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Beobachtungen an einem Huhnerzwitter Von CARLHEINRICH ENGELMANN, Rostock Mit 6 Abbildungen Eingegangen a m 12. Oktober 1953 Unter der Nachzucht als unsortierte Kuken gekaufter New Hampshires befand sich ein Zwitter. Der Zuchter hielt das Tier, das einen groflen, lebhaft roten Kamm trug, fur eine Henne und nalim es in den Zuchtstamm auf; weil es aber nicht legte, wurde der Zuchter argwohnisch und zog mich zu Rate. I& nahm das Huhn sofort mit unsl beobachtete es unter meinen Huhnern 14 Tage lang. D a s A u s s e h e n. Aufierlich ahnelte der Zwitter (Abb. 1) weitgehend einer Henne. Aber der hoheHahnenkarnrn, der kraftigeHals und die starken Laufe, an denen sich die Sporen vorwolb- ten wie bei einjahrigen Hahnen dieses schweren Korperbautyps, wollten ebenso wie die insge- samt grobere und kraftigere Erscheinung zur reinen Henne nicht passen. Die Korperhaltung (waagerechte statt schwach abfallende Rucken- linie) und die Befiederung waren weiblich. Die typischen Gefiederbezirke, die Steuerfedern und die das ,,Kissen" bildenden Ruckenfedern, die beirn Hahn schrnal sind und spitzzulaufend den ,,Sattelbehang" darstellen, waren rein hennenmagig kurz, breit und am Ende sturnpf abgerundet. Allein auf den Schulterdedren hatten cinige Federn einen breiten Glanzsaum, der hier nie bei Hennen vorkornrnt. Der Kopf entsprach dem eines jugendlichen (8-10 Monate alten) Hahnes; die Kehllappen waren noch breiter als lang und wohl gerundet, der Kamm noch frei von Falten. Abb. 1. Der 135 Jahr alte Zwitter Fur einen Hahn eher klein als groB und D i e L a u t a u fl e r u n g e n . Von den 10 Lauten, die SCHJELDERUP- EBBE bei Huhnern unterschied, beherrschte dieses Huhn nur die Halfte; es gackerte (was weniger ein ,,Warnruf" ist als Ausdruck des Erschreckens und der Aufregung, sowie ein Mittel, Verbindung zu den verlorenen Gefahrten aufzunehmen), es grakelte (der eigentliche Legelaut, der die Legereife an- kundigt), es auflerte den grollenden Drohlaur der Henne, kannte den ,,kleinen Schrei" und gab einen hell singenden Ton des Wohlbehagens von sich, wenn es allein in einem abwechslungsreich bestellten, umzaunten Garten umherging. Weder Locktone noch Warnruf, weder Nestlaute noch Glucktone horte ich es auflern, und zu krahen vermochte es ebensowenig wie zu girren, d. h. jene hellen und schnarrenden, lockenden Tone von sich zu geben, unter denen Hahne das Nest fur Hennen vorbereiten und sie zum Ablegen auffordern (BESENBECK 1750). Auch hierin war der Zwitter fast rein hennengemafl. D a s V e r h a 1 t e n entsprach dem einer sehr vermannlichten Henne. Der Zwitter schlofl sich gern anderen Huhnrn an, kummerte sich in der Schar aber kaum, bzw. gar nicht urn die anderen 'Tiere; er war vertraglich, duldsam und tyrannisierte rangtiefere Tiere nie. Im freien Gelande suchte er so eifrig nach Futter, w.ie man es dieser wirtschafilich wertvollen Rasse nachruhmt. Bei Ausflugen hielt er sich in der Schar der anderen. Er selbst fuhrte die anderen Huhner nicht auf neues Gebiet, nahm auch nie die Spitze beim Vor- dringen in freies Gelande. Auf seinem heiinatlichen Hofplatz zeigte er das

Beobachtungen an einem Hühnerzwitter

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Beobachtungen an einem Huhnerzwitter Von CARLHEINRICH ENGELMANN, Rostock

M i t 6 Abbildungen Eingegangen a m 12. Oktober 1953

Unter der Nachzucht als unsortierte Kuken gekaufter New Hampshires befand sich ein Zwitter. Der Zuchter hielt das Tier, das einen groflen, lebhaft roten Kamm trug, fur eine Henne und nalim es in den Zuchtstamm auf; weil es aber nicht legte, wurde der Zuchter argwohnisch und zog mich zu Rate. I& nahm das H u h n sofort mit unsl beobachtete es unter meinen Huhnern 14 Tage lang.

D a s A u s s e h e n. Aufierlich ahnelte der Zwitter (Abb. 1 ) weitgehend einer Henne. Aber der hoheHahnenkarnrn, der kraftigeHals und die starken Laufe, an denen sich die Sporen vorwolb- ten wie bei einjahrigen Hahnen dieses schweren Korperbautyps, wollten ebenso wie die insge- samt grobere und kraftigere Erscheinung zur reinen Henne nicht passen. Die Korperhaltung (waagerechte statt schwach abfallende Rucken- linie) und die Befiederung waren weiblich. Die typischen Gefiederbezirke, die Steuerfedern und die das ,,Kissen" bildenden Ruckenfedern, die beirn Hahn schrnal sind und spitzzulaufend den ,,Sattelbehang" darstellen, waren rein hennenmagig kurz, breit und am Ende sturnpf abgerundet. Allein auf den Schulterdedren hatten cinige Federn einen breiten Glanzsaum, der hier nie bei Hennen vorkornrnt. Der Kopf entsprach dem eines jugendlichen (8-10 Monate alten) Hahnes; die Kehllappen waren noch breiter als lang und wohl gerundet, der Kamm noch frei von Falten.

Abb. 1. Der 1 3 5 Jahr alte Zwitter

Fur einen H a h n eher klein als groB und

D i e L a u t a u fl e r u n g e n . Von den 10 Lauten, die SCHJELDERUP- EBBE bei Huhnern unterschied, beherrschte dieses Huhn nur die Halfte; es gackerte (was weniger ein ,,Warnruf" ist als Ausdruck des Erschreckens und der Aufregung, sowie ein Mittel, Verbindung zu den verlorenen Gefahrten aufzunehmen), es grakelte (der eigentliche Legelaut, der die Legereife an- kundigt), es auflerte den grollenden Drohlaur der Henne, kannte den ,,kleinen Schrei" und gab einen hell singenden Ton des Wohlbehagens von sich, wenn es allein in einem abwechslungsreich bestellten, umzaunten Garten umherging. Weder Locktone noch Warnruf, weder Nestlaute noch Glucktone horte ich es auflern, und zu krahen vermochte es ebensowenig wie zu girren, d. h. jene hellen und schnarrenden, lockenden Tone von sich zu geben, unter denen Hahne das Nest fur Hennen vorbereiten und sie zum Ablegen auffordern (BESENBECK 1750). Auch hierin war der Zwitter fast rein hennengemafl.

D a s V e r h a 1 t e n entsprach dem einer sehr vermannlichten Henne. Der Zwitter schlofl sich gern anderen H u h n r n an, kummerte sich in der Schar aber kaum, bzw. gar nicht urn die anderen 'Tiere; er war vertraglich, duldsam und tyrannisierte rangtiefere Tiere nie. Im freien Gelande suchte er so eifrig nach Futter, w.ie man es dieser wirtschafilich wertvollen Rasse nachruhmt. Bei Ausflugen hielt er sich in der Schar der anderen. Er selbst fuhrte die anderen Huhner nicht auf neues Gebiet, nahm auch nie die Spitze beim Vor- dringen in freies Gelande. Auf seinem heiinatlichen Hofplatz zeigte er das

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gleiche Bestrebcn, in der Herdr zu bleiben, in der er eine der untersten Rang- stufen innehatte. Hier wurde er durch den sehr herrschsuchtigen Hahn in Schach gehalten, der ihn wie einen jungen Hahn und Nebenbuhler behandelte, d. h. abbifl und verfolgte. Auch die Althennen bissen den Zwitter vom Futter fort, so daR die natiirliche Herrschaft der alteren Hennen iiber die junge Generation erhalten blieb, die sonst von den jungen Hahnen abgeschiittelt wird, sobald sie voll geschlechtsreif sind. Veranderungen der Umgebung beeindruckten dieses zahme, ziltrauliche Huhn sehr wenig; als ich es in den Stall zu vier zweiiahrigen Hennen setzte, ging die ranghochste Henne aus der

. . senkt, Schiabelspitze gegen die des Gegnirs

gerichtet, Schwanz gesenkt) und der eigentliche ,,Amprung" rnit vorgestreckten Laufen mit- einander ab. Sehr oft vcrfallcn die I iahne aus dcr Lauerstellung in karnpfbereites Uber- sprungpicken und entfernen sich dab& vorn Gegner.

Dagegen kampfen Hennen in aufgerichteter Haltung,, mit steil erhobcnern gcfadiertcm Schwanz, ohne zwischengeschaltete Lauerstellung, wobei sic rnchrcre Angriffe rasch aufcin- ander folgen Iassen und die Gegnerin, wenn moglich, von obcn auf den Hinterkopf hacken.

Der Zwitter kampfte aufgerichtet wie eine Henne und griff wie diese pausenlos drei- bis viermal an, kraftvoll und wuchtig wie ein Hahn. D a die gegen ihn kampfenden Hahne nach dem ersten Ansprung in Lauerstellung ubergingen, dex Zwitter Jagegen weiter hochgereckt angriff, gab es Kampf- szenen, wie sie Abb. 3 zeigt. Der Leghorn-Hahn in seiner Lauerstellung tragt hier den Kopf ungewohnlich hoch; er pai3t sich seinem ,,unkomment- mafiia" kamDfenden Widersacher an, da kampfende Hahne den Kopf stets in Gohe dks gegnerischen Schnabels halten. Abb. 4 zeigt den Zwitter im An- griff, den Leghorn - Hahn noch in Lauerstellung. Ab- bild. 5 zeigt die umgekehrten Kampfphasen; jetzt ist der Leghorn-Hahn im Angriff und der Zwitter in der Ruhe- pause (Drohstellung) nach drei fast pausenlosen An- griffen. Als sich andere Hahne einmischten (Abb. 6) , endete der Kampf mit der Niederlage des Zwitters.

Wahrend die meisten Hahne sich in fremder Um-

Abh. 3. Der Zwitter kjmpft aufgerichtet wie eine Henne, wjhrend der miinnliche Gegner den Kopf hoher h5lt als es tler typischen Lauerstellungentspriclit (Schnabel in Hijhe des KopfesdesGegners)

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gebung - z. B. dem Stall meiner Huhner oder dem bis dahin gleich unbekannten Mitscherlich-Kafig - zur Wehr setzen und sich behaup- ten wollen, versuchen das Hennen nur sehr selten. Hierin verhielt sich der Zwitter wie ein Hahn; seine geringe Ausdauer dagegen konnte ein Hennenmerkmal sein.

D i e B e u r t e i l u n g d e s Z w i t t e r s d u r c h A r t g e - n o s s c n . Gegen Hennen ge- wann der Zwitter dank seiner gro- i3eren Kraft und der Wucht seiner Angriffe jeden Kampf. Sie unter- warfen sich ihm, wie die rang- alteste Leghorn - Althenne (vgl. S. l l l ) , nach wenigen Gangen, vielleicht, weil sie bald in ihm den jungen H a h n erkannten. Junge Hennen widersetzten sich im Freien dem Zwitter nie, kampften mit ihm aber durch die Gitterstabe ihres Kafigs. Hier waren sie ,,selbstsicher" auf ver- trautem Gelande, der Zwitter da- gegen war ein Eindringling, der sich allerdings uberraschend sicher auffuhrte. Vermutlich wirkte er auf sie uberwiegend mannlich. Hahne dagegen behandelten den Zwitter bei der ersten Begegnung so, als ware es eine Henne (Hofmachen durch ,, Ober-den-Flugel-stolpern"). Erst wenn der falsche H a h n un- miflverstandlich zuriickdrohte, nah- men sie Kampfhaltung an. U m zu priifen, wie das Tier sich weiter-

Abb. 4 (oben). Der Zwitter i m Angriff, sein Gegner in Lauerstellung. - Abb. 5 (Mitte). Uer Leghorn-Hahn im Angriff, der Zwitter in Kuhe- bzw. Drohstellung. - Abb.6 (unten). Ein weiterer Leghorn-Hahn mischt sich in den Kampf ein. - Aufnahmen Dip1 -Landwirt W. Uorchmann

Ltwickelt und ob es vielleicht als Glucke verwendbar wird, will ich die Ana- tomie erst spater untersuchen. Zusammenfassung

Bisher wirkten im Verhalten des Zwitters der Abb. 1 die Laute und Kampfesweiszn weiblich, die Kampfesbereitschafk und Krafk mannlich. Hennen behandeln ihn als Hahn, Hahne als Henne.

Summary The behaviour of a hermaphroditic New Hampshire pullet is described.

Sound utterances and behaviour patterns of fighting were those of a hen, the readiness to fight as well as the strength that of a cock. The bird was treated as a hen by cocks and as a cock by hens.

Li teraturverzeichnis BESENBECK, A , : Beteiligung cines Hahnes am Legcgeschaft der Hcnne. Z. Tierpsychol.

7, 1950, 287-233. - SCH]ELDERU?-EBBE, Th.: Weirere Beitrage zur Sozial- und Individual- psychologie dcs Haushuhns. Z. Psychol. 92, 1923, 60-87.