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Bemerkungen zu Kafkas Arbeit: Die Kolloidreaktionen des Liquor cerebrospinalis. (Diese Zeitsehr. Bd. 74, H. lw3.) Von Robert Brandt und Fritz Mras. (Aus der Klinik fiir Geschlechts- und Hautkrankheiten in Wien [Vorstand: Holt. Prof. Dr. Ernst Finger].) (Eingegangen am 4. April 1922.) Einigen Angaben Ka/lcas in der oben zitierten Arbeit mfissen wir unsere abweichenden Erfahrungen und Ansichten entgegenhalten. Ein Teil der Gegenshtze beruht offenbar auf einem wesentlich verschiedenen Verhalten der yon uns verwendeten LSsungen, weft wit einerseits Ge- setzm~Bigkeiten sehen, die Ka/ka nicht aufgefallen sind, andererseits, abgesehen yon unseren ersten LSsungen, einige seiner Beobachtungen st~ndig vermissen. Da unsere LSsungen untereinander nur geringe Empfindlichkeitsunterschiede zeigen und bei vielen tausend Reaktio- nen, darunter zum groBen Teil fortlaufenden Wiederholungen, eine quantitative Verwertung der Kurven erlaubten, so glauben wir uns im Folgenden auf die mit ihnen gewonnenen Resultate stiitzen zu kSnnen. Es sei gleieh vorweggenommen, dab wir die Goldsolreaktion (G.S.R.) niemals einer quantitativen Eiweif~reaktion gleichgesetzt haben, wie Ka]ka (S. 269) aus unseren Arbeiten herausliest. Wit haben schon in unserer ersten Arbeit die Selbst~tndigkeit der Reaktion betont und eher gewisse Beziehungen zur Liquor-WaR. vermutet. In der ersten Arbeit yon Kyrle, Brandt und Mras ist ausffihrlich dargetan und durch ent- sprechende Fi~lle belegt, dab wir in den Kolloidreaktionen neuartige, den EiweiBproben keineswegs gleichzusetzende Reaktionen sehen. Dem widerspricht auch nicht der Umstand, dab wahrscheinlich Globuline an dem Zustandekommen der Reaktion beteiligt sind. Nur so liegt die Sache sicher nicht -- das haben wir in si~mtlichen Arbeiten betont -- dab die durch die Phase-Z-, bzw. Pandy- und Sublimatreaktion nach- gewiesene Vermehrung der Globuline die Ursache der Reaktion ist. Eiu gewisses Parallelgehen mit den anderen Reaktionen liegt im Wesen der Sache. Ka/ka gleicht die Empfindliehkeitsunterschiede der verschiedenen GoldlSsungen dutch Anwendung versehiedener im Titrationsweg er- Z. f, (1. g. Neur. u. Psych. LXXVI. 3'~)

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Page 1: Bemerkungen zu kafkas arbeit: die kolloidreaktionen des liquor cerebrospinalis (dim zeitschr. bd. 74, h. 1-3.)

Bemerkungen zu Kafkas Arbeit: Die Kolloidreaktionen des Liquor cerebrospinalis.

(Diese Zeitsehr. Bd. 74, H. lw3 . )

Von Robert Brandt und Fritz Mras.

(Aus der Klinik fiir Geschlechts- und Hautkrankheiten in Wien [Vorstand: Holt. Prof. Dr. Ernst Finger].)

(Eingegangen am 4. April 1922.)

Einigen Angaben Ka/lcas in der oben zitierten Arbeit mfissen wir unsere abweichenden Erfahrungen und Ansichten entgegenhalten. Ein Teil der Gegenshtze beruht offenbar auf einem wesentlich verschiedenen Verhalten der yon uns verwendeten LSsungen, weft wit einerseits Ge- setzm~Bigkeiten sehen, die Ka/ka nicht aufgefallen sind, andererseits, abgesehen yon unseren ersten LSsungen, einige seiner Beobachtungen st~ndig vermissen. Da unsere LSsungen untereinander nur geringe Empfindlichkeitsunterschiede zeigen und bei vielen tausend Reaktio- nen, darunter zum groBen Teil fortlaufenden Wiederholungen, eine quantitative Verwertung der Kurven erlaubten, so glauben wir uns im Folgenden auf die mit ihnen gewonnenen Resultate stiitzen zu kSnnen. Es sei gleieh vorweggenommen, dab wir die Goldsolreaktion (G.S.R.) niemals einer quantitativen Eiweif~reaktion gleichgesetzt haben, wie Ka]ka (S. 269) aus unseren Arbeiten herausliest. Wit haben schon in unserer ersten Arbeit die Selbst~tndigkeit der Reaktion betont und eher gewisse Beziehungen zur Liquor-WaR. vermutet. In der ersten Arbeit yon Kyrle, Brandt und Mras ist ausffihrlich dargetan und durch ent- sprechende Fi~lle belegt, dab wir in den Kolloidreaktionen neuartige, den EiweiBproben keineswegs gleichzusetzende Reaktionen sehen. Dem widerspricht auch nicht der Umstand, dab wahrscheinlich Globuline an dem Zustandekommen der Reaktion beteiligt sind. Nur so liegt die Sache sicher nicht -- das haben wir in si~mtlichen Arbeiten betont -- dab die durch die Phase-Z-, bzw. Pandy- und Sublimatreaktion nach- gewiesene Vermehrung der Globuline die Ursache der Reaktion ist. Eiu gewisses Parallelgehen mit den anderen Reaktionen liegt im Wesen der Sache.

Ka/ka gleicht die Empfindliehkeitsunterschiede der verschiedenen GoldlSsungen dutch Anwendung versehiedener im Titrationsweg er-

Z. f, (1. g. N e u r . u. P s y c h . L X X V I . 3'~)

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530 R. Bram|t und F. Mras: Bemerkungen zu Kafkas AL'beit:

mittelter Kochsalzkonzentrationen aus, so dab der normale Liquor iiberhaupt keine Goldsolfi~llung ergibt. In Anbetracht der Giite und GleichmaBigkeit der uns von dem Zentrallaboratorium des Allgemeinen Krankenhauses in Wien gelieferten LSsungen kSnnen wir bei Aus- schaltung gelegentlieh vorkommender wesentlich unter- oder tiber- empfindlieher LSsungen diese Vorproben entbehren; wir verwerfen sie fiberdies aus folgendem Grunde. Die Ver~inderun9 der Kochsalzkon- zentration hat einen gesetzmd[3igen Ein]lu[3 au] das Kurvenbild : Bei Er- h5hung der Kochsalzkonzentration wandert das Maximum der Kurve ,,uaeh rechts" in die sti~rkeren Liquorverdi~nnungen hinein, Verminde- rung verschiebt das Maximum nach links, den sti~rkeren Konzentrationen zu. Unsere diesbeziiglichen Versuche und Ausffihrungen sind in Publika- tion begriffen (Zeitsehr. f. Immuniti~tsforsch. u. Dermatol. Wochenschr.). Wir bestehen aber darauf, da3 bei gleichbleibender Kochsalzkonzeu- tration bei allen luischen im Liquor sich ausdrfickenden Prozesssen das Reaktionsmaximum der Lage nach konstant bleibt und zwar bei unseren LSsungen und 0,4% Kochsalz bei i/s 0 Liquorverdiinnung liegt. Dieses Ausfi~llungsmaximum ist beim normalen Liquor angedeutet, auch beim paralytischen knapp nach Reagenszusatz erkennbar. Wir kSnnen daher fiir unsere LSsungen kein v511iges Unverandertbleiben durch negative Liquores verlangen -- Variieren der Kochsalzkonzentration wfirde aber den Reaktionstypus verwisehen. Ausf~tllung bis Violett betrachten wir auf Grund unserer Erfahrungen nicht als pathologisch. Alle LSsungen, die diese Empfindlichkeit gegen Normalliquor nieht zeigten, erwiesen sich als unbrauchbar. Wir iiben also nach dem Beispiele Eskuchens die biologische Austitrierung statt der physikalischen. Andernorts werden vielleicht andersempfindliche LSsungen die besten sein und wird vielleicht das Maximum an einer anderen Stelle liegen. Die Grenze gegen das Normale wird jedenfalls nieht scharf zu ziehen, die Lage des Maxi- mums bei gleicher Versuchsanordnung fix sein. Qualitative Kurven- unterschiede innerhalb der Gruppe luischer Liquores haben wir, von wohlcharakterisierten Ausnahmen abgesehen, nicht beobachtet. Die Lueszacke, die Lues-cerebri-, Tabes- und Paralysekurve sind nur gra- duell unterschieden, das Hineinreichen der F~tllungszone in st~rkere Liquorkonzentrationen (1/5) ist nur der Ausdruck einer exzessiven Verbreiterung dieser Kurve. Die verschiedenen Kurven entspreehen nicht verschiedenen Krankheitsbildern sondern verschiedenen Inten- sit~iten der Reaktion, deren ,,paralytische" St~rke (auch mit Ausbreitung der Kurve in niedrigere Liquorverdfinnungen) mitunter im Sekund~tr- stadium der Lues ohne klinisch-neurologisehe Symptome zur Beob- achtung kommt. Wenn auch solche F~lle vielleicht gefahrdeter sind, so ist der zugrundeliegende Proze[t in diesem Stadium jedenfalls nicht die Paralyse. Also auch die Pp-Kurve ist eine Lueskurve.

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Die Kolloidreakfionen des Liquor cerebrospinalis. 531

Dal3 die Lues-cerebri-Kurve bei Ka/ka, wie aus seinen Abbildungen hervorgeht, eine wechselnde Lage des Maximums hat, fiihren wir vor. wiegend auf die yon ibm gefibte Variierung der Kochsalzkonzentration zuriick. Die von ihm ,,konzedierte" schwache Ausfi~llung des Goldsols durch die ersten zwei Verdfinnungen normaler Liquores riihrt nicht vom Unterlassen der Kochsalztitration her und wurde bei uns nie beobachtet. Sie ist auch nicht mit der Tatsache in Einklang zu bringen, dab die Fi~llung eines kolloidempfindlicheren Goldsols durch einen normalen Liquor der Form, wenn auch nicht der Intensiti~t nach einen luischen Typus ergibt (siehe Abbildung Ka/kas, S. 271)1).

Ka/]ca bek~mpft unsere Trennung yon vasculdren (luischen) und meningitischen Prozessen, zu der wir durch Auffinden gesetzmi~iger Be- ziehungen zwischen Goldsolkurve, klinischem Bild und pathologischer Grundlage gelangt sind. Wir miissen auf unsere (Loewy, Brandt und Mras) Ausfiihrungen in der von ibm berticksichtigten Arbeit verweisen. Hier mSchten wir nur die bezeichnende Tatsache betonen, dal3 unter allen diesen, histologisch allerdings auch unter die Meningitis einzu- reihenden, luischen Prozessen das klinische Bild der Meningitis blo]~ ganz ausnahmsweise in Erscheinung tr i t t -- in jenen F~llen, in denen wir auch die meningitisehe Kurve des Goldsols sehen kSnnen. Klinik und histologisches Bild der luischen Cerebrospinalprozesse geben deut- liehe Hinweise darauf, dal3 doeh ein wesentlicher Untersehied gegentiber den im gewShnlichen medizinischen Spraehgebrauch als ,,meningitisch" bezeiehneten Prozessen besteht. Auch in der WAR., nicht nur in der des Liquors, ist der ganz besondere Charakter dieser Entziindung aus- gedrfickt. Wir sind uns bewul3t, dal3 die von Loewy und uns gewi~hlte Nomenklatur, welche dieser wesentlichen Unterscheidung dienen wollte, ohne Zusammenhang mit unseren damaligen Ausffihrungen zu mi~- versti~ndlicher Auffassung fiihren kann, meinen aber, die Unterscheidung deutlich genug begriindet zu haben. Der Gegensatz zwischen uns und Ka/lca scheint uns iibrigens nicht so betri~ehtlich, da Ka/ka ja Stern und Poensgen sowie uns darin beipfichtet, dab der zugrunde liegende Proze~ mehr als der Krankheitserreger ausschlaggebend sein kann und da er iiberdies unserer mit diesen Ausfiihrungen eng zusammenhi~ngenden Ansieht vom Wesen der G.S.R., wie er selbst angibt (S. 302), beitritt.

Nach diesen wesentlichen Feststellungen bleiben nur mehr einige un- wichtigere Differenzen zwischen Ka]ka und uns zu erw~hnen. In tech- nischer Hinsicht miissen wir bestreiten, da[t das Arbeiten mit halben Mengen weniger genaue Resultate gibt, wie auch ffir die Anstellung der Realction (nieht aber ftir die Herstellung des Goldsols) auf die Ver-

z) Auf ein RShrchen sieh beschrankende Ausf~llungen erwiesen sich bei Wiederholung der Reaktion immer als Versuchsfehler, ~ie iiberhaupt jede Aus. f~llung, die nicht strengen Kurventypus zeigt, zu verwerfen ist.

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532 R. Brandt und F. Mras: Bemerkungen zu Kafkas Arbeit usw.

wendung von Jenaer Glasr5hrchen und, wenigstens fiir die Wiener Ver- hi~ltnisse, auf das zweifaehe Destillieren des Wassers (zur Bereitung der KoehsalzlSsung) verziehtet werden kann.

Gegeniiber Mayr t) mSehten wit allerdings im Interesse der Reaktion das Einhalten peinliehster Reinlichkeit fordern. Unverstandlieh bleibt uns Ka/kas Bemerkung, dab bei dr gewShnlichen Versuchsanord- nung (0,4~ Kochsalz) die Gesamtkochsalzkonzentration mit fortlaufen- der Verdiinnung zunimmt. Die Bedeutung der Sehutzwirkung, die iibri- gens bei positiven und negativen Liquores nicht ausschlaggebend diffe- riert, wird yon Ka/ka unterschi~tzt; sie kommt zwar nicht gegeniiber der Elektrolytfallung in Betracht, wohl abet gegentiber der Kolloid- fi~llung, mit der zusammen sie iiberhaupt erst die schlieBliche Kurven- form bewirkt.

1) Arch. f. Dermatol. u. Syphilis 134.