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Brasilien – Wendepunkte, Widersprüche, Chancen Band 72 Schriftenreihe der Fakultät Wirtschaftswissenschaften der Hochschule Bremen Brazil Turning Points, Contradictions, Opportunities Beiträge zu Politik, Gesellschaft, Kultur, Medien, Wirtschaft, Recht, Biologie, Austausch Papers on politics, society, culture, media, economy, law, biology, exchange Katrin Nissel / Mechthild Schrooten (Hg.)

Chancen Brazil - Hochschule Bremen · Brasilien – Wendepunkte, Widersprüche, Chancen Band 72 Schriftenreihe der Fakultät Wirtschaftswissenschaften der Hochschule Bremen Brazil

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Brasilien – Wendepunkte, Widersprüche, Chancen

Band 72 Schriftenreihe der Fakultät Wirtschaftswissenschaften der Hochschule Bremen

Brazil Turning Points, Contradictions, Opportunities

Beiträge zu Politik, Gesellschaft, Kultur, Medien, Wirtschaft, Recht, Biologie, Austausch

Papers on politics, society, culture, media, economy, law, biology, exchange

Katrin Nissel / Mechthild Schrooten (Hg.)

Katrin Nissel / Mechthild Schrooten (Hg.)

Brasilien – Wendepunkte, Widersprüche, ChancenBeiträge zu Politik, Gesellschaft, Kultur, Medien, Wirtschaft, Recht, Biologie, Austausch

Brazil - Turning Points, Contradictions, OpportunitiesPapers on politics, society, culture, media, economy, law, biology, exchange

VorwortKatrin Nissel und Mechthild Schrooten

Fußball, Nation und Politik – Anmerkungen zum brasilianischen Drama Thomas Fatheuer

An unexpected ‘Boom’ – observations and reflections on the Brazilian protest movements Gabriel Bonadies

Business Case: Vector Foiltec – experiences of a project leader in Recife during the FIFA Football World Cup 2014 in BrazilRui Marques

BRAZIL: The Nation of a Thousand Faces Gabriel Aragão

Medienmarkt Brasilien – Was es am Zuckerhut zu gewinnen gibtManoella Barbosa

Fair trade in Brazil José Carlos Lázaro da Silva Filho and Maria Mislene Rosado de Souza

Mediation in Deutschland und Brasilien – ein Vergleich gesetzlicher Grundlagen Claudia Bärmann-Bernard, Vera de Hesselle, Sebastian Rünz

Der Digitale Biodiversitätsatlas – ein erfolgreiches deutsch-brasilianisches Forschungsprojekt Heiko Brunken und Glícia Maria Torres Calazans

UNIBRAL I Globales Management, Logistik, Fair Trade: ein VorzeigeaustauschprojektKatrin Nissel und Mechthild Schrooten

Autorinnen und Autoren

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Inhaltsverzeichnis

Vorwort

von Katrin Nissel und Mechthild Schrooten

von Katrin Nissel und Mechthild Schrooten

Vorliegende Textsammlung geht im Wesentlichen auf das interdisziplinäre, internationale Symposium Brasilien zum WM Auftakt: Wendepunkte, Widersprüche, Chancen – Perspektiven aus Wissenschaft, Wirtschaft, Gesellschaft, Medien zurück. Am 13. Juni, einen Tag nach Anpfiff der WM 2014, fand die Veranstaltung an der Fakultät Wirtschaft der Hochschule Bremen in Kooperation mit dem Forschungscluster Dynamics, Tensions and X-treme Events und dem Internationalen Studiengang Global Management statt. Die Gäste, darunter Studierende, Hochschullehrende sowie Vertreterinnen und Vertreter aus Wissenschaft, Wirtschaft, Politik und Kultur traten in lebhaften Austausch mit den Vortragenden. Die damals angesprochenen Aspekte sind weiterhin aktuell und haben heute an Bedeutung gewonnen.

Die aus den Vorträgen resultierenden Texte dieses Bandes setzen auf Analyse und Information im brasilianisch-deut-schen Kontext. Gemäß der Offenheit des Symposiums für Beiträge aus unterschiedlichen Forschungsgebieten be-leuchtet diese Veröffentlichung aus verschiedenen Perspektiven, welche Hürden Brasilien zu nehmen hat aber auch welche Potentiale das Land gerade für die deutsch-brasilianische Zusammenarbeit im Hinblick auf gesellschafts-politische, kulturelle, wirtschaftliche und juristische Analysen, angewandte Forschung und Hochschulaustausch im Kulturvergleich birgt.

Die Beiträge wurden in diesem Band nach inhaltlichen Gesichtspunkten angeordnet: Am Anfang stehen drei Artikel, die sich Geschehnissen unmittelbar vor und während der FIFA Fußballweltmeisterschaft 2014 sowie deren Auswir-kung auf heutige Verhältnisse widmen, sprich ein gesellschaftskritischer Essay über die Verknüpfung von Fußball und Politik, ein sehr persönliches Statement zu den Protesten von 2013 sowie ein Business Case zum Fußballstadionbau in Recife; es folgen eine historisch-kulturwissenschaftliche Betrachtung über die Vielfältigkeit Brasiliens und eine journalistische Reportage über Chancen für deutsche Unternehmen auf dem brasilianischen Medienmarkt; an einen Artikel zu Fair Trade Konzepten in Brasilien reiht sich die rechtswissenschaftliche vergleichende Analyse über Mög-lichkeiten der Mediation zur Vermeidung von Prozessen; die letzten beiden Artikel stellen Forschungs- und Projekt-dokumentationen der Hochschule Bremen vor: Einer Darstellung des deutsch-brasilianischen Forschungsprojektes der angewandten Biologie, dem Digitalen Biodiversitätsatlas, folgt ein Bericht über das Austauschprojekt UNIBRAL I Globales Management, Logistik, Fair Trade, das vom Internationalen Studiengang Global Management (ISGM) der Fakultät Wirtschaft der HSB und den brasilianischen Partnern der Universidade Federal do Ceará (UFC) in Fortaleza durchgeführt wurde (2012-2015).

Der Blick geht dabei von Deutschland nach Brasilien und wieder zurück. Gemeinsam ist den Autorinnen und Autoren dieses Bandes, dass sie in beiden Ländern gelebt und gearbeitet haben. Diese Art der Brasilienforschung ist mit-reißend und ermöglicht einen differenzierten Blick auf den emerging market, seine Gesellschaft, Politik, Kultur und Wirtschaft aber auch auf kulturvergleichende wissenschaftliche Projekte und den akademischen Austausch.

Dabei wird gelegentlich das Genre der traditionellen wissenschaftlichen Abhandlung verlassen: Nicht nur eine Vielfalt von Themen, sondern auch von Textarten, Stilen, und Diskursen kennzeichnet die hier versammelten heterogenen Beiträge. Eine weitere Besonderheit des Bandes ist, dass neben ausgewiesenen Brasilienexpertinnen und -experten zwei junge Brasilianer zu Wort kommen, die im Rahmen eines vom DAAD und von der brasilianischen Förderinstituti-on CAPES finanzierten UNIBRAL I Programmes mit einem Stipendium an der Hochschule Bremen studierten.

Thomas Fatheuer, ehemaliger Leiter der Heinrich Böll Stiftung in Rio de Janeiro, heute freier Autor in Berlin, macht den Auftakt mit seinem Essay über die Theatralisierung, Ritualisierung, Mythisierung, Politisierung des Fußballs in Brasilien und analysiert die Macht der kommunikativen Verständigung über Fußball. Fatheuer stellt fest: „Eine ge-schundene, marginalisierte Nation zeigt auf dem Fußballplatz, wozu sie in der Lage ist. Das funktioniert nur bei Sie-gen.“ Daher rückt das „Drama“ des 1:7 der brasilianischen Nationalmannschaft gegen das deutsche Team von 2014 immer wieder ins Zentrum seiner Darlegungen. Fatheuer zeigt auf, wie die aktuelle Krise des brasilianischen Entwick-lungsmodells mit großen Korruptionsskandalen zur Erosion der Gesellschaft beiträgt. Im Glauben an die Dynamik Brasiliens hofft Fatheuer jedoch, dass das Land sich wirtschaftlich, kulturell und politisch wieder erholt.

Vorwort

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Gabriel Bonadies, Marketingexperte in Fortaleza und ehemaliger UNIBRAL Stipendiat an der Hochschule Bremen im SS 2014, gibt einen Einblick in sein persönliches Erleben der brasilianischen Protestbewegung vor der FIFA Fußball WM 2014 und zieht daraus Schlüsse für heutige Entwicklungen. Dabei wird facettenreich deutlich, wie komplex die gesellschaftlichen Probleme in dem Land sind. Bonadies beschreibt die Entstehung einer riesigen nationalen Pro-testwelle aus anfänglich lokalen Demonstrationen gegen die Erhöhung der Preise im öffentlichen Nahverkehr von São Paulo. Eindringlich schildert Bonadies, wie er zwischen die Stühle politisch Konservativer und Linker geriet und welchen manipulativen Einfluss Politik und große Medienkartelle auf die Bevölkerung Brasiliens ausüben. Ähnlich wie Fatheuer glaubt Bonadies jedoch nicht alles verloren sondern hofft auf einen neuen „Boom“.

Rui Marques, Sales Manager Europe bei dem Bremer Unternehmen Vector Foiltec, steuert eine Fallstudie zum Stadi-ondachbau in Recife (Pernambuco) bei, den er als Projektleiter vor Ort begleitete. Die Bremer Firma setzte ihr Spezi-alprodukt Texlon® ETFE bei der Foliendachkonstruktion ein. Der Business Case lässt erkennen, dass es in dem Projekt auch galt, kulturelle Unterschiede in Planung und Zusammenarbeit zu überwinden bzw. positiv zu nutzen. Eine große Herausforderung bestand darin, dass das Projekt schneller fertiggestellt werden musste, als zunächst vorgesehen. Für die erfolgreiche Realisierung der Foliendachkonstruktion war das Verständnis für die Funktionsweise des brasili-anischen Arbeitsmarktes eine entscheidende Voraussetzung. Der Autor schließt damit, wie wunderbar es für ihn war, das fertige Produkt dann bei der WM 2014 im Fernsehen bewundern zu können.

Gabriel Aragão, Student an der UFC in Fortaleza und UNIBRAL-Stipendiat an der Hochschule Bremen im WS 2015/16, arbeitet in seinem historisch-kulturwissenschaftlichen Artikel “Brazil: The Nation of a Thousand Faces“ die besondere kulturelle Vielfalt aber auch Widersprüche heraus, die das Land prägen: Die brasilianische Identität gründet auf der besonderen Vermischung europäischer, afrikanischer und indigener Kulturen. Aufgezeigt wird aber auch die Proble-matik der Rassendemokratie, die Bildungs- und Einkommensungleichheit sowie die daraus resultierende extreme soziale Ungleichverteilung von Chancen. Gerade in der aktuellen wirtschaftlichen und politischen Krise werden die Heterogenität und die Kluft zwischen verschiedenen sozialen Klassen besonders deutlich. Der Autor schließt seinen Artikel mit eindringlichen, ebenfalls eher hoffnungsvollen Worten: „The country of Pelé, Gisele Bündchen, but also the country of many Joãos, Franciscos, Marias and Antônios. The land of the future that still struggles to slip away from its past. The nation which cannot be described with words or thoughts, but with feelings and emotions.”

Manoella Barbosa, eine brasilianische Journalistin, die in Hamburg lebt und für Medien beider Länder schreibt, gibt einen Einblick in den brasilianischen Medienmarkt, porträtiert dabei auch Markteinschätzungen und das Vorkommen deutscher Medien in Brasilien. Das Magazin Geo erschien beispielsweise von März 2009 bis Februar 2014 in brasili-anischem Portugiesisch, wurde aber eingestellt, was u.a. auf die fehlende kulturelle Anpassung an die brasilianische Wahrnehmung zurückzuführen sei. Umgekehrt wurde bislang nur ein brasilianisches Magazin in Deutschland lizen-siert. Brasilien erweist sich laut Barbosa als innovativer bei neuen Medien und im TV Bereich als im Zeitschriftenfeld. Fokussiert wird in dem Artikel auch, wie stark Verlagswesen und Bildungsbereich miteinander verzahnt sind, und wel-che Potentiale gerade der Bildungsmarkt in Brasilien für deutsche Institutionen eröffnet. Am Ende des Textes erfolgt ein interessanter Ausblick in die Kulturprägung journalistischen Arbeitens. So werden die Entdeckungsfreude und Innovationskraft brasilianischer Reporter sowie ihr literarischer Umgang mit Sprache und die starke Bildmächtigkeit als besondere Merkmale gekennzeichnet.

José Carlos Lázaro da Silva Filho, brasilianischer Projektleiter von UNIBRAL I, Hochschullehrer an der Universidade Federal do Ceará, und Maria Mislene Rosado de Souza, Doktorandin an der IFPI-Picos in Piauí, setzen sich in ihrem Beitrag mit der Bedeutung von Fair Trade für Brasilien auseinander. In einem ersten Schritt werden Definitionen ge-liefert, das grundlegende Konzept von Fair Trade wird vorgestellt. Zu den Vorteilen auf der Seite der Produzierenden gehört ein Preisaufschlag, der oftmals als Fair-Trade-Prämie verstanden wird. Das Autorenteam fokussiert in der Fall-studie den Honigmarkt in Brasilien – genau genommen die Kooperative Casa Apis. Dabei wird deutlich, dass für den Erfolg des Projektes ökonomische, soziale und kulturelle Bedingungen eine große Rolle spielen. Casa Apis agiert auf einem Markt, der international von einem hohen Konzentrationsgrad geprägt ist. Umso wichtiger ist es nach Ansicht beider Autor_innen, derartige Kooperativen und Initiativen auf politischer Ebene zu stärken.

Der Beitrag des deutsch-brasilianischen Jurist_innen Trios Vera de Hesselle (HSB), Claudia Bärmann Bernard und Sebastian Rünz ergänzt das wissenschaftliche Spektrum. Einen Anlass für diese vergleichende Darstellung bot das neue brasilianische Mediationsgesetz, das im Frühjahr 2016 in Kraft trat mit dem Ziel der Steigerung der Mediations-verfahren und der Reduzierung von Gerichtsverfahren. Ergebnisse zu den tatsächlichen Auswirkungen der Mediati-onsgesetze gibt es laut den drei Verfasser_innen bislang weder in Brasilien noch in Deutschland. Hat sich die Media-tion in Brasilien später entwickelt als in Deutschland so weisen doch heute Umsetzung und Rechtsordnung bzgl. der Mediation erstaunliche Gemeinsamkeiten auf. Die Autor_innen stellen heraus, dass das brasilianische Mediationsge-

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setz zwischen gerichtlicher und außergerichtlicher Mediation unterscheidet, während das deutsche Mediationsge-setz ausschließlich die außergerichtliche Mediation regelt. Die Möglichkeit der gerichtlichen Mediation ergebe sich in Deutschland aus der Zivilprozessordnung. Das brasilianische Mediationsgesetz sei deutlich detaillierter ausgestaltet als das deutsche Mediationsgesetz, insbesondere hinsichtlich der gerichtlichen Mediation und des Anwaltszwangs.

Heiko Brunken, Hochschullehrer an der HSB, und Glicia Calazans, Hochschullehrerin an der UFPE in Recife im brasili-anischen Bundesstaat Pernambuco, präsentieren in ihrem Betrag die bis heute währende Forschungskooperation des internationalen Studiengangs für Technische und Angewandte Biologie (ISTAB) und dem Centro de Ciências Biológi-cas der Universidade Federal de Pernambuco, UFPE, zur Entwicklung Digitaler Biodiversitätsatlanten. Die bisherige Krönung fand die bilaterale Forschungszusammenarbeit mit der Auszeichnung des Digitalen Biodiversitätsatlas als „vorbildliches Projekt der UN-Dekade der biologischen Vielfalt“. Laut dem Autorenteam ermöglicht der „Digitale Bio-diversitätsatlas” in einfacher Weise für bestimmte Tiergruppen und definierte Regionen die Einrichtung von spezifi-schen Atlasprojekten mit interaktiven Verbreitungskarten und zusätzlichen, artspezifischen Fachinformationen wie z. B. Biologie, Schutz und Gefährdung sowie Fotos oder Literatur. Unter Verwendung aktueller WEB 2.0-Technologien wurde in Kooperation mit der Informatik der HSB durch den „Atlas“ ein leicht bedienbares Werkzeug zur Einrichtung dezentraler, serverbasierter Expertennetzwerke geschaffen.

Die Herausgeberinnen des vorliegenden Bandes der Schriftenreihe der Fakultät Wirtschaft der HSB, Katrin Nissel und Mechthild Schrooten, steuern am Ende einen weiteren Beitrag zum fruchtbaren deutsch-brasilianischen akade-mischen Austausch bei. Erfolg und Nachhaltigkeit des vom DAAD und der brasilianischen Organisation CAPES geför-derten Austauschprojektes UNIBRAL I „Globales Management, Logistik, Fair Trade: Austausch, Qualität und Transfer“ werden auf der Ebene des Studierenden- wie des Hochschullehreraustauschs beschrieben. Das Projekt ermöglichte zwischen März 2012 und Dezember 2015 insgesamt 14 Studierenden des Internationalen Studiengangs Global Ma-nagement der HSB und 26 Studierenden der Partneruniversität in Fortaleza ein fünfmonatiges Stipendium, dotiert mit ca. 900 Euro monatlich. Der Bericht legt dar, wie die bilaterale Zusammenarbeit zwischen beiden Hochschulen – ein Kooperationsvertrag existiert bereits seit 2008 – durch UNIBRAL I gestärkt, vertieft und erweitert wurde: bei-spielsweise wurde eine Angleichung der fachlichen Ausrichtung und Anerkennung erreicht, curriculare Ergänzun-gen wurden vorgenommen, BA Arbeiten im vergleichenden Kontext entwickelt. Inhaltliche Schwerpunkte wurden besonders unter Aspekten von Nachhaltigkeit, Internationalisierung, Diversity, Interkultureller Kompetenz und CSR behandelt.

Durch die Förderung im Rahmen des Forschungsclusters der HSB Dynamics, Tensions and Xtreme Events konnte das Symposium 2014 stattfinden. Für diese Unterstützung sowie für die Übernahme der Druckkosten des vorliegenden Bandes danken wir herzlich dem Konrektorat für Forschung der Hochschule Bremen. Sascha Peschke, zuständig für Medien und Internet im Referat für Öffentlichkeitsarbeit und Rektoratsangelegenheiten der HSB, danken wir für den gestalterischen Support. Ohne dieses Engagement wäre der erfolgreiche Abschluss vorliegender Publikation nicht möglich gewesen.

Fußball, Nation und Politik – Anmerkungen zum brasilianischen Drama

von Thomas Fatheuer (Berlin)

von Thomas Fatheuer1 (Berlin)

„Dienst ist Dienst und Schnaps ist Schnaps“ – ein altes deutsches Sprichwort, das heute total aus der Zeit gefallen wirkt. Überall verschwimmen die Grenzen – und nicht nur die zwischen Arbeit und Privatleben. Auch der Fußball ist nicht mehr in Kästchen zu packen, schon längst hat er seinen sicheren Platz in der Sportschau verlassen und vaga-bundiert durch die Welt der Schriftsteller, Soziologen und sogar der Theologen. Fußball und … wird unüberschaubar. Halten wir uns also erst mal an die Phänomene. Die Fußball-WMs sind heute die größten medialen Ereignisse unseres Planeten und werden von einem dubiosen Verband namens FIFA organsiert. Daher der etwas sperrige offizielle Name „FIFA Fußball-Weltmeisterschaft der Männer“. Dass diese 2014 in Brasilien stattfand, hat den Blick auf das Land durch die Brille des Fußballs in endlosen Variationen aufleben lassen. Die Zeiten vor Fußball WMs sind Zeiten zum Träumen, von Fußballspektakeln, von futebol arte (dt. schönes Spiel), Zeiten für ewige Hoffnungen und Mythen der Fußfallfans, die sich nun aber treffen mit den Vorstellungen national motivierter WM-Betrachter, die weniger das glanzvolle Spiel als den puren Sieg lieben. Aus all diesen Träumen und Hoffnungen erwachte die brasilianische Nation auf eine Weise, wie sie brutaler nicht sein könnte: 1:7.

Brasilien und der Fußball – ein kurze VerunsicherungIn Brasilien wird über Fußball sicherlich viel mehr geredet, als dass er gespielt wird. Die classicos (dt. klassische Derbys) in Rio de Janeiro oder São Paulo werden am nächsten Arbeitstag zum Gespräch von Millionen. Fußball ist ein gigantischer Kommunikator, er formt einen Sog der Wörter, dem man sich kaum entziehen kann. Aber bei den WMs geht es dann um mehr: Es geht um Brasilien. Brasilien vom Fußball aus zu denken, das hat eine lange Tradition im größten Land Südamerikas. „Fußball ist die Art und Weise, mit der die Nation ihre Rechnungen mit sich selber ritualisiert“ – diese Formulierung des Musikers und Literaturwissenschaftlers José Miguel Wisnik scheint mit ein guter Ausgangspunkt für folgende Betrachtungen. Er bürdet dem Fußball nicht zu viel aber auch nicht zu wenig auf. Die moderne Theorie des brasilianischen Fußballs nimmt ihren Ursprung in einer Veröffentlichung des Anthro- pologen Roberto DaMatta, der in einem Text von 1982 dem Fußball eine zentrale Rolle bei der Sicherung sozialer Synthese zuschreibt. In einem Land wie Brasilien, so DaMatta, in dem Institutionen und Rechtsstaatlichkeit schwach entwickelt sind, hat Fußball (wie Musik und Volksreligion) eine zentrale Funktion für den Zusammenhalt der Gesellschaft. Das lädt offensichtlich dem Fußball zu viel auf, ebenso wie der etwas plakative Titel eines Buches des Historikers Marcos Guterman O futebol explica o Brasil (dt.: Der Fußball erklärt Brasilien). Es gibt wichtige Interpretationen Brasiliens, die beinahe oder ganz ohne den Fußball auskommen. Einleuchtend erscheint jedoch die kommunikative Wendung Wisniks: Das Sprechen, Schreiben und Singen über Fußball ist ein gigantischer populärer Diskurs über Brasilien, eine Weise, wie viele Brasilianerinnen und Brasilianer über ihr Land reden, schimpfen, sich vergewissern und dabei nicht nur ihr Bild über den Fußball offenbaren. Oder in den Worten des Ethnologen Christian Bromberger: „Fußball ist keine Religion, weil er erklärt uns nichts darüber, woher wir kommen und wohin wir gehen. Aber er kann uns zeigen, wer wir sind, indem er die fundamentalen Werte, die unsere Gesellschaft formen, theatralisiert.“Theatralisierung, Ritualisierung, kommunikative Verständigung – danach wollen wir im Folgenden den Fußball be-fragen.

Mythos RassendemokratieBereits 1947 veröffentlichte der Sportjournalist und Schriftsteller Mário Filho (1908-1966) das Buch O Negro no Futebol Brasileiro (dt.: Die Rolle der Schwarzen im brasilianischen Fußball), eines der einflussreichsten Bücher da-rüber, wie der Fußball Brasilien beeinflusst. Der Fußball wird dabei zu einem wichtigen Aktionsfeld bei der Neu-bestimmung Brasiliens als „Rassendemokratie“. Im Modernisierungsschub der 1930er Jahre veränderte Brasilien

1 Dieser Essay beruht auf zwei vorangegangen Veröffentlichungen: „Brasilien vom Fußball aus denken“ findet sich in: Dilger, Ger-hard / Fatheuer, Thomas / Russau, Christian / Thimmel, Stefan: Fußball in Brasilien: Widerstand und Utopie, Hamburg 2014 sowie in dem Text „Für einen Versuch die WM zu analysieren“, in: Fatheuer, Thomas / Russau, Christian: Abpfiff: eine kritische Bilanz auf die Fußball WM, Berlin 2014. (http://www.rosalux.de/fileadmin/rls_uploads/pdfs/Analysen/Analysen_Gesell_Abpfiff.pdf.

Fußball, Nation und Politik – Anmerkungen zum brasilianischen Drama

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sein Selbstbild. Die rassistische Konstruktion einer weißen Nation, die durch „Rassenvermischung“ gefährdet ist, wurde durch das Ideal der Rassendemokratie ersetzt. Aussagekräftig ist auch der Umstand, dass der berühmte bra-silianische Soziologe Gilberto Freyre (1900-1987), der mit Herrenhaus und Sklavenhütte 1933 einen Klassiker der Interpretation Brasiliens geschrieben hat, die Fußball-WM von 1938 zum Anlass nahm, die Deutung von Nation und Fußball zu verschränken. Freyre feierte den Mut, ein stark afro-brasilianisches Team nach Frankreich zu schicken. Aber nicht nur das: Der spezifische Fußballstil der Mannschaft Brasiliens, ihre artistischen Blüten, sind für Freyre Verkörperung der ethnischen Mischung seiner Spieler. Freyre bezeichnete das damalige Spektakel als „unsren Mu-latten-Fußball“ und sieht in ihm einen Ausdruck „unserer sozialen und demokratischen Verfassung“.

Solche Zuschreibungen muten heute seltsam oder gar rassistisch an. Zur damaligen Zeit stellten sie aber eine ge-waltige Uminterpretation der bis dahin gültigen rassischen Konstruktion Brasiliens als ein allein von Europäern geprägtes Land dar. Sahen die alten Eliten die große Zahl von Nicht-Weißen als Problem und die Rassenvermi-schung als Gefahr, wird der „mulattische“ Charakter der Gesellschaft nun positiv gesehen. Diese Umwertung ist gewiss nicht allein durch den Fußball geschehen, sondern durch einen komplexen Prozess gesellschaftlichen und kulturellen Wandels, in dem der Fußball freilich eine Rolle spielte. Immerhin konnte 1938 der Starstürmer der bra-silianischen Mannschaft, Leonidas, bekannt als „Diamante Negro“ (dt. Schwarzer Diamant), zum ersten farbigen Superstar des Landes aufsteigen.

Eine Niederlage, ein Komplex und ein TriumphAuf dem durch den zweiten Weltkrieg erschütterten Globus fand die erste Nachkriegs-WM in Brasilien statt. Schon damals wurde die WM als Chance gesehen, die aufstrebende Nation zu präsentieren. Dabei ging es natürlich um viel mehr als Fußball. Durch den Bau des Maracanã, des damals größten Stadions der Welt, wollte Brasilien sich als Volk kühner Architekten und zuverlässiger Macher zeigen. „Die Bindung des Spiels an die Nation und ihre Zukunft war unübersehbar. Das Maracanã war nicht nur das architektonische Symbol des sportlichen Ehrgeizes Brasiliens, sondern auch des Platzes, den das Land in der modernen Welt beanspruchte.“ (Bellos, S. 51).

Die WM endete 1950 mit einer tragischen Niederlage Brasiliens im entscheidenden Spiel gegen Uruguay. Aus einem verlorenen Spiel wurde schnell eine nationale Tragödie, die den pessimistischen Blick auf die Nation verstärkte. „Wir waren minderwertig. Das verlorene Endspiel war nicht einfach die Niederlage der Nationalmannschaft – es war eine Niederlage der Nation.“ so fasst Paulo Perdigão, der große Chronist des Spiels, die Stimmung zusammen (vgl. Dilger et al., S. 68).

War der Fußball zunächst als ein Medium des sozialen Aufstiegs von Schwarzen (und Armen) gesehen worden, wur-de er nun zum Desaster der Nation. Diesen Ball greift der Schriftsteller und Dramatiker Nelson Rodrigues dankbar auf. „Die Mannschaft ist nichts anderes als das Vaterland“ (Dilger et al., S. 69). Und angesichts einer Niederlage in einem Freundschaftsspiel gegen England, gelingt es Rodrigues dann, eine ganze Nation auf die Couch zu legen: Er diagnostiziert Brasilien einen Minderwertigkeitskomplex, den er als complexo vira lata (dt. Straßenköter-Kom-plex) bezeichnet. Darunter versteht Rodrigues ein „Unterlegenheitsgefühl, in dem sich der Brasilianer aus freien Stücken gegenüber dem Rest der Welt einrichtet. Und zwar auf allen Gebieten.“ (Rodrigues, S. 70). Nelson Rodri-gues versucht so, den Platz Brasiliens in der Welt über den Fußball zu definieren und dies durchaus mit appellativer Absicht: Brasilien muss den Straßenköter-Komplex überwinden, so sein Credo.

Und tatsächlich sieht danach alles erst einmal nach einem Happy End aus. 1958 und 1962 triumphiert Brasilien bei den WMs in Schweden und Chile mit seinen Stars Pelé und Garrincha. Rodrigues schwingt sich zu hymnischen Höhen auf und sieht den Straßenköter-Komplex endgültig überwunden: „Brasilien hat sich selbst entdeckt. Der Sieg wird alle unsere Beziehungen mit der Welt beeinflussen...Der Brasilianer hielt sich immer für einen unheilbaren Halunken. Heute mit unserer untadeligen Disziplin haben wir bewiesen: Der wahre Engländer, der einzige Engländer ist der Brasilianer.“

Durch den Fußball rückt Brasilien in der Narrative von Rodrigues in die Reihe der „entwickelten“, „zivilisierten“ Nati-onen auf. Dies wird in den Zeiten der Militärdiktatur (1964-85) aufgegriffen und politisch eingebunden. Die Erfolge im Fußball passen in die nationalistische Entwicklungsrhetorik des 1964 an die Macht geputschten Militärs. „90 Millionen in Aktion – vorwärts Brasilien“ hieß es in der WM-Hymne des Jahres 1970. Und der damalige Präsident Emílio Garrastazu Médici sah im Sieg Brasiliens eine Syntonie zwischen sportlichem Wettkampf und dem „Kampf für nationale Entwicklung“. Die Narrative Fußball und nationale Entwicklung erlebten eine letzte Renaissance bei der WM 2002. Ronaldo erzielt das 1:0 im direkten Duell mit Oliver Kahn, der einen Schuss nicht halten konnte. Ein Kommentator sah darin den Sieg eines massakrierten Volkes gegen die Arroganz der ersten Welt, die Kahn so perfekt zu verkörpern scheint. In diesem Augenblick lag das so mächtige Deutschland am Boden – und Brasilien bezwang einmal mehr den Straßenköter-Komplex.

In der nationalistischen Perspektive ist der Erfolg entscheidend. Eine geschundene, marginalisierte Nation zeigt auf dem Fußballplatz, wozu sie in der Lage ist. Das funktioniert nur bei Siegen. Aber keine Mannschaft siegt immer, und so kommen Komplexe zurück und müssen immer von neuem überwunden werden.

Der Mythos von Futebol ArteAber diese erfolgsfixierte nationalistische Narrative ist nicht die einzige, die sich um den Fußball bildet. Viele Men-schen lieb(t)en den brasilianischen Fußball wegen seiner angeblichen Schönheit, der Tricks, Dribblings und Finten seiner Spieler. Das Insistieren auf einer Besonderheit des brasilianischen Fußballs findet man bereits 1938 bei Gil-berto Freyre, der im ‚mulattischen‘ Fußball einen dionysischen Tanz entdeckte, der der europäischen Rationalität entgegensteht. So beginnt eine Serie von Dualismen: dionysischer Fußball versus apollonischer, futebol arte versus Fußball der Resultate, Poesie versus Prosa.

Rund um diese Dualismen hat sich ein Diskurs aufgebaut, der auf eine besondere, brasilianische Identität insistiert, die nicht im Erfolg, sondern in der Freude, in der Lust, in der Bewegung begründet ist. Für die Adepten des futebol arte sind die tragisch gescheiterten Nationalmannschaften von 1982 und 1986 die besten.

Kritiker haben zurecht darauf hingewiesen, dass die Dichotomie futebol arte versus Fußball der Ergebnisse eine gro-be Vereinfachung darstellt. Ja, der futebol arte ist ein Mythos, aber bei Mythen komme es ja nicht auf die empirische Wahrheit, sondern auf die Wirkungskraft an. Jedenfalls hat sich unter dem Titel futebol arte ein populärer Diskurs darüber formiert, was es heißt, Brasilianer oder Brasilianerin zu sein. Passt dieses Insistieren auf etwas anderes, auf die Bedeutung der alegria, der Freude, heute noch oder ist sie im Mahlstrom der Erfolgsfixierung zu einem Element in Werbespots geworden?

José Miguel Wisnik, der heute wohl einflussreichste Theoretiker des brasilianischen Fußballs, hat die alte Debatte noch einmal aufgenommen. Für den Wissenschaftler hat sich in den urbanen Metropolen der zwanziger Jahre eine neue Kultur der Vermischung herausgebildet, in die auch Elemente der schwarzen Kultur einfließen. An die Stelle der weißen Elitekultur tritt eine neue Kultur der Körperlichkeit, die im Samba und im Fußball ihren privilegierten Ausdruck findet. Die geschmeidige Bewegung, ginga, der Trick mit dem Hüftschwung, o jogo da cintura, werden zu einem Lebensgefühl, und zu einem Angelpunkt, um „coisas nossas“, unsere Dinge, unsere Besonderheiten, zu bestimmen.

Aber ist das in modernen Zeiten nicht alles nur Folklore. Haben die durchtrainierten Körper der modernen Fußballer noch etwas mit ginga zu tun. Ist die alegria im Fußball nicht längst eine nostalgische Reminiszenz geworden? Solche Fragen sind nicht dazu da, beantwortet zu werden, sie werden immer wieder neu gestellt. Sie thematisieren, wie sich Menschen in der Welt sehen, wie sie die Welt sehen und sehen wollen.

2014: eine WM wird zum StreitfallIm Vorspiel zur WM von 2014 betreten alle Gespenster und Mythen der Vergangenheit wieder die Bühne. 2003 wird Lula da Silva Präsident Brasiliens und es beginnt eine Phase demokratischer Kontinuität, die in Brasilien bislang unbekannt war. Nach einigen anfänglichen Schwierigkeiten und Skandalen konsolidiert sich das Regierungsprojekt. Der lulismo prägt nun Brasilien, dessen Kern ein nationaler Pakt für Wachstum mit sozialer Umverteilung und eine erfolgreiche Politik der Armutsbekämpfung ist. Anders als in Venezuela oder Argentinien gelingt es dem lulismo zunächst, eine Spaltung der Nation zu verhindern und eine neue politische Hegemonie im Rahmen der bisherigen Institutionen zu etablieren. Für Lula durchlebt Brasilien nun „einen magischen Moment“. Endlich und einmal wieder scheint der nationale Pessimismus überwunden zu sein. Brasilien ist nicht mehr das ewige „Land der Zukunft“, son-dern kann stolz auf seine Gegenwart sein. In diese Erfolgsrhetorik passen WM und Olympische Spiele nur allzu gut. Sie sind die internationale Anerkennung des Landes und Brasilien hat nun die Chance, sich als aufstrebende Macht des Südens zu präsentieren.

2013 schien die Welt – aus der Sicht von Politikern und Herrschenden – noch in Ordnung. Dilma Rousseff war, unterstützt von Lula, 2010 zur Präsidentin gewählt worden und garantierte die Kontinuität des lulismo. Bis Anfang 2013 lief alles gut und die Umfrageergebnisse von Dilma Rousseff waren hervorragend. In einer Rede im April des Jahres 2014 beschwor Rousseff Brasilien noch als Siegerland (país vencedor), das nun endgültig den „Straßenkö-ter-Komplex“ überwunden habe. Der schon lange verstorbene Schriftsteller Nelson Rodrigues war 2013 ein treuer Begleiter der Diskurse über Fußball und Nation: Das offizielle Motto der WM „Brasil – patria das chuteiras“ (dt.: Brasilien, Vaterland der Fußballschuhe) stammt von Rodrigues und bekräftigte wieder die Narrative, dass Fußball viel mehr sei als ein Ballspiel, nämlich ein Operateur nationaler Identität.

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Aber dann passiert etwas, das leicht zu beschreiben, aber schwer zu verstehen ist: die Umfragewerte der Präsi-dentin Dilma Rousseff beginnen ihren Sinkflug und im Juni 2013 explodieren Massenproteste auf den Straßen aller brasilianischen Metropolen und Großstädte – ausgerechnet während des Confederations Cup, der Generalprobe für die Fußball WM.

Die weltweite Überraschung ist groß: ausgerechnet während eines Fußball Events gehen die Brasilianerinnen und Brasilianer auf die Straße, protestieren gegen Regierung und Missstände. Bei den Protesten geht es nicht nur, aber eben auch um den Fußball: die immensen Ausgaben für Stadien werden ebenso kritisiert wie die Politik der FIFA. Die Fußball-WM wird so von einem Projekt der aufstrebenden Nation zu einem politischen Streitfall.

In den Monaten und Wochen vor der WM flauten Proteste, Streiks und Landbesetzungen nicht ab, Brasilien erlebte eine unruhige Zeit. Im Vergleich dazu verlief dann die WM relativ reibungslos. Viele Protestierende wollten die Zeit vor der WM nutzen, nicht die WM selbst. Aber auch eine massive Repression durch Polizei und „Sicherheitskräfte“ und die dadurch erzielte Abschreckung trugen dazu bei, dass Protestaktionen begrenzt blieben. Wie wenig aber die WM zur Vereinigung und Versöhnung der Nation beitragen konnte, zeigt ein Zwischenfall im Eröffnungsspiel: Präsidentin Dilma Rousseff wurde ausgepfiffen und wüst sexistisch beleidigt.

Es waren, wie Lula feststellte, die weißen Eliten, die Dilma angriffen – angesichts der enormen Eintrittspreise eine plausible These. Das Eröffnungsspiel verdichtete in einem Moment das Drama der jüngeren politischen Geschichte Brasiliens: ein großer Teil der Eliten wendet sich vom Projekt des nationalen Konsens, des lulismo, ab und kritisiert die Regierung nicht nur, sondern wendet sich mit Wut und Hass gegen sie. Der Fußball funktioniert nicht mehr als nationales Band, er wird gar zu einer Bühne des Dissenses. Und dann kommt der 8. Juli 2014, an dem Brasilien auf unfassbare Weise 1:7 gegen Deutschland verliert. Aber wie kann diese Niederlage jenseits des Fußballs erklärt wer-den? Sagt uns dieses Ergebnis irgendetwas über Brasilien, die Nation, gar die Welt?

Im ersten Augenblick war die Versuchung, die Niederlage politisch zu nutzen, natürlich groß: „Wir lebten in einem Traum, um jetzt für einen Albtraum aufzuwachen im realen Brasilien“, schrieb Senator Agrepi-na Maia, ein führendes Mitglied des Teams des Oppositionskandidaten Aecio Neves (http://www.cartacapital.com.br/blogs/carta-nas-eleicoes/oposicao-usa-derrota-do-brasil-para-criticar-dilma-1453.html/).

Aber die politische Ausnutzung einer Niederlage ist kurzatmig und leicht zu durchschauen. Trotz des 1:7 wird die angeschlagene Dilma Rousseff im Oktober 2014, wenn auch knapp, im Amt bestätigt. Und die Fußball-WM spielte im Wahlkampf keine Rolle mehr. Einleuchtender erscheint die Analyse von Jorge Luis Souto Maior: „Die Spieler der seleção übernahmen ab dem ersten Spiel der WM die Rolle von ‚Rettern des Vaterlandes‘ in Fußballschuhen... Überzeugt von der Macht der medialen Inszenierung, dass sie Super-Helden seien, und eingestimmt durch eine starke, soziale Emotion, schulterten sie die unerträgliche Last, die Probleme des Landes zu überspielen.“ Diesem Druck waren sie nicht gewachsen.

Im Jahre 2014 war der Fußball nicht in der Lage, ein zerrissenes Volk wieder zusammenzuführen – insofern passt das 1:7 zur Lage der Nation, aber es hat sie nicht verursacht. 2014 wird die Krise des Entwicklungsmodells des lulis-mo offensichtlich. Von Mitte 2015 ist bis heute nach Anstieg der Inflation, einer rigiden Sparpolitik und ausufernden Korruptionsskandalen jeglicher Optimismus verloren gegangen. Die Aufbruchstimmung der frühen Jahre der Re-gierungen Lula / Dilma ist verflogen. Die politische Auseinandersetzung ist zunehmend von Wut und Hass geprägt, der klare Weg eines Projekts von Wachstum mit Umverteilung ist verloren gegangen, die Nation ist gespalten wie nie. Das hat nichts mit Fußball zu tun, aber die Versuchung ist groß, im 1:7 den Spiegel einer Nation in der Krise zu sehen.

Aber vergessen wir nicht, es war ja ein Fußballspiel. Die deprimierendste Interpretation des 1:7 habe ich von dem Soziologen Sérgio Costa gehört: Auf einer Podiumsdiskussion zu den Wahlen in Brasilien sagte er, das Ergebnis habe Traum und Zauber des brasilianischen Fußballs endgültig zerstört. Eine niederschmetternde Diagnose. Im Mythos oder Traum des futebol arte war die Vision einer anderen Identität aufgehoben, einer Identität, die nicht auf Erfolg und Wettbewerb beruht, sondern aus Schönheit und Geschmeidigkeit besteht, die auf etwas Eigenem in einer glo-balisierten Welt insistiert. Alles vorbei, alles nur noch Nostalgie?

Das kann und will ich nicht glauben. Mythen können immer wieder auferstehen. Trost spendet da auch eine alte Fußballweisheit des legendären Trainers Max Merkel: „Die Zeiten ändern sich und sie ändern sich auch wieder.“ Das mag für den Fußball wie für die Politik gelten.2

2 Weitere Literaturhinweise zum Thema: Einen Einblick in die Interpretationen von José Wisnik kann man in folgendem Text auf Deutsch nachlesen: „Weltmeisterschaft 2014. Der Untergang – Poesie und Prosa des brasilianischen Fußballs“, in: Lettre International 109, 2015, S. 126 -131. Alabarces, Pablo: Für Messi sterben?, Frankfurt a.M. 2010. Eines der besten Bücher über den brasilianischen Fußball bleibt nach wie vor: Bellos, Alex, Futebol. Fußball: Die brasilianische Kunst des Lebens, Berlin 2004.

Literaturverzeichnis

Bellos, Alex: Futebol. Fußball: Die brasilianische Kunst des Lebens, Berlin 2004.Bromberger, Christian: Le match de football, Ethnolgie d‘une passion partisaine a Marseille, Naples e Turin, Paris 1995.DaMatta, Roberto: “Futebol – ópio do povo x drama de justiça social“, in: Novos Estudos Cebrap, 4/1982, S. 54–60.Filho, Mário, O Negro no Futebol Brasileiro, Rio de Janeiro 1947.Gutermann, Marcos: O futebol explica o Brasil. O caso da copa de 70, São Paulo 2006.Gutermann, Marcos: O futebol explica o Brasil. Uma historia da maior expressão popular do país, São Paulo 2009.Rodrigues, Nelson: A sombra das chuteiras mortais. Cronicas do Futebol, São Paulo 1993.Rodrigues, Nelson: Goooooool. Brasilianer zu sein ist das Größte, Frankfurt a.M. 2006.Soares, Antonio Jorge: “Futebol brasiliero e sociedade: a interpretação culturista do Gilberto Freyre“, in: Alabarces, Pablo et al., Futebologias: Fútbol, identidad y violencia na América Latina, Buenos Aires 2003.Souto Maior, Jorge Luis: Moral da Copa: a fantasia clama pela racionalidade, http://blogdaboitempo.com.br/2014/07/17/.Wisnik, José Miguel: „Weltmeisterschaft 2014. Der Untergang – Poesie und Prosa des brasilianischen Fußballs“, in: Lettre International 109, 2015, S. 126 -131.Wisnik, José Miguel: Veneno Remédio – O futebol e o Brasil, São Paulo 2008.

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An unexpected ‘Boom’ – observations and reflections on the Brazilian protest movements

by Gabriel Bonadies (Fortaleza)

by Gabriel Bonadies (Fortaleza)

The year was 2013 and something special was happening in Brazilian society. Maybe the imminence of the upco-ming World Cup, maybe finding out that most of the public buildings wouldn’t be ready for people until the start of the games, and the real chance that tons of money would become ghost buildings. But there was definitely so-mething in the air. I remember expressing this very same statement to a German friend during my months studying in Bremen. As a storyteller by profession, some could say that I was being naive and romantic, but it was more akin to a tragicomedy.

At the beginning of 2013, the Brazilians were acting like regular Brazilians: living their lives, caring about nothing but their navels, complaining about everything and doing nothing to change anything. This cultural behavior is solid and strong enough to decimate upwelling urges to change.

It was the same with me: I wanted a better country but I didn’t believe my people would do anything to fight for it. I remember looking through these apathy glasses when the Vinegar Riot started in São Paulo. After all, it wasn’t the first time that some students had organized riots against the rising prices of public transport tickets. No big deal. But then came the Boom.

Dozens became hundreds that became thousands and suddenly there were a million protesting on the streets of São Paulo and Rio de Janeiro. It was very fast and starting to spread. Some groups started to pop up on Facebook and a big event was scheduled in Fortaleza, my city. People were going to protest against FIFA’s corruption and the government’s subservience to it. It would be a civic act, a beautiful revival from the time when people with green and yellow paint on their faces – the “carapintadas” – brought down a corrupt president in the early 1990s. My ex-girlfriend asked if I was going, she is a very cautious person so she believed it would be a peaceful thing that could bring us some answers from the politicians. So we went there, near the Castelão Stadium, there were families, old people, children and again… Boom. Now I understand a protester: everyone’s peaceful until the first spark of violence ignites. The police started shooting gas bombs and rubber bullets at … everyone! By that time I understood that something bigger was going on. She quit, I stayed.

I went to all the other protests and my “natural leadership” turned the spotlight on me. Suddenly, I was being in-terviewed by the local media, talking to the mayor and the governor, being followed by the police and receiving all kinds of messages.

My Facebook got crazy. At the first meeting, the governor started to bandy some political facts about that said: “There’s nothing to complain about! Ceará is okay, the problem is in Brasilia!” I never swallowed that cheap talk. I knew there were worrying things in Brasilia, but Ceará had problems too! I made my point of view public. That was the third Boom. The moment I stepped outside the Legislative Chamber I became public. My cellphone went crazy, I was threatened by mysterious robotic voices, I got invitations from politicians to visit party committees, TV, radio, newspapers and then I started to realize what was going on. We were nothing but lambs, as the song by Zé Ramalho says: “Vida de Gado” (Live like cattle). We were part of a maneuver, an opportunistic attempt to overthrow the President. It became clear to me that, when the people started to use the riot thing to protest locally, that was when things got wild.

Instantaneously, the media started to minimize the police truculence and focused on showing vandalism by the rio-ters. At the same time the mass divided, and some groups started to promote “peaceful and orderly” protest where rich people, elite people and “good citizens” could participate. I received a lot of messages from conservative parties, they wanted so badly to get me on board. I said no. They shot me.

An unexpected ‘Boom’ – observations and reflections on the Brazilian protest movements

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The “socialists” offered me help, paid to have my leg treated (I was shot in the back of my right knee), bought me a cool walking stick and then smoothly asked me to join them. I said no. They said I was being paid by the governor. That I was some kind of minion of capitalism. I’m a business administrator who has specialized in marketing story-telling and works in an ad agency. I get money by making people spend their money. So I’m not a minion, I’m some kind of emissary. But, for them, a guy that likes profit cannot be left-oriented and cannot fight for the people’s right.

Do you see my point here? Right-oriented or left-oriented, it doesn’t matter, they wanted to exploit the situation. They wanted to take over control and they wanted support.

The protests became weak. In 2014, during the World Cup, they were reduced to mere hundreds. I was already stu-dying in Germany when the Brazilians again started to worry less about the issues in their own country and more about the shame of being convincingly beaten by Super Deutschland.

Now, in 2016, I can see with different eyes that our national politics are falling to pieces. Parties are fighting each other. Now the Vice-President’s party is against the President’s party. They are going onto the streets, they want impeachment, they want to assume power again.

The government is using the public machinery to influence people and keep its hands on the steering wheel. While this is happening, the country is suffering from high prices, corruption, avoidable catastrophes, water crises, energy crises and violence.

And the Brazilians? Well, they follow the screenplay, they follow the herd. But some of them are like me: They heard a silent whisper through the Boom. They are wiser and awake now. But what to expect from people aware that their government manipulates them? They will never be lambs again. They will become shepherds or wolves. So let’s wait for another Boom.

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Business Case: Vector Foiltec – experiences of a project leader in Recife during the FIFA Football World Cup 2014 in Brazil

by Rui Marques (Bremen, Ottawa, Lisbon)

by Rui Marques (Bremen, Ottawa, Lisbon)

Vector Foiltec, with its corporate headquarters in Bremen, invented the Texlon® ETFE system over thirty years ago. We have offices worldwide and our production facilities are located in Bremen and Beijing (Peking). Many of the projects we have built, such as the Eden Project in Cornwall or the Olympic Swimming Centre in Beijing – the “Wa-tercube” – are well known around the world. In recent years we have also built several stadia projects in Azerbaijan, Brazil, New Zealand, Switzerland and Russia.

Between 2010 and 2014 we looked towards developing the Southern and Latin American markets where ETFE cladding had not played any significant role up to then. We focused mainly on Brazil for a number of reasons – the huge potential that Brazil offered as an emerging market – but especially due to the unique situation of Brazil hos-ting two large-scale sporting events (FIFA WC 2014 and Summer Olympics 2016). Based on market research, the experience of local partners and several trips to analyze the situation on the ground, we developed a strategy for the Brazilian market. At the beginning of 2012, we achieved a major break-through when the architect and contractor of the football stadium in Recife (now called Itaipava Arena Pernambuco) specified Texlon® ETFE cladding technology. Vector Foiltec was awarded the design and build contract for the 24,500 m2 façade including the steel structure.

Our market development in Brazil began in 2010 and our market strategy was divided into 3 steps: creating aware-ness, educating and project implementation.

Creating awareness was achieved by establishing contact with targeted groups within the construction branch: architects, engineers, construction companies, real estate developers. We started arranging meetings together with a local representative to explain the ETFE technology by means of presentations and discussions. Once we had their interest, which was relatively easy to achieve as most people had already seen our projects in magazines and TV documentaries, came the process of showing project teams how to implement our technology into their projects. The imagination of the architectural teams brought many interesting projects to the development pha-se; unfortunately, owing to several issues, many of these projects were never built, but our discussions were very inspiring and fruitful. An interesting fact we noticed was that the older generation of architects was more open to and flexible about including this “new” technology into their projects, the younger generation was more focused on everyday materials such as concrete, glass and steel. We started seeing project implementation in 2011, which meant that architects were not changing or adapting their projects from other materials or systems to our Texlon® ETFE system but were already designing new projects with the Texlon® system from the very beginning. We saw that as a big step, as this meant that our system was already in the market and in the minds of project design teams.

In parallel to the meetings with project teams we had many meetings with several construction companies, but mainly with the “Big 5” - the five largest construction companies in Brazil. We visited several offices of these com-panies in different cities throughout Brazil, it was impressive to see the dimensions of the country, the size of the ci-ties and the wave of development that was happening everywhere. The visits to the construction companies, many of them on-site visits at construction grounds, helped developers gain knowledge and awareness of our system and we had occasions where the construction companies called the architects directly and told them about this “new” technology; this helped create market awareness on different fronts and levels.

At the end of February 2012, we received a telephone call from the architect of the Arena Pernambuco in Recife, Daniel Fernandes from São Paulo, asking if we were still interested and available to discuss the stadium façade. We had met with the architect several times and he was a very forward thinking young architect, the only architect to have two stadia for the World Cup 2014; his office was also responsible for the modernization of the mythical Maracanã Stadium in Rio de Janeiro.

From this telephone call onwards everything moved quickly as the project was extremely fast track and in July we signed the contract. Project meetings in São Paulo, Recife and Bremen resulted in the project being drastically ch-anged; the entire layout and structure of the façade was changed and adapted to our technology and our structural

Business Case: Vector Foiltec – experiences of a project leader in Recife during the FIFA Football World Cup 2014 in Brazil

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solutions, with one very important detail – construction was well under way and time was of the essence. The main reason we were selected by the architect and construction company was due to our reputation, we had successfully delivered large well-known projects in many countries and our experience had been fundamental to their decision making.

In the meantime, FIFA and the Brazilian organizers of the World Cup 2014 decided that the Arena Pernambuco would be a venue for the Confederation Cup in 2013, which would take place in June of that year. This meant that the entire time schedule was compressed and accelerated to meet this new deadline of delivering at least six months earlier than planned. Our design and engineering team developed the project with the Brazilian project teams and produc-tion in our Bremen factory was happening as the drawings were being finished. Shipping of steel and ETFE began in October/November with the first containers from Bremen arriving on the construction site in December 2012.

In the first days of 2013, the first steel beams of the façade structure were put into place, by the middle of May 2013 the last panels of our Texlon® ETFE system were in place, and in June the Confederation Cup 2013 took place at the Arena Pernambuco. In total 1,100 tons of steel were used and 24,500 m² of ETFE façade were installed in less than six months.

However, in parallel to the project and stadium construction, another entire process was also taking place – the process of establishing an office in Brazil and dealing with local laws and regulations.

The first challenges began with cultural mind-set, the clash of cultures between German-minded engineers and the Brazilian engineers; as time went by both teams learned to work together and accept different methods. The bureaucratic procedures of establishing a company was perhaps the most challenging aspect with many dif-ferent opinions and possibilities given by lawyers and tax consultants. Each had an opinion (always different) and information was always given on a step by step basis – when we thought that we were finally finished and done, another step was introduced; each law practice and tax consultancy we visited gave their own version and possibi-lity, sometime many times depending on the city.

At first we thought of establishing our Brazilian office in São Paulo (SP) as this is the main business city of Brazil. Ho-wever, we realized that several factors made it more sensible to establish our office directly in Recife near the con-struction site, which gave us the possibility of having all our documentation and office equipment available 24 / 7.

Another challenge we faced were the labor laws and employing workers was challenging. We had to take our own installation teams from Europe as they are experts and our technology had never been used in Brazil or South Ame-rica, so finding local experts was not possible. However, Brazilian labor law demanded that for every foreign worker, ten Brazilian workers had to be hired, and to add to this they could not be hired temporarily as is normal practice in the construction of large projects. Once these issues were settled, we had to deal with the daily issues such as wor-kers who would not show up for work some days. During one of our project meetings, our client told me “in Europe a stadium of this size, with the demands of this time schedule, could be built with approximately 1,500 workers, on our construction site there are approximately 40,000 workers!” Nonetheless, our European teams and Brazilian teams managed to work together and overcome the linguistic and cultural differences.

Despite the challenges and many issues that arose before and during the construction, the project was finished on time and it was a great pleasure to be present at the first official Confederation Cup game. It was a good feeling to see the football fans from different nations standing in front of the stadium taking pictures of the new stadium and hearing their positive comments. One year later during the World Cup 2014, Germany played against the USA in the Arena Pernambuco and again it was a great feeling to see the stadium, this time on television.

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Brazil: The Nation of a Thousand Faces

by Gabriel Aragão (Fortaleza)

by Gabriel Aragão (Fortaleza)

Brazil has always been the object of both fascination and amusement for Europeans. The famous explorer Amerigo Vespucci once said, “if the earthly paradise is in some part of this land, it cannot be very far from the coast we visi-ted.” (Markham, 1894, p. 48). Whether what he said about the land was intended as propaganda for the coloniza-tion is debatable; what can be said, though, is that both people and geography of this new world made a very great impact on the explorers.

When the Portuguese conquerors arrived at the Brazilian coast in 1500, Pêro Vaz de Caminha, a Portuguese knight who accompanied the famous conqueror Pedro Álvares Cabral as a secretary to the royal factory, wrote a letter to the king of Portugal describing what they discovered. About the people he said, “their [native] faces and noses are well made, they walk naked, with no shame of it… three or four young women came and their parts were so clean and without any hair that we too had no shame of staring at them.” (Caminha, pp.3-5). About the land, he said, “its waters are endless, if one cares to profit by it, everything planted will grow for the waters can provide.” (Caminha, p. 14).

Brazil is a unique country. Even in its region, Latin America, it has substantial differences to all its neighbors, starting with the language, Portuguese, and being the only long-lasting monarchy in the Americas, the last western nation to abolish slavery completely in its non-colonial lands, and going far beyond that. In most of the nation’s history, starting from colonial times, determinism and Social Darwinism were present and played an important role in so-ciety. In particular, they put the sub-Saharan African ethnic groups at the bottom of the evolutionary and social ladder whereas Germanic and Anglo-Saxon Europeans where considered better and to be followed, even over the colonialists, the Portuguese (Conrad, 1972; Alonso/Dimas/Schwarcs et al., 2009; Finkelman/Miller, 1999).

The exploitative colonization, economic cycles, immigration, slavery and mixing between ethnic groups are factors that create issues until this day (Mattoso, 1986; Klein/Luna, 2010). Social Darwinism was so inherent in Brazilian society that even when the author and philosopher Sílvio Romero (2001), first published in 1887, declared the “mes-tiços” (ethnically mixed people) were the symbol of the nation, he regarded the “savage race”, referring to the indi-genous populations of Brazil, as morally extinct and useless for any purpose. He also considered the disequilibrium between the numbers of German immigrants in the South in relation to the rest of the country to be dangerous to the nation’s unity, since, according to his own words, “with such vigorous population the secession would be inevi-table.” He thus clearly defines them as somehow superior to the rest of the inhabitants of Brazil.

Even Machado de Assis (2014, 2011, 2012) – one of the greatest Latin American writers of all time (Silva, 2010), and a result of a relationship between a Portuguese woman and a Brazilian “mestiço” – in his three greatest novels, originally published in 1880, 1891 and 1899, liked to use Social Darwinism to determine the positions in society.

Although differences between the ethnic groups had such an important role, there is no scientific evidence to sup-port the idea that “races” are a biological concept rather than a cultural one (Templeton, 2013), since the five major “racial” groups of humans are responsible for only 4.3% of human genetic variation, whereas the variation between individuals accounts for more than 93% (Rosenberg et al., 2002).

The population of Brazil, according to Machado de Assis, is immensely mixed. Almost nobody can proclaim them-self, for any intent or purpose, to be “pure”. Such miscegenation gave birth to many Brazilian cultural characteristics and events, such as its traditional mixing between “Churrasco” (barbecue) and “Feijoada” (black bean stew) and, of course, its version of the carnival, which is often described as a time of massification, artificial momentary equality and uncontrolled desires being released (DaMata, 1997). Although Brazilian culture has many important aspects influenced by both Natives and Africans, often featuring food and music, they are overshadowed by the Portuguese aspect, which appears in less obvious examples, but is nonetheless crucially important (Fausto, 2001).

Brazil: The Nation of a Thousand Faces

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According to the book The roots of Brazil of the fabulous intellectual, historian and writer Sérgio Buarque de Ho-landa (1995), first published in 1930, the Portuguese Iberian culture and its adventurous and exploitative form of colonization profoundly influenced much of the Brazilian cultural being and behavior, especially in terms of its view of labor, ambition, work and capital. The scientist Renato Cruz argues in his review that Holanda rejected all direct links between determinist explanations alone and the destiny of the country, especially those related to ethnic groups, religion, weather and cultural heritage, showing them as part of a bigger scheme, instead of main drivers by themselves.

Brazil’s economic cycles have been a great driver, which importantly shaped its colonization, settlement and de-mography (Furtado, 2007), from the extraction of raw materials and sugar cane in the Northeast to the gold in the region of the Minas Gerais (General Mines) in the colonial age (Boxer, 2002), passing through the agricultural, cof-fee-based and free-market liberal economy of the Empire, and finally reaching the early nationalist industrialization and protectionism of the regimes which followed and which focused on the cities of the Southeast at the expense of the poorer regions (Santos, 2013).

A vast number of coup d’états were also main drivers in Brazilian history. The first one was independence itself, where the crown prince of Portugal refused to return to the metropolis and declared himself emperor of Brazil. After 67 years, his son, the second emperor of Brazil, would be deposed by the military, who were briefly followed by an oligarchic republic, now called the Old Republic. In the 1930s, this republic would be illegally replaced by a proto-fascist autocratic regime led by Getúlio Vargas, it was the Vargas Era. After 15 years, the nation was once again a democracy established by the military, who themselves had fought against fascism in Europe. In 1964, a league of conservative and reactionary generals would led a coup d’état against this very republic and start more than 20 years of a paternalist and stern dictatorship. Only in 1985 would the nation return to democracy, in what is now referred to as the New Republic (Fausto, 2001).

During the 1970s, under a military autocracy, the economy experienced great artificial growth, the creation of many publicly owned companies and expansion of easy credit allowed a small middle-class to dream that they had the same standard of living as Europeans and Americans, with much lower productivity and innovation, though. Howe-ver, the vast majority of the population lived under the misery and oppression of the dictatorship. Within a decade, the nation was hit by an economic crisis with no parallel. Inflation reached unprecedented levels, social inequalities got even greater and the country is still paying for the sins of that regime (Neves, 2005).

Inequality has had a major role in the construction of Brazilian society; according to the World Bank (2015), the country had a Gini index of 52.9 in 2013, among the highest on Earth. Although the richest 10% have an income more than 50 times higher than the poorest 10% (OECD, 2015a), among the BRICs, only Brazil has managed to gre-atly reduce inequality within the last decade (OECD, 2011).

The German journalist Jens Glüsing (2013) argues that there is an illusion of racial democracy in Brazil; Afro-Bra-zilians, usually, climb economically and socially only through football or music, one rarely sees them as doctors, lawyers or politicians. Although, unlike the USA and South Africa, Brazil has never had explicit racist laws (Marx, 1998), the law enforcement tends to be more brutal with black and brown suspects (Buckley, 2000) and public authorities sometimes ignore their very existence (Agier, 1995).

Solving these issues is not only a humanitarian cause, but an economic one as well, since inequality generates a gigantic waste of human and capital potential for investment and technological improvement (OECD, 2015b). The differences are present not only within the social classes, but also throughout the country itself. Even the social inequality presents itself in different ways, which is why one must take with a pinch of salt those many books writ-ten by foreign observers who just happened to be in places like Rio de Janeiro and São Paulo and address them as representatives of Brazil as a whole.

Therefore, it can be said that the regions of Northeast, North, Middle-West, Southeast and South have such co-lossal differences that they are sometimes regarded as distinct “Brazils” (Nagib, 2003). The Northeast region had much of its economy under oligarchic control, very high wealth inequality and high rates of unemployment (Araújo, Souza & Lima, 1997). 44% of the DNA composition of its population is African, the biggest in the country, which can be seen in the strong influence of African culture and customs in the once great slave trade ports, such as Salvador da Bahia and São Luís (Alves-Silva et al., 2000).

According to the German liberation theologian Osmar Erwin Gogolok (1980), this region suffered from severe droughts, which had a great impact on the migration from the countryside to the cities, the formation of slums and the minimal social development over hundreds of years. The misery, and the indifference shown by the govern-mental authorities towards the people fleeing these droughts, were described in very important works of literature written by a variety of novelists such as Euclides da Cunha (2012), originally published in 1902; Raquel de Queiroz (2004), originally published in 1930; Graciliano Ramos (2003), originally published in 1938. Many works also descri-bed the solitude, sadness and feeling of “saudade” (nostalgia) of the migrants prevalent in this region (Jack, 2011).

Today’s richest, most populated and industrialized region, the Southeast, was not a very prosperous part of the early colonial Brazil (Dickenson, 1982), it attracted adventurous people who were also viciously eager for wealth; those called the “Bandeirantes” (Hemming, 1978), it must be said, were crucially important to the expansions of the borders eastwards. It was only with the discovery of gold in the 17th century that it started to have real significance in the country. During the Imperial age, it turned into the beating heart of the coffee-based Brazilian economy (Stein, 1986). In the 1900s, it received a significant number of Italian and Spanish immigrants, who were suggested by the Brazilian dominant elite as being culturally superior, thus more suitable than the blacks and “mestiços” for work on the farmlands and in the factories (Domingues, 2003).

It was during the Old Republic that the Southeast really started its serious industrialization; during the Vargas Era it received a boost of governmental incentives, making it by far the richest region in the nation. Today it is the national hub for start-ups, the corporative center of the country, and home of the Brazilian stock market. The South region has the highest HDI, the lowest number of people in extreme poverty (United Nations Development Program, 2013) and it is the only region in the country without slave labor. Such levels make it the most socially developed region.

According to the literary historian May Bletz (2010), it received mostly Germanic immigrants, many rural settlers, who at the beginning were essentially isolated from the rest of the country, even speaking German as their first language in many cases; they were the object of both hatred and xenophobia by nationalist authors and politicians of the time.

It had the most successful secessionist movement in Brazilian history, it advocated a republic, liberalism, freedom to the slaves and democracy. This took place between the years 1835 and 1845 and ended with an agreement bet-ween the rebels and the Empire. They would be given an amnesty, some autonomy and more liberalistic laws; the rebellion was unsuccessful in its ultimate goals, though (Fausto, 2001).

The North region is the least populated and has the lowest GDP of all, even though, according to the Brazilian In-stitute of Geography and Statistics (2010) (IBGE), it is the biggest in size, occupying roughly 45% of the country. It comprises the extremely bio-diverse Amazon rainforest and the Amazonian River (Balée, 2015). Its population is mainly composed of a mixture of Europeans and Natives. It can be described as one of the most iconic places in Brazil; since the beginning of Brazil as a nation it has been a point of interest of European governments, especially the Germans, who have sent many botanical and art expeditions.

The region is also a great point of interest to German tourists nowadays, for example, according to a study made by Brazil’s Ministry of Tourism (2014a); in 2012, 67.20% of the European tourists in the state of Amazonas were from Germany. Such dominance of one single nation is not seen in any other state. The reasons for this have yet to be fully discovered, however.

The diversity in its biomes, culture and people is down to the vast expanse of the country’s territories and natural riches. Therefore, unlike most South American countries, the Brazilian economy is not heavily dependent on com-modities and its economic cycles are not closely linked with the USA’s upturns and downturns. Nevertheless, it now suffers from the same problems as its neighbors, low commodity prices and depreciated currency, hitting both export sector and internal consumer market (IMF, 2015a).

According to the International Monetary Fund (2015b) (IMF), Brazil’s economy is facing its most serious crises in more than two decades. The country’s GDP is projected to contract between 1% and almost 2.5% in 2015, its private sector is regarded as facing persistent weakness and many regions are starting to suffer from water and electricity rationing.

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Such is a country with so many faces, which can be described as having a peace-loving state and people yet at the same time have more than 22,000 killings by law enforcement agencies in just its two most populated states bet-ween 1993 and 2011; its murder rates also increased dramatically in the last decade (Núcleo de Violencia da USP, 2012). However, it is also known for its ethnic and cultural diversity, and for having a low racism profile in its very public organizations.

A country where both Amazon rain forest and its “infinite” waters, and the semiarid region which suffers from very severe droughts, also coexist. A country that receives tourists so well and at the same time has cases of xenophobia and racism toward immigrants from places such as Haiti.

A place where “Favelas” (slums) and luxury houses are separated by only a few hundred meters. Where the same people twice elected an ex-communist guerrilla fighter and an extremely conservative congress. Where wonderful beaches and grotesque sewers share the same space.

A nation built upon the idea of easy money made by exploiting the land and its people, which at the same time has hundreds of millions of its citizens working and dreaming of thriving by their own labor and effort. A Colony turned into an Empire, succeeded by an Oligarchy, a Fascist regime and a brief period of democracy, which was betrayed by those who swore to protect it and only faded away 20 years later.

A young democracy, which still has much to learn. The nation of Football, Samba, Caipirinha, friendly, warm and open people. The nation of veiled racism, billionaire corruption scandals, extremely high levels of violence and inco-me inequality. The nation with the biggest biodiversity in this world, the nation that still uses rivers as sewers and has water scarcity problems.

The country of Pelé, Gisele Bündchen, but also the country of many Joãos, Franciscos, Marias and Antônios. The land of the future that still struggles to slip away from its past. The nation which cannot be described with words or thoughts, but with feelings and emotions.

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Medienmarkt Brasilien – was es am Zuckerhut zu gewinnen gibt

von Manoella Barbosa (Hamburg / Belo Horizonte)

von Manoella Barbosa1 (Hamburg / Belo Horizonte)

Bislang haben wenige deutsche Medienhäuser im größten Land Südamerikas Geschäftsfelder für sich entdeckt. Dabei könnten Manager von der brasilianischen Machart lernen.

Viel Stoff für internationale Medien, auch in Deutschland, bietet der flächen- und fünftgrößte Staat der Erde spä-testens seit der landesweiten Protestwelle 2013. Das gewaltsame Aufeinandertreffen von Demonstranten und Po-lizisten warf ein schlechtes Licht auf Brasilien. So war die Berichterstattung der internationalen Medien bereits ein Jahr vor der WM negativ geprägt. Der „Spiegel“ widmete dem Land des Fußballs einen Monat vor Anpfiff am 12. Mai 2014 mit der Zeile „Tod und Spiele“ seine Titelstory. Auf dem Cover ist ein brennender Ball abgebildet, der auf den Zuckerhut zurast. Beinahe als wäre das Horrorergebnis 1:7 in diesem Bild der Vernichtung vorweggenommen worden. Im Jahr 2016 beherrschen das Impeachment gegen die Präsidentin Dilma Rousseff, Korruptionsskandale, die Spaltung der Gesellschaft in Dilma Gegner und Befürworter, Massenproteste, Missstände im Hinblick auf die olympischen Spiele deutsche wie internationale Medien.

Brasilien ist aber mehr als Fußball, Samba, Korruption und Protest. In Wirtschaft und Bildung ist das Land ein wichtiger Partner für Deutschland – auch für die Medienbranche. Um die deutsch-brasilianischen Beziehungen zu vertiefen, initiierte das Deutsche Auswärtige Amt das Jahr „Deutschland + Brasilien 2013-2014“ mit zahlreichen Veranstaltungen in beiden Ländern. Premiumpartner der WM 2014 waren Allianz, Bayer, BASF, BMW, Bosch, Lan-xess, Mercedes-Benz, Siemens, VW und der Autozulieferer ZF Friedrichshafen. Medienhäuser wie Bertelsmann oder Hubert Burda Media treiben seit ein paar Jahren die Expansion in dem südamerikanischen Land voran. Dabei gilt der Medienmarkt am Zuckerhut als schwierig.

Dies mag auch daran liegen, dass der brasilianische Medienmarkt seit mehr als 50 Jahren in der Hand einiger weniger Großfamilien, wie den Marinhos, liegt. Ihnen gehört das Konglomerat Organizações Globo. Globo ist das mächtigste Medienunternehmen im Lande und steuert das führenden Broadcast-TV-Netzwerk sowie Internet-Content- und Ser-viceanbieter, einen Filmverleih, ein Musik-Label, einen Zeitschriftenverlag und den führenden Pay-TV-Programm- anbieter.

Um die 4.100 Zeitungen gibt es, darunter die vier Tageszeitungen „Folha de São Paulo“, „Estado de São Paulo“, „O Globo“ und „Valor Econômico“ mit nationaler Bedeutung. Von den sieben überregionalen TV-Ketten sind vier kom-merziell. Dazu kommen zwei überregionale Kabelgesellschaften und rund 9.100 Rundfunkkanäle (davon ca. 5000 regionale).

Ähnlich wie in Deutschland haben auch in Brasilien Verlage mit sinkenden Printauflagen zu kämpfen. Laut dem Instituto Verificadorde Circulação (IVC), dem Pendant zur hiesigen IVW, das Print- und digitale Auflagen in seiner Ausweisung erst ab diesem Jahr voneinander trennt, sank die Gesamtauflage um 3,1 %. Die Zahl der Abonnements blieb mit 0,04 % stabil, der Einzelverkauf büßte hingegen 9,2 % ein. Dem gegenüber stieg die Reichweite der vom IVC gemessenen Digitalversionen vom ersten zum zweiten Halbjahr 2013 um 5,8 %. Der Zeitschriftenmarkt ist primär über die Lizenzierung ausländischer Titel gewachsen. So vertreibt Condé Nast beispielsweise die fünf Titel „Glamour“, „Casa Vogue“, „GQ“, „Vogue“ und „Vogue Passarelas“.

Deutsche Lizenzausgaben sind rar. Zuletzt erschien bei Editora Escala Ltda von März 2009 bis Februar 2014 die bra-silianische Version von „Geo“. Laut Sandro Aloisio, Editorial Director „Geo“ Brasil, scheiterte der Titel unter anderem am brasilianischen Wirtschaftssystem. „Unsere Wirtschaft ist ein Hindernis für Verträge in anderen Währungen. Die operativen Kosten wurden zu hoch“, sagt Aloisio. „Unsere Idee war, von ‚Geo‘ Deutschland zu profitieren und es in Brasilien zu etablieren. Wir wollten dem Konzept nach und nach ein brasilianisches Flair verpassen. Leider hatten wir die Zeit dafür nicht. Der Werbemarkt verstand nicht wirklich, was für ein exzellentes Produkt wir auf der Hand hatten. Es ist bedauerlich.“ G + J ist nun lediglich über die Tochtergesellschaft Motorpress Brasil Editora mit

1 Dieser Text basiert auf einer Version, die bereits in Kress-Report erschienen ist. Allerdings ist dieser Artikel aktualisiert worden und liegt in erweiterter Fassung vor.

Medienmarkt Brasilien – was es am Zuckerhut zu gewinnen gibt

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sechs Titeln in Brasilien vertreten. Aufgrund der restriktiven Medienregulierung sei eine Expansion nicht interes-sant, heißt es am Hamburger Baumwall.

In Brasilien ist es untersagt, dass ausländische Unternehmen Mehrheiten an einheimischen Medien übernehmen können. „Ohne die Möglichkeit, langfristig in eine Mehrheit zu kommen, ist der brasilianische Zeitschriftenmarkt für Gruner + Jahr unattraktiv“, sagt Unternehmenssprecher Claus-Peter Schrack. „Würde sich Gruner + Jahr an einem brasilianischen Verlag oder Titel beteiligen wollen, könnten wir dort erstens nur bedingt im operativen Geschäft Einfluss nehmen und zweitens das Geschäft nicht konsolidieren.“ Ausnahmen seien technische Publikationen: „Das Land ist dort etwas flexibler, deswegen können die Kollegen von Motor Press auch Publikationen wie den Autotitel ,Carro Hoje‘ herausgeben.“

Hubert Burda Media hingegen arbeitet an einer eigenen Gesellschaft in Brasilien. Im November 2012 ging man dazu ein Joint-Venture-Agreement mit dem Partner und Lizenznehmer TailorMade media Lda ein, dessen Ziel es ist, ein Multi-Plattform-Modell für die Marke Burda Style zu schaffen. „Mit meinen Teams in Portugal und Spanien konnte ich bereits wertvolle Erfahrungen mit diesem Multi-Plattform-Modell sammeln“, sagt Ian Levy, Gründer und Ge-schäftsführer von TailorMade media Lda. Über die Plattform will Burda Leser über verschiedene Kanäle, wie eine Online-Community, Social-Media-Auftritte, Kurse und Veranstaltungen, erreichen. Wann die Plattform in Brasilien starten soll, ist nicht bekannt.

Bisher wagte nur ein deutscher Medienmacher den umgekehrten Weg und lizenzierte eine brasilianische Publika-tion auf dem hiesigen Markt: Thomas Garms holte 2010 „Trip“ nach Deutschland, brachte drei Ausgaben auf den Markt und legte das Projekt zunächst wegen einer schwierigen wirtschaftlichen Situation auf Eis. Seit April 2012 erscheint das Heft regelmäßig im Terra Oceanis Verlag. Garms, der im Hauptjob Manager und Mitglied der Ge-schäftsleitung bei Axel Springer Schweiz ist, tritt als „Trip“-Chefredakteur und Herausgeber auf. Die Publikation ist die erste internationale Lizenzausgabe der 1986 gegründeten gleichnamigen brasilianischen Zeitschrift.

Für Garms ist die Internationalisierung von brasilianischen Zeitschriften noch ein schwieriges Feld: „Verlage in Bra-silien sind nicht sonderlich erfahren im Lizenzgeschäft. Kleinen brasilianischen Medienunternehmern fehlt die Rou-tine, und es ist dann schwer, geregelte Abläufe zu installieren.“ Schließlich bedeute ein Lizenzgeschäft, dass man ohne Reibungsverluste zusammenarbeite und der Transfer der Inhalte schnell und unbürokratisch geregelt werde. Außerdem gebe es, so Garms, nicht viele originäre Zeitschriften in Brasilien. „Den Löwenanteil der Publikationen bestimmen brasilianische Ausgaben von internationalen Titeln wie zum Beispiel,Playboy‘ oder ,Cosmopolitan‘“, sagt er. „Im Digital-Geschäft und TV hingegen ist Brasilien sehr innovativ.“

Tim Fabian Besser, Inhaber der Unternehmensberatung Besser International in Berlin und São Paulo und ehemaliger International Licensing Director bei Axel Springer, sieht die Situation ähnlich: „Die brasilianischen Verlage haben es verpasst, eigene Kreationen zu produzieren, die zu Brasilien passen und gleichzeitig international eine Bedeutung haben.“ Es herrsche mit dem Unternehmen Dinap ein Monopol im Zeitschriften-Vertriebssystem. Und Dinap gehöre dazu noch zur Editora Abril, einem der größten Zeitschriftenverlage vor Ort. „Das heißt, auch Fremdverlagshäu-ser sind auf das Vertriebssystem eines Konkurrenten angewiesen. Das macht vielen Verlagen in der Praxis große Schwierigkeiten“, sagt Besser. Der Manager berät Firmen in Europa und Lateinamerika (insbesondere Brasilien) bei Online-Medien-Publishing und E-Commerce. Aus Bessers Sicht gibt es zwei Bereiche in Brasilien, die für deutsche Medienunternehmer interessant sein könnten: „Das eine sind Nischen im Zeitschriftenbereich, also im Fachzeit-schriften- und Special Interest-Segment, die noch nicht besetzt worden sind.“ Außerdem hält er Investitionen in digitale Geschäftsmodelle für lukrativ: „Dabei spreche ich weniger von Content-Angeboten als von transaktions-basierten Modellen, wie zum Beispiel E-Commerce, die andere Erlösquellen haben als das reine Anzeigengeschäft.“

Digitale Geschäftsmodelle stehen neben dem Bildungsgeschäft in Brasilien im Fokus von Bertelsmann: Im Juni 2012 eröffnete der Konzern aus Gütersloh ein eigenes Corporate Center in São Paulo mit dem Ziel, bestehende Ge-schäfte weiterzuentwickeln und neue aufzubauen. Für Thomas Mackenbrock, Leiter des Corporate Centers, ist das Thema Bildung essenziell in Brasilien: „Das Land ist schon heute einer der weltweit größten Bildungsmärkte. Und es gibt einen großen Nachholbedarf: sowohl im Bereich der regulierten Bildung, sprich Hochschulbildung, als auch im Bereich der weiterführenden, nicht regulierten Bildung.“

Deswegen gründete Bertelsmann Anfang des Jahres mit einem brasilianischen Partner einen Fonds mit einem Vo-lumen von 100 Mio. Reais (rund 30 Mio. Euro). „Dieser Fonds konzentriert sich auf Investitionen in Education-Tech-nology-Firmen, also in junge, innovative Unternehmen, die digitale Angebote im Bildungsbereich entwickelt haben“, sagt Mackenbrock. „Wir haben beispielsweise mit dem Fonds in eine Firma investiert, die adaptive Lernangebote anbietet. Eine andere Portfolio-Firma bietet B2B-Distribution für Bildungsinhalte an“.

Sollten deutsche Medienmanager Brasilien als Investitionsfeld ins Auge fassen, sollten sie die kulturellen Unter-schiede nicht unterschätzen, rät Tim Fabian Besser. Zwar gebe es eine kulturelle Nähe zwischen den Ländern, die Verhandlungen einfacher mache als beispielsweise in asiatischen Märkten. „Trotzdem gibt es starke Unterschiede, was Verbindlichkeiten und Zusagen anbelangt. Das ist jetzt nicht schlechter oder besser als in Deutschland; es han-delt sich einfach um unterschiedliche Wahrnehmungen.“

Besser schätzt die Spontanität: „Brasilianische Partner sind sehr flexibel und in der Lage, trotz bürokratischer Hin-dernisse kurzfristig zu reagieren und zu improvisieren, wenn es drauf ankommt.“ Thomas Garms lobt seine südame-rikanischen Kollegen in zweierlei Hinsicht: „Erstens, die in visueller Kraft gespiegelte Lebensfreude. Brasilien hat hervorragende Fotografen und Art-Direktoren, sowohl im Print als auch im Webdesign. Zweitens besitzen brasilia-nische Journalisten oft große Investigationskraft und ein gutes, kreatives Gespür für neue Themen.“ Damit meint er beispielsweise Reporter, die unerschrocken in die Tiefe gehen, über eine bildreiche Sprache verfügen und oft auch literarisch arbeiten. „Diese Leute verfügen über eine besondere Art, Themen zu inszenieren, die man in Deutschland nicht immer findet“, so der „Trip“-Herausgeber. Die Lebensfreude und die „positive Grundstimmung“ sind ebenfalls für Thomas Mackenbrock wichtig. Brasilianer verfügten in vielen Dingen auch noch über ein zusätzliches Maß an Kreativität, betont der Bertelsmann-Manager. „Es gibt sozusagen brasilianische Antworten auf bestimmte Heraus-forderungen bzw. Fragestellungen, die häufig besonders kreativ und innovativ sind – und die wir in Europa und den USA gar nicht kennen.“

Mackenbrock wehrt sich dagegen, Brasilien als „Entwicklungsland“ zu bezeichnen: „Der Mediensektor in Brasilien bietet eine reichhaltige Landschaft, die sich über die letzten Jahrzehnte sehr professionell entwickelt hat. Wir kön-nen von der kreativen Herangehensweise in Brasilien viel lernen.“

Brasiliens große Medienvielfalt im Überblick

• ca. 4.100 Zeitungen, davon folgende vier Tageszeitungen mit nationaler Bedeutung: „Folha de São Paulo“, „Estado de São Paulo“, „O Globo“, „Valor Econômico“

• die beliebtesten Wochenzeitschriften sind: „Veja“, „Época“, „Carta Capital“ und „Isto É“• zu den vier führenden Verlagen gehören Editora Abril, Editora Globo, Editora Três, Editora Escala• sieben überregionale TV-Ketten, davon vier kommerzielle Anbieter: Rede Globo, SBT, Rede Bandeirantes und

Rede Record sowie drei öffentlich-rechtliche Sender wie Rede TV!, TV Brasil, TV Cultura• ca. 9.100 Rundfunkkanäle (davon 5.000 regional).

Quelle: Auswärtiges Amt/ kress-Recherche.

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Fair trade in Brazil

by José Carlos Lázaro da Silva Filho (Fortaleza) and Maria Mislene Rosado de Souza (Piauí)

by José Carlos Lázaro da Silva Filho (Fortaleza) and Maria Mislene Rosado de Souza (Piauí)

IntroductionThe goal of fair trade (FT) is to reduce the number of middlemen between producers and consumers and to raise prices to producers, improving their income (Bossle, 2011). According to Maia et al. (2007), fair trade is an attractive and feasible alternative way of income generation for many productive communities around the world. Owing to its holistic approach to the production chain, fair trade encourages sustainable and socially responsible production (Bossle, 2011). Not surprisingly, a fair trade certification has proven to be an efficient mechanism for the promotion of sustainable development. If, at the one end, there are consumers interested in supporting such production, at the other end of the chain some producers are trying to meet this demand; in Brazil, one of the producer chains more aligned with this concept is the production chain of honey. Here we will present one case.

The Northeast Brazilian umbrella organization Casa Apis (short for “Central de Cooperativas Apícolas do Semiárido Brasileiro”) was founded in 2005 in order to support small-scale honey producers, add value to products and ex-pand domestic and foreign markets. It was the first Brazilian cooperative of honey exporters to obtain FT certificati-on (CODEVASF, 2006). Modeled on the PROMEL framework (a poverty alleviation and income generation program), Casa Apis is a social enterprise encompassing eight cooperatives (960 beekeepers) scattered over 52 municipalities in Piauí and Ceará. The headquarters are located in Picos (Piauí) 310 km from the state capital (Teresina). Currently the largest social enterprise in the honey-producing sector in semiarid Northeastern Brazil, Casa Apis helps improve the quality of life of thousands of people in Piauí and Ceará through the generation of direct and indirect jobs and income.

Reviewing concepts: Fair tradeFair trade constitutes a feasible option for income generation among small-scale producers, and an efficient stra-tegy for gaining access to markets worldwide (Maia et al., 2007). According to Mahé (2010), interest among consu-mers in socially responsible products and services has grown considerably over the past decades. More and more consumers prefer ethically certified products and goods labeled with FT certification marks. The author adds that many products complying with FT certification standards currently meet the expectations of the emerging market of socially aware consumers, and that such consumers are willing to pay more for certified products. The presence of a FT certification mark is synonymous with product quality and a manifestation of support for small-scale pro-ducers previously penalized by unfair trade agreements (FLO, 2013).

The concept of fair trade developed concomitantly on both sides of the Atlantic (Pedini, 2011) after World War II. The European movement was started by Christian churches concerned with the need for fair trade processes between developed and developing countries, whereas the American movement was pioneered by groups of volun-teers engaged in humanitarian aid to craftspeople in other countries exporting their products to the US. In addition, as pointed out by Wilkinson (2007), the development of fair trade was stepped up by the United Nations Conference on Trade and Development (UNCTAD) held in India in 1968, whose catchphrase was “trade not aid”. UNTCAD pro-posed supporting developing countries by means of trade rather than solidarity. The notion of “trade not aid” laid the foundation for healthy FT relations between developed and developing countries. Advocates of fair trade argued that the former should not retain all the trade benefits, nor merely return a meager part of the benefits in the form of development aid (FLO, 2013).

The first concrete actions of the FT movement were taken in the 1940s and 1950s (Schneider, 2012). At this time, alternative trade organizations (ATO) were created to build awareness among consumers and provide support for imports, exports and logistics. In the late 1970s and early 1980s, US and Canadian traders reached an agreement with producers and implemented a network known as the North American Alternative Trade Organization (NAATO), which was formally incorporated into the Fair Trade Federation (FTF) in 1994 (Schneider, 2012). Fair trade practices spread slowly at first through networks of missionaries and religious events, but eventually the growing popularity of the concept among consumers led to the organizational structures of the existing networks being modernized (Schneider, 2012).

Fair trade in Brazil

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Despite their mutual independence, the early FT organizations developed similar frameworks of principles and gui-delines, which became an important support for making international FT policies. The need to disseminate FT pro-ducts, while setting them apart from non-certified products, and the problem of low prices for commodity products led to the creation of a label identifying FT products worldwide. Thus, in 1988, the Dutch ecumenical development agency Solidaridad created the first FT certification mark, called the Max Havelaar label (Schneider, 2012). Slowly but steadily, fair trade has been gaining the confidence and preference of hosts of consumers worldwide and, th-rough channels and partners, improving the quality of life of small-scale producers and their families.

Definitions of fair tradeFair trade was designed to favor and strengthen socioeconomically disadvantaged producers in developing coun-tries. The adoption of fair trade not only benefits marginalized small-scale producers, workers and their families by raising income levels and promoting quality of life, these benefits are extended to the entire production chain and to society at large (Mahé, 2010). The World Fair Trade Organization (WFTO, 2013) adopts the definition of fair trade provided by the International Fair Trade Association (IFAT): “the fair trade movement seeks to promote greater equity in international trading partnerships through dialogue, transparency and respect. It promotes sustainable development by offering better trading conditions to, and securing the rights of, marginalized producers and wor-kers in developing countries.”

Dialogue, transparency and respect are crucial elements of fair trade, along with the improvement of trading condi-tions and the protection of producers and workers‘ rights. Through training and guidance in sustainable production, producers are able to contribute to sustainable development without compromising business performance. Howe-ver, fair trade goes beyond criteria for fair business processes and proposes an equitable and mutually satisfactory exchange which both improves producers‘ circumstances and gives consumers the opportunity to help correct injustices inherent in conventional trade arrangements.

As suggested by the Max Havelaar Foundation (2013), the concept of fair trade is not only an attractive medium for commercial relations, but also a fully fledged alternative business model. As such, it creates stability and ensures the subsistence of small-scale producers and other workers in underprivileged regions. Characteristically, fair trade is never limited to economic considerations, but generates a wide spectrum of social, environmental, cultural and political benefits.

Common principles of fair tradeFair Trade International (FLO) promotes four common principles: Social development, economic development, en-vironmental development, and prohibition of forced labor and child labor. These principles are considered in all FT standards applicable to small-scale producers and workers and their organizations (FLO, 2013). According to FLO (2013), the principle of social development requires an organizational structure capable of marketing a product which is not currently in demand. Members should participate in decision-making processes and no social group should be discriminated against. Contractors should respect the social rights and safety standards of workers in FT organizations.

The principle of economic development requires that buyers pay the minimum price for goods in addition to a pre-mium. The premium is managed by a FT committee which may distribute it as a cash bonus or invest it collectively in sustainable projects or social needs identified by workers (FLO, 2013). Usually about 30% of the premium is invested in projects, favoring producers, workers and their communities both individually and collectively (Max Havelaar France, 2013).

As for environmental development, FT criteria require organizations to adopt sustainable agricultural practices which protect the environment through safe disposal of residues and avoidance of genetically modified organisms. Organizations and producers need to fully understand how these principles apply to production and business in or-der to entertain the prospect of obtaining FT certification for their products. Certification of a cooperative requires that individual members, regardless of scale, all agree to and comply with FLO principles and criteria (FLO, 2013).

Organizations of small-scale honey producers and advantages of certificationAccording to FLO (2013), in so-called small producer organizations members should primarily be small-scale far-mers not dependent on full-time hired labor, but who primarily rely on their own and their family’s labor. All mem-bers should participate in the decision-making process and profits should be fairly distributed.

Table 1: Price of Brazilian honey and fairtrade premiums.Status: 31 January 2014

Product QualityPrice applied to

Currency / Unit

Price level

Minimum fairtrade price

Fairtrade premium

Price in effect since

Honey Conventional “A” World (SPO)

BRL/1 kg FOB 2.55 0.20 1 Jan 2011

Honey Organic “A” World (SPO)

BRL/1 kg FOB 2.95 0.20 1 Jan 2011

Honey Conventional “B” World (SPO)

BRL/1 kg FOB 2.30 0.20 1 Jan 2011

Honey Organic “B” World (SPO)

BRL/1 kg FOB 2.66 0.20 1 Jan 2011

Source: Fair Trade International (FLO,2013).

Among the advantages of fair trade for small-scale producers are fair prices and premiums. The natural environ-ment also benefits from fair trade as a result of the adoption of sustainable production practices (FLO, 2013). In view of the increasing popularity of FT-certified products among consumers, fair trade is advantageous for traders and companies seeking to expand their markets. Consumers are pleased to realize they have the power to have a positive impact on the lives of others, especially those at the bottom of the production chain. Following FLO guidelines for certified organizations, a FT cash premium is awarded in addition to the annual production. Table 1 shows Brazilian honey prices and FT premiums for the year 2014.

The additional pay allows producers to invest in social, economic and environmental development projects, favoring partnerships and meeting market requirements. Furthermore, FLO (2013) determines that the payment be made directly to the cooperatives, not to the members. Also, if requested by the producer, buyers must pre-finance up to 60% of the contract value. Despite being a relatively new development, fair trade is the object of quite an extensive body of literature. An article by Bossle and Pedrozo (2012) entitled “Fair trade: at which stage are we?” provides a state-of-the-art review of the subject. According to their analysis, publications from the UK and the US are predo-minant in this field, with a special mention of the Journal of Business Ethics (Bossle and Pedrozo, 2012). A Brazilian caseIn Brazil, the concept of fair trade is well developed and many case studies have been published (Sampaio; Alves, 2013; Vieira, 2012; Silva Filho, Cantalice, 2011; Rocha; Mendes, 2011; Moreira et al., 2011; Schmitt; Moretto Neto, 2011; Martins, 2011; Gomes, 2010; Tabosa et al., 2010; Vieira et al., 2010; Vieira and Maia, 2009;Fontes 2007; Maecarenhas 2007).

In the present study, we describe the case of Casa Apis (short for Central de Cooperativas Apícolas do Semiárido Brasileiro) due to its important role as a solidarity enterprise and vector of sustainable development in semiarid Northeastern Brazil. According to the Development Agency of the São Francisco Valley and the Parnaiba Valley (CODEVASF, 2006), Casa Apis was established under the auspices of PROMEL, a Northeast Brazilian poverty allevi-ation and income generation program which, among other things, fosters apiculture and supports underprivileged populations through changes in the production chain.

Inaugurated on 2 April 2005 in Picos (Piauí), Casa Apis was designed to be the largest honey processing enterprise in Latin America. Currently, membership consists of 960 beekeepers affiliated with eight cooperatives in 231 loca-tions scattered over 52 municipalities in Piauí and Ceará (Casa Apis, 2014).

Investments in partnerships and continual efforts to improve production processes to meet FT certification stan-dards have brought Casa Apis closer to fulfilling its social and economic mission. The addition of value to the pro-duct supplied in natura by beekeepers has increased the organization‘s market share and competitiveness in the global market and has eliminated the presence of middlemen between producers and consumers. This has led to considerable improvements in the quality of life and income of small-scale beekeepers and their families.

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Casa Apis (2014) oversees 32 honey processing facilities and one industrial plant with an annual capacity of 2,000 tons. Using its own means of transportation, each cooperative delivers honey to Casa Apis for processing, bottling and marketing (Figure 1).

Figure 1: Casa Apis. Operational flow chart.

Source: Casa Apis (2014).

Casa Apis is located in Vale do Guaribas, which includes the following municipalities: Acauã, Alagoinha do Piauí, Alegrete do Piauí, Belém do Piauí, Betânia do Piauí, Bocaina, Caldeirão Grande do Piauí, Campo Grande do Piauí, Caridade do Piauí, Dom Expedito Lopes, Francisco Santos, Fronteiras, Geminiano, Itainópolis, Jacobina do Piauí, Jaicós, Marcolândia, Massapê do Piauí, Monsenhor Hipólito, Padre Marcos, Paquetá, Patos do Piauí, Paulistana, Picos, Pio IX, Queimada Nova, Santana do Piauí, Santo Antônio de Lisboa, São João da Canabrava, São José do Piauí, São Julião, São Luís do Piauí, Simões, Sussuapara, Vera Mendes, Vila Nova do Piauí, Francisco Macedo, Curral Novo do Piauí and Aroeira (Casa Apis, 2014) (Figure 2).

Figure 2: Vale do Guaribas (Piauí, Brazil), location of the umbrella organization Casa Apis.

Source: Casa Apis (2014).

Most of the cooperatives affiliated with Casa Apis are located in the state of Piauí: CODERVAP (Cooperativa de Desenvolvimento Rural do Vale do Rio Piracuruca Ltda., in Piracuruca), COOABEL (Cooperativa Apícola Batalha/Esperantina Ltda., in Esperantina), MELCOOP (Cooperativa dos Apicultores do Piauí, in Picos), COMPAI (Cooperativa Mista de Pequenos Agricultores de Itainópolis, in Itainópolis), COOPARN (Cooperativa Apícola da Região de São Raimundo Nonato, in São Raimundo Nonato) and COOPASC (Cooperativa de Apicultores e Produtores Rurais do Ter-ritório Serra da Capivara, in Anísio de Abreu). Only one cooperative is located in Ceará: COAPIS CARIRI (Cooperativa Mista dos Apicultores do Cariri, in Santana do Cariri) (Figure 3).

Table 2: Honey production of each Casa Apis cooperative.

CooperativeAmount of honey produced (kg)2010 2011 2012 2013

COODERVAP 32,279.50 84,617.00 73,826.00 64,116.00

COOABEL 18,686.50 19,408.50 12,996.00 11,050.00

MELCOOP 127,014.00 314,812.60 66,822.00 238,346.00

COMPAI 15,636.00 58,868.90 11,922.00 52,592.00

COOPIX 21,797.00 50,143.30 0.00 1,128.00

COOPARN 1,579.00 45,218.40 0.00 6,150.00

COOPASC 17,967.50 120,749.60 0.00 25,638.00

COOAPIS Cariri 6,495.50 6,432.00 0.00 0.00

TOTAL 241,455.50 700,250.30 165,566.00 399,020.00

Source: Casa Apis (2014).

Figure 3: Geographical location of cooperatives affiliated of the umbrella organization Casa Apis.

Source: Casa Apis (2014).

Despite its best efforts to increase production, income and competitiveness, Casa Apis occasionally suffers set-backs in productivity due to fluctuations in the region‘s semiarid climate. Prolonged droughts (as observed over the past four years) are not uncommon, and honey production plummets when rainfalls are below average. Thus, the Center of Cooperatives and Solidarity Projects (UNISOL, 2014) reported a reduction in honey production from 700 tons in 2011 to 165 tons in 2012, mostly as a result of the drought (see Table 2).

In 2013, Casa Apis reported BRL 3.3 million in revenues from bulk exports to the US, Canada and Germany. On the domestic market, Casa Apis sold honey in jars and squeeze bottles to supermarket chains such as Wal-Mart (UNISOL, 2014, online). Table 2 shows the honey production of each Casa Apis cooperative over the last four years. According to Casa Apis (2014), the largest international honey buyer (bulk exports) is Lamex Foods Inc. (US), fol-lowed by Wholesome Sweeteners (US). The largest buyers on the domestic market are Wal-Mart/Bom Preço and CONAB (bottled products). Currently, 90% of the honey processed by Casa Apis is exported in bulk form (UNISOL, 2014). The managers of Casa Apis are currently expanding the organization‘s client portfolio by seeking buyers wil-

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ling to pay higher prices. To do so, while competing against other global honey value chains, great efforts are made to comply with all legal and market requirements, especially through certifications.

The application for certification was preceded by a number of changes in production processes, which added value to products and raised the income of beekeepers and their families. Casa Apis is currently certified by SIF (federal agency for inspection of export goods), PAS/MEL (a Brazilian food safety program, GMP-HACCP) including 32 ho-ney processing facilities, IBD (Biodynamic Institute, fair trade inspection and certification of organic products) in-cluding 674 beekeepers, and FLO (Fairtrade Labeling Organizations) covering 4 cooperatives and 868 beekeepers (Casa Apis, 2014).

According to CODEVASF (2007), the German organization FLO-CERT awarded Casa Apis FT certification in 2007, making Casa Apis Brazil‘s first certified honey exporting cooperative. These certifications created new markets for honey produced in semiarid Northeastern Brazil and brought social and economic progress to communities involved directly or indirectly (Casa Apis, 2014).

Table 3 provides information on honey sales over the past few years.

As shown in the table, honey sales on the domestic market and foreign markets are on the increase overall, both in terms of volume and revenues, despite the setback in 2012 caused by the prolonged drought afflicting Northeastern Brazil.

Final remarks about the fair trade results in locoBeekeepers affiliated with Casa Apis enjoy advantages that were previously unheard of. These include the right to social organization of the production, increased production (multiplication of hives), increased productivity (as a result of training and technical support), product diversification (technological advances), added value, increased income (certifications and market intelligence), business ownership, and higher living standard (Casa Apis, 2014). These advantages are directly or indirectly associated with certifications, especially FT certification.

Casa Apis beekeepers do not use agrochemicals, practice slash-and-burn farming or deforestation. In fact, many help raise the environmental awareness of their neighbors. They negotiate with the authorities when special pro-tection is needed for the natural areas surrounding their farms, and run projects of caatinga1 reforestation.

1 Caatinga is a Brazilian Biome of the Semiarid region.

Table 3: Casa Apis’ Sales volume and honey prices in the period 2009-2013.

Year Destination Volume (kg) Amount (BRL) No. containerDomestic market 15,120.00 35,728.00

2009 Foreign market 335,120.00 1,466,096.19

TOTAL 350,240.00 1,501,824.19 18

Domestic market 31,000.00 128,319.00

2010 Foreign market 185,920.00 982,454.12

TOTAL 216,920.00 1,110,773.12 11

Domestic market 54,139.00 341,432.32

2011 Foreign market 507,920.00 2,750,132.00

TOTAL 562,059.00 3,091,564.32 27

Domestic market 55,481.50 598,893.72

2012 Foreign market 206,920.00 1,256,536.00

TOTAL 262,401.50 1,855,429.72 11

Domestic market 60,619.11 809,851.91

2013 Foreign market 323,680.00 2,505,171.08

TOTAL 384,299.11 3,315,022.99 17

Source: Casa Apis (2014).

As for the cultural implications of FT implementation, the case demonstrated that cooperatives with FT certificati-on have historically been able to maintain the endogenous roots of their production models, preserve local culture and acknowledge diversity of ethnicity, religion and any other social identity. The cooperatives merely changed the production techniques which were detrimental to nature or offensive to human beings. In the case of Casa Apis, certification provided the autonomy required to create national endogenous development projects within the um-brella structure.

In the political realm, certification tends to strengthen democracy in terms of human rights within the production chain by demanding that all actors involved in the production process participate in the decision making. Certification also brought greater awareness among Casa Apis beekeepers regarding child labor, the importance of formal schooling, and proper working conditions for beekeepers and their assistants.

The introduction of Casa Apis into the global honey value chain owes much to FT certification. Thanks to the FT label, Casa Apis now exports to the US and to Europe, setting an example of an equitable development partnership between developed and developing countries (Sachs, 2009).

Economically, FT certification and fair premiums have increased the circulation of money in the beekeeping com-munity, making it possible for small-scale producers to purchase motorcycles, cars, household appliances and real estate. Honey processing facilities have been renovated and modernized by investing fair premium money. In other words, FT practices have been crucial in the balanced development of the honey production chain in semiarid Northeastern Brazil.

The social benefits of FT certification are closely related to the economic aspects. Higher income generally leads to improvements in the quality of life. The new production chain is much more stable and sociologically adequate than the conventional trading systems, favoring well-being and confidence in the future.

Casa Apis beekeepers generally reported positive impacts from FT certification, including certainty of sales, ma-king it possible to plan for the future. Over the following years, a reasonable and sustainable social homogeneity is expected to develop within the local honey production chain, allowing equal access to social services and resources. Changes towards a more just income distribution are perceptible in the cooperative. These changes go hand in hand with greater autonomy and social equality. The authors believe that harmonizing small-scale family economy and entrepreneurial efficiency - two often opposite outlooks - has made the beekeepers, as well other FT producers, more resilient in the competition against large-scale producers on the world market.

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Mediation in Deutschland und Brasilien – ein Vergleich der gesetzlichen Grundlagen

von Claudia Bärmann-Bernard (São Paulo), Vera de Hesselle (Bremen) und Sebastian Rünz (Köln)

von Claudia Bärmann-Bernard (São Paulo), Vera de Hesselle (Bremen) und Sebastian Rünz (Köln)

EinführungMediation und weitere alternative Methoden der Streitbeilegung, wie Schlichtung und Schiedsverfahren, stellen wichtige Instrumente für die selbstbestimmte Lösung und Beilegung von Konflikten dar. Sie sind in diesem Sinne – in einer raschen und effizienten Weise – als bedeutende Mittel des Zugangs zur Rechtspflege zu werten, eines wichtigen Grundrechts sowohl in Deutschland als auch in Brasilien, das in einem demokratischen Rechtsstaat je-dem Bürger zu gewähren ist.Anlass für die folgende Darstellung und den Vergleich der gesetzlichen Grundlagen der Mediation in beiden Staa-ten ist das Bestreben, angemessene, schnelle und wirksame Wege und Möglichkeiten der Konfliktbewältigung zu finden. Dies ist in einer internationalisierten und grenzüberschreitenden, auf schnelle Ergebnisse, aber auch nach-haltige Beziehungen zielenden Umgebung von besonderer Bedeutung.

Historische Entwicklung der Mediation Der Einsatz der Mediation in Europa und Deutschland begann ca. Ende der 1980er Jahre, nachdem das Verfahren zuvor in den USA als alternative Konfliktlösung unter dem Begriff ADR (Alternative Dispute Resolution) bekannt geworden ist. ADR bezeichnet allgemein alternative Streitbeilegungsmethoden, u.a. auch Mediation. Bereits 1999 wurden auf EU-Ebene erste Vereinbarungen erzielt, die den Mitgliedstaaten auferlegten, außergerichtliche Streit-beilegungsmechanismen einzuführen und zu fördern.1 Nach mehrjährigen Beratungen verabschiedete das Europäi-sche Parlament am 21.5.2008 die Richtlinie 2008/52/EG2 (Mediationsrichtlinie), die für den grenzüberschreitenden Rechtsverkehr für Zivil- und Handelssachen geschaffen wurde. Über grenzüberschreitende Sachverhalte hinaus sollen die Mitgliedstaaten mit allen geeigneten Mitteln die Qualität der Mediation sowie deren Inanspruchnahme fördern.3 Durch das deutsche Mediationsgesetz vom 26.7.20124 ist die Mediation für alle Gerichtszweige – sogar auch für den finanzgerichtlichen Prozess5 – eröffnet worden. Der deutsche Gesetzgeber ging damit erheblich über den von der EU vorgegebenen Rahmen hinaus, der lediglich grenzüberschreitende Zivil- und Handelssachen erfasst. Keine Anwendung hingegen findet die Mediation in Strafsachen. In Strafsachen gibt es stattdessen – normiert in § 46a StGB – einen freiwilligen Täter-Opfer-Ausgleich als Maßnahme der außergerichtlichen kommunikativen Aus-einandersetzung zur Regelung der Folgen des Konflikts und zur Wiederherstellung des sozialen Friedens zwischen Täter und Opfer.6 Ein gelungener Täter-Opfer-Ausgleich kann bei der Strafzumessung berücksichtigt werden.

In Brasilien gab es im Jahr 1998 erste Bestrebungen, der Mediation als alternative Streitbeilegung einen rechtlichen Rahmen zu geben.7 Nach verschiedenen Gesetzesentwürfen und zahlreichen Stillständen im Rahmen der Ausar-beitung fanden sich über Jahre hinweg allerdings nur vereinzelte Regelungen zur Mediation und zur Schlichtung, die in verschiedenen Vorschriften verstreut waren.8 Erst im Jahr 2013 wurde eine Fachkommission einberufen, die ein umfassendes Mediationsgesetz erarbeitete. Der im Rahmen dieser Arbeitsgruppe entwickelte Gesetzentwurf

1 Vgl. zur geschichtlichen Entwicklung: Stadler, Astrid, Außergerichtliche obligatorische Streitschlichtung – Chance oder Illusion, NJW 1998, S. 2479.

2 ABl. L 136 vom 24.5.2008, S. 3.3 BT-Drs. 60/11, S. 13.4 Gesetz zur Förderung der Mediation und anderer Verfahren der außergerichtlichen Konfliktbeilegung.5 Vgl. § 155 FGO, der auf § 278 Abs. 5 und § 278a ZPO verweist. Die Einbeziehung des Finanzgerichts erfolgte u.a. auf Betreiben

des Bundeslandes Bremen. 6 Vgl. Kaspar, Johannes, Mediation und konsensuale Konfliktlösung im Strafrecht, NJW 2015, S. 1642 (S. 1643).7 Salomão, Luis Felipe, O marco regulatório para a mediação no Brasil; in Migalhas, URL: http://www.migalhas.com.br/dePeso/16,-

MI221467,101048-O+marco+regulatorio+para+a+mediacao+no+Brasil (Stand 21.07.2015); de Pinho, Humberto Dalla Bernar-dina, A mediação no direito brasileiro: evolução, atualidades e possibilidades no projeto do novo Código de Processo Civil, Âmbito Jurídico, Rio Grande, XIV, n. 89, jun 2011, URL: http://www.ambito-juridico.com.br/site/?n_link=revista_artigos_leitura&arti-go_id=9685&revista_caderno=21 (Stand 21.07.2015) .

8 So zum Beispiel Art.447 et seq. Código de Processo Civil, Lei 5.869/1973 zur Schlichtung (conciliação) - ; Resolução No. 125 de 29.11.2010 do Conselho Nacional de Justiça (CNJ), mittels derer im Rahmen der Kompetenz des CNJ die öffentliche Politik zur Bewältigung von Interessenkonflikten, auch mittels einvernehmlicher Instrumente, wie Schlichtung und Mediation, entwickelt wurde.

Mediation in Deutschland und Brasilien – ein Vergleich der gesetzlichen Grundlagen

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wurde kürzlich verabschiedet und am 29.06.2015 im Diário Oficial da União, dem brasilianischen Amtsblatt, veröf-fentlicht; das Gesetz tritt nach Ablauf von 180 Tagen beginnend mit der Bekanntmachung in Kraft.9

Auch ohne einheitlichen Rechtsrahmen war das Mediationsverfahren der brasilianischen Streitbeilegungspraxis bisher nicht fremd. Die Mediation gewann gemeinsam mit der Schiedsgerichtsbarkeit in den vergangenen Jahren in Brasilien neben den klassischen Gerichtsverfahren zunehmend an Bedeutung. Dennoch sind die brasilianischen Gerichte immer noch erheblich überlastet.10 Ein durch zwei Instanzen geführtes gerichtliches Verfahren dauert in Brasilien im Regelfall acht bis zehn Jahre. 11

Verhältnis zu weiteren Formen der alternativen Streitbeilegung und zu anderen gesetzlichen RegelungenDas deutsche Bundesverfassungsgericht hat in einer Entscheidung aus dem Jahre 200712 ausführlich festgehalten, dass der einverständlichen Lösung einer streitigen Rechtslage auch in einem Rechtsstaat der Vorrang gegenüber einer gerichtlichen Streitentscheidung zu geben ist. Dabei unterscheiden sich zwar die unterschiedlichen Verfahren etwa danach, ob ein Dritter einen Regelungsvorschlag unterbreitet – dann Schlichtung – oder ob lediglich eine Verhandlungsstruktur gewährleistet werden soll, welche es den Parteien ermöglicht, einen eigenen Vorschlag zu entwickeln – dann Mediation.13 Auch ließe sich eine Unterscheidung zwischen gerichtlichen und außergerichtlichen ADR-Verfahren bilden. Das BVerfG unterstreicht die Effektivität außergerichtlicher Streitbeilegung am Beispiel der Schlichtung. Es argumentiert, dass sich Beteiligte normalerweise als Prozessparteien gegenüber stünden und jede für den anderen der (potentielle) Verfahrensgegner sei. Beim Schlichtungsverfahren trete eine neutrale Person hin-zu, die sich um eine Einigung zwischen den Parteien bemühe. In kontradiktorischen Zivilverfahren komme es häufig zu Einigungen in Form von Vergleichen, was seitens des Gerichts als positiv beurteilt wird.14

Von der Mediation werden auch im brasilianischen Recht andere Formen der Streitbeilegung wie die Schlichtung (conciliação) oder das Schiedsverfahren (arbitragem) unterschieden. Die Schlichtung hebt sich von der Mediation in der brasilianischen Rechtspraxis vor allem dadurch ab, dass der Schlichter den Parteien konkrete Vergleichsvor-schläge machen kann. Ihm kommt somit im Gegensatz zum Mediator, der die Parteien lediglich darin unterstützt, selbst eine einvernehmliche Lösung für ihr Problem zu finden, eine begrenzte Entscheidungsmacht zu. Schließlich gibt es in Brasilien auch ein Gesetz zur Schiedsgerichtsbarkeit15. Der Schiedsspruch hat unter den Par-teien die Wirkung eines rechtskräftigen Urteils.

In Deutschland existiert kein spezielles Bundesgesetz zur Schiedsgerichtsbarkeit. Die Einrichtung von Schiedsstel-len ist aber in zahlreichen Gesetzen vorgesehen, so z.B. im Wohnungseigentumsgesetz, in Bauangelegenheiten, in Versicherungsangelegenheiten oder auch in anderen Verfahren. Gleichzeitig sehen Verfahrensordnungen vor, dass vor einem gerichtlichen Verfahren zunächst ein Versuch der außergerichtlichen Streitbeilegung erfolgen soll.16 Nach § 15a EGZPO kann durch Landesgesetze die Zulässigkeit einer Klage in Zivilsachen vor den Amtsgerichten davon abhängig gemacht werden, dass vor einer anerkannten Gütestelle zuvor eine Einigung versucht worden ist. Dies betrifft vermögensrechtliche Ansprüche bis 750,– EUR sowie Ansprüche zum Beispiel aus dem Bereich des Nachbarrechts und der Verletzung der persönlichen Ehre.

Am 17.03.2016 trat in Brasilien eine geänderte Zivilprozessordnung in Kraft.17 Ziel der Änderungen ist unter an-derem die Beschleunigung von Zivilprozessen und die Förderung alternativer Streitbeilegungsmöglichkeiten. So finden sich in der neuen Zivilprozessordnung auch zahlreiche Vorschriften zur Mediation und Schlichtung.Danach soll der Staat die einverständliche Streitbeilegung fördern, wann immer dies möglich ist (Art. 3 § 2o). Me-

9 Lei 13.140/2015 vom 26. Juni 2015, abzurufen unter: http://www.planalto.gov.br/ccivil_03/_Ato2015-2018/2015/Lei/L13140.htm (Stand 23.07.2015).

10 Conselho Nacional de Justiça, Departamento de Pesquisas Judiciárias, Justiça em números 2014 (Erfassungsjahr 2013), Grafik 10, 11 und 12: dargestellt wird die Zahl der jährlich neu hinzukommenden, der bearbeiteten und der noch laufenden Verfahren. Daraus ergibt sich, dass von 100 anhängigen Fällen jährlich ca. 30 Fälle beendet werden; Seligman, Felipe/ Pombo, Bárbara, Lei da Mediação inaugura segunda etapa da Reforma do Judiciário, Jota, URL: http://jota.info/comeca-a-segunda-etapa-da-refor-ma-do-judiciario (Stand 21.07.2015) .

11 Schmidt, Jan Peter, Schiedsgerichtsbarkeit und Mediation in Deutschland und Brasilien, Jahrestagung der Deutsch-Brasilianischen Juristenvereinigung e.V., SchiedsVZ 2011, S. 101.

12 Vgl. BVerfG v. 14.2.2007 - 1 BvR 1351/01, NJW-RR 2007, 1073. Es handelte sich hier um einen Nichtannahmebeschluss des Bundesverfassungsgerichts, aufgrund der Abweisung einer Schadensersatzklage eines nordrhein-westfälischen Klägers wegen Nichtdurchführung eines Schlichtungsverfahrens nach § 10 Gütestelle- und Schlichtungsgesetz NRW (GüSchlG NRW).

13 Vgl. dazu Wolf, Christian, Zivilprozess versus außergerichtliche Konfliktlösung, Wandel der Streitkultur in Zahlen, NJW 2015, S. 1656.

14 Vgl. BVerfG v. 14.2.2007 - 1 BvR 1351/01, NJW-RR 2007, S. 1073.15 Lei 9.307/1996, Lei de Arbitragem, geändert durch Lei 13.129/2015 vom 26.05.2015.16 Z.B. Schlichtungsgesetze der Länder Brandenburg, Hessen, Niedersachsen, Hamburg, Berlin, Thüringen etc.17 Lei 13.105/2015 vom 16. März 2015, Código de Processo Civil, welches am 17.03.2015 bekanntgemacht wurde und am 17.03.2016

in Kraft trat.

diation und andere Mittel alternativer Konfliktlösung sollen durch Richter, Anwälte, öffentliche Verteidiger und Mitglieder des Ministério Público angeregt und stimuliert werden, auch während eines Gerichtsverfahrens. Dabei bewahrt die neue Zivilprozessordnung den Grundcharakter der Mediation als freiwilliges Verfahren und gibt den Parteien die Möglichkeit, die Mediation abzulehnen.18

Das Verhältnis dieser Regelungen der neuen Zivilprozessordnung zum Mediationsgesetz wirft gleichzeitig einige Fragen und Unklarheiten auf. Im neuen Art. 167 § 5 finden sich beispielsweise Einschränkungen hinsichtlich der Person, die als Mediator tätig werden will. So dürfen laut Zivilprozessordnung Personen, die als Mediatoren arbeiten wollen, nicht gleichzeitig als Anwalt an den jeweiligen Gerichten, an denen sie ihre Funktion ausüben, tätig sein. Im Mediationsgesetz findet sich eine Regelung in Art. 6, nach der ein Mediator an der Beratung oder Vertretung der Parteien des Mediationsver-fahrens für die Dauer von einem Jahr ab der letzten Mediationssitzung, an der er teilnahm, gehindert ist. Darüber hinaus darf er nicht als Schiedsrichter oder als Zeuge in Gerichts- oder Schiedsverfahren auftreten, in denen er als Mediator aktiv war. Und während das Mediationsgesetz einen Universitätsabschluss seit mindestens zwei Jahren sowie die Absolvie-rung eines von der zuständigen Institution anerkannten (Fort-)Bildungslehrgangs für Mediatoren nach den Min-destanforderungen des CNJ gemeinsam mit dem Justizministerium verlangt, wird in der Neuen Zivilprozessord-nung als Minimalqualifikation lediglich die Absolvierung eines Lehrgangs einer anerkannten Einrichtung verlangt.19 Hier wird Klarstellung seitens des CNJ erwartet im Rahmen von entsprechenden aktualisierten Regelungen im Rahmen der Resolution No.125/2010.

In Deutschland ist der Begriff „Mediator“ keine geschützte Berufsbezeichnung. Nicht nur Juristen, sondern bei-spielsweise auch andere Berufsgruppen wie Psychologen oder Pädagogen bieten Mediationsleistungen an. Es ist unverkennbar, dass die Kenntnis der Rechtslage bei jeder Mediation in juristischen Angelegenheiten von Vorteil ist, eine Ausübungsvoraussetzung ist sie aber nicht.

Hauptregelungspunkte der Mediationsgesetze in Deutschland und Brasilien1. Hauptregelungspunkte des deutschen MediationsgesetzesAllein die gerichtliche Mediation findet sich in der Zivilprozessordnung. Demgegenüber wird die außergerichtliche Mediation im Mediationsgesetz geregelt. Dieses ist allerdings eher ein Rahmen der Berufs- und Zertifizierungsvor-gaben für Mediatoren und es enthält keine konkreten Vorgaben für den strukturierten Ablauf der Mediation. Das Mediationsgesetz beginnt mit der Definition der Mediation als vertrauliches und strukturiertes Verfahren, bei dem Parteien mit Hilfe eines Mediators, der keine Entscheidungsmacht hat, freiwillig und eigenverantwortlich eine einvernehmliche Beilegung ihres Konflikts anstreben (§ 1). Es enthält Regelungen zum Verfahren und für die Auf-gaben des Mediators (§§ 2, 3), für seine Neutralität (§ 1 Abs. 2), Offenbarungspflichten (§ 3), Verschwiegenheits-pflichten (§ 4), Fortbildungsverpflichtungen (§ 5), sowie den Hinweis auf ein Forschungsprojekt Bund/Länder zur Evaluierung der Auswirkungen des Gesetzes (§§ 8, 9). Bei den Regelungen zum Verfahren in § 2 fällt auf, dass dort kein spezieller Ablauf des Mediationsverfahrens ge-setzlich normiert ist, vielmehr gibt hier der Gesetzgeber lediglich Rahmenvorschriften, so z.B. die Freiwilligkeit, die Voraussetzungen zur Hinzuziehung von Dritten, die Beendigungsmöglichkeit durch die Parteien und den Mediator. Es handelt sich damit also vor allem um schützende Regelungen zugunsten der Medianten, nicht hingegen um Vorgaben zur Mediationstechnik selbst. Dies ist insoweit konsequent, da die Parteien aufgrund ihres Selbstbestim-mungsrechts die „Herrinnen“ des Verfahrens sind.Der Mediator ist nach § 3 verpflichtet, allen Parteien ungefragt und unverzüglich diejenigen Tatsachen mitzuteilen, welche seine Unabhängigkeit oder Neutralität beeinträchtigen können. Ist ihm dies nicht möglich, z.B. weil er in an-derer Sache zur Verschwiegenheit verpflichtet ist, muss er die Mediation ablehnen.20 Die Verschwiegenheitspflich-ten beziehen sich sowohl auf Situationen außerhalb der Mediation als auch gegenüber der anderen Konfliktpartei. Entsprechend dem Prinzip der Selbstbestimmtheit obliegt es den Medianten, den Grad an Vertraulichkeit in der Mediationsvereinbarung zu bestimmen.Im Hinblick auf eine Tätigkeitsbeschränkung darf eine Person nach § 3 Abs. 2 nicht als Mediatorin agieren, wenn sie vor oder während der Mediation in demselben Konflikt oder einem Teil dessen für eine der Konfliktparteien tätig war bzw. ist. Nach erfolgter Mediation darf sie ebenfalls nicht mehr in derselben Sache tätig werden. Dieser Ausschluss gilt nach § 3 Abs. 3 auch für Personen, die mit dem Mediator in derselben Berufsausübungs- oder Bürogemeinschaft verbunden sind. Aus diesem Grund empfehlen Wirtschaftskanzleien die Mediation als alter-

18 Diese Möglichkeit wird dem Kläger mittels Zurückweisung in der Klageschrift und dem Beklagten mittels Zurückweisung nach Zustellung, aber mindestens 10 Tage vor der Verhandlung, gegeben (Art. 334 CPC-2015, Lei 13.105/15).

19 Die Anforderungen hierzu obliegen der Definition durch den CNJ gemeinsam mit dem Justizministerium.20 MüKoFamFG/Ulrici, § 3 MediationsG Rn. 4.

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native Streitbeilegung derzeit noch wenig, da sie durch diese Vorgabe eigene Umsatzverluste befürchten.21 Durch die dadurch bedingte mangelnde Aufklärung der Parteien wird die gesetzgeberische Intention faktisch umgangen, zumindest nicht gefördert. Der Ausschluss für die Person des Mediators nach dem vorgenannten Abs. 2 ist absolut, d.h. die Exklusion kann nicht durch das Einverständnis der Parteien aufgehoben werden. Nicht absolut hingegen ist der Ausschluss für die Personen, die mit ihm in Berufsausübungs- oder Bürogemeinschaft verbunden sind (§ 3 Abs. 4), mithin z.B. bei Berufskollegen einer Wirtschaftskanzlei.

2. Hauptregelungspunkte des brasilianischen MediationsgesetzesDas Gesetz umfasst gemäß Art. 1 die Mediation als Mittel der Konfliktlösung zwischen Privatpersonen sowie im Be-reich der öffentlichen Verwaltung und wird definiert als Aktivität eines unabhängigen Dritten ohne Entscheidungs-macht, der von den Parteien ausgewählt oder akzeptiert wird und der diese unterstützt und anregt, einvernehmli-che Lösungen für eine Streitigkeit zu identifizieren bzw. zu entwickeln. Eine Legaldefinition, bzw. eine Abgrenzung zur Schlichtung gibt es nicht.In Art. 2 werden als Grundsätze der Mediation die Unparteilichkeit des Mediators, die Gleichheit der Parteien, die Mündlichkeit, die Unförmlichkeit, die Freiwilligkeit, die Konsenssuche, die Vertraulichkeit und der gute Glaube ge-nannt.Gegenstand von Mediation können Streitigkeiten über abdingbare Rechte bzw. über unabdingbare Rechte, die eine gütliche Einigung zulassen, sein. Letztere unterliegen der gerichtlichen Anerkennung und der Anhörung durch das Ministério Público. Eine Mediation in arbeitsrechtlichen Angelegenheiten obliegt der Regulierung durch ein geson-dertes Gesetz, wird also von diesem neuen Mediationsgesetz nicht umfasst. Auch eine Mediation in Strafsachen wird nicht ermöglicht.Falls vertraglich eine Mediationsklausel vorgesehen ist, müssen die Parteien zur ersten Mediationssitzung erschei-nen; es besteht jedoch keine Verpflichtung, im Mediationsverfahren zu verbleiben.Art. 46 des Mediationsgesetzes sieht ferner vor, dass die Mediation auf elektronischem Weg, via Internet oder andere Kommunikationsmittel, geführt werden kann, die eine Durchführung auf Distanz zwischen den Parteien ermöglichen. Erforderlich ist das Einverständnis der Parteien hierzu. In den Art. 4 bis Art. 13 werden Regelungen darüber getroffen, wie der Mediator gewählt wird, welche Aufgabe er hat, welche Offenbarungspflichten ihn treffen und inwiefern er in seiner Tätigkeit auf Grund seiner Unparteilichkeit eingeschränkt ist. Der Mediator wird durch das Gericht ernannt oder von den Parteien selbst gewählt (Art. 4). Das Gesetz unterschei-det zwischen gerichtlichen und außergerichtlichen Mediatoren. Während an einen außergerichtlichen Mediator keine Anforderungen an Registrierung und Zugehörigkeit zu einer Berufsklasse oder -verband gestellt werden, hat der gerichtliche Mediator einen entsprechenden Abschluss und Registrierung in einem von den Gerichten vorzuhal-tenden Register nachzuweisen. Nach Art. 24 sind bei den Gerichten Zentren zur Durchführung von außergericht-licher und gerichtlicher Streitbeilegung zu schaffen, ferner haben die Gerichte ein entsprechendes Verzeichnis der Mediatoren anzulegen (Art. 12).Das Gesetz trifft detaillierte Regelungen über den Verfahrensablauf der Mediation. Es wird somit ein gewisser Min-destrahmen geschaffen, der zu einem geregelten, standardisierten Ablauf führen dürfte. Die Mediationsverhand-lungen beginnen an dem Tag, an dem das erste Mediationstreffen stattfindet. Während des Mediationsverfahrens ist die Verjährung gehemmt (Art. 17). Entscheiden sich beide Parteien während eines Gerichts- oder Schiedsverfah-rens für eine Mediation, wird das entsprechende Verfahren unterbrochen. Diese Entscheidung ist nicht anfechtbar, mithin können nicht gleichzeitig in derselben Angelegenheit eine Mediation und ein gerichtliches oder schiedsge-richtliches Verfahren geführt werden. Der Erlass von einstweiligen Maßnahmen durch den (Schieds-)Richter wird durch die Unterbrechung des Verfahrens nicht betroffen und bleibt daneben möglich. Zu Beginn der ersten Media-tionsverhandlung hat der Mediator die Mediationsparteien zunächst über die Verschwiegenheitspflichten im Medi-ationsverfahren zu informieren (Art 14). Während der Mediation kann er mit den Parteien sowohl gemeinsame als auch einzelne Gespräche führen (Art. 19). Die Mediation endet durch die einvernehmliche Beilegung des Konflikts oder durch Bekundung der Parteien, dass weitere Mediationsverhandlungen nicht erfolgversprechend sein werden (Art. 20). Im brasilianischen Mediationsgesetz ist der Mediator ein Jahr lang an der Tätigkeit für eine der Parteien gesperrt, für die er zuvor als Mediator tätig gewesen ist (Art. 6). Die brasilianische Regelung beinhaltet damit eine zusätzliche Sicherungsmaßnahme für die Gewährleistung der Unparteilichkeit des Mediators. In Fragen des Anwaltszwangs wird zwischen außergerichtlichen und gerichtlichen Mediationsverfahren unter-schieden. Während im außergerichtlichen Mediationsverfahren kein Anwaltszwang besteht, so müssen die Medi-ationsparteien bei der gerichtlichen Mediation anwaltlich vertreten sein (Art. 26). Ausnahmen bestehen bei gerin-

21 Zur Problematik der Wirtschaftskanzleien, die aufgrund des Neutralitätsgebotes die mediierende Streitbeilegung wenig empfeh-len, Pasetti, Monika, Wirtschaftsmediation als Dienstleistung von Wirtschaftskanzleien, SchiedsVZ 2015, S. 134.

gem Streitwert.22 Hinsichtlich der gerichtlichen Mediation können die Parteien einen durch das Gericht ernannten Mediator nur unter den sehr eingeschränkten Voraussetzungen, unter denen ein Richter abgelehnt werden darf, zurückweisen (Art. 5). Außerdem ist im gerichtlichen Mediationsverfahren, wie bei Gerichtsverfahren, bei entspre-chendem Nachweis der fehlenden finanziellen Leistungsfähigkeit eine Unterstützung durch die Defensoria Pública vorgesehen.Gemäß Art. 30 ist jegliche Information im Zusammenhang mit dem Mediationsverfahren im Verhältnis zu Dritten vertraulich. Diese Pflicht erstreckt sich sowohl auf den Mediator, die beteiligten Parteien, ihre Vertreter, Anwälte, Berater und andere Personen, die unmittelbar oder mittelbar am Mediationsverfahren beteiligt waren, sowie auf die in Art. 30 § 1o genannten Dokumente und Verfahrenshandlungen. Von dieser grundsätzlichen Verschwiegen-heitspflicht werden Ausnahmen zugelassen, wenn die Information für die Umsetzung der Mediationsvereinbarung notwendig ist, wenn die Offenlegung der Information per Gesetz verlangt wird oder die Parteien ausdrücklich diese Ausnahme vereinbaren. Die Information hinsichtlich einer Straftat23 ist nicht von der Verschwiegenheitsregel des Art. 30 umfasst. Darüber hinaus kann die Verschwiegenheitspflicht gemäß Art. 30 die anderweitig bestehende Pflicht zur Information an die Steuerverwaltung nach Abschluss der Mediationsvereinbarung nicht ausschließen. Ein Verstoß gegen die Verschwiegenheitspflicht führt im brasilianischen Mediationsgesetz gemäß Art. 30 § 2 zu einem Beweisverwertungsverbot in Gerichts- oder Schiedsgerichtsverfahren. Das Gesetz trifft weiterhin allgemeine Regelungen zur Mediation, wenn juristische Personen des öffentlichen Rechts bzw. die öffentliche Bundesverwaltung in die Mediation involviert sind. Diese Regelungen gehen mit ähnli-chen Änderungen im Schiedsgerichtsbarkeitsgesetz einher. Generell soll der Weg einer alternativen Streitbeilegung mit Beteiligung der öffentlichen Verwaltung durch die Schaffung eines rechtlichen Rahmens forciert werden. Die öffentliche Hand soll dadurch Konflikte schneller und effizienter lösen können. Für Investoren und Staat bedeuten explizite gesetzliche Regelungen für Mediations- und Schiedsgerichtsverfahren mit öffentlicher Beteiligung mehr Sicherheit bei der Umsetzung von vertraglichen Schieds- und Mediationsklauseln und damit ein höheres Maß an Sicherheit für geplante Projekte.24

Gemäß Art. 32 ist die Mediation sowohl für Konflikte innerhalb der öffentlichen Verwaltung, aber auch zur Streit-beilegung zwischen der öffentlichen Verwaltung und Privatpersonen vorgesehen. Hierzu können der Bund, die Länder und die Gemeinden entsprechende Konfliktpräventions- und Konfliktlösungs-kammern etablieren. Solange diese Mediationskammern nicht bestehen, richtet sich die Mediation nach den allge-meinen Vorschriften des neuen Mediationsgesetzes über die Mediation der Art. 14 bis Art 20.Der Mediation im Bereich der öffentlichen Verwaltung nicht unterfallen können Verwaltungsakte oder die Gewäh-rung von Rechten, die der Genehmigung durch die gesetzgebenden Organe unterliegen. Mediationsverfahren sind möglich im Bereich von Streitigkeiten im Hinblick auf öffentliche (Dienst-)Leistungen sowohl bei Verträgen der Ver-waltung mit Privatpersonen, wenn das wirtschaftlich-finanzielle Gleichgewicht in Frage steht. Besondere Regeln gelten gemäß Art. 38 bei der Mediation im Bereich der Steuerverwaltung.Bei Konsensfindung der Parteien wird eine entsprechende Mediationsvereinbarung geschlossen, die als außerge-richtlicher Vollstreckungstitel gilt (Art. 32 § 3o).

Rechtsvergleichende AspekteIn beiden Ländern ist die Mediation grundsätzlich im privaten wie auch im öffentlichen Recht anwendbar. In beiden Rechtsordnungen hat der Mediator keine Entscheidungsmacht über die Sache, es existieren ähnliche Verschwie-genheits- und Offenbarungspflichten des Mediators gegenüber den Parteien.Unterschiede bei den Mediationsgesetzen bestehen dahingehend, dass das brasilianische Mediationsgesetz zwi-schen gerichtlicher und außergerichtlicher Mediation unterscheidet, während das deutsche Mediationsgesetz ausschließlich die außergerichtliche Mediation regelt. Die Möglichkeit der gerichtlichen Mediation ergibt sich in Deutschland aus der Zivilprozessordnung. Das brasilianische Mediationsgesetz ist deutlich detaillierter ausgestaltet als das deutsche Mediationsgesetz, ins-besondere hinsichtlich der gerichtlichen Mediation und des Anwaltszwangs. Während der brasilianische Mediator ein Jahr lang für die Tätigkeiten zugunsten einer der Parteien gesperrt ist, ist der deutsche Mediator lediglich für Tätigkeiten in derselben Angelegenheit der Partei gesperrt. Hingegen darf er die Partei durchaus in anderen Angelegenheiten beraten und vertreten. Der Ausschluss im deutschen Recht gilt zeitlich unbeschränkt. Ein Verstoß gegen die Verschwiegenheitspflicht führt im brasilianischen Recht zu einem Beweisverwertungsgebot in Gerichts- oder Schiedsgerichtsverfahren, im deutschen Recht jedoch nicht – möglicherweise aber zu zivilrechtli-chen Schadensersatzansprüchen gegen den Mediator.

22 Art. 9, lei no. 9.099 de 26 de setembro de 1995; Art. 10, lei no. 10.259 de 12 de julho de 2001.23 Dies gilt bei sog. Offizialdelikten.24 de Oliveira, Gustavo Justino, Schwartsmann, Guilherme Baptista, Justino de Oliveira Advogados, Novos rumos da mediação e

arbitragem na Administração Pública brasileira, S. 2, 7, 8.

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FazitDas neue brasilianische Mediationsgesetz führt insbesondere durch konkrete Regelungen zum Mediationsverfah-ren und zu der Ausbildung der Mediatoren zu mehr Rechtssicherheit für die, die zwischen der Streitbeilegung durch Mediation und den klassischen Gerichtsverfahren abwägen. Das Gesetz soll dazu beitragen, dass die Nachfrage nach Mediationsverfahren in Brasilien weiter steigt. Ob es sich aber als historischer Fortschritt darstellen und das erstrebte Ziel der Reduzierung der Gerichtsverfahren erreicht, wird sich erst in einigen Jahren zeigen.25 Sein Erfolg wird auch davon abhängen, inwieweit eine fachgerechte Ausbildung der Mediatoren und die vom Gesetz vorgese-hene Schaffung von Zentren für eine einvernehmliche Konfliktlösung tatsächlich umgesetzt werden. Eine beson-dere Herausforderung liegt zudem in der Anforderung an ein Register für gerichtliche Mediatoren, dessen zeitnahe Umsetzung wesentlicher Bestandteil für eine effiziente Anwendung und Nutzung der (gerichtlichen) Mediation und damit der angestrebten Entlastung der Gerichte im Rahmen der jeweiligen Gerichtsbarkeit sein wird. Die Forschungsergebnisse zum Erfolg des deutschen Mediationsgesetzes sind ebenfalls noch nicht absehbar. Die Bundesregierung wird dem Bundestag erst im Jahre 2017 über die Auswirkungen des Gesetzes berichten (§ 8). Neben dem klassischen gerichtlichen Zivilverfahren entwickeln sich flächendeckend weitere ADR-Verfahrensarten wie Schlichtung und Mediation. Der sich deutlich abzeichnende Rückgang der Fallzahlen bei den Amtsgerichten ist Folge dieser Gesamtentwicklung der Akzeptanz konsensualer Streitbeilegung, nicht allein der Mediation.26

25 Flávio Pereira Lima, Nova lei de mediação abre oportunidades para a advocacia, OAB SP, 06/07/201526 Wolf, Christian, Zivilprozess versus außergerichtliche Konfliktlösung – Wandel der Streitkultur in Zahlen, NJW 2015, S. 1656, S.

1659f.

Abkürzungsverzeichnis

Abl. Amtsblatt der EUAbs. AbsatzADR Alternative Dispute ResolutionArt. ArtikelBT-Drs. Bundestags-DrucksacheBVerfG BundesverfassungsgerichtCNJ Conselho Nacional de JustiçaEGZPO Gesetz betreffend die Einführung der ZivilprozessordnungEt seq. et sequensEtc. et ceteraEU Europäische UnionEUR EuroFamFG Verfahren in Familiensachen und Angelegenheiten der Freiwilligen GerichtsbarkeitFGO FinanzgerichtsordnungGüSchlG NRW Gütestelle- und Schlichtungsgesetz NRWKüKo Münchener KommentarMediationsG MediationsgesetzNJW Neue Juristische WochenschriftNJW-RR Neue Juristische Wochenschrift – RechtsprechungsreportNo. NummerNRW Nordrhein-WestfalenRn. RandnummerSchiedsVZ Zeitschrift für SchiedsverfahrenStGB Strafgesetzbuchu.a. unter anderemVgl. Vergleichez.B. zum BeispielZPO Zivilprozessordnung

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Der Digitale Biodiversitätsatlas - ein erfolgreiches deutsch-brasilianisches Forschungsprojekt

Heiko Brunken und Glícia Maria Torres Calazans

Heiko Brunken und Glícia Maria Torres Calazans

Entstehung und bisheriger Verlauf des ProjektesSeit 2003 besteht zwischen den Biologiestudiengängen der Hochschule Bremen und der Universidade Federal de Pernambuco (UFPE) in Recife eine sehr erfolgreiche deutsch-brasilianische Kooperation auf dem Gebiet der bio-logischen Vielfalt. Nachdem in den Anfangsjahren der gegenseitige Studierendenaustausch im Vordergrund der Kooperation stand, zunächst gefördert durch ein UNIBRAL-Projekt (Kahrsch 2007), kamen zunehmend auch For-schungs- und Entwicklungsprojekte im Bereich der Gewässerökologie hinzu. Hierbei stellte sich bereits früh die Frage, inwieweit ein Input von deutscher Seite auch ohne spezialisierte Kenntnisse der brasilianischen Biodiversi-tät möglich wäre. Zeitgleich wurde in Deutschland, maßgeblich durch Initiative der Hochschule Bremen, das Pro-jekt „Digitaler Fischartenatlas von Deutschland“ begonnen (Brunken und Brunschön 2006, Brunken und Winkler 2015a). Schnell wurde klar, dass die in Deutschland gemachten Erfahrungen mit diesem Projekt gut auf die Situa-tion in Brasilien übertragen werden können (Brunken 2007), denn in beiden Ländern gab es zu jener Zeit zwar eine, zumindest für Teilgebiete, gute Dokumentation der Fischfauna. Auf beiden Seiten fehlten jedoch zusammenfassen-de, allgemein zugängliche Übersichtsdarstellungen wie z.B. Gebietsmonographien oder Kartenwerke. So gab es in Deutschland seinerzeit keine bundeslandübergreifenden Verbreitungskarten, in Brasilien waren gebietsspezifische Faunenwerke eher die Ausnahme, für den Nordosten von Brasilien und so auch für Pernambuco gab es noch gar keine entsprechenden faunistischen Darstellungen.

Im Jahr 2007 wurde mit der Universidade Federal Rural de Pernambuco (UFRPE) in Recife, die in ihren Fachberei-chen Fischerei (Departamento de Pesca e Aquicultura) und Biologie (Departamento de Biologia) bedeutende Ar-beitsgruppen im Bereich der angewandten Fischökologie besitzen, ein Kooperationsvertrag mit dem Biologiestu-diengang der Hochschule Bremen unterzeichnet. Im selben Jahr fand an der UFRPE ein erster Workshop über die Installation eines „Digitalen Fischartenatlanten von Pernambuco“ statt. Mit der an der Hochschule Bremen entwi-ckelten Software wurde das Atlasprojekt technisch realisiert (Brunken & Winkler 2015b) und in den Folgejahren im Rahmen der Kooperationen sowohl mit der UFPE als auch mit der UFRPE mit Inhalten gefüllt und weiterentwickelt. Im Jahr 2012 wurde an der UFRPE nach gleicher Vorgehensweise auch ein „Digitaler Atlas der Herpetofauna [=Am-phibien und Reptilien] von Pernambuco“ erstellt (Moura et al. 2015).

Insbesondere der „Digitale Fischartenatlas von Pernambuco“ diente von Beginn an nicht nur der Aufarbeitung und Kommunikation von georeferenzierten faunistischen Verbreitungsdaten sondern auch als Plattform für Umwelt-bildung. In einem mehrjährigen interdisziplinären Projekt der UFPE am Centro de Ciências Biológicas über Gewäs-serschutz und Gesundheitsvorsorge im semi-ariden Landesinneren von Pernambuco wurden im Einzugsgebiet des Rio Pajeú (Tuparetama-PE) auch die dort vorkommenden Fische als Indikatoren für die ökologische Qualität der Ge-wässer untersucht. Die Erfassungen wurden gemeinsam mit den dortigen Schulen durchgeführt, die Bestimmung und Archivierung der Fische erfolgte an der UFRPE, und die Projektergebnisse wurden über den „Digitalen Fischar-tenatlas von Pernambuco“ kommuniziert (Calazans 2011, Brunken und Calazans 2015, Calazans und Brunken 2015, Calazans et al. 2015).

Die inhaltliche und technische Weiterentwicklung der Atlasprojekte in Deutschland und bei den brasilianischen Partnern erforderte dann in den Folgejahren eine grundlegende Überarbeitung und Neukonzeption der Software, die bis dato im Wesentlichen in Form von studentischen Abschlussarbeiten im Biologiestudiengang der Hochschule Bremen entwickelt worden war. Zusammen mit der Informatik an der Hochschule Bremen (Prof. Dr.-Ing. Heide-Ro-se Vatterrott) wurde im Forschungscluster „Region im Wandel“ die AG Biodiversität gegründet (http://biodiversi-ty.hs-bremen.de/). Die Software wurde vereinheitlicht und weiterentwickelt, um weitere Komponenten ergänzt (z.B. Kartendarstellung, Einbindung in Content Management Systeme) und in einer allgemein anwendbaren Rah-mentechnologie mit dem Namen „Digitaler Biodiversitätsatlas“ zusammengefasst. Von dieser aus werden nun die einzelnen Atlasprojekte nach einheitlichem Schema abgeleitet (Brunken et al. 2012, Steinhausen et al. 2012). Das Gesamtprojekt „Digitaler Biodiversitätsatlas - Open Access Darstellung faunistischer Daten im Internet“ wurde 2013 als offizielles Projekt der „UN-Dekade Biologische Vielfalt“ ausgezeichnet. Die Anerkennung ging gemeinsam an die Projektpartner Hochschule Bremen, Gesellschaft für Ichthyologie e.V. sowie an die Universitäten UFPE und

Der Digitale Biodiversitätsatlas - ein erfolgreiches deutsch-brasilianisches Forschungsprojekt

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UFRE in Recife, Pernambuco, Brasilien. Die Übergabe der Urkunden an die brasilianischen Partner erfolgte im Janu-ar 2014 in feierlichem Rahmen an den jeweiligen Hochschulen. Auf dem Kongress der brasilianischen Gesellschaft für Ichthyologie (SBI) im Februar 2015 in Recife wurde der „Digitale Fischartenatlas von Pernambuco“ u.a. in einer Round-Table-Veranstaltung vorgestellt und diskutiert.

Technische RealisierungTechnisch verbindet der Biodiversitätsatlas zwei Technologien. Die biologischen Inhalte sowie weitere Informatio-nen (z.B. Foto- und Literaturverwaltung) werden über das Web Content Management System Joomla!® realisiert. Hierzu wurde eine eigene, speziell für die Joomla!-Plattform entwickelte BiodiversityAtlas-Komponente entwickelt. Die zweite Säule des Systems besteht im Einsatz Geographischer Informationssysteme (GIS). Die Basiskarten für das GIS stammen aus dem freien Projekt OpenStreetMap. Mittels der OpenSource JavaScript-Bibliotheken Proj4js und OpenLayers können geographische Daten dynamisch aufbereitet (Transformation, Projektion) und als Überla-gerungsebenen (Layers) über die Hintergrundkarte gelegt werden. Verbreitungsdaten werden koordinatengenau und gebietsbezogen auf separaten Datenebenen dargestellt. Die Einbindung externer Karten (z. B. Schutzgebiete) über standardisierte Schnittstellen ist möglich. Der Biodiversitäts-Atlas definiert insbesondere zur Qualitätssiche-rung je nach Qualifikation und Intensität der Mitarbeit verschiedene Anwendergruppen. Hierdurch kann der Zugriff auf die im System hinterlegten biologischen Daten graduell geregelt werden. Die in den auf dem Biodiversitätsatlas aufbauenden Atlanten enthaltenen Daten folgen dem Open-Access-Gedanken und stehen unter der Creative-Com-mons-Share-alike-Lizenz 2.0. Der Biodiversitätsatlas ist durchgehend mehrsprachig konzipiert und ermöglicht es, durch im System hinterlegte Übersetzungstabellen Inhalte (z. B. Ein- bzw. Ausgabemasken) dynamisch in beliebi-gen Sprachen darzustellen (aktuell in Deutsch und Portugiesisch).

Abb. 1: Startseiten der vier bisher realisierten Atlaspro-jekte.

Abb. 2: Beispielhafte Artbeschreibung aus dem Fischartenatlas von Pernambuco mit Artname, Karte mit Fundortpunkten (mit Anzeige einer Da-tenquelle nach Anklicken eines Verbreitungspunk-tes), Foto mit Bestimmungsmerkmalen, tabella-rischen Artinformationen sowie beschreibendem Text.

ErgebnisseMit dem Software-Framework “Digitaler Biodiversitätsatlas” wurden bisher zwei deutsche (Fischfauna-Online, Säugetieratlas von Bremen) und zwei brasilianische Atlanten (Fischfauna von Pernambuco, Herpetofauna von Per-nambuco) (Abb. 1, Tab. 1) mit interaktiven Verbreitungskarten und artspezifischen Fachinformationen (Abb. 2) rea-lisiert.

Leitlinien des Projektes sind:• wissenschaftliche Qualitätssicherung• Einhaltung von Datenstandards zur Vermeidung von Insellösungen• Philosophie der globalen Open-Data-Initiative• Artenschutzaspekte• Internationalität• durchgehende Transparenz im Datenfluss unter besonderer Beachtung der Autorenrechte von sich beteiligen-

den Personen und Institutionen.

Die Atlanten ermöglichen, Daten zur biologischen Vielfalt dezentral zu erheben, auf Expertenebene auszuwerten und über Fachportale einer breiten Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen. Die so geschaffenen Möglichkeiten zur Erfassung und Kommunikation faunistischer Verbreitungsdaten stellen einen wichtigen Beitrag zum Schutz der biologischen Vielfalt dar. Der „Digitale Biodiversitätsatlas“ bzw. die mit diesem Werkzeug erstellten Atlasprojekte stehen ganz ausdrücklich nicht in Konkurrenz zu staatlichen Monitoringprogrammen oder globalen Datenbankiniti-ativen (z.B. GBIF), sondern verstehen sich als regionale, räumlich und inhaltlich hoch auflösende Ergänzungen. Die Anwendung der Software ist sowohl von der Nutzerseite als auch von der redaktionellen bzw. administrativen Seite sehr benutzerfreundlich gestaltet und erlaubt gleichzeitig die Einrichtung dezentraler, serverbasierter Experten-netzwerke, damit die „Technik“ nicht zu einer Hemmschwelle für die eigentliche inhaltliche Arbeit wird. Das Projekt baut somit auch Brücken zwischen Wissenschaftlern, akademisch gebildeten Experten und engagierten Bürgern (Citizen Science).

DiskussionIm Rahmen der Forschungskooperation konnten die auf beiden Seiten vorhandenen Kompetenzen erfolgreich zusammengeführt werden. Mit den beiden brasilianischen Atlanten gelang es, beispielhaft für zwei verschiede-ne Tiergruppen lokal und international vorhandenes Expertenwissen zusammenzufügen und anwenderfreundlich im Internet zu präsentieren. Bisher erfolgen Pflege und Unterhalt der Webseiten noch über den deutschen Pro-jektserver. Mittelfristig sollten die Daten- und Administrationsrechte jedoch vollständig an die brasilianische Seite übergeben werden. Diese Aufgabe könnte dauerhaft an den Universitäten des Landes verortet werden, die mit ihren Arbeitsgruppen und Laboren bereits jetzt engagiert am Projekt beteiligt sind. Die bisher gemachten Erfah-rungen zeigen allerdings, analog zur Entwicklung in Deutschland, dass die ehrenamtliche und langfristige Mitarbeit an solchen kooperativen Projekten im Wissenschaftssystem nicht angemessen honoriert wird. Da sich mit der oft mühsamen kontinuierlichen Eingabe und Pflege von Daten nur selten Publikationen realisieren lassen (geschweige denn solche mit hohem Impact-Faktor), sind für die konstruktive Mitarbeit und Weiterentwicklung eines solchen Gemeinschaftswerkes im universitären Umfeld nur schwer Kräfte zu mobilisieren. Auch außerhalb der Universität, so z.B. bei Verwaltungen oder NGOs, ist es in Brasilien zur Zeit offensichtlich nur schwer möglich, Träger solcher Vorhaben zu identifizieren, so dass ein eigenständiger Fortgang der brasilianischen Teilprojekte im Moment nicht gesichert erscheint. Andererseits zeigt sich gerade in der Biodiversitätsforschung sowie bei allen praktischen Na-turschutzvorhaben wie wichtig abgesicherte Daten über Verbreitung, Biologie und Häufigkeit von Arten für den Erhalt der biologischen Vielfalt sind. Nur so lassen sich Gefährdungsanalysen erstellen und Maßnahmenkonzepte begründen, um einem weiteren Verlust an Arten und Ökosystemen durch nicht nachhaltige Entwicklungen oder die nachteiligen Folgen des Klimawandels begegnen zu können. Gerade Brasilien kommt hierbei mit seiner heraus-ragenden Biodiversität und seiner aktuell intensiven Erforschung international eine Schlüsselposition zu. Die hier gemeinsam entwickelten digitalen Biodiversitätsatlanten und ihre zugrundeliegenden Technologien könnten dabei einen wesentlichen Beitrag leisten. Eine große Herausforderung für die Zukunft wird allgemein darin bestehen, re-gional, national und global bestehende Initiativen zur Erfassung und Kommunikation biologischer Vielfalt zu koordi-nieren und entsprechende Teilprojekte miteinander zu vernetzen. An der Hochschule Bremen werden derzeit unter dem Arbeitsbegriff „Biodiversity Warehouse“ hierfür geeignete Software-Tools entwickelt, wie etwa Schnittstellen zum Austausch mit globalen Datenbanken, um die verschiedenen Initiativen zu vernetzen und Insellösungen bei der Erfassung und Archivierung von Daten zu vermeiden. Für eine weitere erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen der Hochschule Bremen und den brasilianischen Partneruniversitäten auf dem Gebiet der digitalen Biodiversitätsatlan-ten sind damit auch in Zukunft herausfordernde Themen vorhanden.

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DanksagungWir danken dem Forschungscluster „Region im Wandel“ für die finanzielle Unterstützung. Ohne das Engagement durch die Informatik, namentlich Prof. Dr.-Ing. Heide-Rose Vatterrott und ihr Team, wäre die Entwicklung der Atlan-ten in dieser Form nicht möglich gewesen. Ein spezieller Dank geht an Martin Winkler für die beständige, konstruk-tive und ideelle Hilfe beim Aufbau der Projekte. Nicht zuletzt danken wir den brasilianischen Kooperationspartnern von UFPE und UFRPE für die langjährige konstruktive Zusammenarbeit und materielle Unterstützung.

LiteraturBrunken, H. (2007): „Atlas da Biodiversidade de Peixes da Alemanha e Áustria. Um Contributo para Comunicação e Informação na Ictiologia“, Rev. Bras. Eng. Pesca 2(1), S. 9-18.

Brunken, H. und Brunschön, C. (2006): Digitaler Fischartenatlas von Deutschland – eine Projektbeschreibung. - Ver-handlungen der Gesellschaft für Ichthyologie 5, S. 27-34.

Brunken, H. und Calazans, G.M.T. (2015): „Atlas digital de biodiversidade de peixes como ferramenta para educação ambiental“, III Congresso Internacional de Educação Ambiental dos Países e Comunidades de Língua Portuguesa, Torreia, Murtosa, Portugal 8 a 12 de julho, 2015, Livro de Resumos, Comunicações Orais, S. 593-594.

Brunken, H., Genzel, C.-H., Vatterrott, H.-R. & Winkler, M. (2012): „Digitale Biodiversitätsatlanten – Tools zur Un-terstützung regionaler und internationaler Expertennetzwerke für die Erfassung und Bewertung biologischer Di-versität“, in: Umweltbundesamt (Hrsg.), Umweltinformationssysteme. Frühwarn- und Informationssysteme für den Hochwasserschutz, Umweltbundesamt Texte 41/2012, S. 161-169.

Brunken, H. und Winkler, M. (2015a): Fischfauna-online 2.0. Digitaler Fischartenatlas von Deutschland und Ös-terreich, Hrsg. Gesellschaft für Ichthyologie e.V. und Hochschule Bremen, www.fischfauna-online.de. DOI: 10.13140/2.1.1540.5129.

Brunken, H. und Winkler, M. (2015b): Atlas de Peixes de Pernambuco, World Wide Web electronic publication. http://www.atlas-peixes-pe.com.

Calazans, G.M.T. (2011): „Melhoria da saúde pública em comunidades rurais através do desenvolvimento de siste-mas de tratamento de água de baixo custo e de trabalhos de educação ambiental e sanitária“, Relatório técnico final processo, 554413/2005-1, Recife, Universidade Federal de Pernambuco - Departamento de Antibióticos, 86 p.

Calazans, G.M.T. und Brunken, H. (2015): „Água, saúde pública e educação ambiental – caminhos essenciais para a construção de valores sociais, qualidade de vida e sustentabilidade“, III Congresso Internacional de Educação Am-biental dos Países e Comunidades de Língua Portuguesa, Torreia, Murtosa, Portugal 8 a 12 de julho, 2015, Livro de Resumos, Comunicações Orais, 191 p.

Calazans, G.M.T., Soares, M.C.F. & Brunken, H. (2015): „Educação ambiental no sertão do pajeú, Brasil“, III Con-gresso Internacional de Educação Ambiental dos Países e Comunidades de Língua Portuguesa, Torreia, Murtosa“, Portugal 8 a 12 de julho, 2015, Livro de Resumos, Comunicações Orais, 454-455 p.

Kahrsch, V. (2007): „Cooperação entre a Universidade Federal de Pernambuco (UFPE) e a Universidade de Ciências Aplicadas de Bremen (UCAB), oito anos de experiência com futuro“, in: Monteiro, S.Q.M. & Oliveira, M.A.G. (org.), Cooperação International Acadêmica, Experiências e desafios, Recife, Editora Universitária da UFPE, 211, 157-172 p.

Moura, G.B.M, Santos, E.M.S. und Brunken, H. (2015): Atlas da Herpetofauna do Estado de Pernambuco, World Wide Web electronic publication, http://herpetofauna.biodiversidade-pe.com.

Steinhausen, K.M., Winkler, M., Genzel, C.-H., Vatterrott, H.-R. und Brunken, H. (2012): „Finding Nemo - Assess-ment and Visualisation of Biodiversity Data in a Web-based Atlas“, in: Arndt, H.-K., Knetsch, G. und Pillmann, W. (Eds.), EnviroInfo Dessau 2012, Part 1: Core Application Areas (Part 1), Aachen Shaker Verlag, 225 - 230 p.

Tabelle

Atlas Adresse Herausgeber

Anzahl Un-terseiten mit Fachinhalten

Anzahl Artbe-schreibungen

Anzahl Daten-sätze (Fundort-meldungen)

Fischfauna -Online. Fischar-tenatlas von Deutschland und Österreich

http://www.fischfauna-on-line.de

Hochschule Bremen und Gesellschaft für Ichthyologie e.V.

171 152 106.094

Säugetieratlas von Bremen und Umgebung

http://www.saeugetierat-las-bremen.de/

Hochschule Bremen und Naturwissen-schaftlichen Verein zu Bremen von 1864 e.V.

84 65 1.880

Digitaler Fischar-tenatlas von Per-nambuco [Atlas de Peixes de Pernam-buco]

http://www.atlas-pei-xes-pe.com

Hochschule Bremen in Kooperation mit Universidade Federal Rural de Pernambuco und Universidade Fe-deral de Pernambuco

58 408 1.085

Digitaler Herpe-tologieatlas von Pernambuco [Atlas da Herpetofauna do Estado de Per-nambuco]

http://herpeto-fauna.biodi-versidade-pe.com/

Hochschule Bremen in Kooperation mit Universidade Federal Rural de Pernambuco

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Tab. 1: Auf dem allgemeinen „Digitalen Biodiversitätsatlas“ basierende Atlasprojekte (Stand: 14.11.2015).

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UNIBRAL I Globales Management, Logistik, Fair Trade: ein Vorzeigeaustauschprojekt

von Katrin Nissel und Mechthild Schrooten (Bremen)

von Katrin Nissel und Mechthild Schrooten (Bremen)

Was ist UNIBRAL?Das Förderprogramm UNIBRAL I umfasst die Zusammenarbeit zwischen brasilianischen und deutschen Hochschu-len. Vom Bildungsministerium der Föderativen Republik Brasilien sowie der Bundesministerin für Bildung und For-schung der Bundesrepublik Deutschland vereinbart, wird es vom DAAD und der brasilianischen Partnerorganisati-on CAPES verantwortet.

UNIBRAL I fördert den Austausch von deutschen und brasilianischen Studierenden, Postdocs und Hochschul-lehrenden im Zuge der Zusammenarbeit zwischen zwei Studiengängen, Fächern oder Fakultäten in Brasilien und Deutschland. Dabei ist das Programm offen für alle Fachbereiche und Studiengänge an Universitäten, Fachhoch-schulen sowie für interdisziplinäre Studienprogramme.

Schwerpunkt des Programms ist der Austausch von Studierendengruppen der deutschen wie brasilianischen Hoch-schule für ein Semester, gefördert durch Stipendien dotiert mit ca. 900 Euro monatlich. War eine Hochschule er-folgreich bei der Akquise eines UNIBRAL I Projektes, obliegt ihr das Auswahlverfahren der Stipendiatinnen und Stipendiaten. Flankiert wird der Studierendenaustausch durch den Hochschullehreraustausch zur Vorbereitung, Begleitung und Evaluierung. Ziel ist die Analyse, Ergänzung und Weiterentwicklung bestehender Curricula, die ge-genseitige Anerkennung von Prüfungsleistungen, die Lehre an der Partnerhochschule, die Anregung bilateraler For-schungsprojekte, welche mit den Zielen und Inhalten des Studierendenaustauschs verknüpft sind.1

UNIBRAL I an der School of International Business der HSB: Globales Management, Logistik, Fair Trade: Austausch, Qualität & Transfer – ein ÜberblickIm Frühjahr 2012 wurde das vom Internationalen Studiengang Global Management der Fakultät Wirtschaft der Hochschule Bremen (HSB) und der brasilianischen Faculdade de Economia, Administração, Atuárias e Contabilidade (FEAAC) der Universidade Federal do Ceará (UFC) in Fortaleza entwickelte UNIBRAL I Projekt bewilligt. Nach einer erfolgreichen Verlängerung 2014 lief das Projekt bis Dezember 2015.

Im Zeitverlauf und Austausch zwischen Studierenden, Hochschullehrenden wie Vertreter_innen aus Industrie und Handel erwiesen sich die gesetzten Themen „Anforderungen an Globales Management“, „Logistik“, „Identifikation von Handelsbarrieren und Konditionen”, „Infra- und Suprastrukturen in Häfen” „Erneuerbare Energien“, „Gerech-tigkeit im Handel” als zentral und aktuell. Eng verbunden mit diesen Themen waren Fragen der Nachhaltigkeit des Wirtschaftens, der interkulturellen Kompetenz als Schlüsselqualifikation, des Wandels durch Vielfalt und der sozi-alen Verantwortung von Unternehmen (Corporate Social Responsibility, CSR).

Der brasilianische Projektleiter José Carlos Lazaro da Silva stellte kulturvergleichende Analysen der Maßstäbe von Fair Trade an (nachzulesen in Kapitel 6 des vorliegenden Bandes), die zweite Projektpartnerin der UFC, Mônica Abreu, untersuchte CSR Strategien im internationalen Vergleich. Die Verfasserinnen dieses Artikels, Mechthild Schrooten, bremische Projektleiterin und Katrin Nissel, Brasilienkoordinatorin an der Fakultät Wirtschaft der HSB, organisierten 2014 ein Brasiliensymposium u.a. zu den UNIBRAL Themen, aus welchem dieser Band hervorging. Deutsche wie brasilianische Stipentiat_innen wurden zur Entwicklung kulturvergleichender Hausarbeiten und BA Projekte in den genannten Feldern angeregt.

Bei dem UNIBRAL I Projekt ging es auf allen Ebenen darum, Unterschiede in Forschungsansätzen, in den Lern- und Lehrkulturen, in der Gestaltung der Curricula produktiv zu nutzen. Von diesem wechselseitigen Lernen ging ein nachhaltiger Effekt auf die Hochschulpartnerschaft aus.

1 Vgl. https://www.daad.de/hochschulen/programme-regional/suedamerika/de/11833-integrierte-projekte-der-hochschulzusam-menarbeit-brasilien-deutschland/.

UNIBRAL I Globales Management, Logistik, Fair Trade: ein Vorzeigeaustauschprojekt

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Grundsätzlich beruhte unsere UNIBRAL Hochschulkooperation auf drei Säulen:

Abbildung 1: Hochschulkooperation

Die drei Säulen ergänzen einander. Neben dem Austausch von Wissenschaftler_innen und Studierenden kam damit der curricularen Weiterentwicklung ein besonderes Gewicht zu. Bereits kurz nach dem Kick-Off Meeting 2012 in Fortaleza war klar, dass gerade die Kombination aus forschungsbasiertem Austauschprojekt und Zusammenarbeit in der Curricula-Entwicklung für alle Beteiligten ein sehr gewinnbringender Ansatz ist. Auf der curricularen Ebe-ne bot das UNIBRAL Projekt die Möglichkeit, Unterschiede zwischen den wirtschaftswissenschaftlichen Ausrich-tungen beider Hochschulen zu analysieren. Dies fand zu einem Zeitpunkt statt, an dem die Partnerhochschule in Brasilien vor wichtigen curricularen Änderungen (stärkere Praxisorientierung in den Wirtschaftswissenschaften, Einbindung interkultureller und Diversity Management Aspekte in die Lehre) sowie vor einer gesteigerten internati-onalen Ausrichtung stand. Durch die Besuche der deutschen Projektpartnerinnen in Fortaleza wurden hier wichtige Impulse für den Erfahrungstransfer geliefert.

Die Hochschule Bremen wiederum wurde durch das sehr erfolgreiche ehrenamtliche studentische Buddy-Pro-gramm an der UFC, PAI, dazu animiert, einige Strategien von PAI für das bereits an der HSB laufende Betreuungspro-gramm für internationale Studierende zu übernehmen, wie z.B. die gezielte Auswahl und Zuteilung der bremischen Studierenden zu Incomings nach Interessen oder Sprachkompetenzen beider Parteien. Die Partner in Fortaleza nahmen andererseits wichtige Impulse aus der Internationalisierungsstrategie der Hochschule Bremen auf (z.B. das Konzept des International Day). Mit solchen Transferideen wird die Verzahnung mit der Partnerhochschule bis heute gestärkt. Die Fortsetzung begonnener Projekte und die Nachhaltigkeit der Zusammenarbeit werden dadurch gesichert, dass die Fakultät Wirtschaft der HSB mit Katrin Nissel eine verantwortliche Person für die inhaltliche Koordinierung des Austauschs mit Brasilien hat.

Durch den Besuch der Häfen in Fortaleza wie Bremerhaven und Unternehmensbesuche (Petrobras, Vattenfall, Mercedes-Benz, Utamtsi) der am Projekt beteiligten Hochschullehrenden wie Studierenden konnte das Auge für die Aktualität bestimmter Themen geschärft werden. Vertreter_innen aus der Unternehmenspraxis konnten in das Projekt eingebunden werden. Forschungsschwerpunkte und vergleichende Studieninhalte fanden gerade im Be-reich der erneuerbaren Energien ein gutes Anwendungsbeispiel. In Deutschland wie in Brasilien steht dieser Sektor vor erheblichen Herausforderungen. Diese umfassen Fragen der „fairen“ Versorgung, der internationalen Integra-tion, des fairen Handels mit Ressourcen ebenso wie Fragen der Produktion, Logistik und des Interkulturellen Ma-nagements in der internationalen Zusammenarbeit.

Die Qualitätssicherung des Projektes basierte vorwiegend auf Auswertungen des Auslandsaufenthaltes in Form ei-nes von den Studierenden anzufertigenden Berichts. Dieser berücksichtigte sowohl quantitative als auch qualitative Indikatoren. Die Berichte wurden im hochschulinternen Intranet sowie auf einer online-basierten interkulturellen Lernplattform veröffentlicht, um wertvolle Informationen für nachfolgende Jahrgänge bereitzustellen.

Benefits im StudierendenaustauschAn der Hochschule Bremen, aber auch in Fortaleza fanden regelmäßige Informationsveranstaltungen zum UNIB-RAL-Projekt statt, in denen potentielle Studierende auf die Möglichkeiten des Austauschprogrammes aufmerk-sam gemacht wurden. Durch das Projekt Globales Management, Logistik, Fair Trade: Austausch, Qualität & Transfer (UNIBRAL I) wurde eine erhebliche Intensivierung des Studierendenaustausches erreicht: So studierten im Zuge von UNIBRAL I zwischen April 2012 und Dezember 2015 insgesamt 14 Stipendiat_innen der Hochschule Bremen an der UFC in Fortaleza und 26 junge Stipendiat_innen aus Fortaleza an der HSB.

Die Verzahnung von curricularer Entwicklung, Forschung und Lehre prägte das Projekt von Beginn an. Die Einbin-dung des Studierendenaustausches in die Forschung und den internationalen Vergleich von Studienbedingungen erwies sich als sehr tragfähig.

Für deutsche Studierende waren und sind insbesondere die gute Zusammenarbeit mit brasilianischen Kommili-ton_innen, die Einbindung in Forschungsprojekte, die größere Flexibilität im Studium (dieselben Fächer werden 2 x am Tag angeboten), der gute Kontakt zu Einheimischen, die Vertiefung der Sprachkenntnisse, die persönliche Weiterentwicklung besonders wertvoll. Allerdings fehlten ihnen internationale wie interdisziplinäre Perspektiven. Die brasilianischen Studierenden wissen vor allem das Studium in einem sehr internationalen, Umfeld, die Anwen-dungsorientierung, den Praxisbezug, die Relevanz von internationalen Aspekten, die Fächer Interkulturelle Kommu-nikation und Diversity Management sowie den stärker interaktiv geprägten Unterricht und das Arbeiten/Lernen in multikulturellen studentischen Teams zu schätzen.

Deutsche wie brasilianische Stipendiat_innen stellten das an der UFC übliche Prüfungssystem im Vergleich zum System an der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften der HSB durchwegs als positiv heraus: mehrerer Prüfungs-leistungen werden an der UFC auf ein Semester verteilt; die Gesamtnote wird aus diesen Einzelprüfungsleistungen gebildet. Dies hat zur Folge, dass die Studierenden sich im Laufe des Semesters besser einschätzen und verbessern können. Hingegen ist es an der Hochschule Bremen in den meisten Modulen üblich, erst am Ende des Semesters in jedem Fach die Prüfungsleistung zu erbringen, was einen extremen Druck verursacht.

Die Nachhaltigkeit zeigt sich vor allem im Fortbestehen des von UNIBRAL Stipendiatinnen und Stipendiaten ins Leben gerufene „cearensisch-bremische“ UNIBRAL Stipendiat_innen-Netzwerk. Davon profitieren bis heute Aus-tauschstudierende auf beiden Seiten. Bremische Studierende werden vor ihrer Ausreise von Komiliton_innen der UFC bei der Wohnungssuche, Tipps zu Anmeldeverfahren etc. unterstützt, umgekehrt bereiten deutsche, noch in Fortaleza weilende Studierende die Brasilianer_innen interkulturell auf ihren Aufenthalt in Bremen vor.

Hochschulleraustausch und curriculare Zusammenarbeit als Dreh- und AngelpunktBei dem Lehrendenaustausch standen die Forschungskooperation und curriculare Zusammenarbeit im Mittel-punkt. Im Rahmen des UNIBRAL Projektes statteten zwei Hochschulehrende der UFC der HSB insgesamt sieben Mal einen Besuch ab, umgekehrt besuchten insgesamt fünf deutsche Hochschullehrende im Zuge von UNIBRAL die UFC. Dabei wurden vor allem folgende Arbeitsfelder in den Blick genommen: • Abstimmung der Curricula und Integration von Forschungsschwerpunkten in aktuelle Vorlesungen• Verbesserung der Auslandsvorbereitung und der Studierendenberatung • Wissenstransfer • Weiterführung gemeinsamer bilateraler Forschungsprojekte.

Prof. Dr. Zé Carlos Lazaro hielt an der Fakultät Wirtschaft Vorträge über Fair Trade Konzepte in Brasilien, Prof. Dr. Mechthild Schrooten an der Partneruni UFC in Fortaleza Vorträge über die Europäische Finanzkrise und wirtschaft-liche Entwicklungen in Europa. Katrin Nissel und Prof. Dr. Jutta Berninghausen gaben in Fortaleza Workshops zu Interkultureller Kommunikation und Diversity Management, Prof. Dr. Vera de Hesselle, Prüfungsausschussvorsit-zende an der SiB, referierte in Brasilien über steuerrechtliche Themen und diskutierte mit den brasilianischen Kolle-ginnen und Kollegen Fragen der Prüfungsordnungen. Frucht des UNIBRAL Projektes war auch die Publikation eines Aufsatzes von Prof. Dr. Martin Schwardt, Mitprojektverantwortlicher 2012/13, dem Ex-Stipendiaten Tim Rubert und der brasilianischen Projektpartnerin Prof. Dr. Mônica Abreu, “A comparative analysis of the development of

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renewable energy in Brazil and Germany“, im renommierten Fachmagazin Latin American Journal of Management for Sustainable Developement (2014) sowie die Entwicklung von vier projektgebundenen BA Arbeiten im deutsch- brasilianischen Vergleich.

Bei der curricularen Entwicklung standen auch formale Fragen der Prüfungsorganisation gerade bei einer stärkeren Internationalisierung von Hochschulen an. In beiden Punkten – Interkulturalität und Prüfungsordnungen – kann und konnte die Hochschule Bremen der UFC mit ihren Erfahrungen unterstützend zur Seite stehen. Dies gilt auch bei der Beratung der UFC im Hinblick auf eine bessere Integration der zunehmend wachsenden Studierendengrup-pe aus dem lusophonen Afrika. Im Gegenzug boten die Projektpartner_innen aus Fortaleza Bremer Hochschulleh-renden des Internationalen Studiengangs Global Management Unterstützung dabei, in einigen Modulen deutlicher die Länderbezüge scheinbar allgemeiner Themen wie beispielsweise „Financing“, „Controlling“, „Management“, „Entrepreneurship“ etc. herauszuarbeiten. Auch konnte die Hochschule Bremen von den Erfahrungen der UFC mit einzelnen Prüfungsformen profitieren. Dies gilt insbesondere bei der Prüfungsform Portfolio, die an der UFC weit verbreitet ist, und in der Fakultät Wirtschaftswissenschaften an der Hochschule Bremen noch relativ neu. Hier kam es zu einem nachhaltigen und effizienten Wissenstransfer.

Vor dem Hintergrund der intensivierten Zusammenarbeit in den Bereichen Forschung und Vergleichbarkeit/An-rechenbarkeit der Curricula ist es gelungen, die Vorsitzende des Prüfungsausschusses, Prof. Dr. Vera de Hesselle, einzubinden. In diesem Rahmen ging es auch darum, die Übertragbarkeit des so genannten Bremer Modells der Hochschulentwicklung herauszuarbeiten, das darauf fußt, Lehrveranstaltungen zu modularisieren und so aufein-ander abzustimmen. Neben dem direkten Erfahrungstransfer wurden hier weitere Ansatzpunkte zur Kooperation etwa bei der Entwicklung von ähnlichen curricularen Strukturen an beiden Hochschulen gesehen. Dies gewann sei-ne besondere Dynamik dadurch, dass die Verantwortlichen von brasilianischer Seite während der Projektlaufzeit in ihren jeweiligen universitären Positionen an der UFC zu einem erheblichen Teil mit hochschulstrategischen Fragen beschäftigt waren.

Ansatzpunkte der interkulturellen Beobachtung ergaben sich vor allem durch die Sichtung der Lehre in den Partner-hochschulen, die Auswertung der studentischen Beobachtungen, den Austausch mit Kolleg/innen: • Identifikation von derzeit nicht angebotenen, aber durchaus sinnvollen Veranstaltungen • Adjustierung bestehender Veranstaltungen, die auch für Incoming Students geöffnet sind • Identifikation von bestehenden Veranstaltungen, die derzeit nicht für Incoming Students geöffnet sind, aber

geöffnet werden sollten • Abstimmung der angebotenen Veranstaltungen an den Partnerhochschulen • Gastvorlesungen an der Partnerhochschule • Eruierung von bilateralen Forschungsprojekten • Untersuchung des interkulturellen Kompetenzgewinns durch Auslandserfahrung • Erfahrungsaustausch im Bereich Prüfung.

EvaluierungDer Erfolg von Projekten erfordert eine klare Definition der Ziele. Grundsätzlich lagen die Ziele dieses Projektes in der Intensivierung des Austausches, der Forschung und der curricularen Entwicklung. Entsprechend kam diesen Bereichen bei der Evaluierung eine große Bedeutung zu. So bot sich folgende Vorgehensweise an (Abbildung 2):

Abbildung 2

Die Evaluierung des Studierendenaustausches fand auf der Grundlage von Fragebögen, Gesprächen an der Hoch-schule Bremen sowie durch die Auswertung des Rückkehrer_innenseminars nach dem Auslandaufenthalt statt. Dabei ging es um den Auslandsaufenthalt im Allgemeinen, die Bearbeitung von Themenschwerpunkten des Projek-tes und Erfahrungen mit der curricularen Vernetzung der beiden Hochschulen. Gemessen wurde auch – zumindest ansatzweise – der Erwerb interkultureller Kompetenzen.

Der Maßstab der an die curriculare Entwicklung angelegt wurde, liegt in den Prozessen begründet. Typischerweise kostet die Verankerung curricularer Veränderungen Zeit. Daher war es wichtig, erste Pilotprojekte zu definieren und durchzusetzen: So etwa die Entwicklung von Modulen. Die gemeinsam mit der Hochschule Bremen vorangetrie-bene Implementierung der Wahlfächer „Diversity Management“ und „Interkulturelle Kommunikation“ an der UFC wurde von Studierenden der Partnerhochschule bislang gut angenommen. Gleichzeitig erleichterte dieser Schritt die Anerkennung von Modulen, die an der HSB angeboten werden. Darüber hinaus wurden Begegnungen zwischen Incomings und Outgoings durch die Brasilienbeauftragte der SiB professionell unterstützt. Die Resultate dieser Aktivitäten wurden ebenfalls zu Evaluierungszwecken erfasst und festgehalten.

Alles in allem ist mit dem UNIBRAL I Projekt eine deutliche Intensivierung der Kontakte der Hochschule Bremen mit der Partneruniversität in Fortaleza gelungen. Das Projekt prägte die Verzahnung von curricularer Entwicklung, Forschung und Lehre. Die Einbindung des Studierendenaustausches in die Forschung und den internationalen Ver-gleich von Studienbedingungen erwies sich als sehr tragfähig und wird auch weiterhin gepflegt.

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Die Autorinnen und Autoren

Gabriel AragãoBorn in São Paulo, Brazil, Gabriel Aragão studies Business Management (Bachelor) in Fortaleza and completed two semesters with a UNIBRAL scholarship at the Hochschule Bremen. He also gained intercultural experiences – prior to the exchange – as a ‘buddy’ for international stu-dents at the Federal University of Ceará. During his studies in Brazil and Germany, he worked on cultural and international aspects in tourism comparing Brazil and Germany.

Manoella BarbosaSeit 2004 lebt die in Belo Horizonte im brasilianischen Bundesstaat Minas Gerais aufgewach-sene Journalistin in Hamburg. An der Uni BH in Belo Horizonte schloss Manoella Barbosa ihr Bachelor Studium der Kommunikationswissenschaft mit den Schwerpunkten Marketing und Werbung ab. Ihren Master in Journalismus absolvierte sie an der Universität Hamburg. Manoella Barbosa arbeitet als freie Journalistin für zahlreiche Zeitungen, Fachzeitschriften und Online-Magazine in Deutschland wie Brasilien, u.a. für das Goethe-Institut, BBC Brazil, das brasilianische Wochenmagazin Veja. Ihre besondere Leidenschaft gilt dem Kino. Derzeit ist Manoella Barbosa an der Deutschen Botschaft in Brasília für Presse und Öffentlichkeitsarbeit im Zuge der Olympischen Spiele in Rio de Janeiro tätig.

Claudia Bärmann-BernardDr. Claudia Bärmann-Bernard is Head of the Legal Department of the German-Brazilian Cham-ber of Commerce and Industry in São Paulo, Brazil, a non-profit organization within the world-wide German Chamber of Commerce Network, dedicated to the development and promotion of economic, cultural and social relations between Brazil and Germany. Since 2015, she is Vice President of the Eurochamber s Mediation and Arbitration Chamber – CAE. After graduating from University of Bayreuth, Germany, in 1996, she obtained a doctor iuris degree in 2000 from University of Dresden, Germany. She served as a judge at the District Court in Dresden, Germany, and prior to joining the German-Brazilian Chamber of Commerce and Industry in 2011, worked as a lawyer in law firms in São Paulo, Brazil.

Gabriel BonadiesBorn in Guarulhos, São Paulo, Brazil, Gabriel Bonadies studied Business Administration at the Federal University of Ceará (UFC), focusing his thesis on Marketing Storytelling and Branding. Always dedicated to the academic life and social causes, became president of the Inova Junior Enterprise, a non-profit organization who brings the management experience to newcomer students. Also was researcher of Organizationational Studies and General Theory of Adminis-tration. He created in 2010 the PAI (Programa de Apoio ao Intercambista – Exchange Students Supporting Program) in order to support students from other countries who came to study at the UFC. In 2014 he had his most important academic experience receiving a UNIBRAL scho-larship for the HSB. He contributed to the local Unicef and seminars about brazilian culture. Nowadays, Gabriel Bonadies works with Digital Marketing and Branding Development.

Heiko BrunkenHeiko Brunken studied biology and did a doctorate in river restoration and fish ecology at the Technical University of Braunschweig. After teaching and research activities in the field of applied fish ecology he worked in environmental management and environmental consul-ting. In 2000 he joined the City University of Applied Sciences of Bremen as a professor for Ecology and Conservation in the biology degree program. His research activities include river restoration, fish species protection and digital biodiversity atlases. Since 2003 there is a close cooperation with Brazilian partner universities in Recife, Pernambuco, in the field of aquatic biodiversity.

Die Autorinnen und Autoren

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Glícia Torres CalazansGlícia Torres Calazans has a degree in Industrial Pharmacy and a Master’s degree in Bioche-mistry at the Federal University of Pernambuco, Recife, and Doctor in Science in Chemical and Biochemical Processes at the Federal University of Rio de Janeiro, Brazil. In 1980 she joined as a Professor at the Federal University of Pernambuco, teaching courses related to Industrial Microbiology, Fermentation Processes and Bacteriological Water Quality. She has acted not only in teaching and research, but conducted and coordinated several extension projects rela-ted to water bacteriological quality for human consumption. Since 2003 she participates in the cooperation between the Federal University of Pernambuco and the City University of Applied Sciences of Bremen, coordinating research and extension projects relating to water quality in the semi-arid Region of Pernambuco/Brazil.

Thomas FatheuerThomas Fatheuer studied Social Sciences and Classical Philology in Münster, Germany. From 1992 to 2010 he lived and worked in Brazil. From 2000 to 2003, he worked for the German Technical Cooperation (GTZ) in the field of preservation of tropical forests, providing consul-tancy to the Ministry of Environment in Brazil. From 2003 to 2010 he was director of the Heinrich Böll Foundation in Brazil. Fatheuer has published several texts on the Brazilian model for development, the preservation of the tropical forest, and the United Nations Collaborative Programme on Reducing Emissions from Deforestation and Forest Degradation in Developing Countries. Since 2011, he has been working as a consultant and author in Berlin.

José Carlos Lazaro da Silva FilhoBorn in Camaqua-RS, Brazil, José Carlos Lazaro da Silva Filho studied Chemical Engineer in UFRGS and Worked as Process Engineer at Siemens for six years. In the 1990’s he finished his Master Studies on Management at UFRGS and began his academic life with a Doctoral Studies at TU-Berlin. Back to Brazil he worked in projects in Ceara State and achieved a Professor‘s po-sition at UFC (Universidade Federal do Ceará) in 2009 at Management Studies Departament. Since than he has been Professor acting in the undergraduate and pos-graduation courses and researching in the sustainability and innovation areas. José Carlos Lazaro also acted as Department Chief and coodinated the undergraduate course on Management and the Profes-sional Master Studies Course. From 2012 till 2015 he coordenated the UFC’s Brazilian side of the UNIBRAL (DAAD/CAPES) Project.

Vera de HesselleVera de Hesselle ist in Aachen geboren. Sie studierte in Köln, Lausanne, Straßburg und Löwen Rechtswissenschaften, ihr Referendariat führte sie nach Bremen. Nach einer mehrjährigen Tä-tigkeit als Anwältin und Fachanwältin für Steuerrecht promovierte sie an der Universität Ham-burg zu Dr. jur. und nahm 2004 einen Ruf zur Professorin an der Westfälischen Hochschule an. Im Jahre 2008 erfolgte ihr Ruf an die Hochschule Bremen, an der sie seither in den Bereichen Steuerrecht und Wirtschaftsrecht lehrt. Sie hat zahlreiche Veröffentlichungen verfasst und ist stark praxisorientiert und international ausgerichtet. Im Wintersemester 2011/2012 leb-te sie in São Paulo und arbeitete bei der international tätigen Anwaltssozietät Araújo e Poli-castro, im Wintersemester 2015/2016 lebte sie in Lissabon und arbeitete an Projekten mit der Deutsch-Portugiesischen Industrie- und Handelskammer.

Rui MarquesRui Marques grew up in British Columbia, Canada. With 18 he moved to Portugal where he worked in design and as technical draftsman before studying architecture at Lusófona Univer-sity, Lisbon. He gained several years of work experience as assistant professor and as architect, mainly in urban rehabilitation and design of residential buildings. Since 2008, he has worked for Vector Foiltec in Bremen, a company specializing in ETFE cladding technology. As Sales Manager for Latin America he acquired the contract for Arena Pernambuco in Recife, Brazil, one of the 2014 World Cup Stadiums, and coordinated the project on site. His current position at Vector Foiltec is Sales Manager Europe.

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Katrin NisselBorn in Regensburg, Germany, Katrin Nissel studied Portuguese Philology, New German Li-terature and Philosophy (Master of Arts) in Hamburg, Lisbon and Rio de Janeiro. She gained experiences of intercultural life and work during her studies and as an assistant professor of the DAAD at the University of Belo Horizonte (Brazil). After working as culture managers since 2007 she is a Research Associate at the Zentrum für Interkulturelles Management & Diversity (ZIM) and a Senior Lecturer in Intercultural Communication, Diversity Management and Brazi-lian Cultural Studies at the Hochschule Bremen. She also coordinates the academic exchange with Brazilian universities. Her current research focus is on learning and teaching cultures, the impact of culture on literature as well as on managing diversity in different cultural settings.

Sebastian RünzSebastian Rünz studied law in Mainz and Porto. In 2013 he obtained an LL.M. from the Univer-sity of Toronto. During his legal traineeship, he spent several months in the law department of the German Brazilian Chamber of Industry and Commerce in São Paulo. Mr. Rünz is currently working at the Cologne location of the international law firm Luther.

Mechthild SchrootenMechthild Schrooten ist Professorin für Volkswirtschaftslehre, insbesondere Geldtheorie und Geldpolitik, Internationalisierung der Güter- und Geldmärkte an der Hochschule Bremen. Sie leitet den Internationalen Studiengang Global Management (ISGM; B.A.), zu dessen Curricu-lum ein einjähriger Auslandsaufenthalt beispielsweise in Brasilien gehört. In diesem Rahmen hat sie gemeinsam mit der Brasilien-Beauftragten an der Hochschule Bremen, Katrin Nissel, den deutschen Teil des vierjährigen UNIBRAL Projektes gestaltet und verantwortet, auf des-sen Grundlage der qualifizierte Studierenden- und Lehrendenaustausch mit der Universität Federal do Ceará (UFC) in Fortaleza gefestigt wurde. Mechthild Schrooten ist Sprecherin der Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik und setzt sich regional, national und interna-tional für Verteilungsfragen ein. Ihr Forschungsschwerpunkt liegt im Bereich Internationale Transaktionen.

Maria Mislene Rosado de SousaMaria Mislene Rosado de Sousa was born in Jerumenha in the Brazilian State of Piauí. She has got a degree in Business Administration from State University of Piauí (Universidade Estadual do Piauí – UESPI), a master‘s degree in Logistics and Operational Research from Federal Uni-versity of Ceará (Universidade Federal do Ceará – UFC), a French Master 2 (M2R) degree in Lo-gistic and Strategic Management for Business and Organisations from Transport and Logistics Research Centre – University Aix-Marseille (L‘Université Aix-Marseille). She is now a doctoral student in Management Science at Lyon/Jean Monnet University. As far as experience is con-cerned, she is currently a teacher at Education, Science and Technology Federal Institute of Piauí. In the past, she taught Business Administration at UESPI, was a tutor at Open University of Piauí, and also a Municipal Secretary of Education in Canavieira-PI.

Copyright 2016:Schriftenreihe der Fakultät Wirtschaft an der Hochschule Bremen

Fakultät Wirtschaft, Hochschule Bremen (HSB), Werderstraße 73, 28199 Bremenhttp://www.fk1.hs-bremen.de/

Band 72ISBN 978-3-922892-71-7

Druck:saxoprint.deSAXOPRINT GmbHEnderstr. 92 c01277 Dresden

Schutzgebühr: 15,00 Euro

Nachweise der AbbildungenUmschlagfoto „Graffiti an einer Hauswand der Favela Cidade de Deus“: Katrin NisselKapitelbild Fußball, Nation und Politik: Katrin NisselBilder An unexpected ‘Boom’: Gabriel BonadiesBilder Business Case: © Vector FoiltecFotocollage BRAZIL: Katrin NisselKapitelbild Fair trade in Brazil: Katrin NisselKapitelfoto Der Digitale Biodiversitätsatlas: Heiko BrunkenKapitelfoto UNIBRAL I: Katrin NisselDie Porträtfotos wurden den Herausgeberinnen von den Autorinnen und Autoren zur Verfügung gestellt.

Letorat der englischen TexteTechniText TranslationsValerie ScholesDr. Ulrich Greb

Lektorat der deutschen TexteKatrin Nissel

Gestaltung Sascha Peschke

Die Beiträge dieses Bandes setzen auf Analyse und Information im bilateralen Kontext. Aus gesell-schaftspolitischen, wirtschaftlichen, kulturhistorischen, medien-, natur- und rechtswissenschaftlichen Perspektiven beleuchten die Autorinnen und Autoren, welche Hürden Brasilien zu nehmen hat aber auch welche Potentiale das Land gerade für die deutsch-brasilianische Zusammenarbeit im Hinblick auf wis-senschaftliche Kooperation, angewandte Forschung und Hochschulaustausch im Kulturvergleich birgt.