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I „Loslösung“ ab, denn offensichtlich nahmen diese Stoffe an der Reaktion nicht teil. Der deutsche Chemiker und Nobelpreisträger Wilhelm Ostwald prägte die heute noch gän- gige Definition: „Ein Katalysator ist jeder Stoff, der, ohne im Endprodukt einer che- mischen Reaktion zu erscheinen, ihre Ge- schwindigkeit verändert.“ In Lehrbüchern steht allerdings meist, dass der Katalysator beschleunigend wirkt – „Reaktionsbremsen“ sind selten interessant. Katalysatoren wirken als chemischer „Sesam öffne dich!“: Sie eröffnen einer Reaktion einen günstigen Pfad durch die Energieland- schaft, der sonst verschlossen ist. Während einer Reaktion brechen zuerst chemische Bin- dungen in den Ausgangsmolekülen (Edukte) auf, dann bilden sich neue Bindungen. Dabei entstehen die Moleküle des Endstoffes (Produkt). Den Reaktionsweg verstellt jedoch oft ein mächtiger Energieberg. m frühen 19. Jahrhundert führten Wohlha- bende ihren Gästen gerne ein Tischfeuerzeug vor, das sensationell mühelos eine Flamme produzierte. Erfunden hatte es der Chemie- professor Johann Wolfgang Döbereiner im Jahr 1823. Es enthielt verdünnte Schwefel- säure und ein Stück Zink an einem Haken. Durch Betätigen des Auslösers wurde das Zink in das Säurebad getaucht und eine che- mische Reaktion gestartet, bei der unter Bildung von Zinksulfat (Zinksalz der Schwe- felsäure) Wasserstoff frei wurde. Dieser ver- brannte mit dem Luftsauerstoff zu Wasser. Normalerweise sind Wasserstoff und Sauer- stoff reaktionsträge, weshalb man ihnen durch Anzünden erst Energie zuführen muss. Im Feuerzeug entzündete sich der Wasser- stoff jedoch spontan, indem er durch einen kleinen Platinschwamm geleitet wurde: das Platin wirkte als Katalysator. Über neunzig Prozent aller von der industriel- len Chemie genutzten Reaktionen benötigen einen Katalysator als „Heiratsvermittler“ der jeweiligen Ausgangsstoffe (Chine- sen gebrauchen für beide Funktionen übrigens das gleiche Wort). Und ohne Biokatalysatoren, vor allem Enzyme, gäbe es kein Leben. Der dänische Chemiker Jöns Jakob Berzelius leitete den Namen vom altgriechischen Wort καταλυσιζ (katálysis) für Alles ganz schön oberflächlich – warum Forscher noch mehr über Katalyse wissen wollen k 3 Die schwingende Oxida- tionsreaktion des Kohlenmo- noxids wandert in Spiral- wellen über die Oberfläche des Platin-Katalysators. An den hellen Stellen sitzen Kohlenmonoxid-Molekü- le, die noch nicht reagiert haben. Das Bild hat ei- nen Durchmesser von etwa 500 Mikrometern (Millionstel Meter). 1 Seite © Gerhard Ertl/Fritz-Haber-Institut MAX TECH AUSGABE 10 SOMMER 2008 NEUGIERIG AUF WISSENSCHAFT

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I „Los lösung“ ab, denn offensichtlich nahmen diese Stoffe an der Reak tion nicht teil. Der deutsche Chemiker und Nobelpreisträger Wilhelm Ostwald prägte die heute noch gän­gige Definition: „Ein Katalysator ist jeder Stoff, der, ohne im Endprodukt einer che­mischen Reaktion zu erscheinen, ihre Ge­schwindigkeit verändert.“ In Lehrbüchern steht allerdings meist, dass der Katalysator beschleunigend wirkt – „Reaktionsbremsen“ sind selten interessant.

Katalysatoren wirken als chemischer „Sesam öffne dich!“: Sie eröffnen einer Reaktion einen günstigen Pfad durch die Energieland­schaft, der sonst verschlossen ist. Während einer Reaktion brechen zuerst chemische Bin­dungen in den Ausgangsmolekülen (Edukte) auf, dann bilden sich neue Bindungen. Dabei entstehen die Moleküle des Endstoffes (Produkt). Den Reaktions weg verstellt jedoch oft ein mächtiger Ener gieberg.

m frühen 19. Jahrhundert führten Wohlha­bende ihren Gästen gerne ein Tischfeuerzeug vor, das sensationell mühelos eine Flamme produzierte. Erfunden hatte es der Chemie­professor Johann Wolfgang Döbereiner im Jahr 1823. Es enthielt verdünnte Schwefel­säure und ein Stück Zink an einem Haken. Durch Betätigen des Auslösers wurde das Zink in das Säurebad getaucht und eine che­mische Reaktion gestartet, bei der unter Bildung von Zinksulfat (Zinksalz der Schwe­

felsäure) Wasserstoff frei wurde. Dieser ver­brannte mit dem Luftsauerstoff zu Wasser. Normalerweise sind Wasserstoff und Sauer­stoff reaktionsträge, weshalb man ihnen durch Anzünden erst Energie zuführen muss. Im Feuerzeug entzündete sich der Wasser­stoff jedoch spontan, indem er durch einen kleinen Platinschwamm geleitet wurde: das Platin wirkte als Katalysator.

Über neunzig Prozent aller von der industriel­len Chemie genutzten Reaktionen benötigen einen Katalysator als „Heiratsvermittler“ der jeweiligen Aus gangsstoffe (Chine­sen gebrauchen für beide Funktionen übrigens das gleiche Wort). Und ohne Bio katalysatoren, vor allem Enzy me, gäbe es kein Leben. Der dänische Chemiker Jöns Jakob Berzelius leitete den Namen vom altgriechischen Wort καταλυσιζ (katálysis) für

Alles ganz schön oberflächlich –warum Forscher noch mehr über Katalyse wissen wollen

k

3Die schwingende Oxida­tionsreaktion des Kohlen mo ­noxids wandert in Spiral­wellen über die Oberfläche des Platin­Katalysators. An den hellen Stellen sitzen Kohlenmonoxid­Molekü­le, die noch nicht reagiert haben. Das Bild hat ei­nen Durchmesser von etwa 500 Mikrometern (Millionstel Meter).

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© Gerhard Ertl/Fritz-Haber-Institut

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2008

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Um diesen zu bezwingen, brauchen die Mo­leküle Energie. Im Labor führt man sie meist als Wärmeenergie zu, was aber in der indus­triellen Großproduktion die Energiekosten explodieren lassen kann. Zudem kann starkes Erhitzen die beteiligten Moleküle zerstören. Der Katalysator umgeht diesen hemmenden Energieberg und lässt die Reaktion ohne viel Energiezufuhr ab laufen (Abb. B).

Chemiker unterscheiden grundsätzlich zwei Arten von Katalyse: Bei der homogenen Katalyse befinden sich die Reagenzien und der Katalysator in der gleichen Phase, zum Beispiel in einer Lösung. Bei der hetero­genen Katalyse dagegen stecken das Hochzeitspärchen und der Heiratsvermittler in ver schiedenen Phasen. Bei technischen Anwendungen sind es oft Gase, während das Katalysatormaterial fest ist, zum Beispiel beim Autokat.

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Einen besonderen Beitrag hat die hetero­gene Katalyse zur Welternährung geleistet – denn ohne sie gäbe es keine Ammoniak­synthese. Diese bindet den Stickstoff aus der Luft chemisch im Ammoniak, aus dem wiederum Stickstoffdünger produziert wird. Ohne diesen Dünger würden Ackerböden wesentlich weniger Frucht tragen. Nach einer Schätzung von Wissenschaftlern im Fachmagazin Nature müssten vierzig Prozent der Menschheit, also 2,4 Milliarden Men­schen, verhungern, gäbe es nicht ausrei­chend Stickstoffdünger. Als sich Ende des 19. Jahrhunderts der Weltvorrat an natür­lichem Salpeter, aus dem Stickstoffdünger produziert wurde, erschöpfte, drohte tat­sächlich eine Hungerkatastrophe. Dass Luft einen riesigen Stickstoffvorrat enthält (sie besteht zu 78 Prozent aus Distickstoffmole­külen (N2)), war den Chemikern bekannt. Allerdings verschloss eine chemische Drei­fachbindung den Zugang: Sie „klebt“ die zwei Stickstoffatome bombenfest aneinander. Mit

diesem Trick füllen die beiden Atome sich gegenseitig ihre lückenhaften Elektronen­schalen und sparen viel Energie ein. An der dreifach harten Nuss scheiterten alle Che­miker – bis Fritz Haber sie 1909 knackte. Er entdeckte, dass Osmium als Katalysator unter hohem Druck die Ammoniaksynthese aus dem N2 ermöglicht.

Leider ist Osmium extrem selten, doch der BASF­Chemiker Carl Bosch und sein Assis­tent Alwin Mittasch fanden Ersatz: Eisen in Form – wie wir heute wissen – winziger Nanopartikel erwies sich ebenfalls als guter Katalysator. Allerdings benötigte die Reak­tion einen Druck von mindestens 200 Atmo­sphären und Temperaturen zwischen 400 und

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7 Ein hoher Energieberg (rot) verstellt die Reaktion zweier Mo­leküle (blaue und grüne Kugel links). Sie kann nur ablaufen, wenn man ihr viel Energie zu­führt (roter Pfeil). Ein Katalysator eröffnet einen alternativen, ener­giesparenden Weg (grüner Pfeil): Über dessen Gefälle läuft die Reaktion dann von selbst ab, bis hin zum Endprodukt (rechts).

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L e u c h t b e i s p i e L M i t p L A t i N - d r A h t

1Dieser Versuch zeigt, wie heißer Platindraht als Katalysator wirkt. Dazu erwärmt man Methanol in einem Erlenmeyerkolben. Parallel erhitzt man den Platindraht mit einem Bunsenbrenner bis er glüht. Sobald der Draht nur noch schwach leuchtet, hängt man ihn in den Kolben. Dort glüht er im Methanoldampf kräftig auf, bis dieser sich entzündet. Die Flamme erlischt, sobald der Luftsauerstoff im Kolben aufgebraucht ist, und der Draht hört auf zu glühen. Das Aufglühen und Entzünden wiederholen sich, bis das Methanol verbraucht ist. Ursache des Aufglühens ist die katalytische Oxidation des Methanols, vor allem zu Formal­dehyd und Wasser. Diese exotherme Reaktion heizt den Draht auf. Ab einer Temperatur von 455 °C entzündet sich dann der Methanoldampf.

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500 °C. Boschs Gruppe meisterte die Her aus­forderung und konstruierte einen Durch­flussreaktor, der unter diesen Bedingungen kontinuierlich arbeitete. Schon 1913 startete die industrielle Produktion nach dem Haber­Bosch­Verfahren, das bis heute im Einsatz ist. Haber erhielt den Nobelpreis für Chemie im Jahr 1919, Bosch 1931.

Die chemische Reaktion der Ammoniaksyn­these sieht eigentlich einfach aus: Aus einem Stickstoffmolekül und drei Wasserstoffmo­lekülen entstehen zwei Ammoniakmoleküle (N2 + 3 H2 k 2 NH3). Den Forschern gelang es jedoch nicht aufzudecken, was sich auf dem Eisenkatalysator genau abspielt. Klar war nur, dass die Anlagerung der N2­Moleküle an seiner Oberfläche, ihre Adsorption, die Ge­schwindigkeit der Reaktion bestimmte. Offen blieb aber, ob die Stickstoffmoleküle auf der Fläche zuerst in einzelne Stickstoffatome zerfallen und dann mit dem Wasserstoff reagieren oder ob das komplette Stickstoff­molekül reaktiv wird.

Neue eNergieLANdschAfteN

Erst 1975 konnten Gerhard Ertl und sein Team zeigen, dass das Distickstoffmolekül tatsäch­lich zuerst zerfällt. Der spätere Max­Planck­ Direktor setzte dafür die damals neuesten Methoden der Oberflächenforschung ein. Er untersuchte die katalytische Wirkung von perfekt glatten Eisenoberflächen im Ultra­hochvakuum. Schneidet man durch nahezu fehlerlose Einkristalle, dann sind die Atome auf diesen Flächen in einem regel mäßigen Muster angeordnet. Unter solchen Idealbe­dingungen sollten sich die einzelnen Schritte des Katalyseprozesses leichter entschlüsseln lassen, so vermutete Ertl, als am Nanoparti­kel­Chaos echter Industriekatalysatoren.

Die Eisenatome an der Oberfläche unter­scheiden sich von denjenigen, die tiefer im Kristall stecken. Jedes Atom ist dort auf allen Seiten von Nachbaratomen umgeben, die seinen Hunger nach chemischen Bin­dungen sättigen. An der Oberfläche dage ­gen liegen die Atome offen; sie haben sozu­sagen eine chemische Hand frei. Kommt ein Stickstoffmolekül vorbei, dann können sie es an sich binden. Das passiert allerdings nur in etwa einem von einer Million Fällen. Das gebundene Stickstoffmolekül erfährt auf der Eisen oberfläche eine radikal veränderte Ener­gielandschaft: Plötzlich verliert die starke Dreifachbindung ihren Energiegewinn. Die Stickstoffatome lösen sich und werden frei. Dem H2­Molekül des gasförmigen Wasser­

stoffs ergeht es genauso, doch dessen Ein­fachbindung ist ohnehin recht locker. Die freien Stickstoff­ und Wasserstoffatome können nun ihre chemische Hochzeit feiern. Ertls Gruppe schaffte es, den kompletten Ablauf der komplexen Ammoniaksynthese zu entschlüsseln und zu zeigen, wie man sie optimiert (Abb. C). Doch für viele kinetisch anspruchsvollere Reaktionen gilt Katalyse­forschung auch heute noch als „Schwarze Kunst“ – nach wie vor müssen die Forscher viele Mixturen ausprobieren. Gerhard Ertl führte in das Gebiet die exakten Methoden der Oberflächenforschung ein. Dafür bekam der Direktor am Berliner Fritz­Haber­Institut der Max­Planck­Gesellschaft, der inzwi­schen im Ruhestand ist, 2007 den Nobel­preis für Chemie.

Zu Ertls Forschungsobjekten gehörte auch der Drei­Wege­Katalysator in Benzinau­tos. Er heißt so, weil er drei gefährliche Abgas bestandteile, die während der Ver­brennung entstehen, in harmlose Gase um­wandelt. Geeignete Katalysatoren sind Pla­tin, Rhodium und Palladium. Auf einem Reak­tionsweg oxidiert der „Kat“ das giftige Koh­lenmonoxid (CO) mit Sauerstoff (O2) zum un­giftigen Kohlendioxid (CO2). Der zweite Weg

ist die Oxidation giftiger Kohlenwas ser stoff­Ver bindungen zu Kohlendioxid und Wasser. Auf dem dritten Weg reduziert er schädliche Stickoxide (NOx) zu ungefährlichem N2. Der Max­Planck­Forscher untersuchte die Oxida­tion von Kohlenmonoxid (2 CO + O2 k 2 CO2), allerdings auf Platinoberflächen. „Die Kohlen­monoxid­Oxidation an Platin ist unsere Dro-sophila“, spielt Ertl auf das Modelltierchen der Biologen an. Sie testet stellvertretend für komplexere Reaktionen zuverlässig, wie aktiv die Oberfläche eines Oxidationskataly­sators ist. Die Berliner trieben Anfang der 1980er­Jahre diese Reaktion in einen extre­men Ungleichgewichtszustand. Die Katalyse produzierte daraufhin nicht mehr gleichmä­ßig Kohlendioxid, sondern schwang wie ein Pendel zwischen „keine Reaktion“ und „Re­aktion“ hin und her. Dabei breiten sich die Gebiete, die gerade CO2 produzieren, als Spiralwellen über die Platinfläche aus (Abb. A). Die Platinatome schwingen mit den CO­ und O2­Molekülen im Wechsel, und die ato­mare Landschaft der Katalysatoroberfläche springt zwischen zwei verschiedenen Formen hin und her. Gerhard Ertl faszinieren solche Selbstorganisationsprozesse fernab lang­weiliger Gleichgewichte: „Das ist auch die Grundlage der ganzen Biologie!“ k

3 Die wichtigsten Schritte der Ammoniaksynthese (rote Energiekurve ohne, grüne mit Kataly­sator): 1. Die N2­ und H2­Moleküle (blaue bzw. grüne Kugeln) liegen frei vor. 2. Das N2­Molekül haftet sich an die Eisenoberfläche. 3. Die adsorbierten N2­ und H2­Moleküle zerfallen zu freien N­ und H­Atomen. Es enstehen NH (4.), NH2, (5.) und NH3 (6.). 7. Das fertige Ammoniakmolekül NH3 hat sich von der Eisenoberfläche gelöst.

Die Produktion von 1 kg Ammoniak würde ohne Katalysator rund 66 Millionen Joule verbrauchen (etwa die Verbrennungswärme von 1,5 kg Rohöl). Auf der idealen Einkristalloberfläche setzt sie dagegen 2,7 Millionen Joule an Energie frei.

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Ammoniaksynthese

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Offenbar ist die Lehrbuchmeinung, dass Ka­talysatoren von der Reaktion unbeeindruckt bleiben, idealisiert. Das bestätigt auch Ferdi Schüth, Direktor am Max­Planck­Institut für Kohlenforschung in Mülheim: „Manche Kata­lysatoren verändern sich unter Reaktions­bedingungen ganz dramatisch!“ Viele tech­nische Katalysatoren brauchen erst eine Anlaufphase, um aktiv zu werden. Diese Ak­tivität verlieren sie dann wieder allmählich durch Alterungsprozesse.

Die Mülheimer erforschen feste Katalysa­toren, wie sie technisch eingesetzt werden. Wie schwierig dieses Terrain ist, demons­triert Schüth mit elektronenmikroskopischen Aufnahmen: Anstatt glatter Flächen zeigen sie wild zerklüftete Mikrolandschaften des Trägermaterials, in denen die Nanopar tikel des Katalysators wie verstreute Fels brocken stecken. Diese poröse Struktur verleiht tech­nischen Katalysatoren eine riesige Ober­fläche, die den reagierenden Molekülen ein möglichst großes Spielfeld bieten soll. Ein Gramm der Eisenkatalysatoren für die Am­moniaksynthese zum Beispiel birgt in sich zwanzig Quadratmeter Oberfläche – also einen kompletten, zusammengeknüllten Zim­merboden! Das macht sie so enorm aktiv.

Ähnlich sieht es auch im Drei­Wege­Kataly­sator aus. Wie viele technische Katalysa­toren leidet er zum Beispiel an der hohen Betriebstemperatur, die bis auf 800 °C stei­gen kann. Auf dem heißen Trägermaterial beginnen die Nanopartikel des Katalysators zu wandern. Bei diesem „Sintern“ lagern sie sich gerne zu größeren Klumpen zusammen. Das kann ihre gesamte Oberfläche und damit ihre Aktivität empfindlich reduzieren. „Des­

halb wollen wir einen Katalysator ent ­wickeln, der sinter stabil ist“, sagt Schüth. Da zu sperren die Mülheimer ihre Katalysa­torpartikel in molekulare Käfige, die so klein sind, dass die Partikel ihnen nicht entkom­men und zusammen sintern können. Diese Käfige besitzen aber Poren, die groß genug sind, damit die an der Oxidationsreaktion beteiligten Moleküle hindurch schlüpfen können. Das Mül heimer Modellsystem be­steht aus Gold partikeln. Seine Aktivität tes­ten die Forscher wieder mit der Standard­reaktion, der Oxidation von Kohlenmonoxid zu Kohlendioxid. Er probt ist die Technik an Goldteilchen mit 15 Nanometern (Milliard­stel Meter) Durchmesser.

NANorAsseLN für dAs Auto

Schüths Mitarbeiter Michael Paul erklärt das Verfahren (Abb. D): „Wir bedecken zuerst die Goldpartikel mit einer Schicht aus Poly­vinylpyrrolidon.“ Diese Polymermoleküle, kurz PVP genannt, verhindern, dass die Goldpar­tikel sich am Gefäßboden absetzen oder an­einander haften. Im nächsten Schritt setzen die Mülheimer der Lösung eine Silicatver­bindung zu. Nun wirken die langen PVP­ Moleküle wie Anker, in denen sich Silizium­dioxid (SiO2) aus der Lösung verfängt. „Sie funktionieren wie molekulare Staubsauger“, sagt Paul. Die Forscher lassen diesen Stöber­Prozess, benannt nach dem Physiker Werner Stöber, eine Weile laufen. Dabei wächst um das Gold partikel ein Mantel aus Silizium­dioxid – wie bei einer Perle. Seine Schicht­dicke können die Mülheimer zwischen 100 und 400 Nanometern einstellen, indem sie entsprechend lange warten. „Danach packen wir die Partikel in eine sehr dünne Hülle aus Zirconiumoxidkristallen ein“, erläutert Paul,

„und erhitzen sie auf 900 °C, um sie zu stabi­lisieren“. Nun kommt der Trick: Die nur 15 bis 20 Nanometer dünne Zirconiumoxidhülle hat kleine Poren mit ca. fünf Nanometern Durch­messer. Durch diese lassen die Forscher eine Natriumhydroxid lösung eindringen, die das Siliziumdioxid auflöst. Übrig bleibt eine hohle Zirconium oxid­Nanokugel mit einem losen Goldpar tikel. „Wir haben eine Nanorassel“, lacht Paul. Tests zeigen, dass diese Nano­rasseln über 800 °C aushalten und zudem auch mechanisch sehr stabil sind. Als Kataly­satoren oxidieren sie Kohlenmonoxid zuver­lässig zu Kohlendioxid, ohne durch Sintern an Aktivität zu verlieren. Allerdings sind die 15­Nanometer­Goldpartikel kein sehr guter Katalysator. Technisch interessant werden erst kleinere Partikel mit nur wenigen Nano­metern Durchmesser. Zudem sind andere Materialien wie zum Beispiel Platin aktiver. Deshalb arbeiten die Mülheimer Verpa­ckungskünstler derzeit an einem System mit kleineren Platinpartikeln. Vielleicht haben unsere Autos bald Nanorasseln im Auspuff.

Schlagwörter: Katalysator, homogene/heterogene Katalyse, Haber­Bosch­Verfahren, Ammoniaksynthese, Drei­Wege­Katalysator, Selbstorganisationsprozesse, Sintern, Stöber­ProzessInternet­Tipps: www.ammoniaksynthese.de http://nobelprize.org/nobel_prizes/chemistry/laureates/ 2007Leseempfehlung: Ferdi Schüth, Heterogene Katalyse, Chemie in unserer Zeit, 2006, 40, 92­103

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1 Herstellungsschritte des sinterstabilen Katalysators (von links nach rechts): Die Goldpartikel bekommen eine Schicht aus PVP­Polymeren. Die Chemiker umgeben es mit einer Schicht aus Siliziumdioxid, danach mit einer dünnen Schicht aus Zirconiumoxidkristallen. Durch deren Poren lösen sie das Siliziumdioxid auf. Übrig bleibt eine hohle Zirconiumoxidkugel (rechts), die das lose Goldpartikel einschließt. Unten: elektronenmikroskopische Bilder zu diesen Schritten (ein Nanometer entspricht einem Milliardstel Meter).

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