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Nora Gasser 2008 1/4 Bericht zum Freiwilligendienst im Bystrinsky Naturpark in Esso vom 7.7.2007 bis zum 25.6.2008, Nora Gasser Ich habe zusammen mit meinem Partner Samuel Zürcher von Juli 2007 bis Juni 2008 einen Freiwilligendienst im Rahmen des Volontariatsprogrammes der Stiftung Manfred Hermsen im Bystrinski Naturpark, Kamtschatka, absolviert. Wohnort während dieser Zeit war Esso. Der folgende Bericht soll einen kleinen Überblick über diesen Einsatz geben. Arbeit im Bystrinsky Naturpark Die ersten paar Wochen gleich nach unserer Ankunft waren für mich schwierig und äusserst frustrierend. Ich war nach Esso gereist in der Meinung, dort als Arbeitskraft gebraucht zu werden; anstatt zu arbeiten verbrachten wir die ersten Wochen leider aber mehrheitlich wartend – auf Anweisungen, Material, Benzin, Mitarbeiter. Die Hauptbeschäftigung war die Erstellung des Ökolehrpfades, den unsere Vorgängerin Judith Kiss geplant hatte, sowie der Umbau unserer Wohnung. Beides zog sich aber wegen unglaublich schlechter Planung sehr in die Länge; unser Einsatz war offensichtlich von der Parkleitung im Voraus überhaupt nicht geplant geworden. Mir schon in den ersten Tagen selbst eine Aufgabe geben wollte ich nicht; zu gross wäre die Wahrscheinlichkeit gewesen, dass ich viel Zeit, Energie und Geld in etwas gesteckt hätte, das vom Park und der Bevölkerung als unnötig angeschaut worden wäre. Dazu kam, dass ich mein Russisch etwas überschätzt hatte; ich tat mich im täglichen Sprachgebrauch eher schwer. Im August bekamen Samuel und ich das Angebot, zwei Fotographen als „Fotomodelle“ auf eine neuntägige Wanderung durch den Park zu begleiten, was wir natürlich sehr gerne annahmen. Wir hatten so die Gelegenheit, einen wunderschönen, schwer zugänglichen Teil des Parks zu besuchen und dessen Tier- und Pflanzenwelt zu sehen. Der absolute Höhepunkt waren die seltenen Schneeschafe, die wir beobachten und fotografieren konnten. Als im Herbst dann plötzlich von irgendwoher viel Geld zur Verfügung stand für den Bau von Unterständen und einer Hütte waren wir dann plötzlich sehr beschäftigt: wir halfen mit beim Bau von mehreren „Besedkas“ (kleine Unterstände mit Tischen und Bänken), und zusammen mit Sigfried und Samuel bauten wir eine kleine Hütte an einem See ca. 40 km von Esso entfernt. Die erste „schriftliche“ Aufgabe, die ich an die Hand nahm, war die Zusammenstellung von kleinen Infotafeln zu den Stationen des oben erwähnten Ökopfades. Als die Bausaison im Oktober definitiv durch Schneefälle beendet wurde, erstellten wir Volonteure (Sigi, der seinen Einsatz schon kurz darauf beendete, Carsten, der erst gerade angekommen war, Samuel und ich) eine Liste mit Ideen für kleinere und grössere Projekte für den Park. Die Liste erhielt grosse Aufmerksamkeit von der Seite des Direktors; einige Ideen wurden auch sofort umgesetzt oder mindestens in Angriff genommen. Im Herbst begann ich, Englischunterricht für die Bevölkerung zu erteilen, was auf sehr grosses Interesse stiess, und was ich auch bis zum Schluss meines Aufenthaltes durchzog. Nachdem eine Mitarbeiterin von UNDP den Park besucht hatte und lange mit uns gesprochen hatte, legte sie offensichtlich dem Parkdirektor ans Herz, uns als verhältnismässig gut ausgebildete Leute auch entsprechend für den Park einzusetzen, worauf Samuel ein UNDP-Projekt zum Aufbau eines GIS für den Park (siehe den Bericht von Samuel Zürcher) übertragen bekam, und ich die Aufgabe, ein Konzept zu erarbeiten für den Wiederaufbau des vor fast 20 Jahren abgebrannten Skigebietes. Aufgrund meines Konzeptes sollte dann von Externen ein Detailprojekt erarbeitet werden. Hauptsponsor sollte UNDP sein. Obwohl ich dies nicht als Hauptaufgabe des Parks und UNDP und sicher nicht als prioritär ansah, erarbeitete ich ein kleines Konzept, wofür ich Gespräche mit zahlreichen Leuten führte. Dies verhalf mir zu verschiedenen

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Bericht zum Freiwilligendienst im Bystrinsky Naturpark in Esso vom 7.7.2007 bis zum 25.6.2008, Nora Gasser

Ich habe zusammen mit meinem Partner Samuel Zürcher von Juli 2007 bis Juni 2008 einen Freiwilligendienst im Rahmen des Volontariatsprogrammes der Stiftung Manfred Hermsen im Bystrinski Naturpark, Kamtschatka, absolviert. Wohnort während dieser Zeit war Esso. Der folgende Bericht soll einen kleinen Überblick über diesen Einsatz geben. Arbeit im Bystrinsky Naturpark Die ersten paar Wochen gleich nach unserer Ankunft waren für mich schwierig und äusserst frustrierend. Ich war nach Esso gereist in der Meinung, dort als Arbeitskraft gebraucht zu werden; anstatt zu arbeiten verbrachten wir die ersten Wochen leider aber mehrheitlich wartend – auf Anweisungen, Material, Benzin, Mitarbeiter. Die Hauptbeschäftigung war die Erstellung des Ökolehrpfades, den unsere Vorgängerin Judith Kiss geplant hatte, sowie der Umbau unserer Wohnung. Beides zog sich aber wegen unglaublich schlechter Planung sehr in die Länge; unser Einsatz war offensichtlich von der Parkleitung im Voraus überhaupt nicht geplant geworden. Mir schon in den ersten Tagen selbst eine Aufgabe geben wollte ich nicht; zu gross wäre die Wahrscheinlichkeit gewesen, dass ich viel Zeit, Energie und Geld in etwas gesteckt hätte, das vom Park und der Bevölkerung als unnötig angeschaut worden wäre. Dazu kam, dass ich mein Russisch etwas überschätzt hatte; ich tat mich im täglichen Sprachgebrauch eher schwer. Im August bekamen Samuel und ich das Angebot, zwei Fotographen als „Fotomodelle“ auf eine neuntägige Wanderung durch den Park zu begleiten, was wir natürlich sehr gerne annahmen. Wir hatten so die Gelegenheit, einen wunderschönen, schwer zugänglichen Teil des Parks zu besuchen und dessen Tier- und Pflanzenwelt zu sehen. Der absolute Höhepunkt waren die seltenen Schneeschafe, die wir beobachten und fotografieren konnten. Als im Herbst dann plötzlich von irgendwoher viel Geld zur Verfügung stand für den Bau von

Unterständen und einer Hütte waren wir dann plötzlich sehr beschäftigt: wir halfen mit beim Bau von mehreren „Besedkas“ (kleine Unterstände mit Tischen und Bänken), und zusammen mit Sigfried und Samuel bauten wir eine kleine Hütte an einem See ca. 40 km von Esso entfernt. Die erste „schriftliche“ Aufgabe, die ich an die Hand nahm, war die Zusammenstellung von kleinen Infotafeln zu den Stationen des oben erwähnten Ökopfades. Als die Bausaison im Oktober definitiv durch Schneefälle beendet wurde, erstellten wir Volonteure (Sigi, der seinen Einsatz schon kurz darauf beendete, Carsten, der erst gerade angekommen war, Samuel und ich) eine Liste mit Ideen für kleinere und grössere Projekte für den Park. Die Liste erhielt grosse Aufmerksamkeit von der Seite des Direktors; einige Ideen wurden auch sofort umgesetzt oder mindestens in Angriff genommen. Im Herbst begann ich, Englischunterricht für die Bevölkerung zu erteilen, was auf sehr grosses Interesse stiess, und was ich auch bis zum Schluss meines Aufenthaltes durchzog. Nachdem eine Mitarbeiterin von UNDP den Park

besucht hatte und lange mit uns gesprochen hatte, legte sie offensichtlich dem Parkdirektor ans Herz, uns als verhältnismässig gut ausgebildete Leute auch entsprechend für den Park einzusetzen, worauf Samuel ein UNDP-Projekt zum Aufbau eines GIS für den Park (siehe den Bericht von Samuel Zürcher) übertragen bekam, und ich die Aufgabe, ein Konzept zu erarbeiten für den Wiederaufbau des vor fast 20 Jahren abgebrannten Skigebietes. Aufgrund meines Konzeptes sollte dann von Externen ein Detailprojekt erarbeitet werden. Hauptsponsor sollte UNDP sein. Obwohl ich dies nicht als Hauptaufgabe des Parks und UNDP und sicher nicht als prioritär ansah, erarbeitete ich ein kleines Konzept, wofür ich Gespräche mit zahlreichen Leuten führte. Dies verhalf mir zu verschiedenen

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Kontakten, die mir auch später wieder als nützlich erwiesen. Nachdem das Projekt mit der Administrationsleitung besprochen worden war (welche etwas ähnliches im Sinn hat), und sich UNDP für mich nicht unerwarteterweise wieder zurückzog, starb die ganze Idee wieder, was ich eigentlich gar nicht schlecht fand, hat doch der Park noch ganz andere und wichtigere Aufgaben, die er nicht zu erfüllen vermag.

Im November ermöglichte der Parkdirektor uns einen Austausch mit dem Naturpark Nalychevo, in dessen Rahmen Samuel und ich einen Inspektor auf einem der Kardone (Schutzhütten) des Nalychevoparks ablösen konnten. Unsere Aufgabe bestand im Prinzip nur darin, dort anwesend zu sein; die Tatsache, dass an diesem Ort schon über zwei Jahre dauernd ein Parkmitarbeiter wohnt, vermochte die Wilderei auf die sehr seltenen Schneeschafe in diesem Gebiet praktisch zu stoppen. Die Tage auf diesem Kardon ermöglichten uns, zahlreiche seltene Tierarten, darunter Schneeschafe, Weissschulteradler und Robben zu beobachten, was für uns ein tolles Erlebnis war.

Die nächste Aufgabe war dann, Carsten bei der Ausarbeitung eines Projektes für das Besucherzentrum zu helfen. Erste grobe Ideen hatte er bereits gesammelt; innerhalb von zwei Wochen mussten wir diese dann im Detail ausarbeiten, beschreiben, das Materialgeld berechnen, ausfindig machen wo was bestellt werden kann, und der Antrag für Finanzierung durch UNDP musste geschrieben werden. Für mich war diese Phase der Projektplanung sehr spannend und lehrreich. Von UNDP wurden uns dann auch gut 8000 Dollar für die Umsetzung des Projektes zugesprochen, was uns natürlich sehr gefreut hatte (wenn es dann auch bis Mitte Mai dauerte bis das Geld endlich kam, was leider der Hauptgrund war, dass noch nicht alles umgesetzt war bis zu meiner Abreise). Ein Problem des Parkes, das uns allen aufgefallen war, ist der Umgang mit Informationen: es ist unglaublich viel vorhanden an Texten, Powerpointpräsentationen, Fotos, Bücher, Filmen, usw,

Touristen und Einheimische fragen immer wieder danach, doch im Park weiss niemand, was wo vorhanden ist. In diesem Zusammenhang begann ich dann im Januar mit der Ausarbeitung des einen kleinen Teiles des Besucherzentrums: ein Computer für die Besucher des Parks, wo sie selbständig eine grosse Vielfalt an Informationen zum Park selbst, dessen Vegetation, Tierwelt, Kultur, Geschichte, Geologie, usw. suchen, resp. finden können. Eine Rohversion, die jetzt beliebig ergänzt und erweitert werden kann, übergab ich vor meiner Abreise einem unserer Nachfolger Christian, der sich jetzt auch um den Kauf des Computers kümmert (wenn das Geld dann endlich überwiesen wird). Im März führte die neue Mitarbeiterin für Ökobildung Natalia Petrowna ein Festival zum Thema „Rentier“ durch. Ich unterstützte sie dabei, brachte neue Ideen ein und setzte diese auch gleich um. So half ich ihr mit den ganzen Anträgen für die Finanzierung durch UNDP, gestaltete ein Plakat zum Thema Rentier, welches in allen Schulen und Bibliotheken aufgehängt wurde, erarbeitete ein Paket mit Aufgaben für 4.- 6. Klässler, gestaltete eine Ecke des Ausstellungsraum (mit Informationen zum Rentier) selbst, richtete die Austellung von künstlerischen Arbeiten zum Thema Rentier ein und erarbeitete einen kleinen Wettbewerb dazu. Nach diesem Festival stürzte ich mich dann in

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die Umsetzung der andern Teile des Projekts für das Besucherzentrums: ich erarbeitete den Inhalt für vier Plakate zur Geschichte, Geologie, Pflanzen- und Tierwelt des Parks (welche Carsten dann gestaltete) sowie eine Ausstellung zum Thema Rentier mit vier grossen Plakaten, einer Wand mit dem Jahreszyklus eines Rentiers im Bystrinsky-Bezirk sowie einer Wand mit einem Rentierkopf und verschiedenen Fellteilen. Die Erarbeitung dieser Ausstellung verlangte zahlreiche, äusserst interessante Gespräche und Interviews mit Rentierspezialisten und Rentierhirten sowie die Lektüre von verschiedenen spannenden Quellen. Dies war für mich sehr lehrreich. Ausserdem erstellte ich ein Modell des Parks im Massstab 1:200'000 aus Sägespänen, Gips und Wasserfarbe. Für die „Kinderecke“ des Besucherzentrums stellte ich ein kleines Buch zusammen, in welchem die Bäume des Parks vorgestellt werden. Dazu gehört ein Ratespiel, wo die Kinder verschiedene Baumorgane den entsprechenden Baumarten zuordnen sollen. Ausserdem sammelte ich Inhalte für Tastkisten. Parallel zu den Arbeiten für das Besucherzentrum analysierte ich zusammen mit Samuel den Managementplan des Parks, der Ende 2008 ausläuft. Wir schauten, was erfüllt worden war, was nicht, und warum nicht. Die Bilanz für den Park fiel eher schlecht aus, was einerseits auf parkinterne Probleme, aber auch auf die schwierigen Rahmenbedingungen sowie auf die zum Teil unrealistischen Forderungen im Managementplan selbst zurückzuführen sind. Die Analyse stiess sowohl beim Parkdirektor sowie bei UNDP auf unerwartet grosses Interesse. Zwei Wochen vor unserer Abreise kamen unsere Nachfolger Katharina und Christian nach Esso, die von Beginn weg äusserst tatkräftig bei der handwerklichen Umsetzung der ganzen Ausstellung mithalfen. Ohne der Hilfe der beiden wäre ich nie so weit gekommen, und es war für mich eine tolle Herausforderung, die Arbeiten so zu planen, dass sowohl die beiden „neuen“ Volonteure, sowie ein Praktikantin (die der Direktor quasi mir „übergeben“ hatte) möglichst immer beschäftigt waren. Ich habe mich bemüht, vor meiner Abreise alle nicht beendeten Arbeiten möglichst gut zu übergeben und/oder zu dokumentieren, und ich hoffe, dass sie dem Park auch in Zukunft von Nutzen sein werden. Zum Thema Arbeit ist noch anzufügen, dass die Zusammenarbeit mit den Mitarbeitern zwar nicht immer ganz einfach war, im Grossen und Ganzen aber das Verhältnis doch recht gut war. Meine wichtigste Ansprechperson war Natalia Petrowna, zu der ich ein sehr gutes Verhältnis hatte. Der Direktor Igor Anatolevich hat mit bei allem was ich wollte sehr unterstützt und hat geholfen wo er konnte, sei es für Anliegen im Zusammenhang mit der Arbeit oder Freizeit. Trotzdem habe ich mich sehr oft geärgert über die ineffiziente Arbeitsorganisation, den bei den meisten Mitarbeitern sozusagen nicht vorhandenen Arbeitswillen und die teilweise auch einfach Unfähigkeit und komplette Überforderung schon durch relativ einfache Aufgaben. Andererseits gab mir die schlechte Organisation seitens der Parkleitung die Möglichkeit, sehr selbstständig Projekte von der ersten Idee über die Finanzbeschaffung bis zu deren Umsetzung durchzuführen – diese Möglichkeit und Verantwortung würde mir in der Schweiz als Praktikantin wohl nicht gegeben werden, und ich habe in diesem Bereich sicher auch sehr viel gelernt. Ein gutes Verhältnis hatte ich mit allen unseren Mitvolonteuren. Zum Leben im Dorf Esso Da ich auch in der Schweiz in einem kleinen Dorf wohne und es gewohnt bin, ein leicht eingeschränktes Angebot an allem zu haben, war das Leben in Esso für mich wohl weniger gewöhnungsbedürftig als für andere Volonteure. Es gab sehr wenige Momente wo ich irgendetwas vermisst habe (zu nennen sind vielleicht frisches Obst und Gemüse und Milchprodukte, die vor allem im Winter nicht immer erhältlich sind) und ich genoss die Ruhe und den eher langsamen Lebensrhythmus sehr. Im Grossen und Ganzen kriegte ich den Eindruck, dass Esso ein verhältnismässig reiches Dorf ist und ein Grossteil der Leute relativ gut lebt, wobei natürlich auch hier sehr arme Verhältnisse, Alkoholismus und Arbeitslosigkeit zu finden sind. Mir fiel von Beginn weg auf, wie nett und hilfsbereit die meisten Einwohner von Esso sind, wobei gesagt werden muss, dass es mir schwer fiel, Kontakte zu gleichaltrigen Leuten zu knüpfen: erstens gibt es wenige Leute in meinem Alter, und zweitens scheinen diese kein oder wenig Interesse an Kontakten zu Ausländern zu haben. Ganz im Gegensatz dazu die Altersgruppe von 40 an aufwärts: wir haben zahlreiche gute Bekannte in diesem Altersbereich gefunden.

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Besonders offen schienen mir die verschiedenen Künstler und Handwerker des Dorfes: bei ihnen habe ich schnitzen, nähen und Felle bearbeiten gelernt, was mir die Winterabende erheblich verkürzt hat. Die Wohnung, die für uns gemietet wurde, war (nach dem Umbau) sehr schön, gut und zweckmässig eingerichtet, und, da wir grösstenteils zu zweit dort wohnten, äusserst geräumig. Die Umgebung von Esso kam mir als Wander- und Skifan äusserst zu Gute: zusammen mit Samuel verbrachten wir Sommer und Winter praktisch jedes Wochenende ein bis drei Tage irgendwo in der Natur in der erreichbaren Umgebung des Dorfes, wobei wir zahlreiche

spannende, schöne und lustige Erlebnisse haben durften. Dabei erwies es sich als grossen Vorteil, dass wir zu zweit waren; wir mussten uns nie lange darum kümmern, mit wem wir losziehen könnten… Im Winter tauschten wir die Sumpfstiefel gegen Langlauf- und russische Jagd-Holzskis sowie gegen unsere Alpinskis, womit wir selbst bei tiefen Temperaturen relativ weit kamen. Kamtschatka

Obwohl Kamtschatka mit einem Studenten-Geldbeutel und einer Abneigung gegen Helikoptertourismus nicht ganz einfach zu bereisen ist, sahen Samuel und ich sehr viel von der wunderbaren Natur und vulkanischen Landschaft dieser Halbinsel. Höhepunkte waren sicher die je 10-tägigen Skiwanderungen im März/April zu den Vulkanen Ichinsky und Mutnovski/Goreli. Auf der ersteren bekamen wir zufällig die Gelegenheit, in einer Rentierherde zu übernachten und uns ausführlich mit den Rentierhirten zu unterhalten, was sehr

eindrücklich war. Ebenfalls tolle Erlebnisse waren die heissen, noch unverbauten Quellen im Norden des Parkes, die Mineralquellen am Eingang des Parkes, eine Gummiboottour auf einem Zufluss des Flusses Kamtschatka und der Kamtschatka selbst, das Hundeschlittenrennen „Beringia“ sowie die verschiedenen Festivitäten der ewenischen und korjaksichen Bevölkerung. Zusammenfassung Trotz vielen Fragezeichen und Kritikpunkten an der Parkleitung habe ich persönlich von diesem Einsatz im Bystrinsky Naturpark sehr viel profitieren können, hatte sehr viele schöne Erlebnisse in einer wenig erschlossenen und für europäische Verhältnisse sehr menschenleeren Gegend, konnte eine mir fremde Mentalität kennen lernen, lernte russisch, und ich denke, ich konnte auch einige für den Park nützliche Arbeiten durchführen. In dem Sinne hoffe ich, dass die Stiftung auch weiterhin Volonteure in den Bystrinsky Naturpark schicken wird und danke der Stiftung ganz herzlich für die Ermöglichung dieses Einsatzjahres.

Vladiwostok-Toyama, 30. Juni 2008, Nora Gasser