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Lesen bildet A Chemical History Tour. Picturing from Alchemy to Modern Molecu- lar Science. Von Arthur Greenberg. John Wiley & Sons Inc. (Wiley- Interscience), New York 2000. XVIII 312 S. , 164 Abb., geb. 38.95 £.—ISBN 0-471-35408-2 Das Sammeln antiquarischer Bücher scheint bei Chemikern Tradition zu sein. So besaß der ver- storbene Franz Sondheimer eine prächtige Samm- lung solcher Werke, die nach seinem Tod als Glanzstück einer Auktion verstei- gert wurde. Über Jahre hinweg hat sich Professor Green- berg, ehemals Vorsitzender des Depart- ment of Chemistry an der University of North Carolina und zurzeit Dean of Arts and Sciences an der University of New Hampshire, ebenfalls eine hervorragen- de private Sammlung aufgebaut und teilt nun das bibliophile Interesse mit an- deren Chemikerkollegen. Auf einem Gebiet, wo mancher trockenes Gelehr- tenwissen und von aktuellen Themen scheinbar weit entfernte historische In- formationen erwarten hätte, hat Green- berg ein herrliches Buch verfasst, leicht zu lesen und höchst unterhaltsam. Der Titel ist sehr treffend: Der Leser wird auf einen Rundgang durch eine ideelle Bibliothek der Alchemie und Chemie mitgenommen. Unter Führung Green- bergs blättert er in den Werken und zu jedem Bild wird ihm der Bezug zur heutigen Chemie vermittelt, indem mit geistreichen und mitunter witzigen Kommentaren der geschichtliche Zu- sammenhang aufgezeigt wird. Das erste Kapitel beschäftigt sich mit der „prima materia“ der Alchemisten, den vier Elementen des Empedokles, den pythagoreischen Polyedern, deren Universalität Keplers Weltbild mitge- prägt hat, der Besamung der Erde mit Metallen und dem chemischen Symbo- lismus von Moses Charas (1678). Elf Stiche aus Lazarus Erckers Aula Subter- ranea (1574), die die praktische Chemie, den Bergbau und die Metallurgie des 16. Jahrhunderts veranschaulichen, werden präsentiert und erläutert. Die Alchemie, die ihre Wurzeln im Mittleren Osten hat, ist Thema des zweiten Kapitels. Hier wird ein Zusam- menhang hergestellt zwischen den vier Farben der Transmutation (schwarz, weiß, gelb und rot) und den Glasuren der Irdenwaren in vielen Kulturen. Glas- waren und ihre symbolischen ¾quiva- lente werden ebenfalls vorgestellt. Die Titelseiten einiger Hauptwerke der Al- chemie sind abgebildet und die Zwölf Schlüssel von Basil Valentine, eines der Embleme aus Michael Maiers Atalanta fugiens (1618) und sechs Illustrationen aus Mutus liber (1677) von „Altus“ werden erklärt. In Kapitel 3 wird über die paracelsi- sche Iatrochemie und spagirische Zube- reitungen berichtet. Ein Schwerpunkt- thema in diesem Kapitel ist die Destilla- tionstechnik, die von Conrad Gesner beschrieben und in vier Bildtafeln aus John Frenchs Art of distillation (1653) dargestellt wird. Das vierte Kapitel, das die Chemie als aufkommende Wissenschaft beschreibt, ist eines der faszinierendsten. Mit Recht stellt es Robert Boyle als die zentrale Figur heraus, von der wir heute wissen, dass sie den Übergang von der Alchemie zur Chemie verkörpert. Das Kapitel schließt mit der Darstellung der Affini- tätstabelle von Geoffroy (1718) und drei Abbildungen aus Vegetable Staticks von Stephen Hales (1731). Die Geburt der modernen Chemie wird in Kapitel 5 geschildert. Hier wer- den die Arbeiten Priestleys und Lavoi- siers über die Zusammensetzung der Luft und des Wassers ebenso umfassend behandelt wie Daltons Atomtheorie. Es folgt eine Beschreibung der Agrar- und industriellen Chemie in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts im sechsten Kapitel. Breiten Raum nehmen hier die Ausführungen zur Elektrochemie (Davy und der Berzeliussche Dualismus) und zur Analyse (Liebig) ein. Kapitel 7 würdigt neben Marcet und Faraday, die die Chemie populär ge- macht haben, auch weniger bekannte, aber dennoch einfallsreiche Schreiber wie Decremps und Youmans, deren Werke Diagrammes chimiques (1823) und Chemical Atlas (1854) bewunderns- wert klare Grafiken enthalten. Im letzten Kapitel 8 wird nach einem Gang durch das Periodensystem auf atomare Strukturen, Lewis-Formeln und natürlich auf die DNA-Doppelhelix – nicht weniger eine Ikone der Chemie als Kekule ´s Benzolformel – näher ein- gegangen. Abschließend werden zeitge- nössische wissenschaftliche Errungen- schaften wie die Abbildung der Atome durch Rastertunnelmikroskopie oder Stangs selbstorganisierte Polyeder vor- gestellt. Das Buch ist wärmstens zu empfehlen. Es bietet in einer angenehmen und sorgfältigen Aufmachung eine Samm- lung der interessantesten Bilder aus bedeutenden Werken der Alchemie und Chemie. Der einfache Zugang zu dem Thema und der lebendige Stil mit den geistreichen Bemerkungen (und Wortspielen) machen es sehr lesenswert. Das Werk sollte im Bücherregal eines jeden gebildeten Chemikers stehen, ei- BÜCHER Angew. Chem. 2001, 113, Nr. 7 WILEY-VCH Verlag GmbH, D-69451 Weinheim, 2001 0044-8249/01/11307-1351 $ 17.50+.50/0 1351 Diese Rubrik enthält Buchbesprechungen und Hinweise auf neue Bücher. Buchbesprechungen werden auf Einladung der Redaktion geschrie- ben. Vorschläge für zu besprechende Bücher und für Rezensenten sind willkommen. Verlage soll- ten Buchankündigungen oder (besser) Bücher an die Redaktion Angewandte Chemie, Postfach 10 11 61, D-69451 Weinheim, Bundesrepublik Deutschland senden. Die Redaktion behält sich bei der Besprechung von Büchern, die unver- langt zur Rezension eingehen, eine Auswahl vor. Nicht rezensierte Bücher werden nicht zurück- gesandt.

Buchbesprechung: Chemical Topology. Applications and Techniques. Mathematical Chemistry Series, Vol. 6. Herausgegeben von Daniel Bonchev und Dennis H. Rouvray

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Lesen bildet

A Chemical History Tour. Picturingfrom Alchemy to Modern Molecu-lar Science. Von Arthur Greenberg.John Wiley & Sons Inc. (Wiley-Interscience), New York 2000.XVIII�312 S., 164 Abb., geb.38.95 £.ÐISBN 0-471-35408-2

Das Sammeln antiquarischer Bücherscheint bei Chemikern Tradition zu sein.So besaû der ver-storbene FranzSondheimer eineprächtige Samm-lung solcherWerke, die nachseinem Tod alsGlanzstück einerAuktion verstei-gert wurde. ÜberJahre hinweg hat sich Professor Green-berg, ehemals Vorsitzender des Depart-ment of Chemistry an der University ofNorth Carolina und zurzeit Dean of Artsand Sciences an der University of NewHampshire, ebenfalls eine hervorragen-de private Sammlung aufgebaut und teiltnun das bibliophile Interesse mit an-deren Chemikerkollegen. Auf einemGebiet, wo mancher trockenes Gelehr-tenwissen und von aktuellen Themenscheinbar weit entfernte historische In-formationen erwarten hätte, hat Green-berg ein herrliches Buch verfasst, leichtzu lesen und höchst unterhaltsam. DerTitel ist sehr treffend: Der Leser wirdauf einen Rundgang durch eine ideelle

Bibliothek der Alchemie und Chemiemitgenommen. Unter Führung Green-bergs blättert er in den Werken und zujedem Bild wird ihm der Bezug zurheutigen Chemie vermittelt, indem mitgeistreichen und mitunter witzigenKommentaren der geschichtliche Zu-sammenhang aufgezeigt wird.

Das erste Kapitel beschäftigt sich mitder ¹prima materiaª der Alchemisten,den vier Elementen des Empedokles,den pythagoreischen Polyedern, derenUniversalität Keplers Weltbild mitge-prägt hat, der Besamung der Erde mitMetallen und dem chemischen Symbo-lismus von Moses Charas (1678). ElfStiche aus Lazarus Erckers Aula Subter-ranea (1574), die die praktische Chemie,den Bergbau und die Metallurgie des 16.Jahrhunderts veranschaulichen, werdenpräsentiert und erläutert.

Die Alchemie, die ihre Wurzeln imMittleren Osten hat, ist Thema deszweiten Kapitels. Hier wird ein Zusam-menhang hergestellt zwischen den vierFarben der Transmutation (schwarz,weiû, gelb und rot) und den Glasurender Irdenwaren in vielen Kulturen. Glas-waren und ihre symbolischen ¾quiva-lente werden ebenfalls vorgestellt. DieTitelseiten einiger Hauptwerke der Al-chemie sind abgebildet und die ZwölfSchlüssel von Basil Valentine, eines derEmbleme aus Michael Maiers Atalantafugiens (1618) und sechs Illustrationenaus Mutus liber (1677) von ¹Altusªwerden erklärt.

In Kapitel 3 wird über die paracelsi-sche Iatrochemie und spagirische Zube-reitungen berichtet. Ein Schwerpunkt-thema in diesem Kapitel ist die Destilla-tionstechnik, die von Conrad Gesnerbeschrieben und in vier Bildtafeln ausJohn Frenchs Art of distillation (1653)dargestellt wird.

Das vierte Kapitel, das die Chemie alsaufkommende Wissenschaft beschreibt,ist eines der faszinierendsten. Mit Rechtstellt es Robert Boyle als die zentraleFigur heraus, von der wir heute wissen,

dass sie den Übergang von der Alchemiezur Chemie verkörpert. Das Kapitelschlieût mit der Darstellung der Affini-tätstabelle von Geoffroy (1718) und dreiAbbildungen aus Vegetable Staticks vonStephen Hales (1731).

Die Geburt der modernen Chemiewird in Kapitel 5 geschildert. Hier wer-den die Arbeiten Priestleys und Lavoi-siers über die Zusammensetzung derLuft und des Wassers ebenso umfassendbehandelt wie Daltons Atomtheorie.

Es folgt eine Beschreibung der Agrar-und industriellen Chemie in der erstenHälfte des 19. Jahrhunderts im sechstenKapitel. Breiten Raum nehmen hier dieAusführungen zur Elektrochemie (Davyund der Berzeliussche Dualismus) undzur Analyse (Liebig) ein.

Kapitel 7 würdigt neben Marcet undFaraday, die die Chemie populär ge-macht haben, auch weniger bekannte,aber dennoch einfallsreiche Schreiberwie Decremps und Youmans, derenWerke Diagrammes chimiques (1823)und Chemical Atlas (1854) bewunderns-wert klare Grafiken enthalten.

Im letzten Kapitel 8 wird nach einemGang durch das Periodensystem aufatomare Strukturen, Lewis-Formelnund natürlich auf die DNA-Doppelhelix± nicht weniger eine Ikone der Chemieals KekuleÂs Benzolformel ± näher ein-gegangen. Abschlieûend werden zeitge-nössische wissenschaftliche Errungen-schaften wie die Abbildung der Atomedurch Rastertunnelmikroskopie oderStangs selbstorganisierte Polyeder vor-gestellt.

Das Buch ist wärmstens zu empfehlen.Es bietet in einer angenehmen undsorgfältigen Aufmachung eine Samm-lung der interessantesten Bilder ausbedeutenden Werken der Alchemieund Chemie. Der einfache Zugang zudem Thema und der lebendige Stil mitden geistreichen Bemerkungen (undWortspielen) machen es sehr lesenswert.Das Werk sollte im Bücherregal einesjeden gebildeten Chemikers stehen, ei-

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Angew. Chem. 2001, 113, Nr. 7 � WILEY-VCH Verlag GmbH, D-69451 Weinheim, 2001 0044-8249/01/11307-1351 $ 17.50+.50/0 1351

Diese Rubrik enthält Buchbesprechungen undHinweise auf neue Bücher. Buchbesprechungenwerden auf Einladung der Redaktion geschrie-ben. Vorschläge für zu besprechende Bücher undfür Rezensenten sind willkommen. Verlage soll-ten Buchankündigungen oder (besser) Bücher andie Redaktion Angewandte Chemie, Postfach1011 61, D-69451 Weinheim, BundesrepublikDeutschland senden. Die Redaktion behält sichbei der Besprechung von Büchern, die unver-langt zur Rezension eingehen, eine Auswahl vor.Nicht rezensierte Bücher werden nicht zurück-gesandt.

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1352 � WILEY-VCH Verlag GmbH, D-69451 Weinheim, 2001 0044-8249/01/11307-1352 $ 17.50+.50/0 Angew. Chem. 2001, 113, Nr. 7

ner Spezies, die dank Büchern wie demvorliegenden nicht mehr vom Ausster-ben bedroht ist.

Pierre LaszloEcole Polytechnique, Palaiseau (Frank-

reich) und Universite de LieÁge (Belgien)

Design and Analysis in ChemicalResearch. Herausgegeben vonRoy L. Tranter. Sheffield AcademicPress, Sheffield 2000. XVIII�558 S.,geb. 95.00 £.ÐISBN 1-85075-994-4

Um es vorweg zu nehmen: Es machtFreude, dieses Buch zu lesen. Statt dertrockenen Präsentation der Grundlagen,Varianten und Anwendungen statisti-scher Methoden steht hier das ¹statisti-sche Denkenª im Vordergrund. Das istauch der Titel und Inhalt des erstenKapitels, das die ganze Breite der ¹Wasmache ich, wenn .. .ª-Fragen eines Laienund Anfängers auf diesem Gebiet beant-wortet. Statistik ist die Anwendung ver-schiedenster Methoden zur Planung vonVersuchen, zur Auswertung von Datenund zur Erstellung quantitativer Model-le. Statistisches Denken geht darüberhinaus: Es umfasst nicht nur die Metho-den, sondern vor allem die Denkprozes-se, nach denen wir verstehen und ent-scheiden, welcher Ansatz verwendetwerden sollte und welche Methode diebeste Auswertung der daraus resultie-renden Daten liefert. Es beinhaltet auchdie Kenntnis der Möglichkeiten undGrenzen einzelner Methoden und folgtder allgemeinen Philosophie einer ratio-nalen Datenanalyse und -interpretation.

Nach dieser Einführung beschäftigensich die weiteren Kapitel mit dem Sam-meln und Beschreiben von Daten, derProben- und Datenselektion sowie derInterpretation von Versuchsergebnissennach statistischen Kriterien, noch ohnemathematische Modelle. Im Abschnittüber robuste, widerstandsfähige undnichtparametrische Methoden werdendie Begriffe Fehlerverteilung, Streubrei-te und Varianz diskutiert. Entscheidendfür aussagekräftige Analysen ist diestatistische Versuchsplanung, die in zweiKapiteln ausführlich abgehandelt wird.Ein Kapitel über Varianzanalyse schlieûtsich an. Im Abschnitt zum Thema Opti-mierung und Kontrolle werden vor allem

graphische Auswertemethoden vorge-stellt. Ein gröûerer Abschnitt zur Mo-dellbildung ist gegliedert in Kapitel überClusteranalyse und Mustererkennung,Lineare Regression und Regressionsme-thoden mit latenten Variablen (u. a.PCA, PCR- und PLS-Analysen). Etwasisoliert wirkt das letzte Kapitel über dieVerarbeitung und Transformation vonVersuchsdaten.

Der Leser dieses Buches wird liebe-voll an die Hand genommen. In allenKapiteln befindet sich am Anfang eineTabelle mit wichtigen Stichworten undVerweisen zu den betreffenden Unter-abschnitten. Das führt zu einer Über-sichtlichkeit, die besser nicht sein könnte.Darüber hinaus belegen viele sorgfältigausgewählte Beispiele die Anwendungs-breite der einzelnen Methoden. Kern-sätze, z. B. zum Ausreisser-Problem (¹apoint is never to be excluded on stati-stical grounds onlyª) oder zu ANOVA-Tabellen (¹much of this table can andshould be ignoredª), würzen den Textund führen den Anwender auf denrichtigen Weg. Es ist erstaunlich, welcheFülle von Material in diesem Buchdiskutiert und kommentiert wird. Selbst-verständlich ist nicht zu erwarten, dasstiefer gehende Beschreibungen der ein-zelnen Methoden geboten werden. Hier-zu ist nach jedem Kapitel die weiter-führende Spezialliteratur mehr oder we-niger ausführlich gelistet, teils nachStichworten geordnet, teils numeriert,mit entsprechenden Zitaten im Text.

Fehler finden sich selten (z.B. Verweisauf Abschnitt 11.4.3. auf Seite 422, ob-wohl dieser Abschnitt im Buch nichtvorhanden ist). Total falsch ist leider dieArgumentation in Abschnitt 10.6.5; bio-logische Daten werden nicht in denlogarithmischen Maûstab transformiert,um eine Normalverteilung der Daten zuerhalten, sondern um eine Normalver-teilung des Versuchsfehlers anzunähern(richtig kommentiert auf Seite 436,oben). Viele Schwächen finden sich imSachregister, wo viele Stichworte fehlenoder am falschen Platz stehen. DieAutoren der einzelnen Kapitel habenihre Stichworte unter allgemeinen Be-griffen aufgelistet; diese Pakete wurdenanschlieûend nicht mehr entflochten.Bei der Suche nach dem Stichwort ¹D-optimal designª wird man weder unter Dnoch unter O fündig, nur unter ¹experi-ment designª und ¹response surface

modellingª; das sind die entsprechendenKapitelüberschriften. Wenn beispiels-weise bei ¹noiseª 29 verschiedene Seitenangegeben werden, ist das nicht beson-ders hilfreich. Der Begriff ANOVA(analysis of variance, eine gängige Me-thode) taucht im Buch mehrfach auf,nicht jedoch im Sachregister. Auf Sei-te 58 wird er erstmals ohne jede Erläu-terung erwähnt, später nochmals abSeite 175; der semantische Bezug vonANOVA als ¹analysis of varianceª fin-det sich nur auf Seite 142, nicht dagegenim Kapitel 8 (Seite 279 ff.), das vollstän-dig der Varianzanalyse gewidmet ist undden Begriff ANOVA mehrfach erwähnt.All dies sind typische Schwächen eines¹Multiautoren-Werksª, bei dem derHerausgeber nicht die erforderliche Ein-heitlichkeit hergestellt hat.

Trotzdem kann ich dieses Buch jedemAnalytiker, Versuchsplaner und ange-henden Statistiker wärmstens empfeh-len. Darüber hinaus sollten sich Chemi-ker, Physiker, Biologen und andereinteressierte Naturwissenschaftler mitdieser Materie beschäftigen. Heute ste-hen in aller Regel leistungsfähige Statis-tik-Programmpakete zur Verfügung, dievon Nicht-Statistikern auf ihre eigenenVersuche und Daten angewendet wer-den. Hier hilft dieses Buch wie keinanderes. Gerade das Lesen, Nachvoll-ziehen und Verstehen der Argumente zuAnwendungsbreite und Grenzen dereinzelnen Methoden sind überaus wich-tig und wertvoll. Die Empfehlung desHerausgebers, lieber in einigen wenigenMethoden fit zu sein, als alle unter-schiedlichen Varianten einsetzen zu wol-len, kann nur bekräftigt werden. DerLeser wird durch dieses Buch nicht zumStatistiker ausgebildet. Aber er wirdverstehen, wie er die einzelnen Verfah-ren nutzbringend anwenden kann.Durch statistisches Denken und Han-deln, schon bei der Versuchsplanung,später bei der Auswertung und Modell-bildung, lässt sich die Zahl der Experi-mente reduzieren und trotzdem dieQualität und Zuverlässigkeit der Ergeb-nisse steigern. Dafür wurde das vorlie-gende Buch geschrieben und diesenZweck erfüllt es voll und ganz.

Hugo KubinyiBASF Aktiengesellschaft

Ludwigshafen

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Angew. Chem. 2001, 113, Nr. 7 � WILEY-VCH Verlag GmbH, D-69451 Weinheim, 2001 0044-8249/01/11307-1353 $ 17.50+.50/0 1353

Handbook of Molecular Descrip-tors. Von Roberto Todeschini undViviana Consonni. WILEY-VCH,Weinheim 2000. XXI � 667 S.,geb. 498.00 DM (ca. 255 E).ÐISBN3-527-29913-0

Dieses Buch ist das erste, das einensystematischen Überblick über die mo-lekularen Deskriptoren gibt, die in quan-titativen Struktur-Wirkungs- bzw. Struk-tur-Eigenschaftsbeziehungen benutztwerden. Enthalten sind alle Arten vonMoleküldeskriptoren: physikochemi-sche, welche elektronische, lipophileund sterische Substituenteneffekte be-schreiben, die Vielzahl topologischerIndizes und auch Moleküldeskriptoren,die in 3D-QSAR-Analysen verwendetwerden.

Das Buch ist wie ein Lexikon struktu-riert. In alphabetischer Reihenfolge wer-den Deskriptoren molekularer Eigen-schaften abgehandelt. Viele Querver-weise erleichtern das Auffinden desrelevanten Kapitels ausgehend von häu-fig benutzten Synonymen, wobei einigeder Querverweise aber redundant sind.Die rein alphabetische Reihenfolge hatVor- und Nachteile. Einerseits lässt sichein Stichwort schnell nachschlagen, an-dererseits ist ein Überblick über ver-wandte Deskriptoren kaum zu erhalten.Erfreulich ist, dass zumindest Variatio-nen eines molekularen Deskriptors un-ter einem gemeinsamen Stichwort vor-gestellt werden, was einen gewissenÜberblick ermöglicht.

Das Handbuch ist extrem umfassendund enthält nahezu alle gebräuchlichenDeskriptoren. Auch Variationen einzel-ner Deskriptoren, die von verschiedenenAutoren entwickelt wurden, werden vor-gestellt. Beispielsweise werden unterdem Stichwort ¹electronic substituentconstantsª 46 Arten beschrieben. Aller-dings beschränken sich die Autoren aufberechnete Moleküldeskriptoren; expe-rimentelle Verfahren und Techniken zurGenerierung von molekularen Deskrip-toren werden nicht erwähnt. Zusätzlichsind kurze Erläuterungen zu grundle-genden Konzepten derjenigen statisti-schen und mathematischen Verfahrenenthalten, die zur Generierung moleku-larer Deskriptoren dienen. Die Be-schreibung der einzelnen Deskriptorenist umfassend, aber dennoch nicht weit-schweifig. Die theoretischen Grundla-

gen werden verständlich vermittelt undin einigen Fällen erleichtern zusätzlichenumerische Beispiele das Verständnisder Berechnung. Zu jedem molekularenDeskriptor ist die relevante Originalli-teratur angegeben. Die Literaturanga-ben sind sehr umfangreich und füllenfast ein Drittel des gesamten Werkes.

Allerdings sind nur für wenige Substi-tuenten physikochemische Deskriptorenangegeben, und Tabellen mit Faktoren,die zur Berechnung von Deskriptorendienen, sind nicht enthalten. Diese wür-den dieses Handbuch noch wertvollermachen. Leider fehlen ebenfalls Hin-weise auf publizierte Tabellen mit sol-chen Werten. Daher ist der Leser auf dieSuche in der angegebenen Originallite-ratur angewiesen, wenn er einzelne De-skriptoren für eigene Korrelationen ein-setzen will. Das Buch ist deshalb kaumgeeignet, um Deskriptoren für eine ei-gene Analyse auszuwählen. Sein haupt-sächlicher Nutzen dürfte darin liegen,von anderen Autoren benutzte Deskrip-toren zu verstehen, deren genaue Be-deutung dem Leser unbekannt ist.

Neben der Verwendung als Nach-schlagewerk ist auch das einfache ¹Stö-bernª in diesem Buch zu empfehlen.Durch die Querverweise wird der Leserhäufig interessante Aspekte der be-schriebenen molekularen Deskriptorenentdecken, die ihm bisher verborgengeblieben sind.

Michael WiesePharmazeutisches Institut

der Universität Bonn

Practical Capillary Electrophoresis.2. Auflage. Von Robert Weinberger.Academic Press, San Diego 2000.462 S., geb. 99.95 $.ÐISBN 0-12-742356-7

Die Kapillarelektrophorese hat ihrenPlatz unter den instrumentellen analy-tischen Methoden gefunden, wenn auchnicht in der Breite wie die optimistischenVorhersagen der Marktanalysten glau-ben machten. Sie ist eine schnelle analy-tische Mikromethode, die in bestimmtenBereichen unverzichtbar geworden ist,in anderen Bereichen eher in Verklei-dung als Protein- bzw. DNA-Analysen-system auftaucht. Nachdem vor einigen

Jahren mehrere Monographien über Ka-pillarelektrophorese erschienen sind,liegt nun eine überarbeitete und wesent-lich umfangreichere Version eines Klas-sikers vor (460 Seiten gegenüber 310 der1. Auflage). Der bewährte Aufbau wur-de im Groûen und Ganzen beibehalten,wenn auch durch Umstellungen voneinzelnen Kapiteln und Abschnittender Weiterentwicklung und Verschie-bung der Schwerpunkte Rechnung ge-tragen wurde.

Das Buch beruht auf den häufigdurchgeführten Kursen des Autors überKapillarelektrophorese. Dies macht sichin der Darstellung der verschiedenenTrenntechniken, den vielfältigen Tabel-len und den sehr instruktiven Abbildun-gen und Anwendungsbeispielen inklusi-ve ihrer Diskussion bemerkbar. Wäh-rend der Umfang der einleitendenKapitel nur unwesentlich erhöht wurde,stellt die Zusammenfassung der Grund-lagen der MEKC (¹micellar elektro-kinetic chromatographyª) mit dem Ein-satz von Cyclodextrinen zur Enantiome-rentrennung in einem Kapitel über ¹Se-condary Equilibrium, Micelles, Cyc-lodextrins, and Related Reagentsª dieeinschneidendste, aber wohl begründeteVeränderung dar. Das Kapitel über Iso-tachophorese der 1. Auflage wurde demAbschnitt ¹Injectionª zugefügt, der dieeinzige praktische Anwendung dieserTechnik als Stacking-Methode zur Spu-renanreicherung beschreibt. Wesentlichumfangreicher sind die Kapitel über¹Size Separations in Capillary Gels andPolymer Networksª und ¹Capillary Iso-electric Focusingª geworden, was dempraktischen Einsatz der Kapillarelektro-phorese in der DNA- und Protein-Ana-lytik entspricht.

Neben diesen Erweiterungen wurdenin den einzelnen Abschnitten neue Er-gebnisse aus den vielfältigsten Anwen-dungen der Kapillarelektrophorese ein-gearbeitet, wobei auch häufig auf mög-liche Fehlerquellen hingewiesen wird.Die zahllosen Literaturzitate bieten ei-nen wertvollen Zugang auf die Original-literatur, die bis einschlieûlich 1998 be-rücksichtigt wurde.

Zusammenfassend kann der Ein-druck, den die 1. Auflage gegeben hat,nur bestätigt werden: Das Buch kannwegen seines instruktiven, einem Lehr-buch entsprechenden Charakters demEinsteiger auf dem Gebiet der Kapillar-

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1354 � WILEY-VCH Verlag GmbH, D-69451 Weinheim, 2001 0044-8249/01/11307-1354 $ 17.50+.50/0 Angew. Chem. 2001, 113, Nr. 7

elektrophorese empfohlen werden. Dererfahrene Praktiker mag beim Durch-blättern nützliche Tipps für die Lösungalltäglicher Probleme und wertvolleHinweise auf mögliche Fehlerquellenund ihre Vermeidung finden.

Heinz EngelhardtInstrumentelle Analytik, UmweltanalytikUniversität des Saarlandes, Saarbrücken

Automated Synthetic Methods forSpeciality Chemicals. Herausgege-ben von William Hoyle. RoyalSociety of Chemistry, Cambridge2000. VIII�114 S., geb. 49.50 £.ÐISBN 0-85404-825-1

Das vorliegende Büchlein behandeltdie Anwendung der Hochdurchsatz-Au-tomation im Bereich Forschung undEntwicklung indus-trieller Unterneh-men, die Feinche-mikalien und Ka-talysatoren her-stellen. Es basiertauf den Vorträgeneines zweitägigenSymposiums zudiesem Thema.

Im einleitendenTeil werden die indiesem Buch benutzten Ausdrücke kurzund prägnant definiert und die entspre-chende Literatur aufgelistet. Die folgen-den, ziemlich heterogenen Kapitel be-schäftigen sich mit Mikroreaktoren fürGas- und Flüssigphasenreaktionen so-wie Robotersystemen für Flüssigphasen-reaktionen. Anschlieûend werden einigeFallstudien über Tests heterogener Ka-talysatoren, die Entwicklung der Syn-these von Farbstoffen und die Anwen-dung oben genannter Automaten inverschiedenen Reaktionen bei der Pro-zessentwicklung vorgestellt.

Die einzelnen Kapitel sind gut zulesen, der Stoff ist leicht verständlichdargestellt. Der Leser erhält einen gutenÜberblick über die Anwendungsmög-lichkeiten automatisierter Methoden,obwohl der Zusammenhang mit derSynthese von Feinchemikalien nicht im-mer erkennbar ist. Vermisst wird aucheine kritische Betrachtung der verschie-denen Methoden: Für welche Anwen-

dungen sind diese Methoden vorteilhaft,für welche nicht? Auûerdem wäre es fürden Leser wichtig zu erfahren, welcheSysteme derzeit auf dem Markt sind wassie kosten und welche Unterschiedeuntereinander bestehen (meistens wirdnur eine bestimmte Marke in jedemArtikel beschrieben). Sehr bedauerlichist, dass die Probleme kaum erörtertwerden, die bei der Sammlung, Verar-beitung und Speicherung der enormenDatenmengen auftreten, die diese Auto-matenroboter produzieren. Denn dies istsicherlich ein entscheidenter Aspekt beider Anwendung automatisierter Metho-den und von Hochdurchsatz-Tests.

Das Inhaltsverzeichnis bietet eineneinfachen Zugang zu den einzelnenThemen. Leider ist die Qualität einigerAbbildungen äuûerst schlecht. Dies ent-spricht bestimmt nicht dem heutigenDruckstandard, schon gar nicht bei ei-nem Buch über High-Tech-Anwendun-gen.

Insgesamt gesehen ist das Büchleinlesenswert und liefert dem Leser aktuel-le Informationen über automatisierteSynthesen und zahlreiche spezielle Mi-kroreaktoren und Robotorsysteme. DieKapitel über die Anwendung dieserAutomaten in den verschiedenen Gebie-ten der Chemie sollten besonders F&E-Manager interessieren, die entscheidenmüssen, ob man in diese Technologieinvestiert oder (noch) nicht. Die Aktua-lität des Büchleins wird allerdings ange-sichts der raschen Entwicklung auf die-sem Gebiet nicht lange erhalten bleiben.

Hans-Ulrich Blaser, Martin StuderSolvias AG, Basel (Schweiz)

Catalysis and Zeolites. Herausgege-ben von Jens Weitkamp und LotharPuppe. Springer-Verlag, Heidelberg1999. XVIII � 565 S., geb. 348.00DM.ÐISBN 3-540-63650-1

Das vorliegende Buch vermittelt sehrprägnant und leicht verständlich dasGrundwissen über Zeolithe und ihreauûerordentlichen katalytischen Eigen-schaften. Neben den Zeolithen, auf de-ren Synthese, Modifizierung und Cha-rakterisierung umfassend eingegangenwird, werden auch Molekularsiebe vomALPO-, SAPO-, GAPO- und MEAPO-

Typ behandelt. Die Anwendungen die-ser Materialien in katalytischen Prozes-sen in der Ölraffination, der Petroche-mie und der chemischen Synthese sindein weiteres Schwerpunktthema.

Das Buch ist sowohl für Einsteiger indas Gebiet der Zeolithkatalysatoren alsauch für Industriechemiker und Univer-sitätsprofessoren sehr nützlich, da nichtnur die Grundlagen für das katalytischeVerhalten der Zeolithe sehr gut erläutertwerden, sondern auch die industriellenProzesse vorgestellt werden, in denenZeolithe als Katalysatoren verwendetwerden bzw. werden können.

Diejenigen, die sich für die Synthesevon Zeolithen näher interessieren, fin-den im ersten Kapitel eine gute Ab-handlung über die Theorie der Keim-bildung und Kristallisation. Leider fehlteine tiefer gehende Diskussion über diefrühen Stadien der Keimbildung und dieexperimentellen Techniken für derenUntersuchung. Ebenfalls vermisse icheine Beschreibung der Bedeutung unddes Designs der organischen ¹structuredirecting agentsª (SDAs). Diese Lückemag darauf zurückzuführen sein, dass indiesem Kapitel die Literatur der Jahrenach 1991 kaum berücksichtigt wordenist, in denen die neuen SDAs für dieSynthese von SSZ- und CIT-Zeolithenbeschrieben wurden. Das zweite Kapitelinformiert über Zeolithe und Moleku-larsiebe auf Phosphatbasis, allerdingswird hier meines Erachtens zu wenigauf die katalytischen Aktivitäten dieserSubstanzen eingegangen, zumal sie inden folgenden Kapiteln kaum Beach-tung finden. Im ausgezeichneten drittenKapitel werden dem Leser die vorteil-haften Eigenschaften von modifiziertenZeolithen sehr anschaulich aufgezeigt.Die Literaturverweise sind zwar sehrzahlreich, beziehen sich aber gröûten-teils auf Arbeiten aus den Jahren vor1993. Auch das vierte Kapitel ist sehrlesenswert und vermittelt dem Lesernützliches Wissen über die Techniken,die zur Charakterisierung von Zeolithenangewandt werden. Die Vorteile undGrenzen dieser Verfahren werden aus-führlich erörtert.

In dem Teil des Buchs, der der Kata-lyse gewidmet ist, werden die Anwen-dungen von Zeolithen in organischenSynthesen, bei der Erdölraffination undin petrochemischen Verfahren behan-delt. Einen Schwerpunkt bildet ein aus-

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Angew. Chem. 2001, 113, Nr. 7 � WILEY-VCH Verlag GmbH, D-69451 Weinheim, 2001 0044-8249/01/11307-1355 $ 17.50+.50/0 1355

gezeichneter Bericht über die auf dieZeolithstruktur zurückgehende ¹Form-selektivitätª mit aktuellen Literaturver-weisen. Die beiden Kapitel zur Zeolith-katalyse in organischen Synthesen undzu Zeolithen in industriellen Prozessengeben einen umfassenden Überblicküber diese Themen, besonders wennman die vielen Literaturzitate nutzt.

Das Buch ist sehr gut redigiert (nurzwei Zitierfehler im Kapitel 1 und 6 sindmir aufgefallen) und leicht zu lesen. DieDruckqualität ist hoch. Es macht Spaû indiesem Buch zu lesen, und ich kann esStudierenden, Postdoktoranden, Profes-soren und jedem Wissenschaftler emp-fehlen, der sich für das Gebiet derzeolithischen Katalysatoren interessiert.

Avelino CormaDepartment of Technical Chemistry

University Valencia (Spanien)

Modern Amination Methods. Her-ausgegeben von Alfredo Ricci. WI-LEY-VCH, Weinheim 2000. 285 S.,geb. 228.00 DM (ca. 116 E). ÐISBN3-527-29976-9

Die Bedeutung von Aminen in derOrganischen Chemie, Pharmazie, Medi-zin und im Pflanzenschutz sowie alsgroûtechnische Zwischen- und Endpro-dukte ist überwältigend. Amine wurdenbis vor kurzem häufig nach Verfahrenhergestellt, die in der Frühzeit der orga-nischen Synthese, d. h. im neunzehntenJahrhundert, entwickelt wurden. Dieherausragende Rolle, die der organi-schen Synthese in den letzten 25 Jahrenzukam, führte zur Entwicklung neuer,oft stereoselektiver Aminierungen bzw.Methoden zur Knüpfung von C-N-Bin-dungen. Das vorliegende Buch will da-rüber zusammenfassend berichten. Eini-ge bislang erschienene Übersichtsartikelzu Teilgebieten dieser Thematik werdenin der Einleitung zitiert.

Das erste Kapitel wurde von Karl An-ker Jùrgensen verfasst und trägt denTitel ¹Modern Allylic Amination Meth-odsª (S. 1 ± 36). Dabei geht es zunächstum nucleophile Aminierungen funktio-nalisierter Alkene wie Allylalkoholeoder Allylhalogenide. Eine zentrale Rol-le spielt die Pd0-katalysierte Aminierungvon Allylhalogeniden. Auch enantiose-

lektive Varianten und die Katalyse mitanderen Übergangsmetallen werden an-geführt. Ein interessantes und viel ver-sprechendes Verfahren zur Synthese vonAllylaminen ist die Reaktion von Ole-finen mit Nitrenkomplexen, die ausPhI�NTs und Übergangsmetallkatalysa-toren zugänglich sind. En-artige Ami-nierungen von Olefinen sind mit Ver-bindungen wie TsN�S�NTs bzw.mit Azoverbindungen möglich. AusPhNHOH und Olefinen lassen sich Al-lylamine ebenfalls übergangsmetallkata-lysiert herstellen. Wenn auch noch nichtalle Verfahren optimale Ergebnisse lie-fern, gibt das Kapitel dem Leser den-noch einen guten Überblick über dasintensiv bearbeitete Gebiet.

Im zweiten Kapitel berichten ElenaFernandez und John M. Brown über¹Electrophilic Amination Routes fromAlkenesª (S. 37 ± 63). Hier wird zunächstdie Aminierung von aus Olefinen her-gestellten Borverbindungen mit elektro-philen Aminierungsreagentien (z. B.H2N-X, X�Austrittsgruppe) vorge-stellt, die mit hohen Ausbeuten zuprimären Aminen führt. Die enantiose-lektive Hydroborierung mit entspre-chenden Borverbindungen gestattetauch den Zugang zu enantiomerenrei-nen Aminen. Das Schema 13 auf Sei-te 44 ist in diesem Zusammenhang etwasirreführend, da nicht klar ist, ob vonDiastereoselektivität oder auch Enan-tioselektivität die Rede ist: WelchesHydroborierungsreagens wurde einge-setzt? Welcher de- bzw. ee-Wert liegtvor? Sekundäre und tertiäre Aminelassen sich entsprechend den primärenAminen synthetisieren. Die direkteAminierung von Alkenen mit Aminen,d.h. die Addition der NÿH-Bindung andie C�C-Bindung, wurde erst vor dreiJahren entdeckt. Sie wird mit Hilfe vonSm-Katalysatoren durchgeführt undfunktioniert sowohl intra- als auch inter-molekular. Über eine enantioselektiveVariante wurde bereits berichtet.

Das Thema des von Jean-Pierre Ge-net, Christine Greck und DamienLavergne verfassten, dritten Kapitels istdie ¹Stereoselective Electrophilic Amina-tion with Sulfonyloxycarbamates andAzodicarboxylatesª (S. 65 ± 102). Nachder Herstellung der Reagentien werdendie steoreoselektive Synthese von a-Aminocarbonsäuren und ±phosphon-säuren sowie Umsetzungen von Sulfo-

nyloxycarbonaten mit chiralen Enami-nen und Enolethern behandelt. An-schlieûend werden Azodicarboxylateals effiziente Synthone für elektrophileStickstoffatome vorgestellt. Mit ihnenlassen sich Silylketenacetale, Keton-enolate, P-stabilisierte ¹Anionenª undandere Nucleophile mitunter enantiose-lektiv in Amine umwandeln. Genet et al.liefern eine ausgezeichnete Übersichtüber dieses synthetisch wichtige Gebiet.

Im vierten Kapitel berichten HeikoTietgen, Martin Schultz-Kukula undHorst Kunz über ¹Glycosylamines asAuxiliaries in Stereoselective Synthesesof Chiral Amino Compoundsª (S. 103 ±128). Hier wird gezeigt, dass sich vonKohlehydraten abgeleitete Amine zurstereoselektiven Synthese von Amineneignen, eine Entwicklung, an der einerder Autoren, H. Kunz, maûgeblich be-teiligt ist. So führt die Umsetzung einesGlycosylamins mit Aldehyden zu enan-tiomerenreinen a-Aminosäuren, die Re-aktion mit Silylketenen ergibt a-Amino-säuren, stereoselektive Multikomponen-tenreaktionen (Passerini, Ugi) liefernstereoselektiv Amide von a-Aminosäu-ren, und mit Glycosyliminen lassen sichin einer Diels-Alder-Reaktion stereose-lektiv cyclische Amine synthetisieren.Die Übersicht zeigt, dass Glycosylami-nen eine groûe Bedeutung bei der ste-reoselektiven Synthese von Aminen zu-kommt.

Im fünften Kapitel befassen sichCraig S. Tomooka, Hitoshi Iikura undErick M. Carreira mit ¹Syntheses ofTransition Metal Nitride Complexesª(S. 129 ± 168). In diesem Kapitel geht esim Wesentlichen um die Herstellung vonMetallnitridokomplexen, d.h. um Ver-bindungen, in denen ein Stickstoffatoman ein Übergangsmetallatom im Ver-hältnis 1:1 gebunden ist. Zunächst wer-den die Stickstoffquellen aufgezählt, eheim Detail über die Aminierung desMetalls zu V-, Ta-, Cr-, Mo-, W-, Mn-,Te-, Re-, Ru- und Os-Nitriden berichtetwird. Da solche Verbindungen bei derN2-Fixierung, der Übertragung vonN-Atomen auf die verschiedensten Ac-ceptoren und als neue Materialien einebedeutsame Rolle spielen, ist die Über-sicht nicht nur für den in der organischenSynthese tätigen Chemiker von Inter-esse.

Im sechsten Kapitel beschreiben Sa-toshi Minakata und Mitsuo Komatsu

Page 6: Buchbesprechung: Chemical Topology. Applications and Techniques. Mathematical Chemistry Series, Vol. 6. Herausgegeben von Daniel Bonchev und Dennis H. Rouvray

BÜCHER

1356 � WILEY-VCH Verlag GmbH, D-69451 Weinheim, 2001 0044-8249/01/11307-1356 $ 17.50+.50/0 Angew. Chem. 2001, 113, Nr. 7

den ¹Asymmetric Nitrogen Transferwith Nitridomanganese Complexesª(S. 169 ± 194). Einer Einleitung, in derdie Übertragung von R-N-Gruppen aufOlefine kurz erläutert wird, folgt einedetaillierte Abhandlung über chiraleNitrido-Mn-Verbindungen und ihre Ver-wendung in der enantioselektiven Syn-these von hauptsächlich Aziridinen, aberauch von Aminoketonen. Die besondereBedeutung dieser Aminierungsreaktionliegt ohne Zweifel in der Umsetzung vonStyrol bzw. -derivaten zu Aziridinen; sieist also zumindest derzeit begrenzt.

Einen Glanzpunkt stellt das Kapitel 7dar, in dem John F. Hartwig die ¹Palla-dium-Catalyzed Amination of Aryl Ha-lides and Sulfonatesª zusammenfasst(S. 195 ± 262). Der Autor und S. L. Buch-wald haben diese Reaktion in den 90erJahren zu einem völlig neuen Verfahrenzur Herstellung (hetero)aromatischerAmine ausgebaut, dessen Wichtigkeitnicht hoch genug eingeschätzt werdenkann. Obwohl schon einige Übersichts-artikel zu dieser Thematik verfasst wor-den sind, macht die rasche ¹Produktionªneuer Ergebnisse eine aktuelle Zusam-menfassung notwendig, und es ist einGenuss, sie von J. F. Hartwig verfasst zulesen. In jeder Hinsicht ein Glanzpunktvon Modern Amination Methods.

Vielleicht hätte man in einem derArtikel erwähnen können, dass die Ami-nierung der DNA der Grund für dieMutagenität und Cancerogenität aroma-tischer Amine und Nitroverbindungenist. Verantwortlich dafür sind interme-diär gebildete elektrophile Aminie-rungsreagentien wie die entsprechendenN-Acetoxyverbindungen. Dies belegteinmal mehr, dass es in vivo schon langeReagentien und Reaktionen gibt, dienun z. B. unter der Überschrift ¹ModernAmination Methodsª aktuell sind.

Fazit: Das Buch von A. Ricci ist allenzu empfehlen, die an der (enantioselek-

tiven) Synthese von Aminen mit Hilfemoderner Verfahren (die dies erst mög-lich machen) interessiert sind. Ich binsicher, dass dieses Werk auf den Schreib-tischen all derer landen wird, die sich mitdem Gebiet befassen. Für jede chemi-sche Bibliothek ist das Buch ein Muss!

Gernot BocheFachbereich Chemie

der Universität Marburg

Chemical Topology. Applicationsand Techniques. MathematicalChemistry Series, Vol. 6. Herausge-geben von Daniel Bonchev undDennis H. Rouvray. Gordon andBreach Science Publishers, Amster-dam 2000. 350 S., geb. 125.00 $.ÐISBN 90-5699-540-6

Chemiker beschäftigen sich normaler-weise mit abstrakter neuer Mathematik,im Extremfall sogar mit jeder Art vonMathematik nur ungern. Die Theorienüber Knoten, Kettenglieder und nicht-euklidische Geometrie, die in ChemicalTopology behandelt werden, scheinenvon den Realitäten im Labor weit ent-fernt zu sein. Trotzdem kann die Ver-trautheit mit der Lewis-Carroll-Welt der¹flypesª, ¹writhesª, ¹tanglesª und ¹reti-culationsª schon bald für einen Forscherauf dem Gebiet der SupramolekularenChemie, der Bio- und Festkörperchemiedie Voraussetzung für ein erfolgreichesArbeiten sein. Denn in der vorliegendenZusammenstellung von Übersichtsarti-keln wird behauptet, dass die mathema-tischen Objekte der Topologie groûe¾hnlichkeit haben mit Molekülen undMaterialien wie Catenanen, künstlicherund natürlicher DNA, Zeolithen, Flüs-sigkristallen und den neuen Modifika-tionen des Kohlenstoffs.

Als letzter Band einer Serie, die dermathematischen Chemie gewidmet ist,und als zweiter Band zur chemischenTopologie umfasst diese Ausgabe einenüchterne Diskussion über topologischeChiralität (Cerf), einen wunderbar be-bilderten 150-seitigen Überblick überhyperbolische Kristallographie (Hydeund Ramsden), eine Abhandlung überdie Zusammenhänge zwischen Symme-triegruppen, Knoten und DNA-Topolo-gien (Qiu), einen Beitrag mit topologi-schen und physikalischen Aspekten derProteinfaltung (Bohr und Bohr) sowieeine Modellstudie über topologischeKodierung einer Polymer- und Protein-struktur (Karasev et al.). Themenüber-schneidungen kommen zwar vor, sindaber meistens für ein besseres Verständ-nis recht nützlich. Die Beiträge stellenunterschiedliche Anforderungen an diemathematischen Kenntnisse der Leser,aber im Allgemeinen behandeln dieAutoren auch die Grundlagen und ver-anschaulichen kompliziertere Sachver-halte sehr treffend mit Hilfe von Abbil-dungen.

Obwohl dieser Band eine gewaltigeFülle von speziellen Informationen ent-hält, liegt seine Stärke wahrscheinlichletztlich doch in der überzeugendenHerausstellung der Wichtigkeit der To-pologie für die Struktur und Dynamik inder Chemie und der Biologie. Dies dientsowohl der Topologie als auch der Che-mie. Aufgrund des Reizes der Anwend-barkeit können Chemiker und Biologenbald einen derart wichtigen Beitrag zudiesem Gebiet der Mathematik leisten,wie ihn Chemiker und Physiker imletzten Jahrhundert beispielsweise zurGruppentheorie geleistet haben. Topo-logie-Spezialisten, aufgepasst!

Patrick FowlerDepartment of Chemistry

University of Exeter (Groûbritannien)