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Beitrag zur Anatomie der erworbenen Schwer- hSrigkeit. Von Rudolf Panse, Dresden. Mit 10 Abbildungen im Text. Als die Deutsche otologische Gesellschaft auf ihrer Sitzung in Wiesbaden beschloB, ein groBes Sammelwerk fiber die Anatomic der Taubstummheit herauszugeben, empfahl ich als praktisch wichtiger eine solche fiber die erworbene Schwer- hSrigkeit und Taubheit, d~ die Stummheit eine mehr zuf~llige Folge einer in der fffihen Jugend erworbenen Taubheit dar- stellt und auBerdem unter dem etwas laienhaften Begriff der Taubstummheit alle m5glichen Leiden zusammengcfa~t werden, bei denen z.B. Bezold noch erhebliche HSrreste nachweisen konnte. Meiner Anregung wurde nicht Folge gegeben, wir sind deshalb auch jetzt mit den anatomischen Grundlagen der erworbenen SchwerhSrigkeit so schlecht bestellt, dab jeder Beitrag erwiinscht erscheint. Zum Verst~ndnis der 2 Paar Schl~fenbeine von sp~tt Ertaubten habe ich zwei solche einer angeboren Taubstummen hinzugeffigt, um einige den dort gefundenen ~hnliche Ver- ~nderungen berficksichtigen und neu verwerten zu kSnnen. Im ersten Falle, dessen Schl£fenbeine ich der Liebenswiirdigkeit des leitenden Arztes Sam-Rat Dr. Hecker verdanke, handelt es sich um eine 56j~,hrige N~herin, die am 25. III. 13 an Lungentxlberkutose st~rb. Sic befand sich im S[echenhause wegen GeistesstSrung, Zwangs- irresein und Taubheit. Sie hatte im 12.! Lebensjahre Gehirnent.- zfindung, die zu Verlust des GehSrs beiderseits fiihrte. Sic konnte gut yon den Lippen ablesen, war 23 Jahre Hausm~dchen bei dem Direktor der Taubstummen-Vorschule, dann bis 1900 im Asyl fiir taubstun~me M~dchen, dann in einem M~dchenheim und yon 1905 an wegen Er- regungen, Selbstmordgedanken und Angstzust~nden in das st~,dtische Irren- und Siechenhaus aufgenommen. Aus dem Sektionsprotokoll ist zu bemerken, dal~ die harte Hirnh~ut sich leicht vom Scl~del ab- 15ste, innen glatt und gl~nzend war, w~hrend die weichen It~ute auf der HShe der Konvcxit~t filzig verw~chsen, abet frei yon tuber- kulSsen Ablagerungen waren. HirnhShlen erffillt mit nur wenig trfiber

Beitrag zur Anatomie der erworbenen Schwerhörigkeit

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Page 1: Beitrag zur Anatomie der erworbenen Schwerhörigkeit

Beitrag zur Anatomie der erworbenen Schwer- hSrigkeit.

Von

Rudolf Panse, Dresden.

Mit 10 Abbildungen im Text.

Als die Deutsche otologische Gesellschaft auf ihrer Sitzung in Wiesbaden beschloB, ein groBes Sammelwerk fiber die Ana tomic der Taubs tummhe i t herauszugeben, empfahl ich als prakt isch wichtiger eine solche fiber die erworbene Schwer- hSrigkeit und Taubhei t , d~ die S tummhei t eine mehr zuf~llige Folge einer in der fffihen Jugend erworbenen Taubhei t dar- stellt und auBerdem unter dem etwas la ienhaf ten Begriff der Taubs tummhe i t alle m5glichen Leiden zusammengcfa~ t werden, bei denen z . B . B e z o l d noch erhebliche HSrres te nachweisen konnte . Meiner Anregung wurde nicht Folge gegeben, wir sind deshalb auch je tz t mit den anatomischen Grundlagen der erworbenen SchwerhSrigkeit so schlecht bestellt, dab jeder Bei t rag erwiinscht erscheint.

Zum Verst~ndnis der 2 P a a r Schl~fenbeine von sp~tt E r t a u b t e n habe ich zwei solche einer angeboren T a u b s t u m m e n hinzugeffigt, um einige den do r t gefundenen ~hnliche Ver- ~nderungen berficksichtigen und neu verwerten zu kSnnen.

Im ersten Falle, dessen Schl£fenbeine ich der Liebenswiirdigkeit des leitenden Arztes Sam-Rat Dr. Hecker verdanke, handelt es sich um eine 56j~,hrige N~herin, die am 25. III . 13 an Lungentxlberkutose st~rb. Sic befand sich im S[echenhause wegen GeistesstSrung, Zwangs- irresein und Taubheit. Sie hatte im 12.! Lebensjahre Gehirnent.- zfindung, die zu Verlust des GehSrs beiderseits fiihrte. Sic konnte gut yon den Lippen ablesen, war 23 Jahre Hausm~dchen bei dem Direktor der Taubstummen-Vorschule, dann bis 1900 im Asyl fiir taubstun~me M~dchen, dann in einem M~dchenheim und yon 1905 an wegen Er- regungen, Selbstmordgedanken und Angstzust~nden in das st~,dtische Irren- und Siechenhaus aufgenommen. Aus dem Sektionsprotokoll ist zu bemerken, dal~ die harte Hirnh~ut sich leicht vom Scl~del ab- 15ste, innen glatt und gl~nzend war, w~hrend die weichen It~ute auf der HShe der Konvcxit~t filzig verw~chsen, abet frei yon tuber- kulSsen Ablagerungen waren. HirnhShlen erffillt mit nur wenig trfiber

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Beitrag zur Anatomie der erworbenen SchwerhSrigkeit. 23

Fltissigkeit, t t i rn ~frei yon Blutungen und Erweichungen, Schnittfl~che trocken. Sonst Tuberkulose der inneren Organe.

Die Schl~fenbeine werden nach P a n s e zerlegt und nach W i t t - m a a c k welter behandelt.

Re c h t s ist das Trommelfell besonders in der Schleimhautschicht erheblich verdickt; im GehSrgang cerumenen obturans. I tammer-Am- boBgelenk normal, in der Pauke keine Verwachsungen. Stapes- gelenk und -Platte, Faukenschleimhaut ohne Besonderes.

Knochen mit gewShnlichen Interglobularr~umen und Fettm,~rk. Inneres Ohr: Ferilymphatisches ]~indegewebe vermehrt, spindel-

zellig. Crista~ ampullarum flach, Zy]inderepithel ohne Haarzellen, cupulae flach. Nervenkan~le schlecht geftillt. Im Vorhof bindegewebige B~nder, macula utriculi schlecht erhalten.

Der Eingang zum Aquaeductus cochleae ist knSchern verschlossen. (Abb. 1. ) Zartes Bindegewebe mit Knochenbalken in der scala tympani des Vorhofsteiles und der Lamina spiralis ossea. Dmsselbe finder sich in der Scala tympani und vestibuli der ]3asalwindung (Abb. 2), in der auBerdem der Ductus cochlearis dutch Ausbuchtung der Membrana Reissneri im Querschnitt fund und mil~bildet ist. I n der iibrigen Schnecke keine Bindegewebs- und Knochenbildung.

Die Stria vascularis ist im Vor- hofsteile gut ausgebildet, sonst flach aber mi t erhaltener Prominentia spiralis. Membrana Reissner aul]er in der Basalwindung tiberall normal gelagert. Die Cortische Membran ist iiberall, aul]er im Vorhofsteil und der Basis, wo sie fehlt, als rund- liches Gebilde y o n e i n e r E p i t h e l - s c h i c h t e i n g e s c h e i d e t . An ihrer Stelle liegt ein dunkeh'ot mi t Eosin gef~rbter flacher Exsudatstreifen. Membrana basilaris zeigt normale Abb. 1. Fasern, ¢ympanale Belegschicht z.T. Taubheit nach Meningitis. abgehoben, Claudiussche Zellen gut Aquaeductus cochleae durch erhalten. Sulcus spiralis int. normal. Knochen verschlossen. Von tier papilla basilaris ist z. T. die grobe Form in Gestalt eines Htigels yon Rundzellen erhalten, nirgends mehr Pfeiler, Tunnel , Stfitz- und ttaarzeilen zu unterscheiden. Ganglien- zellen tiberall, besonders basal vermindert, bier auch gr5Bere Hohl- r~ume im Ganglion {Abb. 2).

Akustikusfasern auch in der Lamina spiralis ossea mi t spindeligen Einschnfirungen noch zu erkennen. Der Stamm des cochlearis zeigt spindelige und walzenfSrmige Einziehungen.

Auf d i e sem 0 h r is t also der I n f e k t y o n dom S c h ~ d e l i n n e r n , wie ich bere i t s f r i iher beschr ieb l ) , d u t c h d e n aq. cochleae in d ie S c h n e c k e g e d r u n g e n , h a t b ie r zu B i n d e g e w e b s - u n d K n o c h e n n e u b i l d u n g gef i ih r t u n d woh l als serSse L a b y r i n t h i t i s das Cor t i sche O r g a n gesch~tdigt u n d don P e r i l y m p h r a u m zu B i n d e g e w e b s b i l d u n g ange reg t . Be i de r T a u b h e i t i s t die

~) Pathol . Anatomie Abb. 87, 88.

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~4 RUDOLF PANSE,

Ansammlung yon Cerumen unbemerk t geblieben und hat zur Verdickung des Trommelfelles gefiihrt.

Abb. 2. 56j~hrige, T~ubheit nach Meningitis.

Das l inke Ohr zeigt die Ver~nderungen wesentlich vorgeschrit- tener. Trommelfell in der Membrana prop. und Paukenschleimhaut verdickt, tIammer-Ambo~gelenk ohne Ver~nderungen.

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Beitrag zur Anatomie der erworbenen SchwerhSrigkeit. 25

~ber die St~pesplatte zieht Periost und P~ukenschleimhaut un- ver~ndert hinweg, aber di6 Knochenplat te ist z .T . verdickt, z .T . durch Bindegewebe ersetzt, d~s mi t dem im Vorhof befindlichen zu- sammenh~ngt (ikbb. 3).

Der Vorhof ist auBerdem ausgefiillt mi t F e t t un4 hSckerigem Knochen, der nach innen zu kompakt wird und nur dutch seine Archi- tektur und da~ Fehlen der Interglobularr~ume yore al ten Knochen abgrenzb~r ist. Die Bogeng~nge sind gleichfalls mi t Knochen gefiillt, der Aquaeductus vestibuli rol l Bindegewebe mi t t tohlr~umen und erweitert , der Aquaeductus cochleae frei, eine Vene enthaltend.

Sclmecke mi t Knochen ausgeffillt (Abb. 4), in dessen Hohlr~umen zarte Gef~l]e verlaufen. Lamin~ spiralis ossea iiberalt noch gut kennt- lich. In der Ba~alwindung fehlt z . T . das Periost,, der Interglobnlar- knorpel ist zerstDrt un4 dutch neugebildeten Knochen ersetzt. Sonst

Abb. 3. Taubheit nach Meningitis.

i s t fiberall die Grenze zwischen al tem Hohlraum und neuem Knochen deutlich. Dieser entspringt z. T. yore Endost, z .T . yon dem zarten Bindegewebe in den tIohlr~umen. Die Weichteile fehlen vSllig.

Die Ganglien~an~le sind teils leer mit. geringen Resten von Nerven- zellen, tells yon neugebildetem Knochen ausgefiillt. Die ~kkustikus- fasern fehlen in lamina spiralis, tractus for~minutentus und innerem GehSrgang.

Die stHrkere Knochenwucherung 1H~t auf diesem 0hre auf einen stHrkeren Reiz schliel~en, der sich bis auf die Stapes- platte erstreck~ hat, aber nicht bis in die Pauke eingebrochen ist.

Bisher nicht beobachtet wurde Fettgewebe im Vorhof. Das zweite P ~ r Scht~fenbeine s t ammt von einer 75j~hrigenFrau,

olme kSrperliche und geistige Bet~stung, ebenfalls afis der St~dt . l=Ieil- und Pflegeanstalt, leitender Arzt San.-Rat Dr. Hecker. Sie ha t 6 gesunde lebende Kinder, 7 sin4 gestorben. Sie ha t leicht gelernt. Seit den 40er 5ahren l if t sie an Ohnmacht mi t nachfolgendem Erbrechen, alle

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26 R U D O L F PANSE,

paar Monate etw~ 10 3ahre lang mi t viel Kopfschmerzen. Sie hSrte yon jeher schwer, seit 1900 ist sie g~nz f&ub, seit 2 5ahren sieht sie

Abb. 4. Taubheit nach Meningitis.

auch schlecht. Stets aufgeregt, j~hzornig, 7. Juli 1912: Mattigkeit, Augen nach links oben verdreht, sprach wenig, konnte schlecht gehen und stehen, unklar, j/~hzornig, sp~ter ruhig. 28. I. 13. Tod an Lungen-

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Beitrag zur Anatomie der erworbenen SchwerhSrigkeit. 27

6dem. Sektion ergab Eitrige Pyelonephritis, Metastatischer Hirn- abszel3, eine kirschgrosse, ~nit gelbem Eiter geftillte Cyste im rechten corpus str iatum. Pia leicht 6dematSs, sonst nichts Besonderes.

Das wie die vorigen zubereitete rechte Schl~fenbein zeigt ein nor- males Knochengertist, die Paukenw£nde in der Tubengegend und alle Nischen sind mit ser6sem Exsudat belegt. Tromntelfell normal, Paukenschleimhaut verdickt. An den grol~en Geh6rknochen nichts Besonderes. Stapeskopf mi t dickem Band an das Promontor ium befestigt. Stapesptatte und runde Fensterhaut sowie Tensor t ~ n p a n i ohne Abweichungen.

Abb. 5. Unterer ]3ogengang. Rundiger Bogengang an der i~ul~eren Seite angeheftet, innen

hSckerig, kein Perilymphgewebe.

Pars superior. Bogeng~nge verdickt, an der ~ul]eren Bogenseite angeheftet, innen mi t VorwSlbungen (Abb. 5). Das peril~mphatisehe Bindegewebe fehlt fast vOllig. Cupulae ohne Besonderes. Utriculus nicht erweitert, (lurch B~nder an die St~pesplatte befestigtl), Macula gut erhalten. Sacculus ohne Befund. Nervenkan~le gut mi t Fasern ausgeftillt.

Pars inferior. Viel Pigment im Modiolus. Vorhofsblindsack mi t Bindegewebe ausgeftillt. )~quaeduetus cochleae frei bis auf Gerinnsel.

1) Solche B~nder kSnnen fiir das , ,Fistelsymptom ohne Fistel" verantwortlich sein. Vergl. Panse, Schwerh6rigkeit dttrch Starrheit der Paukenfenster. S. 243.

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28 R U D O L F P A N S E ,

Abb . 6.

F e h l e n de r ~ui~eren t t a u t .

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t~eiCrag zur Anatomie der erworbenen SchwerhSrigkeit. 29

Membrana Reissner fehlt vollst~ndig (Abb. 6)., auch kein Res t am Ansatz, auBer in der Spitze, wo sie senkrecht nach oben zieht. Lig. spirale ist nut in der Basis ertmlten, zeigt groBe Itohlr~ume abwech- selnd mi t dichteren Zellenh~ufungen, es fehlt in der Mitre und Spitze. Stria vascularis basal und in der Mitre normal mi t Blutgef~Ben und Prominenti~ spiralis, in der Spit ze verkfimmert , flach.

L~mina spiralis membranacea normal gelagert auBer in der Spitze~ wo sie auf die knScherne ZwJschenw~nd herabgedriickt is t (Abb. 6).

Abb. 7.

Tympanale ]~elegschicht und Claudiussche Zellen aufier in tier Spitze tiberall gut erhalten. Sulcus spiralis internus gut ausgebildet, Ch'ista spiralis und Membrana Corti in allen Windungen wohlgestaltet. Cortis Organ nut in grober Form erhalten, yon den Zellen nut die Cortischen Pfeiler zu erkenfmn. In der Spitze ist t rotz der Senkung der Basal- membran nfit der Papille diese gut erhalten, sogar noch eine Haarzelle zu erkennen.

Nervus cochlearis im oberen Teil des Modiolus gut erhalten, ebenso in der I ~ m i n a spirdlis osse~ der oberen Windung. Die Nervenzellen sind z. T. wohl erhalten un4 ffillen ihre Bindegewebskapsel aus, z . T . sind sie geschrumpft, an der Basis an Zahl vermindert . ~ber die Be- schaffen_heit des Nervenst~mmes ist wegen der Leichenver~nderungen

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3 0 R U D O L F P i N S E ,

Abb . 8.

n i c h t s Sicheres zu sagen , Spindel - u n d W~lzenzer fMl feh len ebenso wie Zell- u n d B i n d e g e w e b s w u c h e r u n g .

i u f d e m l i n k e n Ohr f i nde r sich in der P a u k e e in dickes s u b m u - cSses Gewebe , w ~ h r e n d im ii lJrigen Trommel fe l l , G e h S r k n o c h e n u n d F e n s t e r o h n e A b w e i c h u n g e n s ind.

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Beitrag zur Anatomie 4er erworbenen SchwerhSrigkeit. 31

Die Bogeng~nge sind wie rechts verdickt, zeigen im Inneren st~rke VorwSlbungen. Daa perilymph~tische Bindegewebe fehlt fast vSllig. Ampullen wohtgestMtet mi t guten t~'ervenflecken und cupulae, n ~ c u l a utriculi und Vorhofswa~serleitung.ohne Besonderes. Sacculus (Abb. 7) nicht erweitert, macula Sacculi zeigt s tar t der Stiitz- uncl Ha~rzellen unregelmi4Bige runde Kerne, die Otolithen- membran ist zu biischetfSrmigen Haaren geronnen. Von der Lamina spiralis ossea des Vorhofsteiles gehen zarte Endothelb~nder nach oben, deren eines wohl die verschobene Membr. Reissner ist (Abb. 7).

Im Modiolus ziemlich viel Pigment. Membr. Reissner fehlt in der ganzen Schnecke (A~bb. 8).

Lig. spirale entb;41t basal Cysten abwechselnd mit zellreichem Gewebe, ist in der Mitte und Spitze dutch Herabrticken der lamina spiralis membranacea abgeflacht.

Die Stria vascularis ist in verschiedener Weise miBgestMtet, basal un ten noch gut gebaut mi t Prominent ia spiralis und Blutgef~Ben. In tier Mitre und oben abgeflacht, unregelm~l]ig gebildet, in mehreren Abschni t ten sich nach der verlagerten Ba~ilarmembran herunter- ziehend.

Die Membrana basilaris ist basal un t en und oben normal gelagert und gebaut. In der Mitre un ten an der Lamina spiralis ossea scharf nach un ten abgeknickt und dutch Bindegewebe mit cystischen Hohl- r~umen, z .T . rol l Kolloid und einzelnen Knochenspangen in dieser Stellung festgehalten. DaB sie nicht lediglich etwa durch den Narben- 7.ug des Bindegewebes verlagert ist, beweist eine, wenn auch. weniger starke Abknickung in der Mitre oben. Die Membrana Corti ist aul]er basal unten, wo sie abgelOst ist, gut gebaut und gut erh~lten. Ebenso iiberall der Sulcus spiralis int., w~hrend der Sulcus spiralis externus durch die tiefe Anheftung der Lamina spiralis membranacea in Mittel- windung und Spitze eine sehr wechselnde Gestalt erhalten hat (Abb. 8).

Der' Zellbelag der Membrana basilaris peripher yon der Papille ist zu einem ganz flachen Epithellager umgewandelt, das in der Basal- windung yon dem Sulcus spiralis int. bis zur Prominenti~ spirMis an Stetle der Papille hinzieht. In der Mitre un ten und in der Spitze ver t r i t t das Cortische Organ ein Hiigel unregelm~13iger Zellen, aus denen man kaum die l%rm Cortischer Pfeiler erkennen kann.

Nervenfasern sind in der Lamina spiralis ossea und im Modiolus iiberall zu erkennen. I n der Basis sehr verdiinnt.

Ganglienzellen sind in der lYIitte noch ziemlich zahlreich vorhanden, in der Basis nur noch ganz vereinzelt. Sie sind zum Tell wohlgestaltet und groB, andere fiillen die bindegewebige Kapsel nicht aus. Im iibrigen ist der Ganglienkanal mi t lockerem, z .T . an Rundzellen reichem Bindegewebe und Cysten ausgefiillt. Die FaseI~ des Akustikusstammes sind auf lange Strecken mit parallelen R~ndern zu verfolgen und zeigen weder postmortale, walzenfSrmige noch degenerative, spindelfSrmige Segmentierung.

F a s s e n wir die B e f u n d e der zwei Schl&fenbeine z u s a m m e n , s o mi i s s en wi r a n n e h m e n , d a b e in gewa l t i ge r ( ~ b e r d r u c k i n d e n e n d o l y m p h a t i s c h e n R i~umen g e h e r r s c h t h a b e n m u l l Vie l le ich t s i n d s c h o n die V e r w S l b u n g e n als F ~ l t e l u n g de r Bogengi~nge au fzu fa s sen , d ie s ich n a c h e ine r u r s p r i i n g l i c h e n E r w e i t e r u n g e inges t e l l t ha t . D o c h s p r i c h t d a g e g e n de r n o r - ma le U m f a n g y o n U r t i c u l u s u n d Sacculus . S icher i s t a b e r der V e r l u s t der R e i s s n e r s c h e n M e m b r a n so zu erkli~ren, da{~ sie d u r c h d e n l ~ b e r d r u c k i m D u c t u s cochlear is a n die W a n d

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32 RUDOLF PANSE,

Abb. 9.

der Scala Vestibuli angedriickt worden und dort verklebt und zu Grunde gegangen ist. Dafiir spricht die Herabdr~ngung des Ansatzes der Lamina spiralis membranacea in der Spitzen-

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Beitr~g zur &natomie der erworbenen Schwerh6rigkeit. 33

Abb. 10.

windung des rechten Ohres (Abb. 6) und in der Mitre und Spitze des l inken Ohres (Abb. 8). D a auf die Cortische Mem- b r a n der Druck yon beiden Seiten wirkte , ist sie n icht ver-

Archiv t. Ohrenheilkunde. Bd. 96. 3

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34 R U D O L F PANSE,

a n d e r t w o r d e n . A u f g l e i chze i t i ge E n t z i i n d n n g s v o r g a n g e we i sen d ie B a n d e r i m V o r h o f s t e i l des l i n k e n O h r e s h in ( A b b . 7) u n d d ie B i n d e g e w e b s b i l d u n g in d e r M i t t e l w i n d u n g d e r g l e i c h e n Sei te . W e l c h e r Einflul~ Cor t i s ches O r g a n u n d w o h l s e k u n d a r G a n g l i e n u n d A k u s t i k u s z u r A t r o p h i e b r a c h t e , i s t n i c h t z u sagen . V ie l l e i ch t i s t e in a l l g e m e i n e r E n t z i i n d u n g s v o r g a n g i m S c h a d e l i n n e r n au f s O h r i i b e r g e g a n g e n , d e r z u g l e i c h m i t d e m m e t a s t a t i s c h e n Hi rnabsze l~ e n t s t a n d e n is t .

A l s B e w e i s f i i r d ie ob ige E r k l a r u n g des Z u g r u n d e g e h e n s d e r R e i s s n e r s c h e n M e m b r a n gebe i ch n o c h d i e B e s c h r e i b u n g y o n zwei S c h l a f e n b e i n e n , d ie e ine r a n g e b l i c h k o n g e n i t a l t a u b s t u m m e n F r a u e n t s t a m m e n , d ie i m A l t e r y o n 65 J a h r e n a n e i n e m r i n g f S r m i g e n C a r c i n o m a n d e r V a l v u l a B a u h i n i s t a r b . Au l~e rdem h a t t e sie e ine v511ig a u s g e h e i l t e R i p p e n k a r i e s , s o n s t k e i n e Z e i c h e n v o n T u b e r k u l o s e .

Am l i n k e n Ohr ist tier Knochen, Trommelfell, ttOrknochen mad Gelenke normal, der untere Stapesschenkel bindegewebig an die Nische angewachsen. FuBplat te und runde Fens te rhau t ohne Besonderes.

Bogeng/~nge normal, Cupulae wolff erhalten, im peri lymphat ischen Bindegewebe hyaline Niederschl/~ge.

Utriculus dutch den mi~chtig erweiterten Sacculus nach oben ge- dri~ngt, Macnla atrophisch, ebenso die Macula Sacculi.

Der Knochen und die Interglobularri~ume der Schnecke sind normal. Es bes teht eine mi~chtige Erweiterung des Ductus coclffearis (Abb. 9). Basal unten is t als einzige Spur der Reissnersehen Membran die Dedeckung eines Spaltes auf der Lamina spiralis ossea zu sehen, basal oben is t sie der Modiolarwand der Scala vestibuli gen/~hert, dabei is t ihr Ansatz auf der Basis nicht v%rschoben. In der Mit ten windung is t er fast bis an den Modiolus verschoben, die Hau t is t viel- fach gefaltet und im Schnit t schief ge±roffen, der Ansatz fiber dem lig. spirale is t normal. In tier Spitze is t der obere Ansatz verschoben, der basale erhalten. Lig. spirale zeigt unregelm/~Bige Anordnung der Fasern.

Str ia vascularis is t basal unten v611ig a t rophier t bis auf die prom. spirMis, basal oben leidlich erhalten, in tier Mitte und oben atrophisch. Cortis Membran felfft basal oben, is t basal unten und in der Mit ten windung und Spitze im Quersehnitt rundlich in den Sulcus spiralis int. hineingedrfickt und von einer Epithellage fiberzogen. Lamina spiralis membranacea ohne Besonderes, Zellbelag auf beiden Seiten ganz flaeh, undeutl ich zu erkennen.

Cortis Organ fiberall nur als ganz flacher Hiigel aus rundlichen Zellkernen angedeutet .

In der Lamina spiralis ossea nur ganz wenig Reste des Nerven- faserverlaufes, sonst Bindegewebsausfiillung. Ganglion spirMe enth~lt in der Mitre einen t Iohl raum, sonst reichliche Zellen, in der Basis nur ganz sp~rliche. Der Akus t ikuss tamm ha t w~lzenfOrmig zerfallene F~sern.

Das r e c h t e Ohr hat normale Verh~ltnisse im Mittelohr bis auf eine bindegewebige Verwaehsung des Stapesschenkels an die untere Nischenwand.

Dicke Niederschl~ge in Peri- und Endolymphr~umen. Ampullar- cristae zum Teil mit Cupulae erhalten. Aquaeductus Vestibuli, Macul~ Utriculi ohne krankhafte Ver~nderungen, Sacculus nicht erweitert. Schneckenknochen ohne Besonderes.

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Beitrag zur Anatomie der erworbenen SchwerhSrigkeit. 35

Reissnersche Membran fehlt scheinbar tiberall, aber in der Basal- windung unten ist deutlich zu erkennen, wohin sie gekommen ist. Es ist hier n~he an der modiol~ren Seite der Scala, Vestibuli eine infolge F~Itelung schief getroffene Haut mit Endothelbelag zu sehen, die sieh sowohl auf der L~min~ spir~lis als an der oberen Scalaw~nd eine Strecke welt verfolgen l~l~t. Es ist die m~chtig gedehnte, der Knochen- w~nd angepreBte Membr~na iReissner, die peripherw~irts mit dem Periost verschmolzen nicht yon ihm zu trennen ist. Basal oben ver- l~uft sie eine Streeke welt dutch einen Sp~It getrennt, in der Mittel- windung ist nichts yon ihr zu erkennen, in der Spitze ist sie m~chtig ausgedehnt (Abb. 10).

])as ]ig. spirale ist sehr zell~rm und flach. Membrana basilaris ohne Vas spirale und tympanale ][~elegzellen.

Stria. vascul~ris bas~l dutch eine einfache Epithellage ersetzt, unlen mit erhaltener Prominent ia spiralis. In der Mittelwindung ist sic ein dicker Epithelwulst ohne Blutgef~13e, oben fl~ch, in der Spitze oben unregetm~Biger Wutst mit einem Blutgef~lL

Cortis Membr~n liegt basal unten im Suleus spiral, inf. ohne Uberzug, is t b~sal oben mid in der Mitte klein, im Querschnitt rundlich in den Suleus v e r l a g e r t u n d mit einer flachen Epithellage tiberzogen.

Papi l la basilaris fehlt basal unten ganz, ein flacher Epithel- iiberzug bedeckt die Membrana basilaris, basal oben, in tier Mitre und Spitze ist ein g~nz flacher I-Iiigel, der aus gleichm~13igen Zellen mi t runden Kernen besteht.

Lamina spiralis basal unten leer, in den iibrigen ~Vindungen sind Nervenziige angedeutet in Gestalt von w~lzenf6rmig unterbrochenen F~sern.

Ganglion spirale enth~lt oben einen grol3en I-Iohlraum, unten kleinere, die Zellen sind an Zahl vermindert und verkleinert , so dab sic die ]3indegewebshiille nicht ausfiillen. Cochlearisfasern walzenf6rmig zerfallen.

B e m e r k e n s w e r t i s t d i e E i n s c h e i d u n g d e r C o r t i s c h e n ~¢[em- b r a n be i e i n e r k o n g e n i t M T a u b s t u m m e n , d i e g e n a u d e r b e i e i n e r in fo lge M e n i n g i t i s i m 12. ( A b b . 2) L e b e n s j a h r E r t a u b t e n g l e i c h t u n d d a s Z u s t a n d e k o m m e n des V e r l u s t e s d e r R e i s s n e r - s c h e n M e m b r a n , d a s d e n B e f u n d des v o r i g e n F a l l e s e r k | ~ r t .

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