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1 Paper – LN GSNZ Ausschaffung kurdischer Flüchtlinge 1991 Es geht um Menschen Erstellt von Simon Britschgi Eingereicht bei Prof. Dr. phil. Karin Fuchs

Ausschaffung kurdischer Flüchtlinge 1991 · PDF file · 2014-10-18Jahrhundert - noch nicht selbstverständlich ist, scheint undenkbar. Selbstlaufend hat sich die Thematik aber leicht

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Paper – LN GSNZ

Ausschaffung kurdischer Flüchtlinge 1991 Es geht um Menschen Erstellt von Simon Britschgi Eingereicht bei Prof. Dr. phil. Karin Fuchs

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Inhaltsverzeichnis

EINLEITUNG   3  HINFÜHRUNG  ZUM  THEMA   3  THEMA  UND  FRAGESTELLUNG   3  

HAUPTTEIL   3  GRUND  FÜR  DIE  FLUCHT   3  AUSWEISUNG   4  GEGENWEHR   4  VERSTECK   5  VERHAFTUNG   5  ZEIT VOR DER AUSSCHAFFUNG   5  DIE  POLITISCHE  SEITE   5  700 JAHRE EIDGENOSSENSCHAFT: DAS JUBELJAHR?   6  SOLIDARITÄTSVEREIN   6  EREIGNISSE  1990/91  (TELEFONAT  MIT  J.  WIRTH)   6  DANK   7  

FAZIT   7  QUELLEN-­‐  UND  LITERATURVERZEICHNIS   8    

                                     

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Einleitung  

Hinführung  zum  Thema  Ausgehend vom Weltfrauentag (08. März Tag für die Vereinten Nationen für die Rechte der Frau und den Weltfrieden) fiel die Themenwahl selbstlaufend in eine Richtung in diesem Kontext. Die Gleichsetzung aller Menschen scheint eine logische Konsequenz aus Respekt und Anstand den Mitmenschen gegenüber. Spätestens nach der Aufklärung müssten diese Gedanken doch Fuss gefasst haben. Dass dies - selbst im 21. Jahrhundert - noch nicht selbstverständlich ist, scheint undenkbar. Selbstlaufend hat sich die Thematik aber leicht verschoben. Auf der Suche nach starken Frauen bin ich über Margrit Spichtig-Nann gestossen und hängengeblieben. Hier hat sich mir Geschichte eröffnet, die zum Anfassen ist. Ein Stück Obwalden – welches einige wahrscheinlich lieber unter den Teppich kehren würden. Mit dieser Arbeit habe ich neue Abgründe des Menschen entdecken müssen. Wichtig ist, dass hier die Thematik nur angeschnitten wird. Es ist unglaublich, wie viel Material zu verarbeiten ist und wie offen alle Menschen (mit Ausnahme der politischen Seite) darüber reden und sich freuen, dass die Thematik wieder aufgegriffen wird.

Thema  und  Fragestellung  Viele kurdische Flüchtlinge kamen in die Schweiz, nachdem 1980 die Junta in der Türkei die Macht übernommen hat. 3% der Asylgesuche wurden angenommen, der Rest wurde ausgeschafft.1 In Obwalden machten sich vor allem Frauen stark, dass diese Flüchtlinge – welche zum Teil zur Schule gingen und sich schon in die Gesellschaft integriert hatten - nicht wieder ausgeschafft werden. Warum haben die Aktionen nichts bewirkt? Wer stand hinter dem Entscheid für die Ausschaffung? Wie kann es sein, dass verfolgte Menschen einfach wieder ausgeschafft werden? Machen wir uns damit dann an den Gräueltaten nicht mitschuldig? Damit sind einige Fragen formuliert, die nach Antworten schreien. Schon vorgezeichnet ist, dass die Beleuchtung der politischen Seite kein leichtes Unterfangen werden wird.

Hauptteil  

Grund  für  die  Flucht  Kurden wurden zu dieser Zeit verfolgt in der Türkei. Ab 1980 war die faschistische Partei Junta an der Macht. Kurden werden

                                                                                                               1  Aus  „Margrit  Spichtig-­‐Nann,  Erklärungen“,  S.  3  

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gefoltert und gedemütigt. Aktiven türkischen Staatsbürgern erleiden ein ähnliches Schicksal.

Ausweisung  Ein Grossteil der Asylgesuche kurdischer und türkischer Staatsbürger wurden abgelehnt. Hier spricht man von Papierlosen (sans papiers). Dies, obwohl man wusste, dass die Lage in der Türkei äusserst prekär war (siehe oben). Dass es sich um integrierte Familien handelt, welche schon mehrere Jahre in der Schweiz lebten und deren Kinder zur Schule gingen, spielte keine Rolle. „Die Anerkennungsquote war von Jahr zu Jahr gesunken, 1990 waren es nicht einmal mehr 3%, die als Flüchtlinge anerkannt wurden.“ 2 Die Zahl der angenommenen Asylgesuche belief sich im Jahre 1999 auf 2.7%, stieg aber im folgenden (2000) auf 11.7%. „Bitterer als dieses Urteil traf mich jedoch die Antwort von Budesrat Kollers: „Wenn man Stimmung machen wollte für einen Ausschaffungsstop, hätte man bessere Fälle wählen müssen.“ Ich hatte nie Fälle gesucht. Ich war Menschen begegnet.“3

Gegenwehr  Die Asylsuchenden sahen keine andere Möglichkeit, als mit einem Hungerstreik gegen die Ausschaffung zu protestieren. Frauen und Männer (unterstützt von Margrit Spichtig-Nann und anderen) verbündeten sich und fasteten über 40 Tage. Sie waren ständig unter ärztlicher Beobachtung. Eine stillende Mutter wurde von einer Amme unterstützt, da sie selber keine Milch mehr geben konnte (aufgrund des Fastens). So ausweglos war die Situation und so klar der Wille der Gruppe. Gegen Ende Januar redete die Regierung gar von Zwangsernährung, um die Kurden „reisefähig“ zu machen. Hier weigerte sich aber der zuständige Kantonsarzt Urs Wipfli aus ethischen Gründen. Inzwischen steigt die Solidarität mit den hungerstreikenden Kurden in der gesamten Schweiz.4

                                                                                                               2  Aus  „Margrit  Spichtig-­‐Nann,  Erklärungen“,  S.  3  3  Aus  „Margrit  Spichtig-­‐Nann,  Erklärungen“,  S.  6  4  Anhang  1,  Bund,  25.01.1991,  „Hungerstreik  ist  Ausdruck  der  Hilflosigkeit“  

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Versteck  Da alle Protestaktionen nicht halfen, tauchten die Asylsuchenden unter und versteckten sich an verschiedenen Orten in der Schweiz. Nur wenige Menschen wussten von den Verstecken. Über mehrere Wochen wohnten die asylsuchenden Familien an wieder unvertrauten Orten und bangten um ihre Zukunft. Die Angst, entdeckt und verhaftet zu werden war gross.

Verhaftung  Cornelius Koch – auch der Flüchtlingskaplan genannt – organisierte im Alleingang eine „geheime Pressekonferenz“. Diese fand in Bern statt, direkt neben dem Polizeigebäude. Ziel war eine Zusammenführung der untergetauchten Flüchtlingen und den höchsten Verantwortlichen der Schweizer Landeskirchen. C. Koch erhoffte sich damit, den Schutz der Flüchtlinge zu erhöhen. Zum grossen Erstaunen aller betroffenen hielt dies die Polizei nicht davon ab, alle Asylsuchenden teilweise brutal zu verhaften. Dies ist ein Wendepunkt der Geschehnisse. Von hier an schwand die Hoffnung, dass die Aktionen auf einen grünen Zweig kommen konnten. In der Folge war C. Koch heftiger Kritik ausgesetzt: „...im besten Fall Dilettantismus vorgeworfen, ..., er hätte die Flüchtlinge absichtlich für ein Medienspektakel verheizt.5

Zeit vor der Ausschaffung Die Familien wurden zuerst in die Zivilschutzanlage in Giswil verfrachtet. Eine Gedenkfeier mit anschliessendem Marsch zu den Schutzanlagen wird mit grosser Beteiligung durchgeführt. Später werden die Flüchtlinge ins Polizeigebäude in Sarnen verschoben. Verschiedene Leute „bewachten“ die abgewiesenen Personen, um so eine Ausschaffung noch weiter heraus zu zögern. Verhindert werden konnte sie aber nicht. Eine irre Verfolgungsjagt der Polizei (für einmal wurde die Polizei verfolgt) krönte die ganze Ausschaffung. Mehr als 4 Stunden wurden die Flüchtlinge durch die Schweiz kutschiert, bevor man dann in Kloten eintraf. Ziel dieser Irrfahrt war, die Solidaritätsgruppe zu irritieren, damit auch keine Presse informiert werden konnte. Die 7 Familien werden mit all ihren Kindern und Martin O. (Begleiter) ausgeschafft.

Die  politische  Seite  Der Ausschaffungsentscheid wurde auf Bundesebene gefällt. Durch die starke Medienpräsenz gerieten die verantwortlichen Personen zwar unter Druck, liessen sich aber nicht von ihrem Vorhaben abbringen. Diese Seite kann leider nicht beleuchtet werden, da mehrere Anfragen unbeantwortet blieben.

                                                                                                               5  Ein  unbequemes  Leben  S.  194  

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700 Jahre Eidgenossenschaft: das Jubeljahr? Alois Spichtig (Mann von Margrit Spichtig-Nann) wird beauftragt, einen Stein zu kreieren zu Ehren der Eidgenossenschaft. Dieser Stein hätte auf dem Landenberg im Rahmen von Feierlichkeiten gesegnet und in der Folge positioniert werden sollen. Da Herr Spichtig aber mit der Flüchtlingspolitik nicht einverstanden war, übergab er den Stein der Melchaa und protestierte so auf seine Art (Anhang 3). Kurze Zeit später verschwand der Stein. Unbekannte Täter haben ihn entwendet. Wie er wieder zum Vorschein kam, ist unbekannt. Heute liegt er neben der Pfarrkirche in Sachseln in einer kleinen Wiese eingebettet. Ein schmerzliches Zeugnis aus einer bewegenden Zeit.

Solidaritätsverein Da die Protestaktionen nicht erfolgreich waren, wurde ein Verein gegründet (von Margrit Spichtig-Nann), um die Eingliederung der abgeschobenen Asylsuchenden zu unterstützen und sie zu begleiten. Durch Spendenaktionen wurden die kurdischen Familien finanziell und menschlich in ihrer alten Heimat wieder eingegliedert.

Ereignisse  1990/91  (Telefonat  mit  J.  Wirth)  Hier werden die Ereignisse stichwortartig noch einmal aufgeführt. Dies war der Grundstein für alle Recherchen. Auf den Worten von J. Wirth wurde die Geschichte aufgebaut und der Stein ins Rollen gebracht. 1. Aufnahme kurdischer Flüchtlinge in der Turnhalle Sarnen

Ende Dezember 2. Schulbeginn Verschiebung ins Friedensdorf Flüeli Ranft 3. Hungerstreik (Margrit Spichtig-Nann injiziert und

hungert mit). Cornelius Koch besucht Kurden 4. Anfang Februar tauchen die Kurden unter (Ferienhäuser,

Wohnungen,...) Orte sind natürlich nicht bekannt. 5. April: Bern Pressekonferenz (organisiert durch Cornelius

Koch), neben Polizeigebäude à Provokation à Flüchtlinge werden festgenommen

6. Dislokation nach Giswil, Zivilschutzunterkunft

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7. Dislokation nach Sarnen, Polizeigebäude, Aktivisten halten Wache, dass die Flüchtlinge nicht ausgeschafft werden

8. Anfang Mai: Verschiebung nach Kloten und Ausschaffung 9. Gründung Verein zur Unterstützung der Kurden in der

Türkei 10. Alois Spichtig gestaltet Stein für die 700 Jahrfeier,

versenkt ihn in einer Gegenfeier in der Melchaa (Ranft), Stein verschwindet, ... und liegt jetzt neben Pfarrkirche Sachseln

Dank  Folgende Menschen und Institutionen haben einen entscheidenden Beitrag geleistet, dass diese Arbeit entstehen konnte. Hier möchte ich meinen Dank aussprechen.

§ Sekretariat Friedensdorf (Rona Liechti) § Franziska Spichtig und Familie § Josef Wirth § Marie-Claude Imfeld-Arquint

Fazit  Abgründe taten sich mir auf und immer neue Fragen kamen ans Licht. Die Ausschaffung konnte nicht verhindert werden – trotz eines enormen Aufwandes und viel (auch prominenter) Unterstützung des Volkes. Dies spricht nicht für unsere Demokratie. Das sich das Ganze im Jubeljahr 1991 (700 Jahre Schweiz) abspielte, scheint wie ein ironischer Wink des Schicksals zu sein. Alle Lobesreden auf die Eidgenossenschaft, Zusammenhalt, Neutralität, Solidarität,... sind leere Worte. In diesem bearbeiteten Beispiel ist davon wenig zu spüren. Bei dieser Arbeit handelt es sich um die Dokumentation eines Prozesses. Darum ist sie weder vollständig, noch abgeschlossen. Ein grosser Teil der Dokumente ist noch nicht gesichtet oder verarbeitet. Vieles liegt noch brach. Ziel ist es, diese Arbeit zu vervollständigen und eine Unterrichtssequenz für die Orientierungsstufe bereit zu stellen. Zumindest in Obwalden handelt es sich hier um Geschichte zum Anfassen. Ich bin der Meinung, dass es für Jugendliche in unserem Kanton und darüber hinaus von grosser Wichtigkeit ist, in diese Materie einzutauchen. Exemplarisch für das gesamte Asylwesen, kann diese Sequenz helfen, sich damit zu identifizieren. Der Lerneffekt wird positiv beeinflusst, da man viele Standorte kennt, da Personen auftauchen können, von denen man schon gehört hat und weil es ein Teil von „unserer“ direkten Geschichte ist. Weiter ist es eine Chance, Zeitzeugen zu finden und auch im Bereich der „Oral History“ zu arbeiten. Leider konnte ich meine Fragestellung nicht beantworten, da von der politischen Seite keine Antworten kamen. Beim heutigen

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Bildungs- und Kulturdirektor Franz Enderli bekam ich keine Antwort. Der damalige (und heutige) Chef des Amtes für Flüchtlinge hat sich bei mir gemeldet. Auf die erneute Frage, wie wir denn am besten in Kontakt treten könnten (telefonisch, per Mail, persönlich,...), blieb die Antwort leider auch aus. Im Sinne von „keine Antwort ist auch eine Antwort“ muss ich es für den Moment so stehen lassen. In meiner weiteren Arbeit werde ich die Kontakte aber wieder anschreiben und eindringlicher versuchen, Antworten zu finden. In Anhang sind einzelne Dokumente aufgelistet, die einen kleine Einblick in die Originaldokumente geben. Bei einzelnen wird im Text ein Bezug hergestellt. Das es sich um eine Prozessarbeit handelt bleibt Vieles offen. Ich bin aber jetzt schon gespannt mich weiter mit dem Thema auseinanderzusetzen. Es geht um Menschen.

Quellen-­‐  und  Literaturverzeichnis  Kontaktpersonen: Sekretariat Friedensdorf Josef Wirth (Pfarrer) à Telefongespräch, Mailkontakt Franziska Spichtig (Tochter von Margrit Spichtig-Nann) Marie-Claude Imfeld (Aktivistin gegen Flüchtlingsausschaffung)

§ heimatlos 1991, Chronik eines Hungerstreikes, Hrg.: M. Reif, P. Hauser, A. Spichtig (Gestaltung)

§ E. Brühlmann-Jecklin, Die Flüeli-Ranft-Flüchtlinge und ihre VersteckerInnen im Jubeljahr 1991, Nussbaum Verlag 1994

§ Braun/Rössler, Cornelius Koch, Flüchtlingskaplan, Ein unbequemes Leben, Zytglogge Verlag 2011

§ NZZ Folio, Kurden, Nr. 11/Nov. 1993 § Div. Zeitungsberichte und Originaldokumente § Film von Xavier Koller, Reise der Hoffnung, 1993 § http://sjep.revues.org/274#tocto3n2, besucht am 29.05.13 §

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Anhang 1

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Anhang 2

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Anhang 3

12   [Geben  Sie  den  Dokumenttitel  ein]    

Anhang 4

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Anhang 5