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2 TRUPPENDIENST 4/2002, Beilage Gendarmerie-General i. R. Otto Rauscher Gendarmerie, B-Gendarmerie, Bundesheer Errichtung von Gendarmerie-Alarmabteilungen die Vereinigten Staaten auch bereit er- klärt, diese zur Verfügung zu stellen. Die personelle Basis sollten die Gendar- merieschulen sein. Für die rasche Aufstellung dieser Alarm- abteilungen war die Überlegung bestim- mend, die für außerordentliche Ereignisse benötigten Kräfte ohne zeitraubende Kon- zentrierung von Postengendarmen und ohne personelle Schwächung der im Sicherheitsdienst stehenden Gendarmerie- posten rasch zur Verfügung zu haben. Die Ausbildung dieser Kräfte hatte sich unter Zugrundelegung von zivilen Annahmen wie Häftlingsrevolten, un- gesetzliches Überschreiten der Bundes- grenze durch größere Personengrup- pen, Aktionen subversiver Elemente und anderes mehr auf ordnungsdienst- liche Maximen zu beschränken. Da die bestehenden Gendarmerieschulen eine zu geringe personelle Stärke aufwiesen und deren Frequentanten nach Abschluss der Ausbildung wieder auf ihre Posten einzurücken hatten, wurden die Landes- gendarmeriekommanden angewiesen, die Einstellung junger Männer zwi- schen 18 und 32 Jahren auf der Basis der Freiwilligkeit - jedoch ohne beson- dere Werbung in der Öffentlichkeit - zu betreiben. Diese wurden zunächst als „Vertragsbedienstete des Gendarmerie- dienstes“ einberufen und nach Ablauf einer bestimmten Zeit - die Würdigkeit vorausgesetzt - als provisorische Gen- darmen in das pragmatische Dienstver- hältnis übernommen. Die Dislokation der Gendarmerie- Alarmabteilungen wurde wie folgt verfügt: - Nr. 1 für Oberösterreich - ohne Mühl- viertel - und Salzburg (Kommandant: Gendarmerie-Major Hirt), - Nr. 2 für Steiermark und Kärnten (Kom- mandant: Gendarmerie-Major Bahr) und - Nr. 3 für Tirol und Vorarlberg (Komman- dant: Gendarmerie-Major Rauscher). Für jede dieser Alarmabteilungen waren zwei bis drei Kompanien zu Fuß und eine motorisierte Maschinengewehrkompanie auf Panzerspähwagen - offiziell als „Gen- darmerie-Fahreinheit“ bezeichnet, vorge- sehen. Die in einem Regimentsverband zusammengefassten Abteilungen wurden Gendarmerie-Oberst Dr. Mayr unterstellt. Der Einsatz war an die Zustimmung der alliierten Befehlshaber gebunden. Die von den Vereinigten Staaten bei- gestellte Ausrüstung umfasste Stahlhel- me, Tornister, Karabiner M-1, einige Ge- wehre M-1 „Long-Rifle“, Panzerspäh- wagen der Type M-8, bewaffnet mit leich- ten Maschinengewehren (je 14 M-8 pro Alarmabteilung) sowie Lastkraftwagen der Typen „Jeep“, „Dodge“ und „GMC“. Für jede Alarmabteilung waren auch sechs Infanteriegeschütze vorgesehen, die Im Herbst des Jahres 1950 fand beim Landesgendarmeriekommando für Ober- österreich in Linz eine Dienstbesprechung statt, an der Sektionschef Dr. Krechler als Generaldirektor für die öffentliche Sicher- heit, Gendarmerie-General Dr. Kimmel als Gendarmerie-Zentralkommandant, Gen- darmerie-Oberst Dr. Mayr als Landes- gendarmeriekommandant für Oberöster- reich, Gendarmerie-Major Hirt vom Landesgendarmeriekommando für Ober- österreich, Gendarmerie-Major Bahr vom Landesgendarmeriekommando für Steier- mark und Gendarmerie-Major Rauscher vom Landesgendarmeriekommando für Salzburg, teilnahmen. Um Zeitungspolemiken zu vermeiden, wurde den Teilnehmern an der Dienst- besprechung strikte Geheimhaltung zur Pflicht gemacht. Sektionschef Dr. Krech- ler eröffnete dabei den Teilnehmern, dass die Bundesregierung die Aufstellung von drei geschlossenen Formationen unter der Bezeichnung „Gendarmerie- Alarmabteilung“ verfügt habe. In jeder der drei westlichen Besatzungszonen sollte eine „Gendarmerie-Alarmabtei- lung“ errichtet werden. Als Begründung führte er an, dass die staatliche Exekuti- ve über keine Reserven verfüge, die bei außerordentlichen Ereignissen sofort eingesetzt werden könnten; die westli- chen Alliierten hatten daher die Aufstel- lung von Alarmeinheiten im Verbande der Bundesgendarmerie gefordert. Weil Österreich die Mittel für die erforderli- che einheitliche Ausrüstung mit Waffen und Kraftfahrzeugen fehlten, hätten sich Die Führung der Gendarmerie-Alarm- abteilungen oblag dem Landesgendar- meriekommandanten von Oberösterreich, Dr. Ernst Mayr. Im Bild von links nach rechts: Oberst Preyssl, Oberst Pernkopf, Oberst Dr. Mayr, Major Hirt, Hofrat Hrubisch, Oberst Dr. Schertler, Major Rauscher, Oberleutnant Deisenberger. Exerzierausbildung in der B-Gendarmerie (1953) im Lager Walchen in der Wattener Lizum. Foto: Archiv Foto: Archiv

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2 TRUPPENDIENST 4/2002, Beilage

Gendarmerie-General i. R. Otto Rauscher

Gendarmerie, B-Gendarmerie, BundesheerErrichtung von Gendarmerie-Alarmabteilungen

die Vereinigten Staaten auch bereit er-klärt, diese zur Verfügung zu stellen. Diepersonelle Basis sollten die Gendar-merieschulen sein.

Für die rasche Aufstellung dieser Alarm-abteilungen war die Überlegung bestim-mend, die für außerordentliche Ereignissebenötigten Kräfte ohne zeitraubende Kon-zentrierung von Postengendarmen undohne personelle Schwächung der imSicherheitsdienst stehenden Gendarmerie-posten rasch zur Verfügung zu haben.

Die Ausbildung dieser Kräfte hattesich unter Zugrundelegung von zivilenAnnahmen wie Häftlingsrevolten, un-gesetzliches Überschreiten der Bundes-grenze durch größere Personengrup-pen, Aktionen subversiver Elementeund anderes mehr auf ordnungsdienst-liche Maximen zu beschränken. Da diebestehenden Gendarmerieschulen einezu geringe personelle Stärke aufwiesenund deren Frequentanten nach Abschlussder Ausbildung wieder auf ihre Posteneinzurücken hatten, wurden die Landes-

gendarmeriekommanden angewiesen,die Einstellung junger Männer zwi-schen 18 und 32 Jahren auf der Basisder Freiwilligkeit - jedoch ohne beson-dere Werbung in der Öffentlichkeit - zubetreiben. Diese wurden zunächst als„Vertragsbedienstete des Gendarmerie-dienstes“ einberufen und nach Ablaufeiner bestimmten Zeit - die Würdigkeitvorausgesetzt - als provisorische Gen-darmen in das pragmatische Dienstver-hältnis übernommen.

Die Dislokation der Gendarmerie-Alarmabteilungen wurde wie folgt verfügt:- Nr. 1 für Oberösterreich - ohne Mühl-

viertel - und Salzburg (Kommandant:Gendarmerie-Major Hirt),

- Nr. 2 für Steiermark und Kärnten (Kom-mandant: Gendarmerie-Major Bahr) und

- Nr. 3 für Tirol und Vorarlberg (Komman-dant: Gendarmerie-Major Rauscher).

Für jede dieser Alarmabteilungen warenzwei bis drei Kompanien zu Fuß und einemotorisierte Maschinengewehrkompanieauf Panzerspähwagen - offiziell als „Gen-darmerie-Fahreinheit“ bezeichnet, vorge-sehen. Die in einem Regimentsverbandzusammengefassten Abteilungen wurdenGendarmerie-Oberst Dr. Mayr unterstellt.

Der Einsatz war an die Zustimmungder alliierten Befehlshaber gebunden.

Die von den Vereinigten Staaten bei-gestellte Ausrüstung umfasste Stahlhel-me, Tornister, Karabiner M-1, einige Ge-wehre M-1 „Long-Rifle“, Panzerspäh-wagen der Type M-8, bewaffnet mit leich-ten Maschinengewehren (je 14 M-8 proAlarmabteilung) sowie Lastkraftwagender Typen „Jeep“, „Dodge“ und „GMC“.

Für jede Alarmabteilung waren auchsechs Infanteriegeschütze vorgesehen, die

Im Herbst des Jahres 1950 fand beimLandesgendarmeriekommando für Ober-österreich in Linz eine Dienstbesprechungstatt, an der Sektionschef Dr. Krechler alsGeneraldirektor für die öffentliche Sicher-heit, Gendarmerie-General Dr. Kimmel alsGendarmerie-Zentralkommandant, Gen-darmerie-Oberst Dr. Mayr als Landes-gendarmeriekommandant für Oberöster-reich, Gendarmerie-Major Hirt vomLandesgendarmeriekommando für Ober-österreich, Gendarmerie-Major Bahr vomLandesgendarmeriekommando für Steier-mark und Gendarmerie-Major Rauschervom Landesgendarmeriekommando fürSalzburg, teilnahmen.

Um Zeitungspolemiken zu vermeiden,wurde den Teilnehmern an der Dienst-besprechung strikte Geheimhaltung zurPflicht gemacht. Sektionschef Dr. Krech-ler eröffnete dabei den Teilnehmern, dassdie Bundesregierung die Aufstellungvon drei geschlossenen Formationenunter der Bezeichnung „Gendarmerie-Alarmabteilung“ verfügt habe. In jederder drei westlichen Besatzungszonensollte eine „Gendarmerie-Alarmabtei-lung“ errichtet werden. Als Begründungführte er an, dass die staatliche Exekuti-ve über keine Reserven verfüge, die beiaußerordentlichen Ereignissen soforteingesetzt werden könnten; die westli-chen Alliierten hatten daher die Aufstel-lung von Alarmeinheiten im Verbandeder Bundesgendarmerie gefordert. WeilÖsterreich die Mittel für die erforderli-che einheitliche Ausrüstung mit Waffenund Kraftfahrzeugen fehlten, hätten sich

Die Führung derGendarmerie-Alarm-

abteilungen oblagdem Landesgendar-

meriekommandantenvon Oberösterreich,Dr. Ernst Mayr. ImBild von links nach

rechts: Oberst Preyssl,Oberst Pernkopf,Oberst Dr. Mayr,

Major Hirt,Hofrat Hrubisch,

Oberst Dr. Schertler,Major Rauscher,

OberleutnantDeisenberger.

Exerzierausbildung in der B-Gendarmerie (1953) im Lager Walchen in der Wattener Lizum.

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aber nie beigestellt wurden. An Nach-richtenmitteln wurden wohl einige Funk-geräte zur Verfügung gestellt, aber jeweilsnur anlassbedingt und für kurze Zeit,danach mussten sie wieder abgeführtwerden. Alle Fahrzeuge, Waffen undAusrüstungsgegenstände wurden abernur leihweise zur Verfügung gestellt; dieVereinigten Staaten behielten sich einjederzeit auszuübendes Kontrollrecht inallen westlichen Besatzungszonen vor.

Die Fahrzeuge behielten den ursprüng-lichen olivgrünen Anstrich, waren jedochmit der Beschriftung „Gendarmerie“ undrot-weiß-roten Begrenzungsmarkierun-gen an den Stoßstangen einwandfrei alsFahrzeuge der österreichischen Bundes-gendarmerie gekennzeichnet.

Die erste Tätigkeit der neuen Kräfte um-fasste die Anprobe der Stahlhelme und derTornister. Es folgten die Fahrausbildung, dieHandhabung der Waffen und der Umgangmit Munition, das geschlossene Exerzierenund die ordnungsdienstliche Schulung.

Weil die Alarmabteilungen die Kaser-nen nicht verlassen durften, war eine sinn-volle ordnungsdienstliche Schulung nichtmöglich. Da der amerikanische Befehls-haber mit dieser Art der Ausbildung nichtzufrieden war, sah man sich zu der Erklä-rung genötigt, dass die den Alarmab-teilungen zugedachten ordnungsdienst-lichen Aufgaben nur erfüllt werden könn-ten, wenn Verbandsübungen im Geländedurchgeführt werden dürfen.

Der Vorschlag von Gendarmerie-OberstDr. Mayr, im Raum Sattledt eine Verbands-übung mit allen in der amerikanischenBesatzungszone dislozierten Teilen durch-zuführen, wurde angenommen und ver-fügt, dass nach der Übung auch ein Vor-beimarsch in Wels stattzufinden habe;weiters wurde ausdrücklich die Einladungder Presse verlangt.

Am 2. Oktober 1951 - einem wunder-schönen und milden Herbsttag - war esdann so weit. Auf dem „Feldherrnhügel“nahe Sattledt war die rot-weiß-rote Fahneweithin sichtbar gehisst. Auf einem Tischwaren die Karten vom Übungsgebiet fürdie Vertreter der Besatzungsmächte und fürdie zahlreichen Journalisten, die der Ein-ladung Folge geleistet hatten, aufgelegt.Als Übungsleiter beantwortete Gendarme-rie-Major Rauscher bereitwilligst die vie-len Fragen über das Übungsgeschehen.

Die Übungsannahme stützte sich aufeine umfassende Häftlingsrevolte in derStrafanstalt Garsten. Als Übungsziel wardie Aufgabe gestellt, die etwa 350 Häft-

linge, die bewaffnet in drei Kolonnen inRichtung Wels marschierten, anzuhalten,zu entwaffnen, zu verhaften und wiederin die Strafanstalt einzuliefern.

Der Übungsverlauf selbst fand all-seits Lob und Anerkennung, wenn-gleich die Erwartungen der Führung -angesichts der bisherigen Unmöglich-keit Verbandsübungen durchzuführen -nicht voll erfüllt wurden.

Um 1400 Uhr begann auf der schnurge-raden Bundesstraße 1 in Wels der Vorbei-marsch. Den Anfang machte die Fahr-einheit mit ihren 14 Panzerspähwagen inReihe, dieser folgten die vollmotorisiertenKompanien. Sie alle defilierten in muster-gültiger Ordnung und Haltung an der Eh-rentribüne vorbei, auf der in der vorderstenReihe hohe amerikanische Offiziere undVertreter der übrigen Westalliierten, da-hinter Gendarmerie-Oberst Dr. Mayr alsRegimentskommandant, österreichischeBehördenvertreter und Gendarmerie-Offi-ziere Aufstellung genommen hatten.

Beiderseits der Paradestraße hatten sicherstaunlich viele Zuschauer eingefunden,die das Geschehen mit Aufmerksamkeitregistrierten, aber weder positive noch ne-gative Reaktionen zeigten. Nach Beendi-gung der Parade bekundeten der ame-rikanische Befehlshaber und die anderenalliierten Vertreter ihre besondere Genug-tuung über den Verlauf der Übung und desVorbeimarsches, wobei besonders deramerikanische Befehlshaber Oberst Dr.Mayr beauftragte, Dank und Anerkennungallen Teilnehmern bekannt zu geben.

Am nächsten Tag brachten die Zei-

tungen seitenlange Texte und Bildbe-richte über das Ereignis.

Übung und Vorbeimarsch hatten al-les verändert, der 2. Oktober 1951 warzu einem Lostag in des Wortes wahrsterBedeutung geworden.

Der Bann war gebrochen. Die Alarm-abteilungen, in der Öffentlichkeit als B-Gendarmerie bezeichnet, durften end-lich ihre Übungen in aller Öffentlich-keit durchführen und dies in allen west-lichen Besatzungszonen. Für die Belan-ge der Gendarmerieabteilungen wurdeein Jahr später beim Gendarmerie-Zen-tralkommando im Bundesministeriumfür Inneres eine Koordinierungsstelle -5/Sch (Schulen) - eingerichtet, derenAufgabe es war, die für den weiterenAufbau der Personalstände notwendi-gen Maßnahmen zentral durchzufüh-ren. Zur Aufgabe dieser Koordinie-rungsstelle 5/Sch gehörte auch die Ein-stellung ehemaliger Heeresoffiziere undHeeresunteroffiziere, um die bisher derBundesgendarmerie entnommenen Gen-darmerie-Offiziere und die Unteroffi-ziersfunktionen ausübenden Gendar-meriebeamten wieder dem Sicherheits-dienst zuführen zu können.

Im Jahre 1849 hat die kaiserliche Ar-mee die Errichtung der Gendarmeriedurch Überstellung besonders qualifi-zierter Offiziere und Unteroffiziere er-möglicht. Die Hilfestellung, welche dieBundesgendarmerie 101 Jahre späterdem Bundesheer der Zweiten Republikgeben konnte, war für sie die Abstat-tung einer Dankespflicht.

Einheiten derGendarmerieschule

Tirol I(B-Gendarmerie)

bei der Parade am14. Juli 1953

anlässlich desfranzösischen

Nationalfeiertagesin Innsbruck.

Vorbeimarsch der Fahreinheit am 2. Oktober 1951 in Wels. Foto: Archiv

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