfrontiert: ImSeptember-Oktober nach 270 mm Nie-derschlag – das ist die dreifache Mengedes Normalen – hatten im GöttingerUmland die lößbürtigen Ackerbödenihre Eigenschaft verloren, Maschinenbeim Überrollen wirkungsvoll abstützenzu können. Bei hohem Wassergehalt wardie Grenze der technischen Befahrbar-keit erreicht. Die Zuckerrüben-Roderhinterließen sichtbare und tiefe Fahrspu-ren, auch wenn sie mit Breitreifen ausge-stattet waren (Abb. 1). Oftmals sankensie bis zur Achse ein. Ohne Beschädi-gung des Bodengefüges war die Zucker-rübe nicht zu ernten. Alternativen zumRoden haben die Landwirte nicht, dennin vielen Fällen würde der Ernteverzichteinen existenzgefährdenden finanziellenVerlust bedeuten. Also werden die Bo-denschäden hingenommen. Wie aber ver-kraften die Böden im nassen Zustand diemassive Belastung durch schweres Ge-

rät? Wie tief reichen die Schäden? Blei-ben sie erhalten oder werden sie wiederaufgelöst? Und wie entwickelt sich derGefügezustand unserer Ackerböden,wenn schweres Gerät regelmäßig wieder-kehrend unter den Bedingungen norma-ler Herbstwitterung auf den feuchten,nicht aber übernäßten Boden einwirkt?

Das Forschungsvorhaben

Bis zu Beginn des Jahres 1998 wurde vonder Deutschen Forschungsgemeinschaftein wissenschaftliches Projekt finanziellgefördert, das unter dem Titel „Mechani-sche Streßverträglichkeit von Bearbei-

tungssystemen mit reduziertem mechani-schem Eingriff“ von vier Forschergrup-pen geplant und im Frühjahr 1995 inForm von Feldversuchen in die Tat um-gesetzt wurde. Beteiligt waren die Ar-beitsgruppen von Prof. Dr. Rainer Horn,Kiel, Prof. Dr. Otto Larink, Braun-schweig, Privatdozent Dr. Dietrich Wer-ner, Jena und Prof. Dr. Wilfried Ehlers,Göttingen. Ziel der Arbeit war zu zeigen,wie lößbürtige Ackerböden auf steigendemechanische Belastung reagieren, wieihre Ertragsfähigkeit beeinflußt wird undob über die Jahre eine natürliche Rege-neration geschädigter Böden erwartetwerden kann.

20UNIVERSITÄT GÖTTINGEN

Abb. 1: Erster Schnee auf einem Acker nach unterbrochener Zuckerrübenernte im Herbst 1998

Abb. 2: Räumliche Anordnung von groben Hohlräumen mit einem Durchmesser größer als 0,75 mmin einer gepflügten Ackerkrume vor (links) und nach (rechts) Belastung. Die Computertomographieerfaßt die Tiefe von 10-20 cm einer Parabraunerde aus Löß. (Versuchsgut Reinshof der Universität)

SCHWERLASTVERKEHR AUF DEM ACKERVerborgene Schäden sichtbar gemacht

VVon Won Wilfried Ehlers, Dietrich Wilfried Ehlers, Dietrich Wererner und Wner und Walter Stickanalter Stickan

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Die Versuchseinrichtung 1998

Die Feldversuche wurden an drei Stand-orten mit unterschiedlichem Nieder-schlagsregime auf lößbürtigen Bödeneingerichtet: Am Trockenstandort Gro-ßobringen in Thüringen (520 mm Jahres-niederschlag), in Göttingen auf dem Ver-suchsgut Reinshof (645 mm) und an ei-nem Feuchtstandort (810 mm) auf demVersuchsgut Relliehausen am Nord-ostrand des Sollings. Bei Versuchsanlagewaren die Böden frühjahrsfeucht, alsoweniger mit Wasser übersättigt als in die-sem nassen Herbst. Die höchste Last, die(einmalig bei Versuchsanlage) aufge-bracht wurde, betrug 20 t, gleichmäßigauf vier gleich große Räder verteilt.Auch wenn die Maschine den Boden beihöchstem Lasteintrag dreimal befuhr, derLasteintrag im Versuch war dennocheher bescheiden, gemessen an der Auf-last großer Rübenroder in der Praxis, dieheutzutage im beladenen Zustand über40 t, verteilt auf vier Räder, oder auchüber 60 t, verteilt auf sechs Räder, aufden Acker bringen.

Die Feldversuche verfügten über einebesondere Ausgangslage: Sie waren aufbis zu 25 Jahre alten Versuchsflächeneingerichtet worden, die über diese Zeit-spanne entweder normal-tief gepflügt(Wendepflug) oder aber flach-mulchend(Kreiselegge) bearbeitet worden waren.Die genannten Bearbeitungssysteme beeinflussen die Tragfähigkeit des Bo-dens für Maschinen, eine Eigenschaft,die sich in der kontrastierenden Bezeich-nung „Lockerbodenwirtschaft“ gegen-über „Festboden-Mulchwirtschaft“ wi-derspiegelt.

Die Bodenschädigung

Während der Befahrung wird der Bodenvom aufgebrachten Druck durchdrun-

gen. Mit zunehmenderBodentiefe nimmt der„Streß“-Eintrag ab.Wo der Druck die Ei-genstabilität des Bo-dens übersteigt,kommt es zu einer Be-wegung des Bodensund einer Verschie-bung der Bodenteil-chen gegeneinander.Der Boden wird ver-dichtet, das Volumenseiner Poren zwischenden Festteilchennimmt ab. Die Eigen-stabilität des Bodenslag bei Pflugwirtschaftniedriger als beiMulchwirtschaft. Unterdem 20 t-Gerät gab dergepflügte Boden inmit-ten der Ackerkrumeum 8 cm nach, der gemulchte Bodenaber nur um 2 cm. Bei hohem Lastein-trag wurde der Porenraum im gepflügtenBoden stärker und bis in größere Tiefeverkleinert als im gemulchten Boden.Diese Erkenntnisse über den Hohlraum-verlust wurden sichtbar dargestellt durchnormale Röntgen-Aufnahmetechnik unddurch Computer-Tomographie (CT).Mittels CT-Technik konnte die Zerstö-rung des Porenraums und die Zersplitte-rung des verbliebenen Hohlraums in ein-zelne isolierte Blasen anschaulich nach-gewiesen werden (Abb. 2). Ein solcher-maßen verdichtetes Bodengefüge ist zurschnellen Wasser- und Luftführung nichtmehr befähigt.

Hohe Belastung verringerte die Popula-tionsdichte von Bodenlebewesen (Re-genwürmer, Enchytraeiden, Collembo-len) stärker unter Pflugwirtschaft als un-ter Mulchwirtschaft. Die Bodenfauna istaber unverzichtbar für das „Recyceln“auf dem Acker, für den Abbau und Um-bau der organischen Reststoffe wie Strohoder Wurzeln im Verein mit den Boden-Mikroorganismen. Außerdem ist dieFauna verantwortlich für den Aufbauvon groben „Bioporen“ im Boden, dieden Ausgangspunkt für eine Boden-lockerung, für einen „garen“ Boden bil-den können.

Hoher Lasteintrag minderte die Wurzel-ausbreitung von Sommergerste in demgepflügten Boden weit stärker als imflach bearbeiteten Mulchboden (Abb. 3),eine Folge stärkerer Gefügeschädigung.Selbst im dritten Versuchsjahr war nachPflugeinsatz das Wurzelwachstum vonWintergerste zur Tiefe stark behindert,nicht aber in der Mulchwirtschaft. Stei-gende Belastung minderte den Korner-trag in stärkerem Maße nach Pflügen alsnach Mulchen, eine Tendenz, die sich inden Folgejahren fortsetzte. Diese Er-tragseinbußen traten deutlicher amTrockenstandort Thüringen und amFeuchtstandort Solling-Rand zutage alsim Leinetal.

Bodenverbesserung durch Eigenlockerung?

In dem Versuch war die Last nur einma-lig aufgebracht worden. Eindeutige An-zeichen einer Gefügeregeneration imSinne einer Wiederauflockerung verdich-teter Struktureinheiten konnten selbst imdritten Beobachtungsjahr nicht erkanntwerden. Wohl aber wurde nachgewiesen,daß trotz der Dichtlagerung die Durch-gängigkeit des Porensystems über dieJahre leicht zunahm. Wurzeln und Bo-dentiere schaffen „biogene“ Poren indem beim Verdichtungsvorgang homoge-nisierten Bodenkörper. Während dersommerlichen Trockenphase entstehenzusätzlich schwach ausgeprägte Rissedurch Wasserentzug und Bodenschrump-fung. Prinzipiell stufen wir die Regenera-tionsfähigkeit im System mit Mulchwirt-schaft höher ein als im System mit Pflug-wirtschaft, erstens weil die Ausgangssi-tuation nicht so geschädigt erscheint und

21SPEKTRUM 1 / 99

Abb. 4: Trickbild aus dem Film zur Verdeutlichung der Druckausbrei-tung unter einer Radlast

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Zuhausein Göttingen

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Godehardstraße 2637081 Göttingen

Telefon (05 51) 5 06 74 -00Telefax (05 51) 5 06 74 -22

Abb. 3: Wurzelausbreitung der Sommergerstekurz vor dem Ährenschieben in einer Para-braunerde aus Löß (Versuchsgut Reinshof)links mit Pflugwirtschaft (Lockerboden-wirtschaft LBW) und rechts mit Mulchwirt-schaft (Festboden-Mulchwirtschaft FMW). Dargestellt ist das Wurzelsystem ohne Belastung (0 t) und nach Belastung (6 x 5 t).Hier überrollten Vorder- und Hinterräder mit 5 t Radlast den Boden jeweils dreimal. JederPunkt entspricht einer Wurzellänge von 5 mm

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zweitens weil das Bodenleben ungleichaktiver ist.

Der Praxisbezug

Unter den Bedingungen der Praxis wer-den die Böden in unregelmäßigen Ab-ständen bei ungünstiger Witterung wie-derkehrend geschädigt. Einige Anzei-chen sprechen dafür, daß das Problemder Bodenverdichtung gegenwärtig eineneue Qualität erreicht hat. Das liegt amsteigenden Gewicht vor allem der Ernte-geräte. Die Landtechnik ist sehr darumbemüht, die Gewichtszunahme durchbreitere Reifen „abzufangen“. In der Tatwird die gestiegene Gesamtlast durch biszu 1 m breite „Terrareifen“ auf eine grö-ßere Aufstandsfläche verteilt, so daß dasGefüge des Oberbodens kaum höher be-lastet wird als früher. Die Gefahr der Ge-fügeschädigung im Unterboden nimmtaber zu, weil mit steigender Last der Bo-dendruck auch unter den breiteren Rei-fen in größere Tiefe vordringt. Tief rei-chende Verdichtungszonen sind über lan-ge Jahre persistent, weil hier die biologi-sche Aktivität minimal ist, die Schrump-fung nicht wirklich lockert und Frostwir-kungen selten eintreten. Auch kann derLandwirt mit seinen eigenen Gerätschaf-ten die tiefen Verdichtungszonen unter-halb der Ackerkrume nicht erreichen

und aufreißen, ganz abgesehen davon,daß solche mechanisch geschaffenenLockerzonen sich rasch wieder dichtset-zen.

Doch nimmt die Gefährdung der Bödenauch deshalb zu, weil heutzutage moder-ne Technik zu Arbeitseinsätzen verführt,die früher unmöglich waren. In diesemHerbst gaben die kleinen zweireihigenRübenroder den Kampf mit der Nässezuerst auf. Erst viel später bei wirklichstarker Übernässung mußten auch dieleistungsfähigen sechsreihigen Breitrei-fenroder aufstecken (Abb. 1).

Der Film

Durch das Presse- und Informationsbüroder Universität wurde das Institut für denWissenschaftlichen Film (IWF) über dasForschungsvorhaben in Kenntnis gesetzt.Das IWF entschied, das Vorhaben fil-misch zu begleiten und ein Video herzu-stellen, weil bisher zum Thema kein Un-terrichtsfilm existierte.

Der Film dokumentiert die Intention desProjektes, die Anlage des Versuches, dieProbenahme, die Untersuchungemetho-den in den beteiligten Institutionen so-wie die Ergebnisse aus dem ersten Ver-suchsjahr.

Ergänzende Filmaufnahmen entstandenin der Universitätsklinik Jena und bei ei-nem Landmaschinenhersteller. Als Hilfs-mittel zur Erklärung komplizierter Pro-zeßabläufe wie „Druckübertragung imBoden unter Auflast“ (Abb. 4), „Boden-setzung unter Druck“, „Verlagerung vonVerdichtungszonen nach unten durch tie-feres Pflügen“ oder „Durchwurzelung-stiefe, Wasseraufnahme und Trocken-heitsstreß“ wurde die Trickanimation ge-wählt. Auch wurden die vom Computer-Tomographen vermessenen Porensyste-me im belasteten und unbelasteten Bo-den (Abb. 2) gleichsam dreidimensionalin Form eines rotierenden Bildes darge-stellt. Die Bodenlebewesen und ihre Wir-kungen im Boden wurden in erstaunli-chen Bildern festgehalten.

Der Film macht deutlich, daß durch denEinsatz schwerer Maschinen die Boden-produktivität leidet, ein Umstand, der

zunächst den Landwirt als Produzenteninteressiert, darüberhinaus aber auch dieGesellschaft tangiert. Die Verschlechte-rung des Bodengefüges bedeutet außer-dem, daß die Leistungen des Bodens alsKettenglied einer funktionsfähigen Um-welt gemindert werden. Das wird bei-spielhaft erläutert.

Der Film wendet sich an Studierende derFachschulen und Universitäten aus demBereich Agrar- und Umweltwissenschaf-ten, Geowissenschaften und Bodenkun-de, an Landwirte und ihre Berater. Er istbeim IWF als Videokassette, Bestell-nummer C 2004, zum Preis vom DM 65,-erhältlich. Der Titel lautet: „UnserAcker – durch schwere Landmaschinengefährdet?“

Die Filmauszeichnung

Für diesen Film wurde das IWF auf deminternationalen Festival AGROFILM1998 in Nitra, Slowakei, mit dem höch-sten Preis ausgezeichnet, dem GrandPrix MAGNA MATER. Unter 75 Bei-trägen verschiedener Länder wurde ermit der höchsten Punktzahl bewertet, un-ter anderem wegen seiner technischenQualität, der Art der Darstellung, derwissenschaftlichen Information und derBedeutung des Sachthemas. Wir alle, diewir direkt und indirekt an der Herstel-lung des Films beteiligt waren, begrüßendiese Auszeichnung und werten sie alsErgebnis einer geglückten Zusammenar-beit.

22UNIVERSITÄT GÖTTINGEN

EIN NEUER MEDIEN-SERVICE DES IWFDas Institut für den Wissenschaft-lichen Film Göttingen ist ein wissen-schaftlicher Mediendienstleister. Esverfügt über Standard- und Spezial-geräte für die Medienproduktion. Im Arbeitsbereich Biowissenschaft-liche Grundlagen“ bietet es nebenkompletten Videoproduktionen undForschungsaufnahmen einen neuenflexiblen Service an: Videoclips fürIhre Vortragspräsentation! MöchtenSie auf einem Kongress Ihre Arbeits-umgebung, Ihre Forschungsmethodenoder Ihre Untersuchungsobjekte vor-stellen? Reichern Sie Ihre Computer-präsentation (z.B. MS Powerpoint)mit Videoclips an! Ein kurzes Videosagt mehr als 1000 Worte! Das IWFbietet Ihnen individuelle Lösungenvon der Aufnahme bis zur fertigenPräsentation. Kontakt: Dr. Walter Stickan, IWF,Nonnenstieg 72, 37075 Göttingen, Tel.:05 51 / 50 24-125; Fax 05 51 / 50 24-4 00;E-Mail: [email protected]. URL:http://www.iwf.de.

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Anzeige Gaudi60/2spaltig

Die Autoren des Beitrags bei der Preisverlei-hung: Prof. Dr. Ehlers (Universität Göttingen,r.), PD Dr. Werner (Thüringer Landesanstaltfür Landwirtschaft Jena, 2.v.r.) und Dr. Stickan(IWF Göttingen, l.)

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