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Heft 41 479 1984 J Kurze Mitteilungen Brasilianischer Ara 1502/03 in Europa gemalt Helmut Sick Erstaunlich schnell nach der Entdeckung Amerikas wurden Vogel der Tropen der Neuen Welt in Europa bekannt (z. B. SICK 1981), lange bevor wissenschaftliche Arbeit eingesetzt hatte und er- funden wurde, tote Tiere zu pr~iparieren, um sie damit ftir l~ingere Zeit haltbar zu machen. Manch- real entwickelten Eingeborene, wie die der Molukken, eine Technik des Vogelbalgens; ihre pr~ipa- rierten Paradiesv6gel ohne Beine wurden bereits 1522 von MAGALHAES mitgebracht und dienten dem Schmuckfederhandel (STR~SEMANN1954). Kaiabi-Indianer (Mato Grosso, Zentralbrasilien) spannen H~iute besonders farbenpr~ichtiger Kleinv6gel, wie Cotinga cayana, aus und h~ingen fie sich an, wie ich 1950 beobachtete. Das taten sie sicher auch schon vor 500 Jahren. Bildnis der Frau Anna Cuspinian von Lucas Cranach d. A. (1502 oder 1503). Ausschnitt mit rotem Ara im Hintergrund.

Brasilianischer Ara 1502/03 in Europa gemalt

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Heft 41 479 1984 J

Kurze Mitteilungen

Brasilianischer Ara 1502/03 in Europa gemalt

Helmut Sick

Erstaunlich schnell nach der Entdeckung Amerikas wurden Vogel der Tropen der Neuen Welt in Europa bekannt (z. B. SICK 1981), lange bevor wissenschaftliche Arbeit eingesetzt hatte und er- funden wurde, tote Tiere zu pr~iparieren, um sie damit ftir l~ingere Zeit haltbar zu machen. Manch- real entwickelten Eingeborene, wie die der Molukken, eine Technik des Vogelbalgens; ihre pr~ipa- rierten Paradiesv6gel ohne Beine wurden bereits 1522 von MAGALHAES mitgebracht und dienten dem Schmuckfederhandel (STR~SEMANN 1954). Kaiabi-Indianer (Mato Grosso, Zentralbrasilien) spannen H~iute besonders farbenpr~ichtiger Kleinv6gel, wie Cotinga cayana, aus und h~ingen fie sich an, wie ich 1950 beobachtete. Das taten sie sicher auch schon vor 500 Jahren.

Bildnis der Frau Anna Cuspinian von Lucas Cranach d. A. (1502 oder 1503). Ausschnitt mit rotem Ara im Hintergrund.

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In Stidamerika konzentrierte sich die Aufrnerksamkeit auf Papageien, die verh~iltnisrn~iigig leicht lebend zu transportieren waren. Sonst dienten Bilder als Anhalt, zum Teil auf den Reisen selbst angefertigt. Dabei fielen die Stubengelehrten in Europa rnitunter auf Phantasiegem~tlde der Maler in Ubersee herein. Das geschah z. B. bei einem Papagei, von ALBERT ECKHOUT in Pernam- buco, Brasilien, im 17. Jh. erfunden. GMELIN (1788) beschrieb nach diesem Bild seinen Psittacuspara- guanus, den es nur auf dern Bild yon ECKHOiJT gibt.

Die Vorliebe far Papageien, besonders ftir die groflen neuweltlichen Aras, ftihrte dazu, sie in den anspruchvollsten Kunstdarsteltungen als Verzierung darzustellen. Das gilt ftir die kirchliche wie ftir die profane Kunst. So versah ANTHONIUS VAN DYCK (1599--1641) Z. B. ein 1630 gemaltes Bild der Heiligen Farnilie mit einem gelbbliuchigen Caninde-Ara, Ara ararauna, aus Brasilien.

Der fl~imische Maler FRANS S~VCDERS (1579--1657), der zeitweilig rnit RUBENS zusammenarbei- tete, stellte einen roten Ara, Ara macao, in tiber MenschengtOge dar, beschirnpft von tiber einern Dutzend ,,einheimischer" VOgel, die irn Urnkreis auf Asten stehen, darunter 2 Pfauen und ein Schwan (!). Das rnehrere rn 2 grofle Monurnentalgem,alde ftillt eine der Riesenw~inde der Eremitage in Leningrad. Aras erscheinen auch auf Portr~_ts bedeutender M~inner und Frauen oder solcher, die sich far bedeutend hielten. Bei der Datierung der Bilder ist allerdings Vorsicht geboten, wie im Fall des Bt:ROKMAIR-Altars, der deutlich mit 1518 signiert ist, abet urn 1600 erweitert wurde (SICK 1981).

Zu rneiner Oberraschung fand ich jetzt auf dem bertihmten Ehebildnis des JOHANNES CUSVlNIAN yon LUCAS C~NACH d. A. (1472--1553) einen unverkennbaren roten Ara aus Brasilien, und zwar auf dern Bild der Frau Anna. Der Vogel sitzt auf der abgestorbenen Verzweigung eines Baumes rechts irn Hintergrund.

Es gibt zwei ganz ~ihnliche rote Aras, Ara macao auf Arnazonien beschr~.nkt (in Ost-Par5. kommt er an die Ktiste) und durch ein gelbes Feld auf dern Fltigel ausgezeichnet sowie Ara chloroptera ur- sprtinglich an der brasilianischen Ktiste stidlich bis Espirito Santo heimisch. Man sollte annehmen, datg er ftir die Entdecker am lcichtcstcn zu erhalten gewesen w~ire. Das Gem~ilde yon LucAs CRA- NACH scheint sich auf Ara macao zu beziehen, wie das ~ngedeutete Gelb auf dern Mantel annehmen l~.tgt. Wahrscheinlich sah CV, aNACH den Vogel nicht selbst, sondern verlieg sich auf eine rohe bild- liche Darstellung (s. u.). Trotzdem steht lest, dag es sich hier nur urn einen roten Ara handeln kann, yon FRIEDI,J~NI)ER et al. (1979) richtig als ,,Papagei" b ezeichnet.

Die frfiheste Wiedergabe von Aras liefert uns die Kartographie. Auf der Brasilien-Karte yon ALBERTO CANTINO, die sich auf drei Reisen sttitzt - - 1500 CAB~AL, 1501 GOSVER DE LEMOS, und 1502 Joxo DA NOVA - - sind drei rote Aras angebracht, welche, wenn auch unbeholfen ausgeftihrt, deut- lich Ara macao erkennen lassen. Vielleicht fanden die Europ~ier die Aras in den IndianerdOrfern, wo sie leicht auf eine Art stotgen konnten, die durch den intensiven Tauschhandel der Indios von weither gekornmen sein mochte. Die Aras erfreuen sich bei den Indianern der gr6flten Beliebtheit, da ihre Federn zu Schmuck verarbeitet werden; Rot und Gelb sind die gesuchtesten Farben.

Das Bild, im Besitz der Sammlung OSr, AR RHNHART, Winterthur, Schweiz, ist auf Holz gernalt, 59 x 46 cm, und ist das Gegensttick (die Landschaften beider Bilder schlieflen aneinander an) zurn Bild des Gatten (dern wir die Bilder verdanken), des angesehenen Hurnanisten Dr. JOHANNES Cu- SPINIAN, deutsch SPIESSHEIMER (1473--1529). Anzunehmen ist, daI~ dieses Ehebildnis zur Zeit der Vermlihlung CUSPINIANS Ende 1502 oder Anfang 1503 (KoEvVLIN & FALK 1974) angefertigt wurde. CV.ANACH weilte Yon 1501--1504 in Wien. Im tibrigen teilt CV.ANACH Alter und fr~inkische Heimat mit ALt3RECrtT DORER. Zur gleichen Zeit entstand ein anderes Diptychon yon CV.ANACH, signiert 1503, einen Dr. STEPNAN REUSS und seine Frau darstellend, typologisch und stilistisch nahezu iden- tisch rnit CUSPINIANS Portrait.

Die Landschaft im Hintergrund des Ci3sVlNIAN-Diptychon weist verschiedene V6gel auf, so das Bild des Mannes eine Eule mit einem Vogel in den Krallen, yon zahlreichen V6geln verfolgt, und das Bild der Frau einen futtertragenden Reiher, mit einem Greifvogel k~irnpfend, und den roten Ara, als ,,Papagei" bezeichnet. Die Vogel sind, ebenso wie das Feuer, das Wasser und das Gebirge

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astrologisch zu deuten: der Mann wird als Melancholiker, die Frau als S anguinikerin (Feuer, Ara!) und Tochter des Planeten Sol charakterisiert (ANK'WITZ V. KLEEHOVEN 1927).

An eine sp~ttere Ubermalung des Bildes yon CKaNACH hat noch niemand gedacht. Es scheint daftir nicht der geringste Anhalt vorzuliegen (FRIEDLaNDER & ROSENBeRG 1979, KLEEHOWN 1927). Die in Rede stehenden Bildnisse sind die frtihesten Kunstwerke, die man von CKaNACH kennt. Somit scheint erwiesen zu sein, daf~ der rote Ara schon zwei Jahre nach der Entdeckung Brasiliens in Wien bekannt wurde und Eingang in die Bildende Kunst land (1502/3). Wissenschaftlich registriert wurde Ara chloroptera erst 1859, Ara macao ,,schon" 1758.

Mein Dank gilt der Direktion der Sammlung OSKAR RE1NHART, Winterthur, und Frau DR. G. GOLDBeRa, Bayerische Staatsgem~ildesammlung, Mtinchen, ftir Literaturhinweise. Die Arbeit wurde dutch das brasilianische Conselho Nacional de Pesquisas (CNPq) untersttitzt.

Summary

Brazilian Macaw painted in 1502/03 in Europe. - - A diptych of LucAs C~NACH (1472--1553), painted 1502/03 in Viena, Austria, shows a Red Macaw from Brazil.

Literatur

FRIEDI~NDER, M. J. & J. ROSeNBERC (1979): Die Gem~ilde Lucas Cranachs. Birkh~iuser, Basel. • KLEEHOVEN, H. A. yon (1922): Alt Wiener Kalender: 58--65. • Ders. (1927): Cranachs Bildnisse des Dr. Cuspinian und seiner Frau. Jb. Preuss. Kunstsamml. 48 : 230--234. • KOEPPL~N, D. & T. FALK (1974): Lucas Cranach, Gem~ilde und Zeichnungen. Druckgraphik 1, Basel. • SicK, H. (1981) : Zur frtihen bildlichen Darstellung neotropischer Papageien. J. Orn. 122: 73--77. • STRE- SEMANN, E. (1954): Die Entdeckungsgeschichte der Paradiesv6gel. J. Orn. 95: 263--291.

Anschrift des Verfassers: Academia Brasileira de Ci4ncias, Caixa Postal, 229, 22.000 Rio de Janeiro, R. J. Brasil

Geschlechtsspezifische Unterschiede beim Nahrungserwerb des Fichtenkreuzschnabels ( Loxia curvirostra)

Walter Pflumm

Die Anzahl der yon einem Kreuzschnabel in der Zeiteinheit aus einem L~irchenzapfen enmom- menen Samen kann dadurch bestimmt werden, dat~ man die Aufblickrate registriert, denn jeder Vogel enmimmt zwischen zwei Aufblick-Bewegungen einen Samen (PrLUMM 1978). Bei Loxia cur- virostra an Hybrid-L~irchen (Larix X eurolepis) wurde zwischen cY und 9 nicht unterschieden (PFLuMM 1978), da in jede Stichprobe etwa gleich vide Meflwerte yon c¢ und 9 eingingen. Wertet man jedoch die yon cY und 9 erhaltenen Daten ffir die Aufblickrate getrennt aus, erh~ilt man einen statistisch gesicherten Unterschied.

Die Aufblickrate der 9 betrug 0,44 + 0,13 s q, die der c¢ 0,38 + 0,12 s q (ftir die Differenz ergibt sich P < 0,01; t-Test, zweiseitig). Die Daten ftir die Aufblickrate weisen Normalverteilung auf; verwertet wurden die vom 1. M~irz 1977 ffir das Bearbeiten festsitzender Zapfen (PFLUMM 1978, Abb. 3).

Daraus wfirde folgen, daft die 9 auf einem Futterbaum w~thrend eines Tages mehr Samen auf- nehmen als die cY. Die beobachteten V6get fielen n~imlich immer als Gruppe (mehrere cY und 9 ) in die L~irche ein und flogen auch immer gemeinsam ab. Folgende M6glichkeiten k6nnten den Un- terschied zwischen c~ und 9 bei der Samenenmahme erkl~iren: