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631 Bemerkungen zu der Arbeit yon J. YIattauch: ,,Zur Frage nach der Existenz yon Subelektronen". Von Max Reiss in Wien. (Eingegangen am 3. August 1926.) In der zitierten Arbeit yon J. ~Iattauch wird der Umstand, daft im u-/-Diagramm keine Schnitte yon Kurven im ersten Quadranten vorkommen, als beweisend fiir die Gleichheit aller Ladungen angesehen. -- Es wird nun gezeigt, daft aueh bei grofler Ladungsverschiedenheit keine Schnitte im ersten Quadranten vorkommen kSnnen, wenn nicht gewisse analytische Voraussetzungea gegeben sind, daft also das Nichtschneiden der u-Kurven die Gleichheit aller Ladungen nieht beweist. In seiner Arbeit ,Zur Frage naeh der Existenz yon Subelektronen" 1) g]aubt J. M at t au ch auf Grund fo]gender 17berlegungen d as Vorhandensein yon Ladungen, die kleiner als das Elementarquantum der Elektrizitiit sind, wlderlegen zu kSnnen. Es ergibt sieh durch Addition tier beiden Gleichungen: vf ~ B.mg v~ --~ B (e ~ -- m g) die Beziehung : u -- vf + v, m. eB; dabei ist die GrSBe u rein experimentell ermittelbar. Es werden nun die u-Werte als Funktion der mittleren freien Weglange l des Gases auf- getragen. Dies geschah in" der zitierten Arbeit fiir vier versehiedene Substanzen (01, Hg, Se, Pb). Es ergab sich so eine Reihe yon Kurven- seharen im u-l-Diagramm. Dureh willktirliehe Teilung der Ordinaten u dutch passende ganze Zahlen liei]en sich alle Kurven in eine einzige Kurvensehar bringen. In dieser Sehar linden keine Sehnitte yon Kurven start. Aus der Voraussetzung, dad die Beweglichkeit eine Funktion yon 1 und a ist, also aus u -m- e B (1, a) und dem Umstand, da~ in dem u-l-Diagramm keine Schnitte vorkommen, wird geschlossen, dal~ entweder die Bewegllchkeit des Pk. yon der Ladung abh~ngt, was aber dutch diesbeziigliche Versuche yon F. Ehrenhaft and R. s Millikan als unzutreffend erscheint, oder dal~ die Ladung fiir alle Pk. gleich ist. Dabei wurde jedoch ganz aufler acht gelassen, dal~ die scheinbare Einparametrigkeit nicht nut dutch die Annahme der i) ZS. f. Phys. 87, 803, 1926.

Bemerkungen zu der Arbeit von J. Mattauch: „Zur Frage nach der Existenz von Subelektronen“

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B e m e r k u n g e n zu der Arbe i t y o n J. Y I a t t a u c h : ,,Zur Frage nach der Ex i s t enz y o n Subelektronen".

Von Max Reiss in Wien.

(Eingegangen am 3. August 1926.)

In der zitierten Arbeit yon J. ~ Ia t t auch wird der Umstand, daft im u-/-Diagramm keine Schnitte yon Kurven im ersten Quadranten vorkommen, als beweisend fiir die Gleichheit aller Ladungen angesehen. - - Es wird nun gezeigt, daft aueh bei grofler Ladungsverschiedenheit keine Schnitte im ersten Quadranten vorkommen kSnnen, wenn nicht gewisse analytische Voraussetzungea gegeben sind, daft also das Nichtschneiden der u-Kurven die Gleichheit aller Ladungen nieht beweist.

In seiner Arbe i t ,Zur Frage naeh der Existenz yon Subelektronen" 1)

g]aubt J. M a t t au ch auf Grund fo]gender 17berlegungen d as Vorhandensein

yon Ladungen, die kleiner als das Elementarquantum der Elektr iz i t i i t

sind, wlderlegen zu kSnnen.

Es ergibt sieh durch Addi t ion tier beiden Gleichungen:

vf ~ B . m g

v~ --~ B (e ~ - - m g)

die Beziehung : u - - v f + v,

m . e B ;

dabei ist die GrSBe u rein experimentell ermittelbar. Es werden nun

die u -Wer te als Funkt ion der mit t leren freien Weglange l des Gases auf-

getragen. Dies geschah in" der zitierten Arbei t fiir vier versehiedene

Substanzen (01, Hg, Se, Pb). Es ergab sich so eine Reihe yon Kurven-

seharen im u-l-Diagramm. Dureh willktir l iehe Teilung der Ordinaten u

dutch passende ganze Zahlen liei]en sich alle Kurven in eine einzige

Kurvensehar bringen. In dieser Sehar linden keine Sehnitte yon Kurven

start. Aus der Voraussetzung, dad die Beweglichkeit eine Funkt ion

yon 1 und a ist, also aus u -m- e B (1, a)

und dem Umstand, da~ in dem u-l-Diagramm keine Schnitte vorkommen,

wird geschlossen, dal~ entweder die Bewegllchkei t des Pk. yon der Ladung

abh~ngt, was aber dutch diesbeziigliche Versuche yon F. E h r e n h a f t

and R. s M i l l i k a n als unzutreffend erscheint, oder dal~ die Ladung fiir

al le Pk. gleich ist. Dabei wurde jedoch ganz aufler acht gelassen, dal~

die scheinbare Einparametr igkei t nicht nut dutch die Annahme der

i) ZS. f. Phys. 87, 803, 1926.

632 ~ax Reiss,

Ladungsg]eiehheit aller Pk., sondern auch durch die Annahme einer funk- tionellen Abhgngigkeit der Ladung yore Radius zu erklgren ist 1).

Es soll also die Tatsache, dal] im u-l-Diagramm der zitierten Arbelt

keine Schnit~e yon Kurven vorkommen, die Ladungsgleichheit aller Pk.

beweisen. ,,Jeder Pk. mit anderer Ladung ist sofort dadurch bemerkbar,

dal] seine u-l-Kurve die Schar der Fig. 2 schneider. Insbesondere miil~te

iedes Subelektron diese Sehar unter steilerem Winkel schneiden" ~).

Es wird gezeigt werden, dal] auch bei Ladungsverschiedenheit keines-

wegs unbeding~ Sehni~te der Kurven vorkommen miissen. Es sollen die

Kriterien dafiir abgeleitet werden, warm derartige Schni~te vorkommen

kSnnen and warm dies aieht mSglieh ist.

Es seien fiir zwei Pk. die u-/-Kurven in der Form gegeben:

6z~ta~

u - 6 ~ / t %

Dabei wurde das Glied mit der e-Potenz, das nur weaig ausgib~, ver-

naeh]gssig~ a). I. Es mSgen die Konstanten A beider Pk. vorlgufig Ms gleieh an-

genommen werden. Es bestimmt sich dann dureh Gleichsetzung beider

Gleichungen die Abszisse 1 des Sehnittpunk~es der Geraden:

l e I (t 2 - e.(/,l . 1 = X a ' a= e=a; ~ - e,a~ (1)

Damit der Sehnitt im ersten Quadran{en statt~indet, muff 1 > 0 sein.

1. Setzen wir a l ~ g2~

c 1 ~ C$7

so kann die aus (1) fo]gende Ungleichung

e~. a 2 - - e 2 61 e~ a~ - - q a~ > 0 (2)

nich~ erfiillt sein, da Zghler and Nenner ungleiches Vorzeiehen haben.

Man findet also: Trggt das kleinere Teilehen die grSl3ere Ladung, so ist ein Schnitt

der u-Kurven im ersten Quadranten unmiiglich.

2) F. Ehrenha f t , ZS. f. Phys. g7, 816, 1926. ~) J. Mat tauch, 1. c., S. 812. a) F. Ehrenhaf t und E. Wasser, ZS. f. Phys. g7, 828, 1926.

Bemerkungen zu der Arbeit von J. Mattauch usw. 633

2. Nehmen wir an:

a 1 ~ aa~ el ~ e2,

a[s0 nach E h r e n h a f t die Annahme, da~ auf Pk. kleinerer Kapazitat die kleinere Ladung vorkommt, so miissen gleichzeitig die Ungleichungen

erfiillt sein : eta2--e2al < ~ ' } e 2 a~ - - e, a~ < (3)

oder e l a 2 - e ~ a 1 > 0,) e~ a~ - - e 1 a2 > 0. , 1) (4 )

= e. m, wobei 0 < m < 1 [st, so linden wir durch Setzen wir welter: ex

Einsetzen in (3): ma s ~ av.

< also :

ma~ ~ a 1 ~ Vmaa. (5)

Zwel Pk. mit der Ladung e 2 und e 2 m, wobel m < 1 ist, kSnnen nur dann

einen Schnitt ergeben, wenn m a 2 < a 1 < Vm-a~ [st.

Es exist[err also nut ein verhaltnlsmiti3ig kleines Radieninfervall, for welches Sehnitte vorkommen kSnnen. Beispielsweise [st im Falle

grol3er Ladangsverschiedenheit, wle m = -~, das Intervall

0 ,67a s < a i < 0 ,82a v

Es [st daher ersiehtlicherweise nur ein Zufall, wenn in der Kurven-

schar ein Sehnltt stattfindet, der diese Ladungsversehiedenheit zum Aus-

druck bringt, denn es mui] doch im Diagramm keineswegs aueh ein Pk.

vorhanden sein, dessen GrSfle in das oben bestimmte Intervall hineinfiillt. Bet klelnerem Ladungsuntersehied wird das ausgezeichnete Interval[

natiirlieh entsprcehend enger.

IL Es mSgen nun ~hnllehe Uberlegungen angestellt werden unter

der Voraussetzung verschiedener Konstanten A. Bet den Pk. yon B a H g J 4 (Reiss) sehwanken die Konstanten der einzelnen Pk. yon 0,74 bis 1,01,

bet Selen ( M a t t a u e h - T r e b i t s e h ) yon 0,75 bis 1,25, bet 01 ( ~ a t t a u c h )

yon 0,81 bis 1,07, bet der T h o n l e t s c h e n LSsung ( E h r e n h a f t - W a s s e r }

1) Die Ungleichungen (4) kSnnen in diesem Falle nicht gleichzeitig erftillt. seth, denn es wiirde nach Substitution yon e2 durch el/m in (4) folgen:

i ~ a 2 < al < m a n , was ftir m < 1 unm6glich [st.

634 ~ax Reiss,

von 0,91 bis 1,08. Es entsteht nun die Frage, wie sich diese Ver- schiedenheit der Konstanten in den u-/-Kurven ausdriickt und wie die

oben abgeleiteten Kriterien erweitert werden mtissen.

Aus den Gleichungen

i t _ _ 6z~tta 1 1 ~ -A 1 ,

u - 6 e ~ a , ( l q- A , ~ )

ergibt sich als Abszisse des Schnittpunktes:

el a2 - - e9 al I ~ a I a 2 �9 (6) e, a~ A~ -- el a~ A 1

Es werde nun angenommen:

a 1 ~ ag, e 1 ---- m.e~ (m ~ 1),

Ax = tA~ (t > 0).

Dann ergibt sich durch Einsetzen in (6) die Bedingung fiir I > 0:

m a~ - - a~ > 0 a~ - - a~ m t

und daraus die Ungleichungen:

< < [ < . , < (7) Damit diese Ungleichungen einen Sinn erhalten, mull sein:

a~ ~m-~ < a s m, m a~ < a~ ~/m--~, d.h. d.h.

t < m, [ t > ~.

Die rechts stehende Ungleichung geht fiir t : 1, also im Falle der

Gleichheit der Konstanten in Ungleichung (5) fiber.

Durch die Ungleichheit der Konstanten A wird also das aus-

gezeichnete Radienintervall etwas verandert.

Es soll nun an Hand der Statistik der gemessenen BaHgJ,- (Reiss)

und Se-Pk. (M ar t au c h - T r e b i t s e h) und der diesbeziiglichen u-l-Diagramme

untersucht werden, ob im Falle eines Schnittes yon Kurven die obigen

Ungleichungen tats~chlieh erfiillt sind und ob im Falle des Nichtschneidens diesen Bedlngungen nicht geniig~ wird; das heil]t: wenn sieh im u-l-Dia-

gramm zwei Kurven nicht schneiden und daher angenommen wlrd, die Pk.

hatten die gleiehe Ladung, so soll mlt den berechneten a-, e- und A-Werten gezeigt werden, daI] fiir den Sehnitt die notwendigen analytischen Voraus- setzungen fehlen, daher auf die Ladungsgleichheit nieht geschlossen werden daft.

Bemerkungen zu der Arbei t yon J. ~Iat tauch usw. 635

Finden hingegen im Diagramm Schnitte start, so sell bewiesen

werden, dal] eben diese Voraussetzungen gegeben sind.

Betraehten wir Bat tgJ4-Pk. Nr. 22 und 39 mlt den beziehungsweise

berechneten Werten ~) e 1 = 3,833, a 1 = 1,773, A 1 = 0,865 und e 2 = 4,502, a S = 1,923, A 2 = 0,819, so ergibt sich aus (7) die Un-

gleichung: 1,636 ~ a 1 ~ 1,823.

Pk. 22 fallt in dieses Intervall hinein und schneider daher aueh t a t -

sachlieh Pk. 39, wodurch in diesem Falle die Ladungsversehiedenheit

der beiden Pk. sehon im Diagramm ersiehtlieh ist.

Fiir die Pk. 34 und 39 mit den Werten a 1 = 1,641, e 1 = 3,896,

A 1 = 0,861 und a S = 1,923, e~ ~-- 4,502, A S = 0,819 ergibt sieh die

Ungleiehtmg: 1,663 ~ a 1 ~ 1,833.

Pk. 34' fAllt in dieses Intervall nieht hinein und kann deshalb trotz der

Ladungsversehiedenheit keinen Sehnitt ergeben.

Fiir die Selen-Pk. Hr. 8 (a 1 = 2,627, e I ---- 3,066, A 1 = 0,751) und

5~r. 24 (a S = 3,509, e 2 = 4,013, A S = 0,992) ergibt sieh die Un-

gleiehung: 2,667 ~ a 1 ~ 2,681,

es kann also aueh bier trotz der grol3en Ladungsversehiedenheit kein

Sehnitt statffinden.

Dagegen ergeben Selen-Pk. Hr. 58 (a 1 = 1,405, e 1 = 2,803,

A 1 - - 1,030) und Hr. 65 (a~ = 1,831, e~---- 4,212, A S = 0,876) im

Diagramm einen Se.hnitt, wie es ja aus der Ungleichung

1,218 ~ a 1 ~ 1,619 folgen mull.

Zusammenfassend kann also gesagt werden:

Es ist unriehtig, da] sieh ein jeder Pk. mi~ anderer Ladung als der des

Elektrons sofort durch einen Sehnitt in der Kurvensehar ausdriicken mull;

es ist dies vielmehr unwahrseheinlioh bei kleiner Variation der Ladungen und

unmiiglich, wenn gewisse analytisehe Voraussetzungen nicht gegeben sind.

An Hand yon Beispielen wurde gezeigt, da6 sich Kurven yon Pk.

mit stark voneinander abweichender Ladung nicht sehneiden und auch

nicht schneiden kiinnen. Insbesondere ist ein Schnitt iiberhaupt unmtiglieh,

wenn das kleinere Teilchen die gr(iBere Ladung tritgt.

Damit erseheinen die in der zitierten Arbeit gezogenen Sehliisse

hinfallig.

W i e n , I I I . Physik. Ins~itut der Universitiit, Juli 1926.

1) Die dritten Stellen der angegebenen e und a sind blot] als Rechenresultate zu betrachten.

Zeitschrift fiir Physik. Bd. XXXIX. 42