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637 © Ernst & Sohn Verlag für Architektur und technische Wissenschaften GmbH & Co. KG, Berlin · Bautechnik 86 (2009), Heft 10 Neben der architektonisch ansprechenden Form weist die neue Elbebrücke Mühlberg mit Betongelenken aus selbstverdichten- dem und hochfestem Beton technische Neuheiten auf. Für die Bemessung der Betongelenke sind Ergänzungen und Modifikatio- nen der vorhandenen Bemessungsregeln gemäß [1] erforderlich. Weiterhin ist die umfängliche Erstanwendung von selbstverdich- tendem und hochfestem Beton im Brückenbau eine weitere Her- ausforderung für die Beteiligten. In diesem Beitrag werden die neu aufgestellten Bemessungsregeln für die Betongelenke zu- sammenfassend erläutert und über die Erfahrungen im Zusam- menhang mit der Anwendung von selbstverdichtendem und hoch- festem Beton im Brückenbau berichtet. Concrete Hinge made of self compacting and high strength con- crete for the new Elbe-Bridge Mühlberg. Additional to a sophisti- cated architectural design the new Elbe-Bridge Mühlberg shows technical novelty with concrete hinges made of self compacting and high strength concrete. For the design of concrete hinge in this construction few modifications and additions to the available design rules according to [1] are necessary. Furthermore the use of self compacting and high strength concrete in great volume is a challenge. In this paper the new design rules for concrete hinge are explained and the know how regarding on the use of self compacting and high strength in bridge construction are re- ported. 1 Einleitung Nach fast drei Jahren Bauzeit wurde am 22. Dezember 2008 die neue Elbebrücke Mühlberg für den Verkehr frei- gegeben. Das 690,5 m lange neue Brückenbauwerk im Zuge des Neubaus der Staatsstraße S 21 in Sachsen und der Ver- legung der Landstraße L 66 in Brandenburg überbrückt die Elbe bei Mühlberg. Durch die Auflösung des Pfeilers der Achse 2 in zwei schräge Stiele stellt die Brücke eine unverwechselbare Erscheinung in der Familie der die Elbe kreuzenden Brücken dar. Neben der architektonisch an- sprechenden Form war die umfängliche Erstanwendung von selbstverdichtendem und hochfestem Beton für die Herstellung der Betongelenke und der Rahmenstiele der Achse 2 eine Herausforderung für die Beteiligten. Darüber hinaus mussten die vorhandenen Bemessungsregeln für die Betongelenke nach [1] modifiziert und ergänzt werden, um den Beanspruchungen und der Herstellbarkeit der Beton- gelenke und Stiele in Achse 2 gerecht zu werden. Der Ein- satz von selbstverdichtendem und hochfestem Beton in die- sem Bauwerk kann als Beispiel für das werkstoffgerechte Konstruieren mit innovativen Werkstoffen angesehen wer- den. In diesem Beitrag wird über die Modifizierung und Erweiterung der Bemessungsregel für die Betongelenke im Rahmen der Bauwerksplanung und die Erfahrungen mit dem selbstverdichtenden und hochfesten Beton im Brü- ckenbau zusammenfassend berichtet. 2 Bauwerksbeschreibung Das neue Brückenbauwerk setzt sich aus zwei Teilen zu- sammen, einer Strombrücke aus Stahlverbund und einer Vorlandbrücke aus Spannbeton. Die gesamte Bauwerks- länge beträgt 690,5 m, wobei die Vorlandbrücke aus 8 Fel- dern mit einer Regelspannweite von 35 m und die Ver- bundbrücke aus 4 Feldern mit Spannweiten von 84,50 m + 144,00 m + 120,00 m + 62,00 m bestehen. Der Übergang zwischen beiden Brückenteilen wurde durch einen massi- ven Querträger realisiert. Als Querschnitt wurde für die Verbundbrücke ein Hohlkasten und für die Vorlandbrücke eine Spannbetonvollplatte verwendet. In Bild 1 sind die Querschnitte der Verbundbrücke und der Vorlandbrücke dargestellt. Die Fahrbahnbreite entspricht dem RQ 10,5. Auf der Oberstromseite wurde darüber hinaus ein Radweg angeordnet. Er schließt die Lücke des Elberadwegs in die- sem Bereich. Die Vorlandbrücke aus Spannbeton wurde auf einem bodengestütztem Traggerüst hergestellt und stellt keine große Besonderheit dar. Die Verbundbrücke ist im Grundriss leicht gekrümmt. Sowohl aus architektonischer als auch ingenieurtechni- scher Sicht stellt die Auflösung des biegesteif angeschlos- senen Pfeilers in Achse 2 die Besonderheit dieser Brücke dar. Die um ca. 36 Grad geneigten Stiele mit ihrem ober- und unterseitig jeweils gegenläufig parabolisch gekrümm- ten Verlauf bilden zusammen mit dem vorgespannten Rie- gel (Bild 2) eine breite wassertropfenförmige Öffnung. Sie bestimmt das Erscheinungsbild der Brücke maßgeblich. Die Stiele sind jeweils über ein Betongelenk mit dem Fun- dament verbunden. Oberhalb des Betongelenks sind die aus Stahlbeton bestehenden Stiele durch einen Stahlman- tel umhüllt (Bild 3). Über Verbundmittel wirkt der Stahl- mantel mit dem bewehrten Beton zusammen. Die Gelenkhalsfläche hat die Abmessungen 0,40 m × 5,0 m. Die Stielquerschnittsfläche im direkten Anschluss Betongelenke aus selbstverdichtendem und hoch- festem Beton bei der neuen Elbebrücke Mühlberg Herrn Professor Dr.-Ing. Dr. E. h. mult. Gert König zum 75. Geburtstag gewidmet Nguyen Viet Tue Holger Jankowiak Fachthemen DOI: 10.1002/bate.200910064

Betongelenke aus selbstverdichtendem und hochfestem Beton bei der neuen Elbebrücke Mühlberg

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637© Ernst & Sohn Verlag für Architektur und technische Wissenschaften GmbH & Co. KG, Berlin · Bautechnik 86 (2009), Heft 10

Neben der architektonisch ansprechenden Form weist die neueElbebrücke Mühlberg mit Betongelenken aus selbstverdichten-dem und hochfestem Beton technische Neuheiten auf. Für dieBemessung der Betongelenke sind Ergänzungen und Modifikatio-nen der vorhandenen Bemessungsregeln gemäß [1] erforderlich.Weiterhin ist die umfängliche Erstanwendung von selbstverdich-tendem und hochfestem Beton im Brückenbau eine weitere Her-ausforderung für die Beteiligten. In diesem Beitrag werden dieneu aufgestellten Bemessungsregeln für die Betongelenke zu-sammenfassend erläutert und über die Erfahrungen im Zusam-menhang mit der Anwendung von selbstverdichtendem und hoch-festem Beton im Brückenbau berichtet.

Concrete Hinge made of self compacting and high strength con-crete for the new Elbe-Bridge Mühlberg. Additional to a sophisti-cated architectural design the new Elbe-Bridge Mühlberg showstechnical novelty with concrete hinges made of self compactingand high strength concrete. For the design of concrete hinge inthis construction few modifications and additions to the availabledesign rules according to [1] are necessary. Furthermore the useof self compacting and high strength concrete in great volume is a challenge. In this paper the new design rules for concretehinge are explained and the know how regarding on the use ofself compacting and high strength in bridge construction are re-ported.

1 Einleitung

Nach fast drei Jahren Bauzeit wurde am 22. Dezember2008 die neue Elbebrücke Mühlberg für den Verkehr frei-gegeben. Das 690,5 m lange neue Brückenbauwerk im Zugedes Neubaus der Staatsstraße S 21 in Sachsen und der Ver-legung der Landstraße L 66 in Brandenburg überbrücktdie Elbe bei Mühlberg. Durch die Auflösung des Pfeilersder Achse 2 in zwei schräge Stiele stellt die Brücke eineunverwechselbare Erscheinung in der Familie der die Elbekreuzenden Brücken dar. Neben der architektonisch an-sprechenden Form war die umfängliche Erstanwendungvon selbstverdichtendem und hochfestem Beton für dieHerstellung der Betongelenke und der Rahmenstiele derAchse 2 eine Herausforderung für die Beteiligten. Darüberhinaus mussten die vorhandenen Bemessungsregeln für dieBetongelenke nach [1] modifiziert und ergänzt werden, umden Beanspruchungen und der Herstellbarkeit der Beton-gelenke und Stiele in Achse 2 gerecht zu werden. Der Ein-

satz von selbstverdichtendem und hochfestem Beton in die-sem Bauwerk kann als Beispiel für das werkstoffgerechteKonstruieren mit innovativen Werkstoffen angesehen wer-den.

In diesem Beitrag wird über die Modifizierung undErweiterung der Bemessungsregel für die Betongelenke imRahmen der Bauwerksplanung und die Erfahrungen mitdem selbstverdichtenden und hochfesten Beton im Brü -ckenbau zusammenfassend berichtet.

2 Bauwerksbeschreibung

Das neue Brückenbauwerk setzt sich aus zwei Teilen zu-sammen, einer Strombrücke aus Stahlverbund und einerVorlandbrücke aus Spannbeton. Die gesamte Bauwerks-länge beträgt 690,5 m, wobei die Vorlandbrücke aus 8 Fel-dern mit einer Regelspannweite von 35 m und die Ver-bundbrücke aus 4 Feldern mit Spannweiten von 84,50 m +144,00 m + 120,00 m + 62,00 m bestehen. Der Übergangzwischen beiden Brückenteilen wurde durch einen massi-ven Querträger realisiert. Als Querschnitt wurde für dieVerbundbrücke ein Hohlkasten und für die Vorlandbrückeeine Spannbetonvollplatte verwendet. In Bild 1 sind dieQuerschnitte der Verbundbrücke und der Vorlandbrückedargestellt. Die Fahrbahnbreite entspricht dem RQ 10,5.Auf der Oberstromseite wurde darüber hinaus ein Radwegangeordnet. Er schließt die Lücke des Elberadwegs in die-sem Bereich. Die Vorlandbrücke aus Spannbeton wurde aufeinem bodengestütztem Traggerüst hergestellt und stelltkeine große Besonderheit dar.

Die Verbundbrücke ist im Grundriss leicht gekrümmt.Sowohl aus architektonischer als auch ingenieurtechni-scher Sicht stellt die Auflösung des biegesteif angeschlos-senen Pfeilers in Achse 2 die Besonderheit dieser Brückedar. Die um ca. 36 Grad geneigten Stiele mit ihrem ober-und unterseitig jeweils gegenläufig parabolisch gekrümm-ten Verlauf bilden zusammen mit dem vorgespannten Rie-gel (Bild 2) eine breite wassertropfenförmige Öffnung. Siebestimmt das Erscheinungsbild der Brücke maßgeblich.Die Stiele sind jeweils über ein Betongelenk mit dem Fun-dament verbunden. Oberhalb des Betongelenks sind dieaus Stahlbeton bestehenden Stiele durch einen Stahlman-tel umhüllt (Bild 3). Über Verbundmittel wirkt der Stahl-mantel mit dem bewehrten Beton zusammen.

Die Gelenkhalsfläche hat die Abmessungen 0,40 m ×5,0 m. Die Stielquerschnittsfläche im direkten Anschluss

Betongelenke aus selbstverdichtendem und hoch-festem Beton bei der neuen Elbebrücke MühlbergHerrn Professor Dr.-Ing. Dr. E. h. mult. Gert König zum 75. Geburtstag gewidmet

Nguyen Viet TueHolger Jankowiak

Fachthemen

DOI: 10.1002/bate.200910064

an das Gelenk hat die Abmessungen 1,60 × 5,50 m. Wegender hohen Bewehrungskonzentration und der hohen Bean-spruchungen in den beiden Stielen wurde der hochfeste undselbstverdichtende Beton SVB 55/67 gemäß DIN-FB 100[10] verwendet. Da die Anwendung des selbstverdichten-den und hochfesten Betons im Brückenbau zur Zeit bau-aufsichtlich noch nicht geregelt ist, wurde der erstgenannteVerfasser sowohl für betontechnologische als auch für be-messungsrelevante Fragen als Gutachter eingeschaltet.

638 Bautechnik 86 (2009), Heft 10

3 Ergänzung der Bemessungsregel für die Betongelenke aus SVB

3.1 Allgemeines

Durch die Bauwerkskrümmung im Grundriss müssen diebeiden Stiele und die Betongelenke in Achse 2 neben ho-hen Duck- und Biegebeanspruchungen auch große Tor -sionsmomente aufnehmen. Weiterhin ist ein Vorzeichen-wechsel der Winkelverdrehung der Betongelenke infolge

N. Viet Tue/H. Jankowiak · Betongelenke aus selbstverdichtendem und hochfestem Beton bei der neuen Elbebrücke Mühlberg

Bild 1. Querschnitte der Verbund- und Vorlandbrücke Fig. 1. Cross-section of the composit and prestressed concrete beam

Bild 2. Aufgelöster Pfeiler in Achse 2 Fig. 2. Frame for the pier in axis 2

639Bautechnik 86 (2009), Heft 10

häufiger Lastkombination nicht auszuschließen. Die bei-den Effekte führen dazu, dass Ergänzungen zu den Be-messungsregeln gemäß [1] erforderlich sind, um die Bau-barkeit der beiden Stiele selbst bei Verwendung von selbst-verdichtendem Beton sicherzustellen. Im Rahmen einerStellungnahme im Auftrag des Bauherrn wurden folgendeErgänzungen erarbeitet [2].

3.2 Aufnahme des Torsionsmoments

Das Torsionsmoment MT wurde vereinfachend durch einKräftepaar innerhalb der Fläche Ac,eff des Gelenkhalsesgemäß Bild 4 aufgenommen. Die Fläche Ac,eff ist die Ge-lenkhalsfläche abzüglich der unter Zug stehenden Flächeinfolge Normalkraft und des zugehörigen Moments um diestarke Achse Mz (klaffende Fuge). Für die Normalspan-nungsverteilung wird analog dem Nachweis der Beton-druckspannungen ein Spannungsblock angenommen. DieTorsionsmomente erhöhen somit die Querkraftbeanspru-chung der Betongelenke sehr deutlich. Dies muss bei derBeurteilung des zulässigen Verhältnisses V/N gemäß [1]berücksichtigt werden. Die Weiterleitung der Torsionsmo-mente erfolgt direkt über die Druckstreben vom Betonge-lenk auf den Stahlkasten. Dem Stahlbetonquerschnitt imBereich oberhalb der beiden Betongelenke wird somit keinTorsionsmoment zugewiesen. Hiermit kann die erforder -

liche Bewehrung in diesem hochbewehrten Bereich redu-ziert werden.

3.3 Verhältnis Querkraft zu Normalkraft V/N

Gemäß [1] sollte das Verhältnis zwischen Querkraft V undNormalkraft N im Gebrauchszustand nicht größer als0,25 sein. Bei größerem Verhältnis V/N wird eine Panze-rung des Gelenkhalses, d. h. Anordnung einer großen Be-wehrungsfläche, als notwendig erachtet. Die Literaturstu-die im Rahmen der Erstellung der Stellungnahme [2] hatergeben, dass die Begrenzung des Verhältnisses V/N nichtauf Versuche bzw. theoretische Untersuchungen gestütztist. Vielmehr ist diese Begrenzung auf eine pragmatischeÜberlegung von Dix [3] zurückzuführen. In seiner Erläu-terung ging Dix davon aus, dass im ungünstigsten Fall einReibungsbeiwert μ = 0,6 für den Gelenkhals angenommenwerden kann. Mit einem globalen Sicherheitsbeiwert von2,5, der für die Querkraftbeanspruchung ohne Bewehrungaus heutiger Sicht weiterhin als angemessen angesehenwird, wurde die Grenze für V/N zu 0,25 ermittelt:

(1)

In [7], [8] ,[9] wurde von Versuchen berichtet, bei denendas Verhältnis V/N von 1,0 mit einer zugehörigen Ver -drehung bis zu 27 mrad ohne Anzeichen eines Versagensgetestet wurde. Erst bei sehr großen Verdrehungen (bis63 mrad) kam es zu einem Verrutschen der Gelenkhals-flächen. Bei diesem Bauwerk ist im ungünstigsten Falleine Winkelverdrehung von ca. 7 mrad zu erwarten. Miteinem Verrutschen der Gelenkhalsfläche ist somit auchbei einem größeren Verhältnis V/N = 0,25 nicht zu rech-nen. Unter Berücksichtigung der vorhandenen Versuchs -ergebnisse und in Anlehnung an die aktuelle DIN 1045-1[4] kann ein Reibungsbeiwert μ = 1,0 für die Gelenkhals-fläche nach der Rissbildung angenommen werden. Legtman weiterhin einen globalen Sicherheitsbeiwert von 2,5zugrunde, so kann das Verhältnis von

(2)

als Grenzwert zur Begrenzung der Querkraft angesehenwerden. Abweichend von [1] wurde dieses V/N-Verhältnisfür die Bemessung der Betongelenke in diesem Bauwerkverwendet. Das V/N-Verhältnis wurde für die seltene Ein-wirkungskombination nachgewiesen.

3.4 Querkraftbewehrung

Gemäß [6] ist bei hoher Querkraftbeanspruchung eineQuerkraftbewehrung von

(3)

in der Gelenkhalsfläche anzuordnen. Wegen der sehr ho-hen Querkraft einschließlich des Anteils aus der Torsions-beanspruchungen würde die Anwendung der Gl. (3) indiesem Fall zu einer Bewehrungsfläche führen, die mehrals 20 % der Fläche des Gelenkenhalses entspricht. In Be-zug auf die Baubarkeit der Betongelenke und der beidenStiele erscheint dies nicht sinnvoll. Entsprechend DIN

VN

= = ≈0 62 5

0 24 0 25,,

, ,

AV kN

cms =[ ]

[ ]8

2

VN

= =1 02 5

0 4,,

,

N. Viet Tue/H. Jankowiak · Betongelenke aus selbstverdichtendem und hochfestem Beton bei der neuen Elbebrücke Mühlberg

Bild 4. Aufteilung der Torsionsmomente als Kräftepaar innerhalb des Gelenkhalses Fig. 4. Inner forces to carry torsion moments in pier 2

Bild 3. Betongelenk in Achse 2 Fig. 3. Concrete hinge in the pier 2

1045-1 [4] kann eine unbewehrte Fuge folgende Querkraftaufnehmen:

(4)

Lässt man auf der sicheren Seite den ersten Term unbe -rücksichtigt und setzt für μ den ungünstigsten Wert von0,5 gemäß Tabelle 13 der DIN 1045-1 an, so kann unterBerücksichtigung eines globalen Sicherheitsbeiwerts von2,5 mit der Gl. (5) ebenfalls gezeigt werden, dass bis zu einem Verhältnis V/N etwa von 0,4 keine Bewehrung er-forderlich ist, um die Querkrafttragfähigkeit sicherzustel-len:

(5)

Hierbei wird für die Materialseite ein Teilsicherheitsbei-wert von 1,5 und für die Einwirkungsseite ein mittlererTeilsicherheitsbeiwert von 1,4 angenommen. Basierend aufdieser Betrachtung wurde auf die Bewehrung gemäß Gl. (3)verzichtet. Ein Nachweis der Querkraftbewehrung wurdefür V/N ≤ 0,4 als nicht erforderlich angesehen. Versuchean Betongelenken mit gekreuzten Bewehrungsstäben ha-ben gezeigt, dass die Bewehrung zwar die Querverschie-bung nicht verhindern konnte, führte aber zu einem duk -tileren Verhalten. Um ein sprödes Versagen des Betonge-lenks sicher auszuschließen, wurde eine Bewehrung in Formgeneigter Bewehrungsstäbe in der Mittellinie des Gelenk-halses (2 ∅ 32, s = 20 cm gemäß Bild 5) angeordnet. DieNeigung der Stäbe wurde unter Berücksichtigung der Bau-barkeit zwischen 20 und 30 gewählt.

3.5 Begrenzung der Stahlspannung der Spaltzugbewehrung

Die lokale Lasteinleitung bei Betongelenken führt zu Spalt-zugkräften. Analog Heft 240 DAfStb [13] kann die von

VN

= ⋅ ⋅ =0 5 1 5 1 42 5

0 42, , ,

,,

v ß f b d NRd ct ct ck,/( , )= ⋅ ⋅ ⋅ ⋅ − ⋅0 042 1 3 μ

640 Bautechnik 86 (2009), Heft 10

der Bewehrung aufzunehmende Spaltzugkraft Z1 für dieLastausbreitung in z-Richtung (s. Bild 6) mit Gl. (6a) er-mittelt werden:

(6a)

Für die Lastausbreitung in y-Richtung gilt gemäß [6]:

(6b)

Für die Lastausbreitung in y-Richtung ist in den Randbe-reichen (d′ – d) eine oberflächennahe Spaltzugbewehrungfür die Spaltzugkraft Z3 erforderlich:

(6c)

Aus mechanischer Sicht darf die Spaltzugbewehrung imGrenzzustand der Tragfähigkeit nicht fließen, um den räum-lichen Spannungszustand im Gelenkbereich sicherzustel-len. In [6] wurde ohne weitere Erläuterungen empfohlen,die Spannung in den Spaltzugbewehrungen auf 180 N/mm2

zu begrenzen. Bekanntlich nimmt die Steifigkeit bei Stahlbetonbau-

teilen mit zunehmender Rissbreite ab. Die Rissbreite wirdaber sowohl von der Stahlspannung als auch von dem ver-wendeten Stabdurchmesser entscheidend beeinflusst. Ba-sierend auf den Grundlagen für die Ermittlung der Riss -breite in [14] wurde die Tabelle 1 zur Wahl der zulässigenStahlspannung erstellt. Weiterhin wurde vorgeschlagen, imBereich des Verbundquerschnitts oberhalb des Gelenkhal-ses eine rechnerische Rissbreite wcal = 0,20 mm und imBereich unterhalb des Gelenkhalses wcal = 0,15 mm zuzu-lassen.

Z N bAG

3

20 03= ⋅ ⋅, max

Z N dd2 0 3 1= ⋅ ⋅ −′

⎛⎝⎜

⎞⎠⎟

, max

Z N bb1 0 3 1= ⋅ ⋅ −′

⎛⎝⎜

⎞⎠⎟

, max

N. Viet Tue/H. Jankowiak · Betongelenke aus selbstverdichtendem und hochfestem Beton bei der neuen Elbebrücke Mühlberg

Bild 5. Anordnung der Bewehrung im GelenkhalsFig. 5. Reinforcement arrangement in the concrete hinges

Bild 6. Betongelenk in der DraufsichtFig. 6. Overview of the concrete hinge

Tabelle 1. Zulässige Stahlspannungen für die Ermittlung derSpaltzugbewehrungTable 1. Allowed steel stress to calculate the stirr-up reinfor-cement

Stab- Zulässige Stahlspannungdurch- seltene Kombination häufige Kombinationmesser wcal = wcal = wcal = wcal =[mm] 0,15 mm 0,20 mm 0,15 mm 0,20 mm

16 280 320 220 260

20 260 290 200 230

25 230 260 180 210

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Mit den zulässigen Spannungen gemäß Tabelle 1 istsichergestellt, dass im Grenzzustand der Gebrauchstaug-lichkeit eine ausreichende Steifigkeit vorhanden ist undim Grenzzustand der Tragfähigkeit ein Stahlfließen sichervermieden werden kann. Die Spaltzugbewehrung ist mitanderen statisch erforderlichen Bewehrungen zu überla-gern. Eine Panzerung des Gelenks gemäß [8] ist in diesemFall nicht erforderlich. Die Aufnahme der Biegebeanspru-chung um die starke Achse des Gelenkhalses wurde überdie Biegebemessung unter Berücksichtigung der Normal-kraft nachgewiesen.

4 Erfahrung mit dem selbstverdichtenden Beton 4.1 Anforderung an den SVB

Entsprechend den statischen Berechnungen im Rahmendes Bauwerksentwurfs ist ein Beton der FestigkeitsklasseC 55/67 gemäß DIN-FB 100 [10] erforderlich. Da dieHerstellung der mit Stahl ummantelten Rahmenstiele mitRüttelbeton als sehr schwierig zu erwarten war, hat derEntwurfsverfasser den Einsatz von selbstverdichtendemBeton vorgeschlagen (SVB C 55/67). Der Bauherr stimmtediesem Vorschlag durch Hinzuziehen eines Gutachters fürbetontechnologische und bemessungstechnische Fragenzu. Um allen Wettbewerbteilnehmern einen Überblick überdie Besonderheiten des hochfesten und selbstverdichten-den Betons und den Umfang der Erstprüfung zur Fest -legung einer geeigneten Betonrezeptur zu geben, wurde indie LV-Unterlagen ein grober Rahmen für die Zusammen-setzung und die Festlegung der wesentlichen Eigenschaf-ten des SVB C 55/67 aufgenommen. Basierend auf denErfahrungen in den vorangegangenen Projekten mit hoch-festen Betonen wurde ein Vorhaltemaß von 10 N/mm2 fürdie Würfeldruckfestigkeit festgelegt. Weitere Frischbeton -eigenschaften für eine gute Verarbeitbarkeit unter Berück-sichtigung der zur Verfügung stehenden Ausgangstoffe undder Transportentfernungen konnten durch die gute Zu-sammenarbeit zwischen AG und AN im Rahmen der Erst-prüfung festgelegt bzw. modifiziert werden, z. B. die Wahleines Setzfließmaßes unter Berücksichtigung seiner Zu-nahme durch den Transport. Bild 7 zeigt den Beton nachPrüfung des Setzfließmaßes auf der Baustelle.

Als Kriterien für die Freigabe der Rezeptur wurdenfolgende Werte festgelegt: – Mittlere Würfelduckfestigkeit: ≥ 77 N/mm2

– Mittlere Spaltzugfestigkeit: ≥ 4,7 N/mm2

– Mittelwert des E-Moduls : ≥ 34000 N/mm2

– Autogenes Schwinden < 0,03 %– Trocknungsschwinden < 0,03 %– Kriechen ϕ ≤ 2,5– Veränderung des Setzfließmaßes innerhalb 2 h < 5 cm

Mit Hilfe des Verarbeitungsfensters und unter Be -rücksichtigung der Ergebnisse der Verarbeitungsversuchewurden folgende Kriterien für die Annahme des Betonsauf der Baustelle formuliert: Setzfließmaß mit Blockierring: 72 ± 3 cm Trichterauslaufzeit: 15 ± 4 s

4.2 Misch- und Verarbeitungsversuche

Vor der Herstellung der eigentlichen Bauteile wurdenMisch- und Verarbeitungsversuche durchgeführt. Die Misch-versuche sollten vor allem die Eignung der Mischanlagenfür die Herstellung des durch Laborversuche konzipiertenBetons nachweisen, da zum einen bestehende Mischanla-gen für die Herstellung des selbstverdichtenden und hoch-festen Betons im Allgemeinen nachgerüstet werden müs-sen und zum anderen die Erfahrung mit dem SVB nochnicht ausreichend vorhanden ist. Eine weitere Besonder-heit bei diesem Bauwerk ist, dass wegen der großen einzu-bauenden Betonmenge drei Betonwerke gleichzeitig hoch-festen SVB liefern mussten, um die Herstellung der Bau-teile aus SVB innerhalb 24 Stunden abschließen zukönnen. Da das Setzfließmaß während des Transports deut-lich zunimmt und die Transportentfernung der Betonwerkezur Baustelle unterschiedlich sind, müssen die Zunahmendes Setzfließmaßes vorab im Rahmen der Bauvorberei-tung ermittelt und die Einstellung der Anfangskonsistenzfür jede Mischanlage gefunden werden. Hiermit konnteein Beton mit einer auf der Baustelle annähernd gleichenKonsistenz zur Verfügung gestellt werden. Durch dengleichzeitigen Einsatz von drei Betonwerken gewann auchdie Erstellung der Nachdosierungstabelle für die Zugabedes Fließmittels auf der Baustelle zusätzlich an Bedeu-tung.

Der Verarbeitungsversuch sollte vor allem der Feinab-stimmung des QS-Plans, der Übung der Mannschaft undder Abstimmung zwischen Betonwerk und Baustelle, vorallem in Bezug auf die Verarbeitbarkeit des Betons undunterschiedlicher Leistungsfähigkeit der Herstellung unddes Einbaus dienen. Im vorliegenden Fall gewann der Ver-arbeitungsversuch insofern zusätzliche Bedeutung, da hier-durch auch die Baubarkeit der Stiele mit sehr hohem Be-wehrungsgrad und sehr begrenzter Kontrollmöglichkeit inBezug auf den Fließweg des Betons nachgewiesen werdensollte. Aus diesem Grund wurde für den Verarbeitungsver-such ein Probekörper gewählt, dessen Form, Bewehrungs-grad und Bewehrungsanordnung denen der Stiele im Be-reich oberhalb des Betongelenks entsprachen (Bild 8). ImVergleich zu den Rahmenstielen des tatsächlichen Bau-werks ist der Probekörper lediglich kürzer.

Nach der Erhärtung des Betons wurde der Probekör-per aufgeschnitten, um eventuelle Hohlstellen und das Be-tongefüge genauer untersuchen zu können. Es zeigte sich,

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Bild 7. Fließverhalten des verwendeten Betons Fig. 7. Flow behaviour of the designed SCC

dass der Beton die Bewehrung in allen Bereichen sehr gutumhüllt (Bild 9). Fehlstellen wurden nicht festgestellt. Al-lerdings zeigte sich, dass in einigen Bereichen sehr vieleLuftporen vorhanden sind. Die anschließende Bohrkern-untersuchung hat aber ergeben, dass die Betondruckfestig-keit durch die festgestellte Häufung von Luftporen nicht be-einträchtigt wird. Die erreichte Betondruckfestigkeit weichtnur unwesentlich von den Ergebnissen der Laborversucheab.

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Die erhöhte Porenanzahl ist dem zu schnellen Einbaudes SVB und zu kurzem Fließweg geschuldet. Bei dem ge-wählten Probekörper konnte die beim Mischvorgang ein-geschlossene Luft durch zu schnelles Pumpen und zu kurzeFließstrecken nicht komplett entweichen. Für die eigent -liche Hauptbetonage bestanden im Hinblick auf die großeAnzahl von Luftporen keine Bedenken, da die Stiele einenQuerschnitt mit einer Breite von 5,50 m aufweisen, so dassdie Fließstrecke bei einseitigem Einbringen des Betons deut-lich größer ist als beim Probestück, dessen Breite nur 1 mbetrug. Darüber hinaus sollte dafür gesorgt werden, dassein langsames Pumpen konsequent eingehalten wird. Mitder erfolgreichen Herstellung des Probekörpers konntebestätigt werden, dass die Betongelenke aus hochfestemSVB als Konstruktionselemente in diesem Bauwerk einerichtige Wahl sind, insbesondere im Hinblick auf den Um-gang mit den zur Zeit zur Verfügung stehenden innovati-ven Werkstoffen.

4.3 Herstellung der Stummelpfeiler

Im Zuge der Ausführungsplanung zeigte sich, dass der Be-reich der Stummelpfeiler unterhalb der Betongelenke einenden Rahmenstielen ähnlich hohen Bewehrungsgrad auf-wies (Bild 10). Basierend auf den guten Erfahrungen mitdem Probekörper wurde dem Bauherrn vorgeschlagen, diebeiden Köpfe des Stummelpfeilers ebenfalls mit SVB her-zustellen.

Aufgrund ihrer Geometrie mussten die beiden Köpfedes Stummelpfeilers komplett eingeschalt werden (Deckel -schalung), so dass der Beton durch Betonierstutzen einge-bracht werden musste. Hiermit konnten weitere Erfahrun-gen für die Herstellung der Rahmenstiele gesammelt wer-den. Zur Betonage des östlichen Stummelpfeilerkopfs wurdeder hochfeste SVB in fast gleichbleibender Frischbeton-qualität geliefert. Das Setzfließmaß betrug im Mittel 725 mm,die Trichterauslaufzeiten lagen zwischen 17 und 10 Sekun-den. Der Einbau eines mit 6 m3 SVB beladenen Fahrzeugsdauerte durchschnittlich 35 Minuten. Die Herstellung deswestlichen Stummelpfeilerkopfs erfolgte ebenfalls reibungs-los. Auch hier weist der Beton eine große Gleichmäßigkeitauf. Für jeden Kopf des Stummelpfeilers wurden ca. 45 m3

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Bild 10. Bewehrung der Stummelpfeiler Fig. 10. Reinforcement in the basement

Bild 8. Probekörper für den Verarbeitungsversuch Fig. 8. Specimen for the application test

Bild 9. Schnittfläche des Probekörpers Fig. 9. Surface of intersection of the specimen

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selbstverdichtender Beton benötigt. In beiden Bauteilenwurden somit insgesamt ca. 90 m3 eingebaut. Bild 11 zeigtden Stummelpfeiler im Endzustand

Mit den Erfahrungen aus dem Verarbeitungsversuchund der Herstellung der beiden Köpfe des Stummelpfeilerswurden u. a. folgende Festlegungen für die Herstellung derRahmenstiele getroffen:– Stillstandszeiten während der Betonage und lange Warte -zeiten der Transportfahrzeuge auf der Baustelle sind unbe-dingt zu vermeiden. – Für den Bereich mit hohem Bewehrungsgehalt solltedie geringste Pumpgeschwindigkeit gewählt werden. Dar-über hinaus sollte beim Pumpen immer gegen den Frisch-beton gedrückt werden. Zum einen sollte hiermit keine zu-sätzliche Luft im Beton eingeschlossen werden und zumanderen keine Trennschicht innerhalb der Stiele wegender Elefantenhaut zu befürchten sein. – Für den Einbau eines Fahrzeugs mit 6 m3 sollte für denBereich mit hohem Bewehrungsgehalt mit ca. 30 Minutengerechnet werden. – Auf der Baustelle muss zu jeder Zeit eine Ansprechper-son anwesend sein, welche die Rückkopplung zu den Be-tonwerken bzgl. der Eigenschaften des SVB und auch zulogistischen Fragen übernimmt. Diese Person ist offiziellmit Name und Erreichbarkeit zu benennen und im QS-Plan/Betonierkonzept zu verzeichnen. Diese Aufgabe darfnur von dieser einen Person erledigt werden, um Verwir-rungen und Verwechslungen bei den „Feedbacks“ zu denWerken zu vermeiden.– Einfüllstutzen sollten im Höhenabstand von ca. 50 cmauf einer Querschnittsseite angeordnet werden. Auf derGegenseite sind die Öffnungen zur Abführung von Ze-mentschlämmen und zur Überprüfung, ob der Beton gleich-mäßig über den Gesamtquerschnitt verteilt ist, anzuord-nen. – Die Erstellung einer Nachdosierungstabelle sollte zeitnahvor der Betonage erfolgen.

4.4 Herstellung der Rahmenstiele

Die Betonage der Rahmenstiele in Achse 2 erfolgte in zweiTeilabschnitten. Der erste Betonierabschnitt umfasste dieBetongelenke und jeweils etwa 3,50 m langes Stielstück.

Der Rest der Stiele und der Rahmenriegel bilden den zwei-ten Abschnitt. Hierdurch entsteht eine Arbeitsfuge inner-halb der Stiele. Unter Berücksichtigung des Kraftflusseswurden die Arbeitsfugen rechtwinklig zur Stielachse an -geordnet. Da sich der SVB aufgrund seiner Fließfähigkeitvon selbst ausnivelliert und eine gewisse Konzentration derZementschlämme im Oberflächenbereich nicht zu ver-meiden ist, wurden zusätzlich zu den Betonier- und Kon-trollstutzen Öffnungen für das Auslaufen von Zementleimin dem sich durch die Arbeitsfuge ergebenden Zwickel ander Abstellung zum zweiten Betonierabschnitt angeord-net. Entsprechend der Festlegung im QS-Plan wurde derBeton im ersten Betonierabschnitt immer von unten miteiner Betonpumpe in das Bauteil gedrückt, um eine voll-ständige Füllung des Stahlkastens sicherzustellen. Da dieStiele komplett mit Stahl ummantelt sind und somit imNachgang keine Kontrollmöglichkeit boten, ist diese Vor-gehensweise in Bezug auf die hohe Beanspruchung derStiele besonders wichtig. Erst im zweiten Betonierabschnittkonnte ab einer festgelegten Füllhöhe der SVB von obenim Bereich der großen Aufweitungen in die Stiele und denRahmenriegel gepumpt werden.

Der verwendete Beton für den ersten Bauabschnittwurde von zwei Betonwerken gleichzeitig geliefert, jedesWerk für einen Stiel. An jedem Stiel war über die Betonier-stutzen eine Betonpumpe angeschlossen. Die von beidenWerken gelieferten Betone wiesen annähernd die gleichenFrischbetoneigenschaften auf. Eine Nachdosierung auf derBaustelle war nicht erforderlich. Für den ersten Bauab-schnitt wurde eine Betonmenge von ca. 68 m3 verwendet.Bild 12 zeigt die Betonage im 1. Bauabschnitt.

Beim zweiten Betonierabschnitt wurde jeder der bei-den Stiele von drei Werken beliefert. Die Betonage dauerteca. 22 Stunden. Insgesamt wurden ca. 540 m3 eingebaut.Während der gesamten Betonage musste von den insge-samt 90 gelieferten Mischungen bei 9 Fahrzeugen nach-dosiert werden, was eine Mengenhäufigkeit von 10 % aus-macht. Im Mittel wurden dabei ca. 3,16 kg Fließmittel auf6 m3 Beton zugegeben, um die gewünschte Frischbeton-qualität zu erreichen. Größere Probleme, die eine Hand-lung nach dem QS-Plan erfordert hätten, traten nicht auf.

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Bild 11. Stummelpfeiler in Achse 2 im EndzustandFig. 11. Basement of the pier 2 in final stage

Bild 12. Betonage des 1. Bauabschnitts Fig. 12. Concreting of the first part

5 Betoneigenschaften5.1 Frischbetoneigenschaften

Die Bestimmung der Frischbetoneigenschaften auf der Bau-stelle, die als Kriterien für die Freigabe des Betons zumEinbau dienen, wurde vom Eigenüberwacher des AN nach[4] durchgeführt. Bemerkenswert ist die Zunahme des Setz-fließmaßes während des Transports vom Mischwerk zurBaustelle. Diese fiel bedingt durch die verschiedenen Fahr-zeiten für die Werke unterschiedlich aus. Beim SVB ausdem Werk in Torgau betrug die mittlere Zunahme des Setz-fließmaßes 105 mm, der SVB aus Haida wies eine Zu-nahme von 90 mm auf, während der SVB aus Lieberseebedingt durch die kürzeste Fahrzeit nur eine mittlere Zu-nahme von 60 mm erfuhr. Die Mischungen, welche nach-dosiert werden mussten, sind in diese Mittelwertbildungnicht mit eingeflossen. Die Zunahme des Setzfließmaßeshängt von verschiedenen Faktoren ab, vor allem von derTemperatur und dem verwendeten Fließmittel und kannim Rahmen der Erstprüfung nicht mit ausreichender Si-cherheit vorhergesagt werden. Aus diesem Grund ist eineAbstimmung zwischen Werk und Baustelle am Betonier-tag unbedingt erforderlich, insbesondere bei den erstenTransportfahrzeugen. Darüber hinaus verdeutlicht dieseTatsache die Notwendigkeit einer Nachdosierungstabellefür die Baustelle, die zeitnah vor dem Betoniertermin er-stellt werden sollte.

In Bild 13 ist die Bandbereite der festgestellten Setz -fließmaße für alle drei Werke dargestellt. Die Streuungliegt im Bereich der Erwartung, wobei der Beton aus demWerk Haida die gleichmäßigste Fließfähigkeit für die ge-samte Betonage aufweist.

5.2 Festbetoneigenschaften

Bei der Herstellung der beiden Stiele in Achse 2 wurdenbeim Betonieren gemäß QS-Plan insgesamt 40 Würfel miteiner Kantenlänge von 150/150/150 mm auf der Baustellezur Bestimmung der Druckfestigkeit nach DIN 1048 her-

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gestellt, wobei 6 für den ersten und 34 für den zweiten Ab-schnitt sind. In der Tabelle 2 ist die statistische Auswer-tung der gesamten Daten zusammengefasst.

Die Streuung der Druckfestigkeiten ist als außerge-wöhnlich gering einzuschätzen. Dies bedeutet, dass in denStielen der Achse 2 eine gleichbleibende Betonqualität er-reicht wurde. Die Abweichung zwischen Erstprüfung undBaustellenprüfung liegt im erwarteten Bereich. Dies un-terstreicht die Notwendigkeit eines Vorhaltemaßes von ca.10 N/mm2 im Rahmen der Erstprüfung. Der in Tabelle 6ermittelte 5 %-Fraktilwert der Druckfestigkeit ist nahezumit dem Normwert aus DIN 1045-1 identisch. Der Betonkann anhand der vorliegenden Ergebnisse der Festigkeits-klasse C 55/67 zugeordnet werden.

Im Rahmen der Erstprüfung wurden ebenfalls dieSpaltzugfestigkeit, der E-Modul und das Kriech- undSchwindverhalten des Betons untersucht. Als Probekörperfür die Kriech- und Schwindversuche dienten Zylinder miteinem Durchmesser von 150 mm und einer Länge von300 mm. Die Ergebnisse der einzelnen Prüfungen sind inTabelle 3 dargestellt.

Das Schwinden wurde dabei getrennt für autogenesSchwinden und Trocknungsschwinden erfasst. Das Trock-nungsschwinden wurde an den Zylindern mit einer Mess-streckenlänge von 200 mm ermittelt. Die Probenvorberei-tung, -lagerung und -prüfung wurde entsprechend Heft 422DAfStb [15] ausgeführt. Nach 90 Tagen betrug die lastun-abhängige Verkürzung ca. 279 mm/m und liegt somit inder erwarteten Größenordnung für einen C 55/67. Das Maßdes autogenen Schwindens wurde im Rahmen der Erst-prüfung ebenfalls ermittelt. Hiernach betrug das autogeneSchwindmaß ca. 0,08 %. Dieser Wert scheint sehr hoch zusein. Es sollte an dieser Stelle jedoch bemerkt werden, dassmit dem verwendeten Prüfkörper (Zylinder) die Absackungdes Betons im plastischen Zustand miterfasst wurde, die

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Tabelle 2. Betondruckfestigkeit im Vergleich zur Erstprüfung Table 2. Compressive strength compared to the initial typetesting

Würfeldruckfestigkeit nach 28 Tagen [N/mm2]1. BA 2. BA Erstprüfung Norm

Mittelwert fc,cube,28d 72,8 71,5 77,4 75,0

Standardabweichung 2,51 1,77 – –

kleinster Wert 72 66 63

Variationskoeffizient 0,034 0,025 – –

5 % Fraktilwert 68,7 68,6 – 67,0

Tabelle 3. Festbetoneigenschaften, während der ErstprüfungermitteltTable 3. Hardened concrete determined by initial typetesting

Eigenschaft Prüfwert

Spaltzugfestigkeit nach 28 Tagen fct 5,0 N/mm2

E-Modul nach 28 Tagen Ec 34300 N/mm2

Schwindverkürzung nach 90 Tagen 0,8 ‰

Kriechzahl nach 90 Tagen 0,65Bild 13. Setzfließmaße für den Beton aus allen drei Werken Fig. 13. Slump flow of the designed SCC

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in diesem Fall keinerlei Auswirkung auf das Tragverhaltender Konstruktion hat.

Für das Kriechen wurde eine Kriechzahl von 0,65nach einer Belastungsdauer von 90 Tagen und einer Belas -tungshöhe von ca. 33 % der Bruchlast ermittelt. Die in derstatischen Berechnung angesetzte Kriechzahl von 3,0 wirdmit Sicherheit nicht erreicht.

5.3 Spannungs-Dehnungslinie

Um die Sprödigkeit des verwendeten Betons und deren Ein-fluss auf die Ermüdungsfestigkeit des Betongelenks beur-teilen zu können, wurde die Spannungs-Dehnungslinie desBetons ermittelt. Als Probekörper wurden Zylinder mit einem Durchmesser von 150 mm und einer Höhe von300 mm verwendet. Die Längs- und Querdehnung wurdemittels Dehnmessstreifen aufgenommen. Die Dehnung beiErreichen der Druckfestigkeit beträgt ca. –2,5 ‰. Die Quer -dehnung nimmt bei ca. 70 % der Druckfestigkeit deutlichzu und hat bei Erreichen der Druckfestigkeit einen Wertvon ca. 1 ‰.

Wird die Querdehnung als Funktion der relativenDruckspannung dargestellt, so erhält man die Ergebnisse,die in Bild 14 abgebildet sind. Es ist deutlich zu erkennen,dass die Querdehnzahl im elastischen Bereich (relativeSpannung kleiner als 0,7) unter 0,2 bleibt. Danach folgteine deutliche Zunahme. Bei Erreichen der Druckfestig-

keit erreicht die Querdehnzahl einen Wert zwischen 0,4und 0,5, welcher etwa der Querdehnzahl des normalfestenBetons entspricht.

Aus mechanischer Sicht kann die Festigkeitserhöhungdes Betongelenks auf die Entwicklung der Querdehnzahlzurückgeführt werden. Je mehr die Querdehnzahl mit derDruckspannung zunimmt, umso größer ist das Zunahme-vermögen der Druckfestigkeit bei Teilflächenbelastung.Hiernach kann festgestellt werden, dass die ermittelte Sprö-digkeit des verwendeten Betons keinen nennenswertennegativen Einfluss auf die Tragfähigkeit und Ermüdungs-festigkeit des Betongelenks hat. Die Untersuchungsergeb-nisse mit Normalbeton können auf das Betongelenk die-ses Bauwerks übertragen werden.

6 Schlussbemerkungen

Das Erscheinungsbild der neuen Elbebrücke Mühlbergwird durch die Y-Stütze in Achse 2 vorwiegend bestimmt.Die vorliegende Konstruktionsform wird nur durch dieAnwendung von selbstverdichtendem Beton möglich. DieModifikation und Erweiterung der Bemessungsansätze fürdie Betongelenke erleichtert die Ausführung der Bauteilein diesem Bereich zusätzlich. Das Bauwerk kann als eingelungenes Beispiel für eine sinnvolle Kombination ver-schiedener Werkstoffe im Rahmen des Bauwerksentwurfsbetrachtet werden. Bild 15 zeigt die Ansicht des Strom-felds vor der Bauwerksfertigstellung.

Das Betongelenk in Achse 2 weist augenscheinlicheine sehr gute Qualität auf. Am Gelenkhals ist auf beidenSeiten je ein Riss zu erkennen. Die Rissbreite auf der Fluss-seite liegt zwischen 0,2 und 0,3 mm. Auf der Gegenseite istdie Rissbreite etwas geringer. Diese Rissbreite entsprichtetwa der durch nichtlineare FE-Berechnung ermittelten,ist aber deutlich kleiner als die auf Grundlage der Biege-theorie ermittelte Rissbreite. Augenscheinlich ist die Riss -tiefe kleiner als 20 cm und erreicht somit die Bewehrungim Gelenkhals nicht. Also wird die Dauerhaftigkeit desBetongelenks durch die Rissbildung im Gelenkhals nichtnegativ beeinflusst. Über die bereits installierten Messins -trumente wird der Frage nachgegangen, ob und in welchemUmfang eine Wechselbewegung im Betongelenk infolge der

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Bild 14. Querdehnzahl in Abhängigkeit der relativen Druck-spannung des verwendeten SVBFig. 14. Behaviour of designed SCC in lateral direction

Bild 15. Stromfeld vor der BauwerksfertigstellungFig. 15. Composit beam before completing of the bridge

Temperaturänderung und Verkehrsbelastung stattfindet. Deraktuelle Zustand des Betongelenks ist Bild 16 zu entneh-men.

Auch bei diesem Projekt hat sich gezeigt, dass sorgfäl-tige Vorbereitungen, frühzeitige Abstimmungen mit allenBaubeteiligten (Bauherr, Gutachter, Prüfer, AN), sowieMisch- und Verarbeitungsversuche im Rahmen der Bau-vorbereitung für eine erfolgreiche Anwendung von hoch -festem selbstverdichtendem Beton ausschlaggebend sind.Das Baustellen- und Betonwerkpersonal konnte hierdurchErfahrung für den Umgang mit dem im Vergleich zumNormalbeton deutlich sensibleren SVB sammeln. Weiter-hin konnte bestätigt werden, dass sorgfältig ausgearbeiteteBetonier- und Qualitätssicherungspläne entscheidend zumErfolg beitragen. Das Erkennen der eventuellen Schwierig-keiten bei der Betonage unter Berücksichtigung aller Rand-

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bedingungen des Bauwerks bereits in der Planungsphaseerwies sich als äußerst zweckmäßig. So konnten im Vor-feld Lösungen für die Betonage der hochbewehrten Berei-che im Betongelenk und in den Rahmenstielen diskutiert,gefunden und bei der Probebetonage getestet werden. Da-mit konnte eine reibungslose Betonage dieser Extrembe-reiche zum Betoniertermin gewährleistet werden. Die zeit -nahe Erstellung einer Nachdosierungstabelle hat sich auchbei diesem Projekt als sehr sinnvoll erwiesen.

ProjektbeteiligteBauherr: Freistaat Sachsen + Land BrandenburgEntwurfsverfasser: Leohard, Andrä und Partner (LAP)Auftragnehmer: DYWIDAG Bau GmbH

Literatur

[1] Leonhardt, F.: Vorlesungen über Massivbau. Teil 2: Sonder-fälle der Bemessung im Stahlbetonbau. Springer-Verlag Ber-lin, Heidelberg 1986.

[2] Nguyen, Viet Tue: Elbebrücke Mühlberg – Ergänzende Re-geln zur Bemessung der Rahmenstiele und der Betongelenke.Gutachterliche Stellungnahme vom 29. 08. 2006.

[3] Dix, J.: Betongelenke. Deutscher Ausschuss für Stahlbeton,Heft 150, 1962.

[4] DIN 1045-1: Tragwerke aus Beton, Stahlbeton und Spann-beton. Teil 1: Bemessung und Konstruktion. Juli 2001.

[5] Mönnig, E., Netzel, D.: Zur Bemessung von Betongelenken.Der Bauingenieur 44 (1969), Heft 12.

[6] Leonhardt, F., Reimann, H.: Betongelenke – Versuchsbe-richte, Vorschläge zur Bemessung und konstruktiven Ausbil-dung. Deutscher Ausschuss für Stahlbeton, Heft 175, 1965.

[7] Leonhardt, F.: Mainbrücke Gemünden – Eisenbahnbrückeaus Spannbeton mit 135 m Spannweite. Beton- und Stahl -betonbau 81 (1986), Heft 1.

[8] Bänziger, D. J.: Der Hardturm-Viadukt der SBB in Zürich.In: Schweizerische Bauzeitung 08 (1967), Heft 39.

[9] Fessler, E. O.: Versuche an armierten Betongelenken fürden Hardturm-Viadukt. Schweizerische Bauzeitung 05 (1967),Heft 34.

[10] DIN-Fachbericht 100: Beton.[11] Deutscher Ausschuss für Stahlbeton: Richtlinie für selbst-

verdichtenden Beton. [12] Deutscher Ausschuss für Stahlbeton, Heft 422: Prüfung

von Beton. Empfehlungen und Hinweise als Ergänzung zuDIN 1048, Ausgabe 1991.

[13] Grasser, E., Thielen, G.: Hilfsmittel zur Berechnung derSchnittgrößen und Formänderungen von Stahlbetontragwer-ken nach DIN 1045, Ausgabe 1972 . DAfStb-Heft 240.

[14] König, G., Tue, N. V.: Grundlagen und Bemessungshilfenfür die Rissbreitenbeschränkung im Stahlbeton und Spann-beton sowie Kommentare, Hintergrundinformationen undAnwendungsbeispiele zu den Regelungen nach DIN 1045,EC 2 und Model Code 90. DAfStb.-Heft 466.

[15] Bunke, N.: Prüfung von Beton – Empfehlungen und Hin-weise als Ergänzung zu DIN 1048. DAfStb-Heft 422.

Autoren dieses Beitrages:Univ.-Prof. Dr.-Ing. Nguyen Viet Tue, König und Heunisch Planungs -gesellschaft mbH, Sebastian-Bach-Straße 4–6, 04109 LeipzigDipl.-Ing. Holger Jankowiak, Abteilungsleiter, konstruktiver Ingenieurbau,Straßenbauamt Leipzig, Maximilianallee 3, 04129 Leipzig

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Bild 16. Aktueller Zustand der Betongelenke Fig. 16. Finished concrete hinge