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7/24/2019 Brockhaus - Lilie
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Frankreichs Hegemonie im 17. und 18. Jahrhundert: Europa im Zeichen der Lilie
Tabelle: Frankreich: Staatsoberhupter
Frankreich unter Richelieu und Mazarin
Als der franzsische Knig Heinrich IV. am 14. Mai 1610 in Paris ermordet wurde, wardie nach den Religionskriegen mhsam errungene innere Stabilitt Frankreichs
gefhrdet: Der Thronfolger Ludwig XIII. war erst acht Jahre alt, und die KniginwitweMaria von Medici fhrte die Regierung. 1614 berief sie eine Versammlung der
Generalstnde (tats gnraux)ein, in deren Verlauf der Hochadel manche an HeinrichsKnigtum verlorene Machtposition zurckeroberte.
Maria fhrte eine Gnstlingswirtschaft italienischen Ausmaes; ihr Favorit und
Landsmann Concino Concini, von ihr zum Marschall und Marquis d'Ancre erhoben,
machte sich mit seiner Gier nach Macht und Geld bei den Franzosen so verhasst, dassganz Paris im April 1617 die Nachricht von seiner Ermordung mit Freude aufnahm. Der
junge Knig, gerade sechzehnjhrig, schtzte den Tter, einen Gardeoffizier, und
schickte seine Mutter mitsamt ihrem Gefolge in die Verbannung nach Blois. Ludwigerklrte, selbst regieren zu wollen. Tatschlich berforderte aber die Beherrschung
eines groen, unruhigen Landes die Krfte des krnklichen und melancholischenMonarchen. Dies frderte den Einfluss zunchst des Herzogs Charles d'Albert von
Luynes, dann des Kardinals Armand-Jean du Plessis, Herzog von Richelieu. Richelieu
hatte anfangs Maria von Medici gedient, wurde aber 1624 von Ludwig in denkniglichen Rat berufen und stieg schlielich zum ersten Minister (principal ministre)
auf. Der ansonsten misstrauische Knig vertraute dem Kardinal; er schtzte dessen
Intelligenz und immensen Arbeitseifer, der einer nervsen Natur abgerungen war. Alsam 10. November 1630 eine Gruppe von Ehrgeizlingen am Hof heftig gegen Richelieuintrigierte, bekannte sich Ludwig in spektakulrer Weise zu seinem Minister (Tag der
Geprellten). Dieser setzte sein Werk einer inneren Festigung und auswrtigenSicherung Frankreichs unermdlich fort, obwohl ihm Komplotte von Adligen immer
wieder die Arbeit erschwerten.
Richelieus Innen- und Auenpolitik
Ein Hindernis auf dem Weg zur Einheit und Strke Frankreichs bildeten die Hugenotten,die als mchtiger Staat im Staate das Knigtum wie zu Zeiten der Religionskriege
herausforderten. Richelieu beschloss 1627, den hugenottischen Widerstand in seinemZentrum zu brechen: Die Festung La Rochelle am Atlantik, die dem kniglichen Heer
dank englischer Untersttzung ber See elf Monate lang trotzte, musste sich schlielichbeugen. Den Sieg ber den Separatismus der Reformierten lie der kluge Kardinal indes
nicht zu einem brutalen Triumph des Katholizismus ausarten. Vielmehr setzte er 1629das Gnadenedikt von Alais (Als) durch, das den Protestanten Frankreichs die
physische Existenz sicherte, ohne ihre so oft missbrauchten politischen und
militrischen Privilegien zu erneuern. Das Knigtum, befreit von der hugenottischenKonkurrenz um die Macht, gewann an Strke, ebenso wie die katholische Kirche, die mit
innerer Missionierung an der konfessionellen Einheit des Landes arbeitete. Dagegen
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war Richelieus Kampf um die Disziplinierung des Adels kein Erfolg beschieden, er bliebunkontrollierbar.
Richelieus Auenpolitik war von der Leitidee bestimmt, das wieder gestrkte Knigreich
aus der Umklammerung des Hauses sterreich zu befreien; umfassten die Lande derspanischen und deutschen Habsburger Frankreich doch in einem Halbkreis, der von
den sdlichen Niederlanden ber Vogesen, Jura und Alpen bis hin zu den Pyrenenreichte. Die groen Erfolge des habsburgischen Kaisers Ferdinand II. im ersten
Jahrzehnt des Dreiigjhrigen Krieges bis 1629 drohten Frankreich weitereinzuschnren. Daher frderte Richelieu die Intervention des Schwedenknigs Gustav
Adolf im Reich, die ein Gegengewicht zu den Kaiserlichen ins Spiel brachte. Nach derschweren Niederlage der Schweden bei Nrdlingen 1634 und nach dem
Friedensschluss der meisten Reichsstnde mit dem Kaiser trat Frankreich 1635 selbst inden Krieg ein. Das Knigreich war damit berfordert. Die von Steuerlasten erschpfte
Landbevlkerung rebellierte, die heftigsten Aufstnde tobten 1639, mit Schwerpunkt in
der Normandie, und 1643/44. Dennoch stand Frankreich den Krieg bis zum Endedurch. Im Westflischen Frieden 1648 schwchte es die Position der sterreichischen
Habsburger im Reich, sicherte sich Einfluss auf die deutschen Angelegenheiten und dieOberherrschaft ber das Elsass, die Aussichten auf eine sptere Expansion zum Rhein
und darber hinaus erffnete. Whrend so an der Ostgrenze Ruhe einkehrte, ging dasRingen mit Spanien, der alten Vormacht Europas, im Sden und im Norden weiter.
Jules Mazarin vollendet Richelieus Werk
Richelieu hat den Erfolg seiner kriegerischen Politik nicht mehr erlebt. Er war Ende 1642
gestorben, wenige Monate spter, im Mai 1643, folgte ihm Ludwig XIII. in den Tod. Die
Konstellation, die drei Jahrzehnte zuvor bestanden hatte, schien sich zu wiederholen,da die Kniginwitwe Anna von sterreich die Regentschaft fr den erst fnfjhrigenLudwig XIV. fhrte. Doch Richelieu hatte fr Stabilitt in der Regierung gesorgt, indem
er sich selbst einen geeigneten Nachfolger heranzog: Jules Mazarin, ein Italiener vonGeburt, der sich im militrischen und diplomatischen Dienst des Papstes ausgezeichnet
hatte. Er bekam den Kardinalshut, ohne dass er jemals zum Priester geweiht wordenwre. Seit 1643 hielt Mazarin die Regierung Frankreichs in Hnden, wobei ihm sein
enges, ehehnliches Verhltnis zur Knigin Anna zugute kam. Im Sinne seines MentorsRichelieu fhrte er den Dreiigjhrigen Krieg im Reich zu Ende. Auch Spanien musste
sich nach einem weiteren Jahrzehnt des Kampfes der berlegenen franzsischen
Militrmacht beugen und trat im Pyrenenfrieden von 1659 das katalanischePerpignan mit dem Roussillon und das flandrische Arras an den Sieger ab. Das
iberische Knigreich, das noch ein halbes Jahrhundert zuvor seine europischeHegemonie stolz verteidigt hatte, war von Frankreich in den zweiten Rang
zurckgedrngt worden. Whrend die Bourbonenmonarchie dank ihrer starken Armeezur europischen Fhrungsmacht aufstieg, verschrften sich die Krisen in ihrem
Inneren so sehr, dass selbst einem gebten Politiker wie Mazarin einige Male die Zgelentglitten. Wirklich gefhrlich fr den Staat wurden nun die Revolten der traditionellen
Eliten des Knigreiches in den Jahren 1648 bis 1653, die man unter dem Namen Frondezusammenfasste. Groe Durchschlagskraft gewann der Aufstand dann, wenn die
juristische Funktionselite an den Gerichtshfen, den parlements(Parlamenten), mit dem
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unruhigen Adel gemeinsame Sache gegen das Knigtum machte. Fr diesePrivilegieninhaber der stndischen Gesellschaft war die zentralistische Monarchie, die
immer mehr Befugnisse an sich zog, ein Einheit stiftendes Feindbild, verkrpert inMazarin, dem verhassten auslndischen Parven. Im Verlauf der wechselvollen
politischen und militrischen Auseinandersetzungen musste der Kardinal zweimal zum
Erzbischof von Kln ins Exil gehen, whrend Knigin Anna den Adelsrebellen taktischeZugestndnisse machte. Anfang 1649 zwangen Unruhen in Paris den Hof zur Flucht
nach Saint-Germain. In der letzten Phase der Frondeab Herbst 1651 verbndete sichLouis II. de Bourbon, Prince de Cond, die Seele des antimonarchischen Widerstandes,
mit den spanischen Feinden. Damit diskreditierten sich die Anhnger der Fronde,Mazarin kehrte nach Paris zurck und konnte die letzten Aufstnde nach und nach
ersticken. Die innere Befriedung und Festigung der franzsischen Monarchie warnunmehr vollendet. Hinzu kam der uere Frieden mit Spanien, dem im Juni 1660 die
Hochzeit Ludwigs XIV. mit der spanischen Prinzessin Maria Theresia einen besonderenGlanz verlieh.
Licht und Schatten des Sonnenknigtums
Als Mazarin am 9.Mrz 1661 starb, gab es fr Frankreich auf dem europischenKontinent keinen ebenbrtigen Gegner mehr, schon weil die Einwohnerzahl des Landes
und seine wirtschaftliche Potenz die der anderen Staaten bei weitem berstieg. ImInneren blieb die Lage aber prekr, weil der adlige Widerstandsgeist noch lange nicht
erloschen war. In dieser Situation trat Ludwig XIV. seine Alleinherrschaft an, die in mehrals einem halben Jahrhundert Frankreich und Europa dauerhaft prgen sollte. Schon
aufgrund seiner langen Regierungszeit war Ludwig der Groe Knig (le Grand Roi),
schlechthin. Bei seinem Tod 1715 hinterlie er ein zwar ausgeblutetes undabgewirtschaftetes Land, zugleich hatte er aber die kulturelle Vorrangstellung
Frankreichs in Europa auf einzigartige Weise befestigt. Dies war vor allem auf ein wohlgeplantes System der Reprsentation von Macht zurckzufhren, in dessen Mittelpunkt
der Sonnenknig selbst stand; sein Instrument war der Hof, der seit 1682 in dergewaltigen Schlossanlage von Versailles residierte, und der der Konzentration und
Disziplinierung der Aristokraten Frankreichs diente. Die Frondehatte dem jungenLudwig ja gezeigt, wie gefhrlich der Adel werden konnte, wenn man ihn sich selbst
berlie und seinem Ehrgeiz keine Ziele vorgab. Wer sich trotzig verweigerte und auflndlichen Schlssern ausharrte, verfiel gesellschaftlicher chtung, wurde
ausgeschlossen vom Wettkampf um knigliche Auszeichnungen und Wrden sowie vonden Karrieren in Staat und Armee. So band der Knig die hheren Stnde an sich,
whrend die Prachtentfaltung des Hofes sein Prestige in Europa steigerte. So wie Ludwig
XIV. im Mittelpunkt der hfischen Gesellschaft stand, so liefen auch alle Fden derVerwaltung Frankreichs auf ihn zu, die der robuste, willensstarke Knig auch bestndig
in der Hand zu halten wusste.
Wichtige Entscheidungen traf er immer selbst, nach Beratung mit seinen fhigen
Ministern und Staatssekretren, die hufig aus den drei rivalisierenden Clans derColbert, Le Tellier (Louvois) und Phlypeaux stammten. Die beiden Le Telliers, der Vater
Michel und der Sohn Franois Michel (Marquis de Louvois), haben bei der Organisation
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und Ausrstung der franzsischen Armee hervorragende Arbeit geleistet, mit der sie dieVoraussetzungen fr die expansive Politik Ludwigs XIV. schufen. Der bedeutendste von
allen Mitarbeitern des Knigs war aber Jean-Baptiste Colbert, der den gesamten Bereichdes Handels und der Finanzen, einschlielich Seefahrt und Kolonien, kontrollierte. Auf
ihn gingen umfangreiche Reformen in Verwaltung und Rechtsprechung zurck, gipfelnd
in groen Gesetzeskodifikationen wie der Ordonnance du Commerce fr dasHandelswesen (1673). Die vorzgliche Ordnung, die Colbert in die franzsischen
Staatsfinanzen einfhrte, hatte jedoch aufgrund der Kriegspolitik des Knigs nicht langeBestand. Die Kriege Ludwigs waren es letztlich auch, die eine von Colbert geplante
Vereinheitlichung des franzsischen Wirtschaftsraumes vereitelten. So blieben dieZollgrenzen im Binnenland erhalten, die eine Hypothek fr die wirtschaftliche
Entwicklung Frankreichs im 18. Jahrhundert bildeten.
Beim Tode Colberts 1683 spielten innere Reformen kaum noch eine Rolle, stattdessen
strebte der Knig immer unverhohlener nach der Hegemonie ber Europa. Ludwig XIV.
verfgte mit einer effizienten Diplomatie, die unermdlich um Verbndete undParteignger warb, sowie mit dem von beiden Le Telliers hochgersteten Heer ber
Instrumente, denen das brige Europa zunchst wenig entgegenzusetzen hatte. Seineexpansive Politik verstrkte er 1667 mit dem Devolutionskrieg gegen Spanien. Aufgrund
fadenscheiniger juristischer Deduktionen, mit denen er das vermeintliche Erbrechtseiner spanischen Frau begrndete, lie LudwigXIV. seine Truppen in die sdlichen
Niederlande, damals noch im Besitz Spaniens, einmarschieren. Sein Raubzug wre wohlerfolgreich ausgegangen, htten nicht die Hollnder, die eine Festsetzung Frankreichs
an ihrer Sdgrenze um jeden Preis verhindern wollten, eiligst eine europischeKoalition geschmiedet, die Ludwig in die Schranken wies. Im Aachener Frieden 1668
konnte er sich nur eine vergleichsweise kleine Beute wie die Stadt Lille und deren
Umland dauerhaft sichern. Dies verzieh er den Hollndern nie. Paris bereitete mitUmsicht einen Rachefeldzug gegen sie vor, der 1672 ber die kleine, aber sehrwohlhabende Nation hereinbrach. Als nach raschem Vormarsch Holland und Seeland
von feindlicher Invasion bedroht waren, durchstachen die Einwohner ihre mhsam
erbauten Deiche und verschanzten sich fast unangreifbar hinter dem Wasser. Nunbildete sich rasch auch wieder eine europische Koalition gegen Frankreich; Spanien
und das Reich griffen zu den Waffen. Der ernchterte und etwas eingeschchterteLudwig lie in Nimwegen ber einen Frieden verhandeln, der 1678 zustande kam. Dem
Angreifer brachte das Abkommen beachtliche Gewinne wie die bisher spanischeFreigrafschaft Burgund (Franche-Comt) mit der Hauptstadt Besanon. Das schwache
Spanien musste die Zeche bezahlen, whrend die Ludwig so verhasste Republik derVereinigten Niederlande ungeschoren blieb.
Das berspannen des europischen Bogens
Frankreich ging nun auenpolitisch zu einer Taktik der kleinen Nadelstiche ber.Mithilfe rechtlicher Fiktionen und Konstruktionen formulierten findige Kronjuristen
Ansprche auf Gebiete vor der franzsischen Ostgrenze, deren militrische Besetzungsodann erfolgte. Das Verfahren wurde als Reunion, als Vereinigung einstigen
Staatsgebietes mit den brigen Lndern des Knigs, verschleiert. Hhepunkt der
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Reunionen war am 30.September 1681 die franzsische Okkupation der ReichsstadtStraburg. Das Rmisch-Deutsche Reich, zugleich im Osten von den Trken in die
Zange genommen, musste diesen Gewaltakt hinnehmen, ebenso wie die Straburger,deren protestantisches Bekenntnis aber von den neuen Herren respektiert wurde. Der
Macht Ludwigs XIV. als Hegemon von Europa schienen keine Grenzen mehr gesetzt.
1684 konnte er den Spaniern ungestraft Luxemburg abnehmen. Um seine absoluteHerrschaft ber alle Untertanen auch im Inneren des Knigreiches zu festigen, hob er
1685 die im Edikt von Nantes (1598) verbrieften Sonderrechte der Hugenotten auf. DerProtestantismus wurde in den alten, nicht reunierten Gebieten Frankreichs verboten,
und trotz strengen Auswanderungsverbotes flohen 200000 bis 300000 Reformierte insAusland.
Nach dem Tod des pflzischen Kurfrsten Karl II. 1685 erhob Ludwig in gewohnterWeise Erbansprche fr seine Schwgerin Liselotte von der Pfalz, mit deren
kriegerischer Durchsetzung er nicht lange zgerte. Der Pflzische Erbfolgekrieg wurde
ab 1688 vorwiegend als Vernichtungsfeldzug in Deutschland gefhrt. Burgen undStdte zu beiden Seiten des Rheins fielen in Schutt und Asche. Worms, Speyer,
Heidelberg und Mannheim wurden systematisch zerstrt, die Bewohner vertrieben. Auchwenn der Ansto zur brutalen Kriegfhrung gegen die Zivilbevlkerung vom
Kriegsminister Franois Michel Le Tellier, Marquis de Louvois, ausging, so trgtletztlich Ludwig XIV. dafr die Verantwortung. Die Exzesse am Rhein brachten nicht nur
das Reich, sondern ganz Europa gegen Frankreich auf. Wilhelm von Oranien, 1672Fhrer des niederlndischen Widerstandes gegen die Franzosen, gelangte 1689 auf den
englischen Thron und schuf von London aus eine mchtige kontinentale Allianz gegenden Friedensstrer. Englands Beitrag war 1692 die Vernichtung der franzsischen Flotte
bei La Hogue (La Hougue) in der Normandie, womit das Inselreich fr zwei Jahrhunderte
seinen Rang als unbestrittene Weltmacht zur See festigte. Der Stern des Sonnenknigssank, die schwere wirtschaftliche und finanzielle Krise seines Landes war unbersehbar.So begannen 1696 Friedensverhandlungen, bei denen der Knig erstmals
Zugestndnisse machte. Im Frieden von Rijswijk 1697 gab er einen Teil der Reunionen
und Eroberungen der Vorjahre, darunter das Herzogtum Lothringen und Luxemburg,zurck. Ludwig war bedchtiger geworden. Dazu trug wohl auch die 1683 nach dem
Tod der Knigin insgeheim geschlossene Ehe mit seiner letzten Mtresse Franoised'Aubign, Marquise de Maintenon, bei. Aus dieser Ruhe wurde der sechzigjhrige
Knig jedoch gerissen, als am 1.November 1700 der letzte Habsburger auf demspanischen Thron, Karl II., kinderlos starb.
Ludwigs XIV. Enkel Philipp von Anjou war vom Verstorbenen zum Universalerben erklrt
worden. Als Ludwig den Siebzehnjhrigen als Philipp V. zum spanischen Knigausrufen lie und zugleich die Ansprche Philipps auf den franzsischen Thron
besttigte, wandten sich England, die Generalstaaten und Kaiser Leopold I. in derGroen Allianz vom 7. September 1701 gegen die franzsische Vormacht; Preuen,
Portugal und Savoyen schlossen sich dem Bndnis an. Htte Ludwig anders reagiertund das Testament abgelehnt, so wre der gesamte spanische Besitz mit den Kolonien
in Amerika an die sterreichischen Habsburger gefallen, fr die Erzherzog Karl (dersptere Kaiser Karl VI.) zum Kampf um Spanien antrat. So wurde der Spanische
Erbfolgekrieg, unvermeidlich, zum ersten Weltkrieg der Neuzeit, da sich Franzosen und
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Englnder auf den Meeren und in bersee bekmpften. Auerdem tobte der Krieg inSpanien, in Belgien, am Rhein, in Bayern, Tirol und Oberitalien, whrend gleichzeitig
der Groe Nordische Krieg (170021) die Lnder an der Ostsee in Flammen setzte. Esgab Schlachten, die blu- tiger waren als alles bis dahin Dagewesene (Hchstdt an der
Donau 1704, Turin 1706, Oudenaarde 1708, Malplaquet 1709). Dabei zeigte es sich,
dass die franzsische Armee dem Feldherrengenie der englischen und sterreichischenHeerfhrer John Churchill, Herzog von Marlborough, und Prinz Eugen von Savoyen-
Carignan nur wenig entgegenzusetzen hatte. Nach der fr Frankreich frchterlichenNiederlage von Oudenaarde 1708 wollte Ludwig fr den Frieden groe Opfer bringen.
Selbst zum Verzicht auf Spanien und auf alle Eroberungen der letzten vier Jahrzehntewar er bereit. Ein Friedensschluss auf dieser Grundlage scheiterte damals nur an den
tatschlich berzogenen Forderungen der Alliierten. Bald wendete sich das Kriegsglckwieder, sodass Ludwig XIV. in den Friedensvertrgen von Utrecht (1713) und Rastatt
(1714) so gnstige Konditionen erreichen konnte, wie sie in der Krise von 1709keineswegs zu erhoffen waren. Philipp von Anjou nahm als Philipp V. den Thron in
Madrid ein und verzichtete auf italienischen und belgischen Besitz, whrend denBourbonen nennenswerte Gebietsverluste ansonsten erspart blieben. Es hatte sich aber
gezeigt, dass der Traum von einer politisch-militrischen Hegemonie Frankreichs an
der Wirklichkeit des europischen Mchtesystems zerbrechen musste. Ludwig XIV. sahselbst in seinem letzten Lebensjahr 1714/15 den Sinn franzsischer Auenpolitik darin,
den kontinentalen Widerstand gegen eine Vormacht Englands anzufhren.
Von der militrischen zur kulturellen Hegemonie: Ludwig XV. (171574)
Die Rgence (171523) und die Regentschaft Fleurys (172643)
Als kurze, aber ereignisreiche ra der edlen Eleganz und des verfeinerten Stils blieb die
Rgenceder Nachwelt in Erinnerung. Im September 1715 gelangte der UrenkelLudwigsXIV., ein schwchliches, krnkelndes Kind von fnf Jahren, als Ludwig XV. auf
den Thron. Statt seiner regierte bis 1723 Philipp, Herzog von Orlans, Sohn derLiselotte von der Pfalz. Dieser begabte, jedoch sehr ausschweifende Freund der Kunst
und des guten Lebens verlegte den Hof vorbergehend von Versailles nach Paris. Auchlie er eine politische Mitwirkung des Hochadels zu, der in Ratskollegien (conseils)die
laufenden Geschfte behandelte. Zur Lsung der drngenden Probleme Frankreichs
trugen diese Institutionen jedoch nichts bei, sodass Orlans die Ratskollegien schon1718 wieder auflste. Die von der Bauwut und Kriegslust Ludwigs XIV. hinterlassene
Finanzkrise drohte indessen den Staat zu lhmen. Die erwarteten Steuereinnahmen derJahre 1716 und 1717 waren Ende 1715 im Vorgriff bereits verausgabt. Als nur noch
Tricks und Manipulationen am Budget weiterhalfen, nahm der verzweifelte Regent seineZuflucht zu den Knsten des schottischen Finanzjongleurs John Law.
Nach Meinung Laws krankte das Wirtschaftsleben Frankreichs am zu geringenBargeldumlauf. Da Edelmetalle zur Prgung von Mnzen fehlten, grndete Law eine
Staatsbank, die Papiergeld emittierte. Zur Deckung der Banknoten dienten die
Steuereinnahmen und die Ertrge der franzsischen Kolonien in Amerika, zu derenAusbeutung Law eine Aktiengesellschaft ins Leben rief. Auer Tierhuten gab es in den
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Weiten an Mississippi und Sankt-Lorenz-Strom aber kein nutzbares Kapital. Daran littdas von der Spekulation malos aufgeblhte System Laws von Anfang an. Ende 1720
strzte es wie ein Kartenhaus zusammen, Hunderttausende verloren ihr leichtsinniginvestiertes Vermgen, aber bei den Staatsfinanzen trat dank der rasenden
Papiergeldinflation eine Besserung ein. So war eine schwere soziale Krise der Preis fr
die allzu lange beranstrengung des Landes unter dem Sonnenknig. Dennoch feiertedie Gesellschaft der Rgencedie wiedergefundene Leichtigkeit des Lebens, eine
Stimmung schwereloser Heiterkeit und erotischen Glckes, die der Maler AntoineWatteau in seinen Bildern der Ftes galantes(galanten Feste) einfing, und die den
jungen Voltaire prgte.
Nicht lange nach dem Tode des Regenten 1723 erinnerte sich der junge Ludwig XV.
seines einstigen Erziehers, des Bischofs von Frjus, Andr Hercule de Fleury, der nunals mchtiger Kardinalminister eine Stellung einnahm wie einst Richelieu und Mazarin.
Dabei stammte Fleury als Sohn eines Steuereinnehmers aus einfachen Verhltnissen,
und seine kirchliche Laufbahn fhrte ihn nur auf den unbedeutenden Bischofssitz imsdfranzsischen Frjus. Dank seiner Freunde im Jesuitenorden wurde er aber 1714
Mentor des kleinen Ludwig, der dem freundlichen und gtigen Kirchenmann seineZuneigung schenkte. So gelangte der bei seiner Berufung schon fast 73-jhrige Fleury
fr beinahe zwei Jahrzehnte an die Spitze der franzsischen Politik. Es wurde eineglckliche Zeit. Wie Richelieu und Mazarin suchte er Frankreich die Stabilitt im Inneren
zu sichern, aber anders als sie scheute er jede kriegerische Verwicklung. Als bei seinemRegierungsantritt Krieg mit sterreich und Spanien drohte, initiierte er einen
internationalen Friedenskongress, der 1728 erfolgreich in Soissons tagte. Fr seinefriedliebende Auenpolitik fand Fleury im englischen Premierminister Robert Walpole
einen gleich gesinnten Partner. Als allerdings 1733 ein europischer Konflikt um die
Thronfolge in Polen losbrach, intervenierte Ludwig XV. zugunsten seines polnischenSchwiegervaters Stanislaus Leszczynski. Fleury bemhte sich, die militrischenAuseinandersetzungen mit den Kaiserlichen am Rhein und in Italien zu begrenzen, da er
rasch wieder Frieden schlieen wollte. Frankreich konnte sich die Erwerbung des lange
begehrten Herzogtums Lothringen fr die Zukunft sichern. Die sparsame Kriegfhrungum Polen und Lothringen diente der weiteren Sanierung des Staatshaushalts, die Fleurys
Finanzspezialist Philibert Orry, Graf von Vignory, energisch vorantrieb, sodass es 1738sogar gelang, ein ausgeglichenes Budget ohne Defizit vorzulegen. Diese guten
Rahmenbedingungen, zu denen auch eine stabile Whrung gehrte, lieen dieWirtschaft Frankreichs florieren.
Frankreich und der sterreichische Erbfolgekrieg (1740/4148)
Am Lebensende des neunzigjhrigen Kardinals Fleury verdsterte sich die Szenerie aber
von neuem. Im Oktober 1740 verstarb pltzlich Kaiser Karl VI., der letzte mnnlicheHabsburger. Obwohl die europischen Mchte seiner Tochter Maria Theresia die
ungestrte Nachfolge in allen sterreichischen Besitzungen feierlich garantiert hatten,sah sich die junge Frau doch bald vielfachen Anfechtungen ausgesetzt. Dabei machte
der Preuenknig Friedrich II. nonchalant den Anfang, indem er sich mit Gewalt dergroen, reichen und schnen Provinz Schlesien bemchtigte. Diesem Beispiel folgend,
strzten sich andere wie Bayern und Sachsen auf den habsburgischen Lnderkomplex,
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um sich eigene Anteile zu sichern. Der greise Fleury htte in dieser Situation denFrieden mit sterreich gern gewahrt, doch setzte sich am Hof eine Kriegspartei um den
Marschall Charles Louis Auguste Fouquet, Herzog von Belle-Isle, durch, die gemeinsammit Bayern den alten Rivalen an der Donau vernichten wollte. Maria Theresia, von
London untersttzt, erwies sich aber als ebenbrtige Gegnerin. Angesichts der
Schwche ihres bayerischen und des Wankelmuts ihres preuischen Verbndetensuchten die Franzosen nach einigen Niederlagen ihr Engagement in Deutschland zu
beenden. Immerhin gelangen ihrem brillanten Feldherrn Moritz von Sachsen, einemillegitimen Sohn Augusts des Starken, in Flandern glnzende Siege ber Briten und
Hollnder. Als 1748 der Frieden von Aachen diesem sterreichischen Erbfolgekrieg einEnde setzte, waren die Finanzen Frankreichs von neuem ruiniert.
Der alte Fleury hatte den Niedergang seines Werkes nicht mehr erlebt, er war 1743verstorben. Ludwig XV. regierte nun selbst, das Vorbild seines Vorgngers
nachahmend. Im Unterschied zu seinem Urgrovater, dem Sonnenknig, fehlten ihm
aber die persnlichen Voraussetzungen, um die Rolle eines absoluten Monarchenauszufllen. Zwar verband Ludwig XV. beachtliche Intelligenz mit einem stattlichen
ueren, zugleich litt er aber so sehr unter Schchternheit und Menschenscheu, dass ersich in seine private Sphre einschloss und regierte, indem er einsam und fleiig Akten
bearbeitete. Bei seiner ngstlichkeit und Willensschwche konnte es nicht ausbleiben,dass Personen seines Umfeldes groen Einfluss auf ihn gewannen, besonders die
Mtressen, an erster Stelle die berchtigte Madame de Pompadour. Der erfolgreichsteunter ihren Favoriten, denen sie Posten bei Hof verschaffte, war tienne Franois,
Herzog von Choiseul.
Die ra des Herzogs von Choiseul (175870) und die Aufklrung in Frankreich
Choiseul, eitel und selbstschtig, verfgte zwar nur ber wenig Begabung, konnte sichaber gleichwohl zwischen 1758 und 1770 als mchtigster Minister in der Regierung
behaupten. Whrend er ntzliche Reformen in Heer und Marine zustande brachte,versagte er vllig bei der so notwendigen Modernisierung der franzsischen
Gesellschaft. Die Kriege in der Mitte des 18. Jahrhunderts belasteten das Budget insolchem Ausma, dass Frankreich dringend eine neue Finanzverfassung bentigte. Das
ungerechte Besteuerungssystem des Feudalismus, das Adel und Klerus, die beidenprivilegierten Stnde, von Beitrgen zu den staatlichen Aufwendungen verschonte,
wurde unhaltbar. Jedem Ansatz zu einer Reform stellten sich aber die alten Eliten mit
entschlossenem Widerstand entgegen, vor dem Choiseul und der schwache Knigzurckwichen.
Vor diesem Hintergrund vollzog sich der Endkampf zwischen dem franzsischenLilienbanner und dem britischen Union Jack um die Vorherrschaft in bersee,
besonders in Nordamerika: Nach dem Aachener Frieden herrschte nur sechs Jahre Ruhe,bis 1754 neue Scharmtzel zwischen den indianischen Hilfstruppen der Englnder und
Franzosen in Amerika losbrachen. In Europa begann 1756 mit dem preuischenEinmarsch in Sachsen der Siebenjhrige Krieg. Ein preuisch-britisches Bndnis zwang
Frankreich diesmal an die Seite seines alten Rivalen sterreich. Der Krieg inDeutschland war fr Frankreich ein Unglck. Es unterlag gemeinsam mit der
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Reichsarmee den ungestmen Preuen bei Robach in Thringen im November 1757.Whrend sich der Krieg in Europa in die Lnge zog, weil sich Fridericus Rex und die
Seinen auch gegen eine bermacht behaupteten, gerieten die Franzosen in denKolonien erst recht ins Hintertreffen, da sie dort zu wenig Truppen aufbieten konnten.
Es war den Untertanen Ludwigs XV. und auch dem Knig selbst nicht bewusst, dass sich
in Kanada ihr eigenes Schicksal und das der Welt entschied. Auch fr Voltaire ging esdort nur um den Besitz von ein paar tausend Hektar Schnee, nicht etwa um die
Weltmacht. Unter diesen Umstnden kam es 1760 zur unvermeidlichen Katastrophe frFrankreichs berseeische Ambitionen. Sein Expeditionskorps in Nordamerika musste
vor den Briten kapitulieren, in Indien unterlagen seine Truppen demselben Feind. Vondem weltweiten Kolonialbesitz, den abenteuerlustige Franzosen seit eineinhalb
Jahrhunderten erobert hatten, blieben nur noch Trmmer brig. In unerschtterlichemZynismus erklrte Choiseul den Frieden mit England, der am 10.Februar 1763
geschlossen wurde, zum groen Erfolg, da Frankreich einige Inseln in den Antillen undvor der kanadischen Kste behalten durfte. Die Staatsfinanzen des Knigreiches waren
nun von neuem ruiniert, aber Choiseul wurde erst nach dem Tod seiner Protektorin, derPompadour, 1770 entlassen, als er auf einen neuen Krieg mit England zusteuerte, der
den Absichten des Knigs widersprach.
Inzwischen hatte die Aufklrung in Frankreich ihren lichten Gipfelpunkt erreicht. Ihrgrter Vorkmpfer Voltaire (16941778) galt zu Recht als europische Berhmtheit.
Ihn verehrte das Brgertum und der fr moderne Ideen aufgeschlossene Teil des Adels,whrend das offizielle Frankreich des Hofes und der Beamten den fern von Paris im
idyllischen Ferney, nahe der Schweizer Grenze, exilierten Schriftsteller nach Mglichkeitignorierte. Ein Voltaire lie sich aber nicht ignorieren. Er meldete sich in Fragen der
Politik und der Rechtsprechung zu Wort. In den groen Justizaffren der 1760er-Jahre
kmpfte er unermdlich fr Gerechtigkeit gegen eine in alten Vorurteilen befangeneRichterschaft. Seine Einlassungen hatten Gewicht, beruhten sie doch auf einermoralischen Autoritt und einer geistigen Macht, die man in ganz Europa anerkannte.
Das Verbot des gegen die aufklrerischen Strmungen arbeitenden Jesuitenordens in
Frankreich 1762 zeigte, dass die Aufklrung bereits zu einer politischen Machtgeworden war und kaum noch auf Widerstand stie, als Denis Diderot (171384)
antrat, das neue Denken und Wissen in der Encyclopdie zusammenzufassen, um esmglichst weit zu verbreiten. Im Gefolge Voltaires, Diderots und anderer konstituierte
sich erstmals eine intellektuelle Kaste, die Philosophen, die den Anspruch erhoben,auch in politischen Fragen mitzureden. Sie brachten die zahlreichen Missstnde im
Knigreich zur Sprache, prangerten seine morsche Verfassung an und fordertennachdrcklich Reformen. Dieser Stimmung konnte sich selbst der scheue LudwigXV.
nicht entziehen. Nach dem Sturz Choiseuls betrieb er energisch eine Erneuerung seineskrisengeschttelten Landes. Zusammen mit mutigen Beratern wie dem Abb Joseph Marie
Terray, einem Finanzspezialisten, und dem Kanzler Ren de Maupeou nahm der Knigden Kampf mit den Parlamenten auf, deren anmaende Juristenelite, die im Interesse der
Privilegierten jede Reform im Staat zu ersticken suchte, einen weiteren Machtzuwachs
auf Kosten der Krone anstrebte. Es kam zu einer massenhaften Verbannung vonParlamentsrten in entlegene Provinzorte, wo sie keine Unruhe und Intrigen mehr stiften
konnten. Die Sache der Krone und die der Reform schienen zu siegen, als pltzlich imMai 1774 der 64-jhrige Knig an den Pocken starb.
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Auf dem Weg zur Revolution
Knig Ludwig XVI., der Enkel des Vorgngers, war ein aufrichtiger Mensch voll gutenWillens und mit vorteilhaften Charaktereigenschaften, aber ohne die Hrte,
Kampfbereitschaft und berlegene Intelligenz, die ntig gewesen wren, um Frankreichaus der Krise zu fhren. Selbst von untadelhaftem Lebenswandel, musste der dickliche,
stets unbeholfen wirkende Knig doch mit ansehen, wie seine leichtsinnige GemahlinMarie Antoinette mit ihren Allren und Extravaganzen das Ansehen der Monarchie
schdigte. Das Volk hasste diese Tochter der Kaiserin Maria Theresia. Sie wurde zurZielscheibe des derben, oft zotigen Spottes. Den grten Fehler beging Ludwig XVI.
schon zu Beginn seiner Regierungszeit, als er die bereits weitgehend entmachteten
Parlamente wieder in ihre alten Funktionen einsetzte. Dabei beugte sich der Knig derStimmung in der Bevlkerung, die ganz irrigerweise annahm, die Parlamentarier
verteidigten alle Untertanen gegen Adel und Beamtenschaft, obwohl die selbstschtigeElite doch nur eigene Standesinteressen verfocht. Mit diesem Schritt zurck hinter die
Errungenschaften der ra Maupeous installierte Ludwig selbst den Bremsklotz gegen dieso notwendigen Reformen. Der Zwang zu Vernderungen ergab sich gebieterisch, weil
die Teilnahme Frankreichs am Amerikanischen Unabhngigkeitskrieg ab 1778 denStaatsbankrott zu einer fast unausweichlichen Gewissheit machte. Zwar erlangte
Frankreich gegen Britannien eine stolze Revanche fr die zwei Jahrzehnte zuvor inAmerika erlittene Demtigung, fr den Staatshaushalt brachte der Feldzug aber ein
verheerendes Debakel.
Whrenddessen stockten im Inneren alle Reformbemhungen. Seinem fhigen Berater
Turgot versagte Ludwig XVI. im entscheidenden Augenblick die Untersttzung, alsdieser im Frhjahr 1776 in heftige Kmpfe mit den Privilegierten verwickelt war, die ihreVorrechte mit Zhnen und Klauen verteidigten. Nicht anders erging es dem Nachfolger
Turgots, dem Genfer Bankier Jacques Necker, der auf einem Hhepunkt derinnenpolitischen Krise im Februar 1781 nicht davor zurckschreckte, den bisher streng
verheimlichten Staatshaushalt zu verffentlichen, womit er seine eigene Popularitt alsVorkmpfer der Wahrheit steigerte. So hatte selbst der wegen seiner Integritt gerhmte
Brgerliche Necker im Konflikt zwischen persnlichem Prestige und der Stabilitt desStaates den eigenen Interessen Vorrang eingerumt. In diesem Wirrwarr von Selbstsucht
und kleinlichem Ehrgeiz an der Spitze des Knigreiches musste die franzsische Krise
unlsbar werden. In ihrer groen Ratlosigkeit hielten Knig und Regierung dieEinberufung der Generalstnde, der Versammlung von Adel, Klerus und Brgertum, fr
unvermeidlich. Die Einberufung der tats gnrauxhatte die Krone seit 1615beharrlichst vermieden, nun sollten die Stnde so wie in der Zeit der Wirren nach der
Ermordung Heinrichs IV. den Berg an Problemen abtragen helfen. Die franzsischeMonarchie, einst unter Ludwig XIV. mit selbst erzeugtem Glanz blendend, reichte ihre
geschichtliche Kapitulationserklrung ein. Als Necker Ende August 1788 erneut berufenund zum Ersten Staatsminister ernannt wurde, gab ihm Ludwig XVI. den Auftrag, eine
Tagung der Generalstnde fr das folgende Jahr vorzubereiten.
Dr. Thomas Nicklas
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