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Navigationsgeräte sind ein probates Mittel, um si- cher zum Ziel zu kommen. Das gilt auch für die Im- plantologie. Mit der geführten Insertion von Im- plantaten können umfangreiche Implantatrestau- rationen präzise und sicher realisiert werden. Eine durchdachte Implantatplanung ist eine Vorausset- zung, doch auf dem Weg zum Erfolg nur die halbe Strecke. Entscheidend ist die exakte Umsetzung. Das Autorenteam beschreibt in diesem Beitrag ihr Konzept von der Planung, über die schablonenge- führte Implantologie bis hin zur Eingliederung des definitiven Zahnersatzes. Es wird gezeigt, dass Im- plantologie heute mehr denn je Teamarbeit ist. Eine funktionell und ästhetisch gute Versorgung gelingt nur in enger Zusammenarbeit zwischen Zahnarzt, Chirurg und Zahntechniker. Indizes: Bohrschablone, CAD/CAM, DVT, Implanto- logie, individuelle Abutments, navigierte Implanto- logie, Implantatplanung, Sofortversorgung Einleitung Die schablonengeführte Implantologie hat sich in den letzten Jahren rasant weiterentwickelt [1]. Weltweit gibt es inzwischen mehr als zwanzig Softwaresysteme, mit denen virtuelle Implantatpositionen definiert werden können [2]. Wurden noch vor einiger Zeit le- diglich Pilot- und vereinzelt Erweiterungsbohrungen angeboten, so erhalten wir heute für die gängigen Im- plantatsysteme bereits OP-Sets, die es erlauben alle Bohrgeometrien des jeweiligen Implantatsystems ge- führt zu inserieren [3]. Aufgrund dieser Technologie können neue Optionen in den Behandlungsablauf in- tegriert werden. Anhand eines Patientenfalls wird nachfolgend die systematische Vorgehensweise bei einer umfangreichen implantologischen und protheti- schen Sanierung aufgezeigt. Die verwendete Pla- nungs- und Schablonentechnik erlaubte eine rationelle Computerbasiert geplant und navi- giert realisiert Eine Implantatbehandlung im zahnlosen Kiefer Sofortversorgung und Sofortbelastung mit einem im- plantatgetragenem Langzeitprovisorium. Patientenstatus Der ängstliche 58-jährige Patient kam mit klaren Vor- stellungen in unsere Implantatsprechstunde: „Meine Zähne halten im Moment noch, aber werden in abseh- barer Zeit Probleme machen.“ Der Patient bestand da- rauf, keinen Tag ohne Zähne zu sein und zu keinem Zeitpunkt eine herausnehmbare Prothese zutragen (Abb. 1). Die Zahl der chirurgischen Eingriffe sollte so gering wie möglich sein. Er betonte außerdem, chirur- gisch nur unter Narkose behandelt werden zu wollen. Diese klar formulierten Aussagen ließen erahnen, dass der Fall einen hohen Anspruch an das ganze Behand- lungsteam stellt. Der parodontale Befund bestätigte die Vorahnung – es wurden Taschentiefen von durch- schnittlich 7 mm diagnostiziert. Die zu erwartende Lo- ckerung der Zähne relativierte sich durch umfang- reiche, verblockte Kronen- und Brückenversorgungen im Ober- sowie Unterkiefer. Röntgenologisch zeigte sich ein umfangreicher Attachmentverlust der Pfeiler- zähne (Abb. 2). In Absprache mit dem Patienten wurden eine Totalsanierung mit Entfernung aller Zähne und eine festsitzende Versorgung auf Implan- taten als sinnvoll und mittelfristig notwendig erachtet. Ablaufprotokoll Bei einer gemeinsamen Teambesprechung mit allen kli- nischen und persönlich relevanten Vorgaben der Pa- tientin legten wir den Behandlungsablauf fest. 1. Dreidimensionale Analyse (3D-Diagnostik) 2. Vorbereiten der Implantatschablonen 3. Vorbereiten der provisorischen Sofortversorgung 4. Chirurgischer Eingriff: Extraktion, Implantation und gleichzeitige Versorgung mit festsitzenden, provisorischen Brücken 1 | teamwork J CONT DENT EDUC 3/2011 IM FOKUS Interaktive Lerneinheit mit zwei Fortbildungs- punkten nach den Richtlinien der BZÄK- DGZMK unter www.dental-online- community.de Ein Beitrag von Ztm. Gerhard Stachulla, Mühlhausen, Dr. Renate Müller-Herzog, Nürnberg, Prof. Dr. Dr. Dr. Helmut H. Lindorf, Nürnberg

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Navigationsgeräte sind ein probates Mittel, um si-cher zum Ziel zu kommen. Das gilt auch für die Im-plantologie. Mit der geführten Insertion von Im-plantaten können umfangreiche Implantatrestau-rationen präzise und sicher realisiert werden. Einedurchdachte Implantatplanung ist eine Vorausset-zung, doch auf dem Weg zum Erfolg nur die halbeStrecke. Entscheidend ist die exakte Umsetzung.Das Autorenteam beschreibt in diesem Beitrag ihrKonzept von der Planung, über die schablonenge-führte Implantologie bis hin zur Eingliederung desdefinitiven Zahnersatzes. Es wird gezeigt, dass Im-plantologie heute mehr denn je Teamarbeit ist.Eine funktionell und ästhetisch gute Versorgunggelingt nur in enger Zusammenarbeit zwischenZahnarzt, Chirurg und Zahntechniker.

Indizes: Bohrschablone, CAD/CAM, DVT, Implanto-logie, individuelle Abutments, navigierte Implanto-logie, Implantatplanung, Sofortversorgung

EinleitungDie schablonengeführte Implantologie hat sich in denletzten Jahren rasant weiterentwickelt [1]. Weltweitgibt es inzwischen mehr als zwanzig Softwaresysteme,mit denen virtuelle Implantatpositionen definiertwerden können [2]. Wurden noch vor einiger Zeit le-diglich Pilot- und vereinzelt Erweiterungsbohrungenangeboten, so erhalten wir heute für die gängigen Im-plantatsysteme bereits OP-Sets, die es erlauben alleBohrgeometrien des jeweiligen Implantatsystems ge-führt zu inserieren [3]. Aufgrund dieser Technologiekönnen neue Optionen in den Behandlungsablauf in-tegriert werden. Anhand eines Patientenfalls wirdnachfolgend die systematische Vorgehensweise beieiner umfangreichen implantologischen und protheti-schen Sanierung aufgezeigt. Die verwendete Pla-nungs- und Schablonentechnik erlaubte eine rationelle

Computerbasiertgeplant und navi-giert realisiert

Eine Implantatbehandlung

im zahnlosen Kiefer

Sofortversorgung und Sofortbelastung mit einem im-plantatgetragenem Langzeitprovisorium.

PatientenstatusDer ängstliche 58-jährige Patient kam mit klaren Vor-stellungen in unsere Implantatsprechstunde: „MeineZähne halten im Moment noch, aber werden in abseh-barer Zeit Probleme machen.“ Der Patient bestand da-rauf, keinen Tag ohne Zähne zu sein und zu keinemZeitpunkt eine herausnehmbare Prothese zutragen(Abb. 1). Die Zahl der chirurgischen Eingriffe sollte sogering wie möglich sein. Er betonte außerdem, chirur-gisch nur unter Narkose behandelt werden zu wollen.Diese klar formulierten Aussagen ließen erahnen, dassder Fall einen hohen Anspruch an das ganze Behand-lungsteam stellt. Der parodontale Befund bestätigtedie Vorahnung – es wurden Taschentiefen von durch-schnittlich 7 mm diagnostiziert. Die zu erwartende Lo-ckerung der Zähne relativierte sich durch umfang-reiche, verblockte Kronen- und Brückenversorgungenim Ober- sowie Unterkiefer. Röntgenologisch zeigtesich ein umfangreicher Attachmentverlust der Pfeiler-zähne (Abb. 2). In Absprache mit dem Patientenwurden eine Totalsanierung mit Entfernung allerZähne und eine festsitzende Versorgung auf Implan-taten als sinnvoll und mittelfristig notwendig erachtet.

AblaufprotokollBei einer gemeinsamen Teambesprechung mit allen kli-nischen und persönlich relevanten Vorgaben der Pa-tientin legten wir den Behandlungsablauf fest.

1. Dreidimensionale Analyse (3D-Diagnostik)2. Vorbereiten der Implantatschablonen3. Vorbereiten der provisorischen Sofortversorgung4. Chirurgischer Eingriff: Extraktion, Implantation

und gleichzeitige Versorgung mit festsitzenden,provisorischen Brücken

1 | teamwork J CONT DENT EDUC 3/2011

IM FOKUS

Interaktive Lerneinheit

mit zwei Fortbildungs-

punkten nach den

Richtlinien der BZÄK-

DGZMK unter

www.dental-online-

community.de

Ein Beitrag von Ztm. Gerhard Stachulla, Mühlhausen, Dr. Renate Müller-Herzog, Nürnberg, Prof. Dr. Dr. Dr. Helmut H. Lindorf, Nürnberg

5. Einheilungsphase: vier bis neun Monate(Integrationsprozess mit Ästhetikcheck)

6. Abformung für die definitive Versorgung7. Anfertigung der definitiven Restauration8. Eingliedern der definitiven Restauration9. Nachsorge

Vorbereitungen für die PlanungDie Position der Implantate richtet sich –insbesondere bei festsitzendem implantat-getragenen Zahnersatz – nach der Position der zu er-setzenden Zähne. Bei vollständigem oder teilweisemZahnverlust stellen wir auf dem Duplikat des Planungs-modells die Zähne auf und fertigen eine Schablone ausradioopakem Kunststoff. Mit Hilfe dieser wird die ge-plante Zahnposition im Computertomogramm (CT)oder in der Digitalen Volumentomografie (DVT) sicht -bar. Im beschriebenen Fall konnte auf die Radiologie-schablone verzichtet werden, da die relevanten Zähnenoch vorhanden waren und deren Position übertragenwerden sollte. Des Weiteren dient die Schablone alsTräger von Referenzmarken zur späteren Relationsbe-stimmung bei der Konvertierung der Daten. Wir habenuns auf die Software Simplant (Materialise) verlassen.Diese Software kommt ohne Referenzmarker aus. Wirkonnten somit auf eine Radiologieschablone verzich -ten. Jetzt ergab sich eine Schwierigkeit. Für die präziseDefinition der prothetischen Position der Implantatewaren die Radiologiedaten wertlos.

Das Gipssituationsmodell wurde gescannt und die ge-wonnenen STL-Daten im Planungsprogramm einge-lesen (Abb. 3). Das „optical-scan-modul“ der Softwarediente zur Vereinigung der Daten aus dem CT und desGipsmodells. Zunächst markierten wir den auszutau-schenden Bereich (Abb. 4) und löschen ihn anschlie-ßend (Abb. 5). Die Zahnreihe des Situationsmodells er-setzt die fehlenden Informationen aus dem CT (Abb.6) und ermöglicht so die zahnorientierte Ausrichtungder Implantate (Abb. 7).

Im Dentallabor wurden die Daten am PC in das Pla-nungsprogramm (ExpertEase) eingelesen und konver-

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IM FOKUS

Abb. 1 Ausgangssituation: Bereits der erste klinische Blick ließ die parodon-talen Probleme erahnen

Abb. 2 Das Röntgenbild offenbarte den multiplen Attachmentverlust

Abb. 3 Der metallkeramischen Zahnersatz be-wirkte eine Streustrahlung und somit partielleUngenauigkeiten im Bereich der Zähne

Abb. 4 und 5 Markieren und Löschen der unscharfen Bildbereiche

Abb. 6 Die fehlenden Informationen wurden ausdem digitalisierten Situationsmodell gewonnenund eingepasst

Abb. 7 Jetzt konnte die Implantatposition zahn-bezogen geplant werden

Die bestehende metallkeramische Versorgung verur-sachte starke Streustrahlungen, was das Erkennen derZahnpositionen unmöglich machte. Wir lösten diesesProblem mit Hilfe eines Laborscanners

tiert. Das gewählte Programm basiert auf das seit 1992bestehenden Simplant. Die Planung wurde entspre-chend vorbereitet und anschließend via Team-Vieweronline mit dem Chirurgen, Prothetiker und Zahntech-niker besprochen sowie korrigiert.

Die dreidimensionale Planung Die starke Atrophie im oberen Seitenzahnbereich (s.Abb. 2) erforderte einen beidseitigen Sinuslift. Der Be-reich zwischen den Prämolaren bot genügend Kno-chen, um dem Wunsch des Patienten nach einer So-fortversorgung zu entsprechen. Wir planten im ante-rioren Bereich sechs Implantate und vier Implantate imposterioren Bereich. Diese vier Implantate sollten ge-deckt einheilen und wurden demzufolge nicht in dieSofortversorgung einbezogen (Abb. 8). Für den Unter-

kiefer hielten wir acht Implantate für angebracht,welche mit geteilten Brücken in kleinen Einheiten ver-sorgt werden sollten (Abb. 9). Außerdem strebten wiran, über die höhere Implantatzahl zusätzliche Sicher-heit und Stabilität zu erreichen. Wir entschieden unsfür ein Implantatsystem, welches bei dem vorhan-denen Knochenangebot die beste Primärstabilität ver-sprach (Xive, Dentsply Friadent). Bei der Analyse desKnochenangebotes mit Hilfe der DVT-Aufnahmenzeigte sich, dass unser Plan [4], nach der Extraktion derZähne eine Sofortimplantation mit Sofortversorgungvorzunehmen, für den anterioren Teil des Oberkieferssowie für den gesamten Unterkiefer gute Chancen aufErfolg hatte. Vorraussetzung für dieses Vorgehen wareine ausreichende Anzahl optimal dimensionierter undprimärstabiler Implantate.

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IM FOKUS

Abb. 13 Mit Hilfe des ExpertEase guide übertrugen wir die Im-plantatposition auf das Kunststoffmodell

Abb. 8 Die Planung im Oberkiefer Abb. 9 Die Planung im Unterkiefer

Abb. 10 und 11 Die Bohrschablonen für den Oberkiefer und den Unterkiefer

Abb. 12 Die stereolithographischen Modelle wurden einartiku-liert

Präoperative VorbereitungDie zwischen Zahnarzt, Chirurg und Zahntechniker ab-gestimmten Planungsdaten wurden auf elektroni-schem Wege an die Firma Materialise (Leuven/Belgien)geschickt. Anhand der Datensätze wurden im stereoli-thografischen Verfahren sowohl knochengelagerteBohrschablonen mit entsprechenden Führungshülsenals auch stereolithographische Knochenmodelle herge-stellt (Abb. 10 und 11). Mit Transferhilfen aus Silikonkonnten diese Modelle artikuliert und zur weiteren Her-stellung der prothetischen Versorgung eingesetztwerden (Abb. 10 bis 12). Via Bohrschablonen wurdenim Labor die virtuell geplante Implantatpositionen aufdas Modell transferiert und eine provisorische Brücken-versorgungen vorbereitet. Da die für eine Sofortversor-gung vorgesehenen Implantate aus anatomischenGründen nicht ausreichend achsenparallel für eine zir-kuläre Verblockung ausgerichtet werden konnten,wurden auf einigen Implantaten die Aufbauten mitKunststoff individualisiert. Wo es möglich war, solltendie mit den Implantaten standardmäßig mitgeliefertenEinbringhilfen (TempBase) für die provisorische Versor-gung verwendet werden. Diese Systemkomponente er-möglicht eine einfache provisorische Versorgung.

Als Klebeteil verwendeten wir im vorliegenden Fall andie Situation angepasste TempBase Caps und auf denindividualisierten Abutments ein Käppchen aus Tief-ziehfolie. Um die erforderliche Spielpassung zu errei-chen, wurden vor dem Aufstellen der Zähne die Klebe-teile abgedeckt. Alternativ kann das Provisoriumspäter an den entsprechenden Stellen ausgeschliffenwerden. Die Zähne wurden aufgestellt (Abb. 15) unddie Provisorien angefertigt (Abb. 16 und 17).

Der chirurgische EingriffDer Eingriff erfolgte ambulant in TIVA-Narkose (totalintravenous anesthesia). Neben einer antibiotischenAbdeckung (Amoxicillin/Clavulansäure und Metroni-

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IM FOKUS

Abb. 15 Die Zahnaufstellung für die ProvisorienAbb. 14 So genannte TempBase Caps stellten die abnehmbare,sichere Verbindung zwischen den Implantaten und der provisori-schen Versorgung her

Abb. 16 und 17 Die fertigen Provisorien sind noch nicht mit den TempBase Caps und Tiefziehkäppchen verbunden. Die Komponentenwurden erst nach der Insertion der Implantate intraoral verklebt (Passiv-Fit Technik)

b

16

17

Für die Sofortversorgung auf Implantaten ist die abso-lute Spannungsfreiheit obligat (Abb. 13 und 14). Wirbedienen uns hierfür der Idee des Passiv-fit. Ein pass-genaues Klebeteil wird auf die temporären oder diepermanenten Aufbauten gesetzt. Die provisorischeVersorgung befindet sich mit entsprechender Spielpas-sung darüber. So lassen sich geringe Unterschiede zwi-schen der geplanten und der real erzielten Implantat-position ausgleichen.

dazol) wurden 250 mg Urbason zur Schwellungspro-phylaxe verabreicht. Nach dem Durchtrennen der Kro-nenblöcke wurden die Zähne knochenschonend ent-fernt und der Alveolarfortsatz dargestellt. Für denbeidseitigen Sinuslift im Oberkiefer erfolgte eine Kno-chenentnahme mittels gebündelter Sacklochbohrungbilateral am Unterkieferwinkel [5].

Nach dem Darstellen der fazialen Kieferhöhlenwandwurde der Sinus-Krallenhacken eingesetzt [6], ein fa-ziales Zugangsfenster geschaffen und die Kieferhöh-lenschleimhaut präpariert. Die dünne Schleimhautwurde mit einer Membran verstärkt und ein Aug-mentat eingebracht (Abb. 18). Dieses bestand aus

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IM FOKUS

Abb. 18 Sinusaugmentation mit einem Gemisch aus Eigenkno-chen, Knochenersatzmaterial und platelet-rich plasma (PRP)

Abb. 19 Mit Hilfe der Bohrschablone wurden die Implantate imOberkiefer inseriert

Abb. 24 Bei der Sofortimplantation fehlt, bedingt durch die In-kongruenz zwischen Zahnwurzel und Implantat im krestalenAnteil Knochenvolumen. Diese Diskrepanz wurde durch eineAugmentation ausgeglichen und mit einer Membran abgedeckt

Abb. 20 Die individualisierten TempBase Caps im Oberkiefer Abb. 21 bis 23 Die Insertion der Implantate im Unterkiefer

Abb. 22 Abb. 23

einer Mischung (Verhältnis 1:3) autologen Knochensmit Knochenersatzmaterial, angereichert mit platelet-rich plasma (PRP).

Das faziale Fenster wurde mit einer Membran abge-deckt. Danach erfolgte der Sinuslift auf der kontrala-teralen Seite im analogen Vorgehen.

Die Einprobe der Bohrschablone im Oberkiefer zeigteeinen sicheren Sitz auf dem Alveolarfortsatz analogzum stereolithographischen Modell. Entgegen un-serem bisherigen Vorgehen verzichteten wir deshalbauf die Fixierung der Schablone durch zusätzlicheSchrauben. Eine manuelle Fixierung der Schablone er-schien uns ausreichend und sicher.

Zunächst wurden zwei Implantate in der Eckzahnre-gion inseriert (Abb. 19). Auf den Bohrern sind vormon-tierte Gleithülsen „Sleeves“, die genau in die Füh-rungshülsen der Schablone passen (Sleeve-on-Drill-System). Der integrierte Tiefenanschlag sorgte für dieexakte Bohrtiefe. Durch die Führungshülsen inse-rierten wir die Implantate. Abschließend wurden mitder Ratsche die Implantate auf die geplante Ausrich-tung justiert, um die vorbereiteten Aufbauten mit Ach-senkorrektur korrekt positionieren zu können. Esfolgte die Insertion der übrigen acht Implantate imOberkiefer. Nach Abnahme der Bohrschablonewurden außer an den Positionen 15 und 25 die Temp-Bases-Aufbauten entfernt. Im Frontzahnbereichwurden die vorbereiteten provisorischen Abutmentszum Ausgleich der Achsenrichtung eingesetzt. Die Im-plantate in regio 17, 16, 26 und 27 sollten gedeckt ein-heilen und erhielten Verschlussschrauben (Abb. 20).

Die Insertion der acht Implantate im Unterkiefer er-folgte nach analogem Vorgehen (Abb. 21 bis 23). ImFrontzahnbereich verblieben die TempBase-Aufbau ten.In regio 46, 44, 34 und 36 wurden individuelle Abut-ments verwendet. Bei der Sofortimplantation ergebensich durch die Inkongruenz des Implantatkörpers mitder Alveole insbesondere im krestalen Bereich Hohl-räume. Diese füllten wir mit der bereits beim Sinusliftbeschriebenen Mischung aus autologem Knochen undKnochenersatzmaterial auf. Die augmentierten Re-gionen wurden mit einer Membran abgedeckt (Abb.24). Es folgte ein spannungsfreier Nahtverschluss.

Provisorische VersorgungDie für die Sofortversorgung geplanten Implantatekonnten primär stabil mit ausreichend hohem Dreh-moment (≥ 35 Ncm) inseriert werden [5]. Auf denTempBases-Aufbauten wurden die Caps eingeklipstund auf den individuellen Abutments die vorbereitetenTiefzieh-Käppchen gesetzt (Abb. 25). Die Hohlräumeam Provisorium beschickten wir für die Klebekäppchenmit Kunststoff.

Zur Orientierung und Fixierung der Okklusion wurdenach dem Einsetzen ein Bissschlüssel benutzt (Abb. 26).Nach der Polymerisation nahmen wir das Provisoriumab und arbeiteten es in den Klebebereichen aus.

Fünf Tage postoperativ erfolgte eine Röntgenkontrolle(Abb. 27). Der Patient hatte noch leichte Schwel-lungen, bedingt vor allem durch die Knochenent-nahme und den Sinuslift. Er war schmerzfrei und zu-frieden mit seinen „festen Zähne“ (Abb. 28). Eine

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IM FOKUS

Abb. 25 Die individualisierten TempBase Caps im Unterkiefer Abb. 26 Intraorales Verkleben der Käppchen mit dem Proviso-rium. Ein Bissschlüssel dient zur Orientierung und Fixierung

Durch etwas autologen Knochen im Augmentat sinddie benötigten „Zielzellen“ für das Thrombozytenkon-zentrat vorhanden. Es darf somit eine Beschleunigungder Knochenumbauvorgänge und somit der Einheilungerwartet werden [7].

Beim Beschicken werden nur die Wände eingestrichen.Keinesfalls darf der gesamte Hohlraum aufgefülltwerden. Nach dem Aufsetzen des Provisoriums auf dieKlebekappen soll nur wenig Überschuss aus dem Spaltquellen. Dies vermeidet Komplikationen durch das Ein-dringen von flüssigem Kunststoff in den peri-implantärenBereich. Außerdem werden Bisserhöhungen vermieden.

Woche später konnten nach einem komplikations-losen Heilungsverlauf die Nähte entfernt werden. DieOkklusion wurde zu diesem Zeitpunkt nochmals über-prüft und eingeschliffen. Der Patient hatte strikte An-weisung, nur weiche Kost zu sich zu nehmen. Das Rau-chen hatte er vorübergehend eingestellt. Die Mundhy-giene erfolgte mit Chlorhexamed 0,2 %.

Die provisorischen Brücken blieben zirka sechs Monate insitu. Wichtig waren während dieser Zeit die regelmä-ßigen Kontrollen sowie professionelle Hygienemaß-nahmen. Falls erforderlich können die provisori schen Brü-cken abgenommen, an die marginale Situation adaptiertund überarbeitet werden. Generell ist die provisorischeVersorgung sechs bis neun Monate zu tragen.

Die definitive prothetische VersorgungBereits während der Einheilung wurden mit dem Pa-tienten die ästhetischen Erwartungen besprochen. DieProvisorien dienten dabei als Orientierung für die Dis-kussion. Somit entstand eine speziell für den Patientenindividualisierte prothetische Versorgung, die genauseinen Wünschen entsprach.

Bei der Anfertigung der definitiven Versorgung hattenwir somit Klarheit über wichtige Details. AufwändigeAnpassungen der Keramikrestaurationen wurden soumgangen. Acht Monate nach der Implantationwurden die vier Implantate im seitlichen Oberkieferfreigelegt und für zwei Wochen mit Gingivaformernverschlossen. Für die Abformung tauschten wir dieTempBase-Aufbauten gegen Übertragungsaufbautenaus. So konnte die Kieferrelation mit Hilfe einer Zentrik-

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IM FOKUS

Abb. 27 Das Röntgenbild fünf Tage nach dem Eingriff Abb. 28 Das fertige Langzeitprovisorium

Abb. 29 Nach acht Monaten wurden die posterioren Implantatefreigelegt und mit Einheilkappen versorgt

Abb. 30 Die Abformung in PickUp-Technik.

Abb. 31 bis 33 Die Titani-umBase dienen zur Herstellung individueller Abutments. Die zunächst in Wachs modellierten Aufbauten wurden gescannt und in Zir-kondioxid gefräst

platte übertragen werden. Anschließend wurden dieTransferCaps auf die Übertragungspfosten gesetzt undmit einem individuellen Löffel und Polyether abgeformt(Abb. 30).

LaborIm Dentallabor wurden Modelle erstellt und einartiku-liert. Das vorhandene Duplikat der individualisiertenprovisorischen Versorgung diente als Grundlage für dieVersorgung. Die Charakteristik der Zähne wurdegemäß der Einprobe übernommen. Die Abutments fer-tigten wir individuell aus Zirkonoxid (Abb. 31 bis 33).Da der Patient eine hohe Lachlinie hat, solltenschwarze, metallische Kronenränder auf jeden Fall aus-geschlossen werden. Das Durchtrittsprofil kann in sol-chen Fällen optimal an die prothetische Pfeilerpositionangepasst werden. Wir verwendeten Titan-Klebe-basen. Hierauf wird über ein Wax-up das Abutmentmodelliert, im 3shape-Scanner gescannt und anschlie-ßend im CAD/CAM-Verfahren gefertigt. Das Titanwurde sandgestrahlt und somit zum Verkleben vorbe-

reitet. Die Verklebung erfolgte mit RelyX-Unicem. Miteinem Clicker war ein gezieltes und dosiertes Portio-nieren gut möglich. Anschließend entfernten wir dieÜberschüsse des Klebers und setzten die individuellenAufbauten auf das Modell zurück (Abb. 34). Um beider späteren Eingliederung Zeit zu sparen und Ver-wechslungen auszuschließen, fertigten wir für alle in-dividuellen Abutments analog zu den späteren Blö-cken Einbringschlüssel (Abb. 35). Die Abutmentswurden erneut gescannt und die Brückengerüste aufdem Bildschirm digital designed und ebenfalls inZirkon oxid gefertigt (Abb. 36 bis 40). Die Verblendungim Oberkiefer erfolgte aus Keramik, im Unterkieferentschieden wir uns für ein Nanokomposit. Für einenoptimalen Haftverbund sorgte eine dünne, aufge-brannte Schicht aus Verblendkeramik. Diese lässt sichätzen und bildet mit den entsprechenden Konditionie-rungsmitteln einen guten chemischen Verbund zumVerblendmaterial. Nach der Feinjustierung der Okklu-sion und abschließender Kontrolle standen die Brü-cken für die Eingliederung bereit (Abb. 41).

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IM FOKUS

Abb. 34 Die fertig verklebten individuellen Aufbauten ausZirkonoxid

Abb. 35 Die Einbringschlüssel sollten das Eingliedern der defini-tiven Aufbauten erleichtern

Abb. 40 Die für die Verblendung vorbereiteten Gerüste Abb. 41 Die zum Eingliedern vorbereiteten, implantatgetrage-nen Brücken

Abb. 36 bis 39 Die Gerüste für die definitive Versorgung wurden am Computer geplant und in Zirkondioxid gefräst

Eingliederung Der Tag der Eingliederung versprach Spannung. Passtalles? Immerhin wurde die komplexe Arbeit in nureiner Sitzung abgeformt und ohne weitere Einprobefertig gestellt. Nach dem Entfernen der provisorischenAbutments konnten mit Hilfe der Einbringschlüssel(Abb. 42) die definitiven Aufbauten sofort in die rich-tige Position gebracht und verschraubt werden. Die

Implantate zeigten eine gute Stabilität und das umge-bende Weichgewebe war reizfrei (Abb. 43). Die Ein-gliederung gestaltete sich komplikationslos und er-folgte in gewohnter Weise mit Drehmomentratsche.Alle Brücken passten problemlos auf die individuellenAbutments (Abb. 44 und 45).

Der ästhetische Gesamteindruck war vom ersten Mo-ment für Zahnarzt, Techniker und Patient völlig zu-frieden stellend. Lediglich die Okklusion musste übereine zusätzliche Remontage im Artikulator korrigiertwerden. Der Aufwand hierfür betrug etwa 90 Minutenim Labor, die der Patient gerne abwartete. Das klini-sche Bild und das abschließende Röntgenbild (Abb. 46und 47) zeigen, dass sich der Aufwand gelohnt hat.

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IM FOKUS

Abb. 42 und 43 Mit Hilfe der Einbringschlüssel wurden die indi-viduellen Abutments eingegliedert und verschraubt

Abb. 44 bis 47 Die definitive Versorgung in Situ. Der Patient war mit der Versorgung sehr zufrieden

Die Verwendung von Nanokomposit hat sich bewährt.Besonders bei großspannigen Brücken, die in beidenKiefern implantatgetragen sind, ist die Aufbiss-Sen-sorik des Patienten nicht mehr vorhanden und eskönnen leicht Überbelastungen auftreten. Um die Auf-bisshärte zu reduzieren, sind Verblendungen aus Nano-komposit im Gegenkiefer probat.

FazitDie hohen Erwartungen des Patienten und des Teamaus Zahnarzt, Chirurg und Zahntechniker in Bezug aufdie Behandlung als auch auf die Ästhetik, die Funktionund die Hygiene wurden im Endergebnis erreicht. Auf-grund der gewissenhaften Vorplanung sowie der prä-chirurgischen Vorbereitung konnte die Eingriffszeitverkürzt werden [8]. Die Sofortbelastung in diesemkomplexen Fall konnte nur durch die 3D-Diagnostik,Planung und Navigation erreicht werden. Der Patientund das Behandlungsteam erhielten Planungssicher-

heit. Die Implantate konnten mit optimaler protheti-scher Orientierung inseriert werden. Die gesamte Be-handlung ist nicht weniger anspruchsvoll als bei her-kömmlichen Verfahren, aber einige Risiken und Pro-bleme konnten in der Planungsphase erkannt und ge-löst werden. Dadurch werden die Ergebnisse für alleBeteiligten vorhersehbar [9].

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IM FOKUS

Über den AutorGerhard Stachulla machte nach dem Abitur eine Ausbildung zum Zahntechniker. Seit1972 ist er als Zahntechniker im In- und Ausland tätig. Als Zahntechnikermeister ginger 1982 mit einem eigenen Betrieb in die Selbstständigkeit. Seine Tätigkeitsschwer-punkte liegen seit Jahren im Bereich der CAD/CAM-Techniken, der Implantatprothetiksowie der präimplantologischen Planung. Ztm.Stachulla ist seit 1995 als Referent tätig.Vor allem auf dem Gebiet der interdisziplinären Zusammenarbeit (Implantologe, Prothe-tiker, Zahntechniker) auf Grundlage von Planungssoftware hält er auf zahlreichen Kon-gressen Vorträge und publiziert national und international in zahnmedizinischen sowiezahntechnischen Fachjournalen. Gerhard Stachulla ist im Beirat der FDZt (FördervereinDigitale Zahntechnik).

ProduktlisteDVT-Gerät 3D eXam KaVoPlanungsprogramm ExpertEase Dentsply FriadentBohrschablone ExpertEase Dentsply FriadentImplantatsystem XiVE Dentsply FriadentSoftware Simplant MaterialiseKnochenersatzmaterial BioOss Geistlich BiomaterialsMembran BioGide Geistlich BiomaterialsKlebebasen TempBase Dentsply FriadentProvisorischer Zement TempBond KerrHaweZirkonoxidgerüst ZenoTec Wieland Dental + TechnikVerblendkeramik Zeno Wieland Dental + TechnikVerblendkomposit Gradia GC EuropeZement RelyX-Unicem 3M Espe

KorrespondenzadressenZtm. Gerhard StachullaImplant & 3D PlanungscenterAugsburger Straße 2686444 Mühlhausen/AugsburgFon +49 8207 9607 [email protected]

Prof. Dr. Dr. Dr. Helmut H. LindorfDr. Renate Müller-HerzogPraxis Lindorf, Kochel & Partner Fürther Straße 4a90429 Nürnbergwww.professor-lindorf.de

Literatur beim Verfasser oder im Internet unter www.teamwork-media.dein der linken Navigations leiste unter „Journale Online“.