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Bürgerliches Recht IIProf. Dr. Burkhard Boemke
Vorlesung BGB II - Übungsteil
Übung im Bürgerlichen Recht für Anfänger
Sommersemester 2012
3. Besprechungsfall
„Moderne Kommunikation“
Bürgerliches Recht IIProf. Dr. Burkhard Boemke
01.03., 22.00 Uhr: telefonische Bestellung M für S bei T auf AB
09.03., 15.00 Uhr: Eingang Lieferungsbestätigung T ggü. M
10.03., 09.00 Uhr: Abrufbarkeit (technische Probleme)
12.03., Kenntnisnahme durch M
15.03.: Kenntnis seitens S von Eigenbestellungen M
29.03.: Fax an M – außerordentliche Kündigung
– Kein Ausdruck mangels Papiers
05.04.: Übergabe Kündigungsschreiben an M
Bürgerliches Recht IIProf. Dr. Burkhard Boemke
Frage 1:
Anspruch von T gegen S auf Abnahme und Bezahlung aller von M
bestellten Waren aus § 433 Abs. 2 BGB
Voraussetzung: Wirksamer Kaufvertrag zwischen T und S über sämtliche Waren
Bürgerliches Recht IIProf. Dr. Burkhard Boemke
I. Wirksames Angebot
1. Angebot von T durch Überlassung des Katalogs an M?
(-), bloße „invitatio ad offerendum”
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2. Wirksames Angebot von S durch die Nachricht seitens M auf dem
Anrufbeantworter von T?
S als juristische Person handelt gemäß § 35 Abs. 1 GmbHG durch ihren
Geschäftsführer G, hier (-)
Bestellung von M bei T mit Wirkung für und gegen S gemäß § 164 I BGB?
Voraus.: - eigene Willenserklärung von M
- im Namen von S
- innerhalb zustehender Vertretungsmacht
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a) Eigene Willenserklärung (+)
Bestellung auf Grund des Katalogs macht deutlich, dass die Katalogpreise
zugrunde gelegt werden
Bürgerliches Recht IIProf. Dr. Burkhard Boemke
b) Im Namen von S (+)
Laut Sachverhalt erfolgte die Bestellung “für S”
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c) Innerhalb zustehender Vertretungsmacht
Rechtsgeschäftlich erteilte Vertretungsmacht (Vollmacht, § 166 Abs. 2 S. 1 BGB).
aa) (Schlüssige) Vollmachtserteilung
ausdrückliche Erteilung einer Innen- oder Außenvollmacht nicht dem Sachverhalt
zu entnehmen
Aber Aufgabe, DV-Anlage zu betreuen und auszubauen
Dies erfordert: Beschaffung der hierfür erforderlichen Ersatzteile, des nötigen
Zubehörs sowie im Bedarfsfall auch ggf. neuer Anlagen
schlüssige Erteilung einer (Innen-)Vollmacht für solche Geschäfte, die zur
Erfüllung der übertragenen Aufgaben erforderlich sind
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bb) Reichweite der Vollmacht
Bestellungen für private Nutzung werden nicht erfasst
=> Bestellung nicht auf Grund erteilter Vollmacht S zuzurechnen, soweit es sich
um Privatbestellungen handelt
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cc) Duldungsvollmacht
Duldungsvollmacht =
a) Vertretene zwar hat keine oder keine wirksame Vollmacht erteilt,
b) er weiß und duldet aber, dass ein anderer als Vertreter für ihn handelt,
c) und Geschäftspartner darf Dulden nach Treu und Glauben dahin verstehen,
dass der als Vertreter Handelnde bevollmächtigt ist.
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Hier: keine Kenntnis des Geschäftsführers (§ 166 I BGB)
Keine Duldungsvollmacht
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dd) Anscheinsvollmacht
(1) Voraussetzungen und Rechtsfolge
Anscheinsvollmacht
a) der Vertretene kennt das Handeln des Scheinvertreters nicht
b) er hätte es aber bei pflichtgemäßer Sorgfalt erkennen und verhindern können
c) der andere Teil durfte annehmen, der Vertretene dulde und billige das Handeln
des Vertreters
Bürgerliches Recht IIProf. Dr. Burkhard Boemke
Rechtsfolge: echte Vollmacht
oder bloße Haftung nach Rechtsscheinsgrundsätzen?
Aber: im Bereich des kaufmännischen Rechtsverkehrs wird wegen des im
Handelsrecht geltenden erhöhten Verkehrsschutzes eine echte
Vollmachtswirkung zuerkannt
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(2) Subsumtion
Regelmäßige Bestellungen von M bei T, auch für ausschließlich private Zwecke
S (bzw. deren Organ/Vertreter) hätte dies bei pflichtgemäßer Sorgfalt auch
erkennen und unterbinden können: siehe Innenrevision
Bestellungen erfolgten für S, und Lieferungen wurden von dieser auch in vollem
Umfang bezahlt
Vertrauensschutz von T
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3. Zwischenergebnis
M hat mit Wirkung für und gegen S ggü. T ein Kaufvertragsangebot abgegeben.
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II. Wirksame Annahme
T hat das Angebot angenommen
Fristgerecht? Verspätete Annahme = neues Angebot (§ 150 I BGB)
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1. Annahmefrist (§ 148 BGB)
1 Woche
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2. Fristbeginn (§ 187 I BGB)
a) Ereignisfrist
Angebot von M mit Annahmefrist
Ereignisfrist
§ 187 I BGB: Tag, an dem Ereignis eingetreten ist, wird nicht mitgerechnet
Ereignis = Zugang der Erklärung
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b) Zugang unter Anwesenden?
Abend des 01.03., wenn Erklärung am Telefon eine unter Anwesenden handelt
Arg.: § 147 Abs. 1 S. 2 BGB
Aber: Hier kein unmittelbarer Übermittlungskontakt
Erklärung unter Abwesenden
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c) Zugang unter Abwesenden gemäß § 130 I 1 BGB
Willenserklärung so in den Machtbereich des Empfängers gelangt,
dass dieser unter normalen Verhältnissen Kenntnis
nehmen kann
Subsumtion Aufnahme der Nachricht auf dem Anrufbeantworter
= Machtbereich von T
Kenntnisnahme unter gewöhnlichen Verhältnissen
= am Folgetag (nicht abends nach 22.00 Uhr)
Zugang am Morgen des 02.03.2010
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3. Fristende (§ 188 II Alt. 1 BGB)
a) Fristbestimmung
§ 188 II Alt. 1 (Woche) BGB
Mit Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche,
welcher durch seine Benennung dem Tag entspricht,
in den das Ereignis fiel
Ereignis Freitag = 02.03.2010
Fristablauf Freitag = 09.03.2010
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b) Zugang der Annahmeerklärung
aa) Annahmeerklärung
ggü. T als Empfangsvertreter (§ 164 III BGB)
E-Mail an T
Eingang auf dem Zentralrechner von S und Weiterleitung auf die für M
eingerichtete Mailbox am 09.03.2010 um 15.00 Uhr
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bb) Zugangszeitpunkt
(1) § 130 I 1 BGB
verkörperte Willenserklärung unter Abwesenden geht dann zu, wenn sie so in
den Machtbereich des Empfängers gelangt, dass dieser unter gewöhnlichen
Umständen von ihr Kenntnis nehmen kann
Bürgerliches Recht IIProf. Dr. Burkhard Boemke
(2) Verkörperte Willenserklärung
E-Mail als elektronisch übermittelte Willenserklärungen wird regelmäßig
beim Empfänger durch Speicherung perpetuiert
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(3) Erklärung unter Abwesenden
keine Möglichkeit unmittelbarer Verhandlungen (+)
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cc) Zugang einer E-Mail(1) GrundsatzMachtbereich = abrufbereit in der Mailbox des Empfängers Kenntnisnahmemöglichkeit unter gewöhnlichen Umständen E-Mail am 09.03.2010 um 15:00 Uhr in die Mailbox von M auf dem Zentralrechner von Sfür geschäftliche elektronische Nachrichten ist wie bei geschäftlichen Brief- und Telefaxsendungen davon auszugehen, dass sie noch am Tage des Eingangs zugehen, sofern dieser während der üblichen Geschäftszeiten erfolgt
Wäre E-Mail störungsfrei am 09.03. um 15:00 Uhr abrufbereit in die Mailbox von M gelangt, wäre nach allgemeiner Auffassung Zugang zur gleichen Zeit und somit noch innerhalb der Annahmefrist zu bejahen
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(2) Zugangshindernisse
Problem: E-Mail zwar korrekt in der Mailbox gespeichert,
aber auf Grund interner Störungen bei S für M nicht
erkennbar
Nachricht für M erst am 10.03. = nach Ablauf der
Annahmefrist abrufbar
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Lösungsmöglichkeiten:
(1) Zugang erst zum Zeitpunkt der Kenntnisnahmemöglichkeit
Zugang am 10.03.2010
Ausnahme: Empfänger ist nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) verwehrt, sich
auf den Nichtzugang einer Willenserklärung zu berufen, für den er selbst durch
sein Verhalten die alleinige Ursache gesetzt hat. Verschulden ist nicht
erforderlich. Nichtzugang ist auf Umstände zurückzuführen, die zum alleinigen
Einflussbereich des Empfängers gehören
Zugang am 09.03.2010
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(2) Empfänger wird nach dem Eintritt der Erklärung in dessen Machtbereich
das Verlust- und Verzögerungsrisiko auferlegt
Zugang am 09.03.2010
(3) Zugang, wenn die Erklärung derart in den Machtbereich des Empfängers
gelangt ist, dass dieser die Möglichkeit hat, sie zu speichern
Zugang am 09.03.2010
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c) Zwischenergebnis
Allen Auffassungen zufolge wurde die Erklärung der T noch am 09.03. wirksam.
Eine Streitentscheidung ist daher nicht erforderlich.
Das Angebot der S, vertreten durch M, ist nicht gem. § 146 Alt. 1 BGB erloschen,
sondern fristgerecht angenommen worden.
Bürgerliches Recht IIProf. Dr. Burkhard Boemke
III. Ergebnis
Demnach ist ein Kaufvertrag über sämtliche von M für S bestellten Waren
wirksam geschlossen worden. T kann von S Abnahme und Zahlung der
gesamten Lieferung gem. § 433 Abs. 2 BGB verlangen.
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Frage 2:
Erfolgte die Kündigung des Dienstverhältnisses zwischen S und M durch
Gurke (G) rechtzeitig?
I. Kündigungserklärungsfrist (§ 626 II 1 BGB)
§ 626 Abs. 2 S. 1, 2 BGB: Ausschlussfrist von zwei Wochen ab Kenntnis von den
für die Kündigung maßgeblichen Gründen
Bürgerliches Recht IIProf. Dr. Burkhard Boemke
II. Fristbeginn
Fristbeginn: Donnerstag, der 15.03.2010 (Innenrevision)
Ereignisfrist
§ 187 Abs. 1 BGB: Fristbeginn Freitag, 16.03.2010, 00.00 Uhr
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III. Fristende
§ 188 Abs. 2 Alt. 1 (Woche) BGB
Ereignis: Donnerstag, 15.03.2010
Fristende: Donnerstag, 29.03.2010
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IV. Wahrung der Kündigungserklärungsfrist
Kündigungserklärung per Fax
§ 130 Abs. 1 BGB
Zugang bei M
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1. Zugang eines Fax
“Normalfall”:
Machtbereich des Empfängers = Ausdruck des Faxes
Kenntnisnahme unter gewöhnlichen Umständen
Übermittlung am Vormittag = Zugang am gleichen Tag
Zugang am 29.03.2010
fristgerecht
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2. Zugangshindernisse
- Papiermangel
- Erholungsurlaub
Bürgerliches Recht IIProf. Dr. Burkhard Boemke
a) Papiermangel
Auffassungen wie oben,
damit Zugang am 29.03.2010
Bürgerliches Recht IIProf. Dr. Burkhard Boemke
b) Urlaubsabwesenheit
BAG alt + Mindermeinung: Zugang erst, wenn der Dienstverpflichtete aus
Urlaub zurückkehrt
Urlaubsabwesenheit = Zugangssperre wegen
Erholungszweck des Urlaubs
=> Zugang am 03.04.2010
BAG neu + H. M. Zugang einer Kündigung trotz urlaubsbedingter
Abwesenheit des Erklärungsempfängers
Arg.: Allgemeine Grundsätze
=> Kündigung am 29.03.2010 fristgerecht zugegangen und wirksam geworden.
Bürgerliches Recht IIProf. Dr. Burkhard Boemke
V. Ergebnis
Die Kündigung ist noch innerhalb der Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB
wirksam geworden und somit rechtzeitig erfolgt.