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CHINA IM 21. JAHRHUNDERT Politik, Wirtschaft und Kultur im Unterricht MAI 2015 57. JAHRGANG

CHINA IM 21. JAHRHUNDERT - Zeitbild · Tagesablauf 6-7 Uhr: Aufstehen, frühstücken, zur Schule gehen 7-12 Uhr: Unterricht 12-14 Uhr: Mittagspause 14-19 Uhr: Unterricht 19-20 Uhr:

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CHINA IM 21. JAHRHUNDERTPolitik, Wirtschaft und Kultur im Unterricht

MAI 2015 57. JAHRGANG

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Inhalt Vor wor te

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Vorworte 324 Stunden Rushhour 4

8 Fakten über Chinas Jugend 6Familie und Gesellschaft 8

China auf einen Blick 10Umweltpolitik 12

Dynastien in China 14Von Kaisern und Kommunisten 16

Harmonie und Kontrolle 18Supermacht auf der Suche 20

China und die Weltwirtschaft 22Wanderarbeiter in China 24

Die drei Lehren 26Chinas Gegenwartskultur 28

Didaktische Hinweise und Arbeitsblätter 30Anhang 39

Impressum 40

INHALT

Professor Sebastian Heilmann, Direktor des Mercator Institute for China Studies (MERICS)Wie auch immer die Welt der Zukunft aussehen mag: Sie wird „chinesischer“ sein als je zuvor. China ist auf dem Weg, politisch, wirtschaft-lich und technologisch zur mächtigsten Nation des 21. Jahrhunderts aufzusteigen. Schon heute ist die Volksre-publik eines der wichtigsten Partnerländer Deutschlands. Dabei hat das „Reich der Mitte“ gerade erst damit angefangen, die Welt zu ver-ändern: Chinesische Internet- und Telekom-Unternehmen expandieren mit neuartigen Geschäftsmodellen. Smart-phones bislang wenig bekann-ter chinesischer Hersteller, die mit neuen Funktionalitäten ausgestattet und zugleich preisgünstig sind, erobern die Märkte von Entwicklungs- und Schwellenländern und werden demnächst auch in Europa präsent sein. Chi-nesische Designer erobern die Fashion Weeks in Paris und New York. Chinesische Erfindungen haben immer größeren Einfluss auf unser Leben. Made in China war gestern. In Zukunft wird es immer öfter heißen: Designed in China.China wird die Welt weiter verändern – auch Deutschland und Europa. Darum ist es wichtig, dass wir China im Blick haben. Wenn wir die Welt des 21. Jahrhunderts verste-hen wollen, müssen wir China verstehen.

Dr. Michael Schäfer, früherer deutscher Botschafter in ChinaChina hat in den vergangenen 30 Jahren eine atemberau-bende Entwicklung erlebt. Es ist heute nicht nur die zweitgrößte Wirtschaft der Welt, sondern auch eine glo-bale Gestaltungsmacht. Für Deutschland und Europa ist China der wichtigste Partner in Asien. Vielfältige Bezie-hungen in Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur prä-gen unsere engen Beziehun-gen. Tausende junge Chinesen studieren in Deutschland und auch immer mehr junge Deutsche interessieren sich für ein Studium oder ein Praktikum im Reich der Mit-te. Das ist wichtig, denn nur durch engen Austausch unse-rer Menschen werden immer noch bestehende Vorurteile abgebaut und Vertrauen zwi-schen unseren Bevölkerungen geschaffen.

Staatsministerin Brunhild Kurth,Präsidentin der Kultus-ministerkonferenz China und Deutschland verbindet die wechselseitige Faszination für Kultur, Tradi-tion und Wissenschaft. Beide Länder kooperieren heute enger miteinander als jemals zuvor. Die Zahl der Studierenden, die ein oder mehrere Semester im jeweils anderen Land lernen, le-

ben und Kontakte knüpfen, wächst kontinuierlich, ebenso wie der Wunsch, die andere Sprache zu erlernen.Die Länder unterstützen diese

positive Entwicklung durch Lernangebote an Schulen und Hochschulen. Chinesisch wird an einer wachsenden Zahl von Schulen unterrichtet – bis hin zum Abitur. Und neben vielen Gymnasien realisieren auch die übrigen weiterführenden Schulen sowie Grundschulen Austauschprojekte. In Studium und Lehre können wir auf zahl-reiche Hochschulkooperationen blicken.Für den Erwerb fundierter Sprachkenntnisse und die Ent-wicklung eines sozio-kulturellen und geografischen Verständni-ses benötigen Schülerinnen und Schüler Lernmedien, die sehr hohen fachlichen und didakti-schen Anforderungen genügen, die zugleich aber auch alters-gemäß Neugier wecken und Freude am Lernen vermitteln.Dem Zeitbild Wissen „China im 21. Jahrhundert“ wünsche ich eine aufgeschlossene Leser-schaft und weite Verbreitung.

Jana Brokate, Sinologie-StudentinWenn wir nicht wollen, dass uns fehlendes Wissen über China in Zeiten des globalen Wandels schmerzhaft auf die Füße fällt, liegt es in unser aller Verantwortung, uns für mehr China im Schulunter-richt einzuset-zen - und dem Land dabei die Komplexität und Vielfalt zuzugestehen, die ihm tatsäch-lich innewohnt. Ergänzend zum Unterricht ermöglichen Schüleraus-tauschprogramme und Aus-landsaufenthalte nach dem Abitur jungen Menschen, tiefer in die chinesische Kultur einzutauchen. Über solche Möglichkeiten zu informieren, sollte fester Be-standteil der Lehrtätigkeit an allen Schulen sein.

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24STUNDEN RUSHHOUR:JUGEND IN SHANGHAIZWEI JUGENDLICHE AUS SHANGHAI ERZÄHLEN VON SICH UND IHREM LEBEN ZWISCHEN SCHULE UND FREIZEIT.

2.+3. Chinesische und deutsche Jugendliche haben viel gemeisam − sie treffen sich in

ihrer Freizeit am liebsten mit Freunden, gehen gern einkaufen und gemeinsam essen.

1. Beim chinesischen Frühstück steht oft Zhou (Reissuppe) auf dem Tisch.

Shanghai hat sich zu einer pulsierenden Metropole mit über 23 Mio. Einwohnern entwickelt.

NIMEN HAO! Wir heißen Jiachen und Fan. Wir sind 16 Jahre alt und leben in Shanghai.

SCHULE [JIACHEN ERZÄHLT]Ich besuche die 10. Klasse einer Ober-schule in Shanghai. Montags bis freitags bin ich von 7 bis 19 Uhr, also fast den ganzen Tag, in der Schule. Zu Hause mache ich nach dem Essen gleich meine Hausaufgaben. Häufig arbeite ich bis Mitternacht daran. Das Lernen kommt bei mir immer an erster Stelle. Ich will mich in allen Fächern verbessern, um später ein sehr gutes Abschlusszeugnis zu erhalten – das zählt, um einen guten Studienplatz zu bekommen.

FREIZEIT [FAN ERZÄHLT]Am Wochenende lerne ich viel und gebe jüngeren Schülern Nachhilfeunterricht. Wenn gerade einmal keine Prüfung an-steht und ich ein bisschen Zeit habe, sur-fe ich im Internet, schaue fern oder höre Musik. Außerdem gehe ich mit meinen Freunden gerne essen oder ins Kino.

STUDIUM [JIACHEN ERZÄHLT]In zwei Jahren bin ich mit der Ober-schule fertig. Danach möchte ich an der angesehenen Fudan-Universität in Shanghai studieren, am liebsten das Fach Jura – ich möchte nämlich einmal An-wältin werden. Ich weiß schon, die Auf-nahmeprüfung, die Gaokao, ist ziemlich schwer und nur wenige werden für ihren Wunschstudiengang zugelassen. Wenn ich die Gaokao nicht schaffe, lande ich wohl an einer weniger angesehenen Hochschule irgendwo in China.

ERNÄHRUNG [FAN ERZÄHLT]Bevor ich morgens zur Schule fahre, frühstücke ich zusammen mit meinen Eltern. An den meisten Tagen gibt es Zhou – das ist eine Art Reissuppe. Mittags esse ich in der Schulkantine hauptsächlich Reis, Gemüse und Fleisch. Zum Abendessen sitze ich wieder mit meinen Eltern zusammen und es gibt häufig Nudeln mit gebratenem Gemüse. Mit meinen Freunden gönne ich mir ab und zu auch einen Burger. Das ist zwar manchmal teurer als etwas typisch Chi-nesisches, aber mir schmeckt’s!

WOHNEN [JIACHEN ERZÄHLT]Zusammen mit meinen Eltern lebe ich in einer 80 Quadratmeter großen Drei-zimmerwohnung in Shanghai. Meine Mutter liebt Haustiere. Deswegen haben wir einen Hund und eine Katze.

Tagesablauf 6-7 Uhr: Aufstehen, frühstücken, zur Schule gehen

7-12 Uhr: Unterricht

12-14 Uhr: Mittagspause

14-19 Uhr: Unterricht

19-20 Uhr: nach Hause gehen, Abendessen

20-24 Uhr: Hausaufgaben und Lernen

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1. Die sozialen Netzwerke mit den meisten Nutzern heißen QQMessenger (ähnlich zu Skype), Wei-bo (ähnlich zu Twitter) und RenRen (chinesisches Facebook). Weixin (eine Mischung aus Facebook und WhatsApp) wird immer be-liebter. Manche ausländische Plattformen sind in China ohne VPN/Proxy–Server nicht aufrufbar.

2. Mehr denn je wollen Jugendliche heute aus der Masse herausstechen und ihren eigenen Modestil entwickeln. Dadurch sind viele unterschiedliche Mode-richtungen entstanden. Sie

heißen „Xiao Qinxin“ (dt. kleine Frische, s. Bild) und „Zhong Kouwei“ (dt. schwerer Geschmack).

3. Das Fernsehen adaptiert Formate aus dem Ausland. Zum Beispiel: die Talent-show „The Voice of China“ oder die Seifenoper „iPart-ment“, die sich an „How I Met Your Mother“ und „FRIENDS“ orientiert. Anklang finden außerdem südkoreanische Soaps.

4. In China ist Pop sehr angesagt. Die Charts führen zur Zeit Kolor, eine vierköpfige Boy-Band aus Hongkong mit ihrer Single

生於憂患 (dt. Das Leben entspringt der Trauer und dem Unglück), der Sänger und Schauspieler Leo Ku und sein Lied 致少年時

代 (dt. Die Ursache liegt in der Kindheit) und der Titel 一去不返 (dt. Vorbei) der Gruppe Dear Jane an.

5. Der Markt für Schön-heitsoperationen in China ist groß. Gerade junge Chine-sinnen lassen solche Eingrif-fe vornehmen. Sie hoffen auf verbesserte Karrierechancen und die Aussicht auf einen „besseren“ Ehepartner.

6. Das Schulsystem verlangt den Schülern eine Menge ab.

Der Höhepunkt ist die Gaokao, die Prüfung für die Hochschulzulassung. Darauf bereiten sich die Jugendli-chen ab der ersten Klasse vor.

7. Schon gewusst? Ein Friseurbesuch mit Waschen, Schneiden, Föhnen und Sty-len kostet in Peking ab 20 Yuan. Das sind umgerechnet gerade einmal 2,50 €.

8. In China gilt als schön, wer eine helle Haut hat. Bleichende Hautcremes sind deshalb immer in Mode. Im Sommer schützen Chine-sinnen ihre vornehme Blässe mit Sonnenschirmen und Handschuhen vor der Sonne.

8 FAKTEN ÜBER CHINAS JUGEND

„RIESIGER ERWARTUNGSDRUCK“ Im Gespräch mit Kristin Shi-Kupfer1. Was ist typisch für Jugendliche in China?Chinesische Jugendliche wachsen mit einem hohen Erwartungs-druck in Bezug auf ihre schuli-schen Leistungen auf. Sie haben wenig Zeit für Hobbys und ihnen fehlt oft die Erfahrung, Teil einer Gemeinschaft (z. B. einer Fußball-mannschaft) zu sein. Ihre Eltern möchten sie möglichst lange vor einer als rau empfundenen Gesellschaft beschützen, weshalb es ihnen manchmal an Freiräumen und der Möglichkeit, sich auszu-probieren, fehlt.

2. Sind diese Merkmale typisch für alle jungen Chinesen und gibt es innerhalb Chinas regionale Unter-schiede, je nachdem wo die jungen Leute leben?In ländlichen Gebieten wachsen viele Jugendliche bei Großeltern oder Verwandten auf, da ihre Eltern oft in größeren Städten arbeiten. Junge Leute in Tibet oder Xinjiang sind durch religi-öse Institutionen (Tempel bzw. Moschee) stärker in Gemeinschaf-ten eingebunden. Sie erleben das Spannungsfeld aus eigener Traditi-on und einer westlichen Moderne noch sehr viel stärker als junge Han-Chinesen. Eine wachsende Zahl chinesischer Eltern der wohl-habenden Mittelschicht wünscht sich für ihre Kinder eine weniger an Buchwissen und Prüfungen orientierte Bildung, die mehr Wert auf Persönlichkeitsentwicklung legt. Sie schicken ihre Kinder daher auf internationale Schulen oder sogar ins Ausland.

3. Welche Einstellung haben chine-sische Jugendliche zur Politik ihres Landes? Für viele Jugendliche gilt: Po-litik ist etwas Abstraktes, auch Unheimliches. In städtischen Familien werden die kollektiven Erinnerungen wie die Nieder-schlagung der Protestbewegung von 1989 direkt oder indirekt an die Kinder weitergegeben: Aus Politik hält man sich besser raus. Auf dem Land machen junge Leute oft früher Erfahrungen mit Politik, sei es durch Willkürakte lokaler Kader oder auch durch erfahrene Diskriminierung als Landbewohner in den Städten. Der politische Unterricht in den Schulen langweilt die meisten. Sie können mit der abstrakten und verklausulierten Parteisprache nichts anfangen.

4. Welchen Stellenwert haben Familie, Eltern und Geschwister für Jugendliche in China (heute)? Die meisten Jugendlichen sind Einzelkinder. Durch die nun gelockerte Ein-Kind-Politik wird sich das in der nächsten Generati-on möglicherweise ändern. Eltern und Verwandte üben großen Einfluss und auch direkten Druck auf Entscheidungen der Jugendli-chen aus. Junge Leute fühlen sich gegenüber der Familie, die sie oft-mals sehr verwöhnt und ihnen fast jeden materiellen Wunsch erfüllt, verpflichtet und zugleich von den Erwartungen erdrückt. Manche rebellieren und suchen sich ihren eigenen Lebensweg. Direkte Zer-würfnisse sind aber selten.

HAN HANNachdem er die Schule ab-

gebrochen hatte, veröffent-lichte Han Han im Alter von 17 Jahren seinen ersten Roman, der zum Bestseller wurde. In den dar-auffolgenden zehn Jahren verfass-te er weitere Bücher, schrieb Chi-nas meistgelesenen Blog http://blog.sina.com.cn/twocold, grün-dete ein Magazin und arbeitet weiter an seinem Traum, professi-oneller Rennwagenfahrer zu wer-den. Chinesische Internetnutzer lieben ihn, weil er seine Meinung über die chinesische Politik und Gesellschaft ohne Rücksicht auf Tabus äußert.

Die Stimme einer neuen Generation

Kristin Shi-Kupfer leitet den Forschungsbereich Politik, Gesellschaft, Medien am Mercator Institute for China Studies (MERICS). Die Sinologin und Politikwissenschaftlerin berichtete von 2007-2011 u. a. für ZEIT Online, taz und epd als Korrespondentin aus Peking. Das MERICS ist ein im Jahr 2013 gegründetes Institut, das unabhängige Forschungen und Analysen zu aktuellen Entwicklungen in China durchführt. Das Institut informiert die Öffentlichkeit und außerdem Vertreter aus Politik, Wirtschaft, Gesellschaft und Medien.

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BEISPIEL WUKAN

Die chinesische Gesellschaft hat sich in den letzten Jahrzehnten stark gewandelt – die Verwirk-

lichung des Traums von individuellem Wohlstand ist für immer mehr Men-schen in greifbare Nähe gerückt. Mit dem Wohlstand einher gehen auch For-derungen nach mehr Partizipation und Mitbestimmung. Die meisten Chinesen setzen allerdings in Übereinstimmung mit der Staatsführung auf Stabilität und Harmonie.Li Xiaohua kann eigentlich nichts aus der Ruhe bringen. Gemütlich sitzt sie ge-meinsam mit ihrer dreijährigen Tochter

Meilin und ihren beiden Freundinnen bei Starbucks und nippt an ihrem Frappuc-cino. Erheitert schaut die kleine Runde auf das flimmernde Display von Xiaohuas iPad, das abwechselnd Fotos von Tochter Meilin und dem Familienurlaub zeigt. Xiaohua lebt mit ihrem Mann Wei in der 11-Millionen-Metropole Guangzhou im Südosten des Landes.

DER CHINESISCHE TRAUM*

Sie ist Lehrerin, ihr Mann Webdesigner: Gemeinsam kommt die kleine Familie auf 15.000 Yuan im Monat – das sind

umgerechnet rund 1.800 Euro. Für eine chinesische Familie ist das bereits ein ge-hobenes Einkommen. Zwar sparen die Lis, wie viele Angehöri-ge der chinesischen Mittelschicht, immer einen Teil des Einkommens, doch die In-neneinrichtung ihrer 80-Quadratmeter-Wohnung zeugt auch nicht von einem kargen Lebensstil. Ein Besuch in ihrem Zuhause macht das deutlich. Neben be-kannten chinesischen Markenprodukten wie der Waschmaschine von Haier oder dem Notebook von Lenovo stehen in der Wohnung ein Fernseher von Sony und ein Kühlschrank von Bosch.

* „Der chinesische Traum“ ist auch eine Bezeichnung für das politische Programm

der KPCh mit dem Ziel, China wieder zu alter (politischer) Größe zu verhelfen.

1. Die Mittelschicht verfügt heute über deutlich höhere Ein-kommen als noch vor

wenigen Jahrzehnten. Dieser Wandel wirkt sich auf die gesamte Gesellschaft aus.

FAMILIE UND GESELLSCHAFT

2. Erfolgreicher Pro-test: Die Einwohner Wukans gingen 2012 gegen Korruption und

illegale Enteignungen auf die Straße. Dadurch erreichten sie unabhängige Wahlen.

In dem ca. 13.000 Einwohner zählenden Städtchen Wukan, 120 km östlich von Hongkong, konnten die Einwohner im März 2012 in unabhängigen Wahlen

über ihr Dorfkomitee abstimmen. Vorausgegangen waren monate- lange Proteste gegen Korruption und illegale Enteignungen. Die Situation

eskalierte, als aufgebrachte Dorfbewohner nach dem Tod eines Protestierenden in Polizeigewahrsam die Polizisten kurzerhand aus dem Dorf vertrieben. Men-schenrechtsaktivisten hoffen nun, dass das Beispiel Wukan in Bezug auf freie,

unabhängige Wahlen beispielhaft für andere Kommunen sein kann.

Xiaohuas Schwiegermutter Danning lebt ebenfalls hier und kann sich noch gut an vergangene Zeiten erinnern: „Früher gab es oft nur eine kleine Schale Reis für jeden von uns. Heute können wir wirklich alles kaufen, was uns gefällt. Uns geht es gut.“Xiaohua und Wei nicken bestätigend mit dem Kopf, während Danning erzählt. Im Prinzip hätten sie keinen Grund zur Kla-ge, so versichern die Lis fortwährend, nur wenn Xiaohua über den Verkehr in Gu-angzhou spricht, dann blitzt für einen kur-zen Moment so etwas wie echter Ärger in ihrem Gesicht auf: „Die Straße vor unse-rem Haus ist jeden Tag total verstopft und durch den Smog bekomme ich manchmal Atembeschwerden. Besonders für meine Tochter wünsche ich mir, dass sich daran etwas ändert.“ So klingen derzeit viele Geschichten aus der chinesischen Mittelschicht, die in den letzten Jahrzehnten kräftig angewachsen ist. Waren es im Jahr 2005 noch 42 Mio. Haushalte, die über ein Nettoeinkommen zwischen 3.000 und 12.000 US-Dollar verfügten, steigt die Zahl dieser Mittel-schichthaushalte nach einer Prognose auf 198 Mio. im Jahr 2015. Der chinesische Traum vom Wohlstand erfüllt sich dadurch für immer mehr Menschen, dennoch ist der Grad an Ungleichheit innerhalb der chinesischen Gesellschaft hoch.

anderen Usern verbreitet wird, oder mit einem Beitrag zu einem Gerücht 5.000 Nutzer erreicht, erfüllt seit 2013 den Tatbestand der „Verbreitung von Inter-netgerüchten“, der mit drei Jahren Ge-fängnis geahndet werden kann. Streng tabu sind auch die drei Ts: Tiananmen, Tibet und Taiwan. Wer diese drei Be-griffe bei Baidu, der führenden chinesi-schen Suchmaschine eingibt, wird nur „bereinigte“ Artikel vorfinden. Wer bei den beliebten Microblogs gar darüber schreibt, muss mit empfindlichen Stra-fen rechnen.

WAS WURDE EIGENTLICH AUS DER EIN-KIND-POLITIK?

In China gilt seit 1979 die Regel, dass jede Familie nur ein Kind bekommen darf. Mit der Ein-Kind-Politik reagierte die Regierung auf das fast explosionsar-tige Bevölkerungswachstum nach 1949: Von 544 Mio. Einwohnern im Jahr 1950 wuchs die Zahl der Chinesen in nur 30 Jahren auf 984 Mio. Wurde diese Rege-lung in der Vergangenheit teilweise mit rigorosen Mitteln wie hohen Kompen-sationsstrafen und sogar Zwangsabtrei-bungen durchgesetzt, hat die Regierung mittlerweile zahlreiche Lockerungen ein-geführt; inzwischen dürfen beispielswei-se Paare zwei Kinder bekommen, wenn einer der Partner Einzelkind ist – bisher war das nur erlaubt, wenn beide Partner Einzelkinder sind. Auch die 55 ethni-schen Minderheiten in China unterlie-gen anderen Bestimmungen. So dürfen sie, je nach städtischem oder ländlichem Wohnsitz und der Größe der Minder-heiten, zwischen zwei und drei Kinder haben. Insbesondere die hohe Abtreibungsquo-te bei Mädchen, der daraus resultierende Männerüberschuss, aber auch eine relativ geringe Geburtenraten von 1,55 Kindern pro Frau (zum Vergleich Deutschland: 1,38 Kinder pro Frau) sind Fehlentwick-lungen der Politik, welche die Regierung mit den Lockerungen korrigieren will.

ZIVILGESELLSCHAFT IM WANDEL

Die Entwicklung zu mehr Wohlstand wirkt sich auch auf die Zivilgesellschaft aus, die zunehmend ihre Meinung kund tut. Demonstrationen gegen Umweltver-schmutzungen, Umsiedlungen, absurde Bauvorhaben oder Korruption sind kei-ne Seltenheit mehr. Gerade Bürger aus der Mittelschicht sind in jüngster Zeit vermehrt auf die Straße gegangen. Dass die absolute Zahl der Proteste gestiegen ist, lässt sich sogar in den offiziellen Sta-tistiken nachlesen. So geht die Chinesi-sche Akademie für Sozialwissenschaften (CASS), eine dem chinesischen Staatsrat nahestehende Organisation, von einer Steigerung der Anzahl der Kundgebun-gen von 10.000 im Jahr 1993 auf 180.000 im Jahr 2010 aus. Die chinesische Regierung reagiert auf derlei Bestrebungen mit einer Verschär-fung der Online-Überwachung. Die sogenannte „Große Firewall“, die den Zugang zu Seiten wie Twitter, Face-book oder westlichen Medien blockiert, wird zunehmend von einer schärferen Überwachung der Kommentare in chi-nesischen Foren und Blogs durch die In-ternetpolizei flankiert. Wer ein Gerücht ins Netz stellt, das mehr als 500 Mal von

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Geograf ie und Umwelt

Zhu Jiang

Huang He

Chang Jiang(Jangtsekiang)

Himalaya

Gebi(Gobi-Wüste)

Takelamagan Shamo(Taklamakan-Wüste)

Beijing (Peking)

Wulumuqi (Ürümqi)

Chongqing

Shanghai

Shenyang

Xianggang(Hongkong)

Guangzhou

Nanjing

Chengdu

Xi‘an

Sichuan

Macao

Lasa (Lhasa)

Hami

Mogao ku (Mogao-Grotten)

Shandong

Shule (Kashgar)

Leshan

Zhumulangma(Mount Everest)

Zhonghua Minguo(Taiwan)

Harbin

Qufu

Shaoshan

Wanli Changcheng (Chinesische Mauer)

Xiamen

Shangri-La

Zhengzhou

Seidenstraße

Hamburg

Berlin

München

Frankfurt

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Mit rund 10,5 Millionen km2 nimmt China

7,2 Prozent der Erdoberfläche ein. Deutschland kommt auf weniger als 0,3 Prozent (357.100 km2).

GebirgeIn Westchina erheben sich Gebirge mit Hochebenen und großen Becken, z.B. die Mongolische Hochebene, das Tarim- oder Sichuan-Becken. Hier liegen auch der Hima- laya – mit seinem Hauptgipfel Zhumulangma (Mount Everest) und mit einer durchschnittlichen Höhe von 6.200 Metern das höchste Gebirge der Welt –, das Himmelsgebirge (Tianshan), der Pamir und das Hochland von Tibet.

FlüsseChinas längster Fluss ist mit rund 6.400 Kilometern der Jangtsekiang, der drittlängste Fluss der Erde. Der Rhein erstreckt sich als längster deutscher Fluss über 1.230 Kilometer.

PekingPeking ist die Hauptstadt der Volksrepublik China. Hier leben 20,7 Millionen Einwohner; in Berlin 3,4 Millionen.

KlimaChina erstreckt sich über 18 verschiedene Klimazonen, von extrem trockenem Wüsten-klima bis hin zu tropischen Klimaten.

Die Fläche Deutschlands und Chinas im Vergleich.

10. Xi’an war der Ausgangspunkt der Seidenstraße und beherbergt die Terrakottaarmee des ersten Kaisers.

5. In ganz China ist Hami für seine Melonen bekannt.

3. Ürümqi ist berühmt für seine Märkte und insbesondere für die vielen Rosinensorten.

17. In Harbin findet jedes Jahr das weltbekannte Eisfestival statt.

6. Die Mogao- Grotten umfassen etwa 100 Höhlen.

12. In Shaoshan wurde Mao Zedong 1893 gebo-ren. Sein Geburtshaus wurde originalgetreu nachgebaut und kann heute besichtigt werden.

14. Der Shaolin-Mönchs-orden ist weltweit für seine Kung-Fu-Künste bekannt.

8. Der große Buddha von Leshan ist die weltgrößte Buddhastatue aus Stein.

9. In Qufu, Provinz Shandong (damals Lu) wurde 551 v. Chr. Konfuzius geboren. Er prägte die Philosphie des Konfuzianismus.

4. Lhasa ist die Hauptstadt

Tibets und liegt auf 3.600 m Höhe.

2. Der Mount Everest ist mit 8.848 m der höchste Berg der Welt.

1. In Kashgar leben viele Uiguren, eine muslimische Minderheit in China. Die Heytgah-Moschee ist die größte in China.

China (1,37 Mrd.)Deutschland (81 Mio.)

11. Die Chinesische Mauer ist mit 6.350 km Gesamt-länge das größte Bauwerk der Welt.

13. In Peking, der Hauptstadt Chinas, befindet sich die Verbotene Stadt mit den kaiserlichen Palästen.

18. Shangri-La ist mit seinem weltberühmten Kloster Gadan Songzan-lin eine bedeutende bud-dhistische Pilgerstätte.

16. Shanghai ist eine der größten Städte der Welt und berühmt für ihre Skyline.

7. In den Gebirgen Sichuans gibt es wildlebende Pandas. Sie stehen unter besonderem Schutz.

Jangtsekiang (6.400 km)Rhein (1.230 km)

Mount Everest (8.848 m) Zugspitze (2.962 m)

CHINA AUF EINEN BLICK

15. Hongkong ist eines der Finanz-zentren der Welt und heißt übersetzt „Duftender Hafen“.

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Geograf ie und Umwelt

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„Chinas Luftqualität sollte nicht anhand von Daten beurteilt werden, die ausländische Botschaften

in Peking erhoben haben“

entweder Strafen zahlen oder die hohen Anschaffungskosten stemmen. Bisher wurden oft Bußgelder bezahlt, zukünftig soll deren Preis jedoch steigen.Schwierig ist es ohnehin zu überprüfen, ob sich jeder an die Auf-lagen der Behörden hält, viel zu oft drücken lokale Parteikader gegen Schmiergeld einmal ein Auge zu.Inzwischen ist die Führung in Peking aber bemüht, Hand-lungsfähigkeit zu demonstrieren; Ende Februar 2014 wurden Inspektoren in die Provinzen geschickt, um zu kontrollieren, ob die Behörden vor Ort genug gegen Smog unternehmen. Und als Premierminister Li Keqiang wenig später den alljährlichen Volkskongress eröffnete, kündigte er an, die Umweltverschmut-zung genauso intensiv zu bekämpfen wie die Armut. Für die Mittelschicht in den großen Städten ist der enorme Smog längst das größte Ärgernis.

KLIMASCHUTZShenzhen, das ist Chinas Labor. Einst ein größeres Fischer-städtchen an der Grenze zu Hongkong gelegen, ist Shenzhen inzwischen zu einer Metropole geworden. Heute leben hier über zehn Millionen Einwohner – mehr als im benachbarten Hong-kong. Keine Stadt hat von der wirtschaftlichen Öffnung Chinas so stark profitiert wie Shenzhen. Die Exportindustrie hat sich angesiedelt, Fabriken machten auf und beschäftigen Millionen von Wanderarbeitern. 1990 bekam die Stadt sogar eine Börse. Seit 2013 ist Shenzhen erneut die Versuchsküche des Landes. Die staatliche Kommission für Entwicklung und Reform starte-te in Shenzhen den chinesischen Emissionshandel. Lange galt in China der Satz: „Wir wachsen erst und kümmern

uns später um die Umwelt; die Europäer, die Amerikaner und Japaner haben es doch genauso gemacht!“ Damit soll es nun all-mählich vorbei sein.Derzeit wird jede zweite Tonne Kohle weltweit in China ver-

brannt, seit 2006 stößt kein Land der Erde insgesamt mehr CO2 aus als die Volksrepublik. Bis zum Ende des Jahrhunderts, so der Plan der Weltgemeinschaft, sollten weltweit allenfalls noch knapp 500 Milliarden Tonnen CO2 emittiert werden, um einen Temperaturanstieg von mehr als zwei Grad zu vermeiden. Wenn China so weitermacht wie bisher, wäre der Klimawandel wohl nicht mehr aufzuhalten. Doch China beginnt, sich zu verändern.

Bei Klimakonferenzen hält sich China meistens be-deckt, derzeit ist geplant, dass die Emissionen ab 2030 zurückgehen sollen. Dazu beigetragen hat auch

das historische Abkommen zwischen China und den USA im Jahr 2014, in dem beide Staaten gemeinsam den Weg zur Eindämmung ihrer Schadstoffemissionen darlegen. In China selbst werden erneuerbare Energien in rasantem Tempo aus-gebaut, kleine, ineffiziente Kohlekraftwerke werden vom Netz genommen. Und nun beginnt auch der Emissionshandel. Die beteiligten Unternehmen erhalten dabei eine begrenzte An-zahl von Verschmutzungsrechten. Liegen ihre Emissionen über den Grenzwerten, müssen sie zusätzliche Zertifikate erwer-ben; liegen sie darunter, können die Firmen ihre überschüssi-gen Rechte an andere Firmen verkaufen. Das System soll In-vestitionen in klimafreundliche Technologien begünstigen. Chinas Vorbild ist der Emissionshandel in der Europäischen Union. Der Mann, der China den Emissionshandel bringt, heißt Felix Matthes und arbeitet für das Öko-Institut in Berlin. In China nennen sie ihn Meng Fei. Er ist ein führender Emissionshan-delsexperte und berät im Auftrag der Weltbank die Führung in Peking. Bis 2020 möchten die Chinesen den Emissions-handel im ganzen Land einführen, am liebsten schon früher. „Den Handel zu organisieren, ist absolut kein Problem“, sagt Matthes, „die Herausforderungen liegen in den anderen Tei-len des Systems.“ Die Schwierigkeit in China: Es müssen neutrale Instanzen her, die kontrollieren, dass sämtliche Un-ternehmen und Staatskonzerne sich künftig an die Regeln halten und ihren CO2-Ausstoß korrekt angeben. „Das ist neu in China, es werden keine staatlichen Institutionen mit der Prüfung beauftragt, sondern anerkannte Unternehmen“, sagt

Matthes, „renommierte Verifikati-onsfirmen, z. B. internationale Wirt-schaftsprüfungsgesellschaften.“

von Christoph Giesen

Wer in einer chinesischen Großstadt lebt und ein Smartphone besitzt, der hat meistens auch eine App installiert, die die aktuelle Feinstaubbelastung

anzeigt. Vor allem im Herbst und im Winter sind die Werte oft dramatisch erhöht. 16 der 20 weltweit am stärksten verschmutz-ten Städte, schätzt die Weltbank, liegen in China. Die Zahlen auf den Handydisplays stehen für stechende Schmerzen in der Lunge, für Sicht von wenigen Metern, Krank-heit und tausendfachen frühen Tod. Für die alltägliche chinesi-sche Katastrophe, die eine Begleiterscheinung des grenzenlosen Wachstums ist. Und trotzdem zeigen die Zahlen, dass sich et-was verändert in China: Die Daten zur Luftverschmutzung sind nicht mehr streng gehütete Geheimnisse. Noch vor drei Jahren behaupteten die Behörden, die Luftquali-tät in den chinesischen Städten verbessere sich stetig. 2010 etwa soll die Pekinger Luftqualität angeblich an 286 Tagen entweder „exzellent“ oder „gut“ gewesen sein. 1998 hingegen, argumentie-ren die Beamten, sei lediglich an 100 Tagen des Jahres der blaue Himmel zu sehen gewesen. Was die Behörden der Hauptstadt verschwiegen: Im Jahr 2006 wurden zwei Messstationen in der besonders verschmutzten Innenstadt geschlossen. Zwei Jahre später, zu den Olympischen Spielen, verlegte das Umweltamt

sämtliche Messpunkte 20 Kilometer außerhalb des Stadtzen- trums. Die amerikanische Vertretung in Peking begann deshalb zum Schutz der Botschaftsangehörigen mit eigenen Messungen. Auf ihrem Twitterkanal (@beijingair) werden seitdem Ergeb-nisse im Stundentakt veröffentlicht. „Chinas Luftqualität soll-te nicht anhand von Daten beurteilt werden, die ausländische Botschaften in Peking erhoben haben“, beschwerte sich noch 2011 ein chinesischer Beamter. Wenige Wochen später knick-ten die Behörden nach lautstarkem Protest in Chinas sozialen Netzwerken ein und verbreiten seitdem die Resultate eigener realistischer Messungen. Schuld am Smog sind die Kohleöfen, die stetig steigende Anzahl an Autos in den Straßen und vor al-

lem die vielen Kohlekraftwerke, Stahlmühlen und Müllverbren-nungsanlagen, die ohne Filteranlagen betrieben werden. Das Problem dabei: Im Gegensatz zu Deutschland, wo der Strom von vier großen Versorgern erzeugt wird, sind es in China Hun-derte Betreiber. Alle Anlagen mit Filtern auszustatten ist sehr teuer. Für kleinere Betriebe ist es oft eine rationale Abwägung:

1.+ 2. Die Luftquali-tät in Großstädten ist problematisch.

3. Kohlekraftwerke sind Mitverursacher von Smog.

4. Erneuerbare Energien sind auf dem Vormarsch.

UMWELTPOLITIK

„China beginnt sich zu verändern“

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Geschichte

QIN-DYNASTIE221v. Chr.

HAN-DYNASTIE206 v. Chr.

TANG-DYNASTIE618 n. Chr.

SONG-DYNASTIE960 n. Chr.

MING-DYNASTIE1368 n. Chr.

QING-DYNASTIE1644 n. Chr.

221 v. Chr.: Ying Zheng vereinte die rivalisierenden

Einzelstaaten zu einem Kaiser-reich und bestieg den Thron

(Kaisertitel: Qin Shihuangdi).

Die Bezeichnung „China“ geht auf den wirtschaftlich

und militärisch mächtigsten Einzelstaat „Qin“ zurück.

Große Bauvorhaben: u. a. Grabanlage mit

Terrakottaarmee, 5.000 km- Abschnitt der „Großen Mauer“.

Unterdrückung des Konfuzianismus und der

Gelehrten, die sich z. B. in Bücherverbrennungen äußerte.

206 v. Chr.: Auf den Tod Qin Shihuangdis (210 v. Chr.) folgte

ein Bürgerkrieg, der das Ende der Qin-Dynastie besiegelte.

206 v. Chr.: Der Beamte Liu Bang (Kaisertitel: Gaozu) setzte

sich im Kampf um die Nachfolge durch und gründete die

Han-Dynastie.

Die Han-Dynastie gilt als technologische und kulturelle

Blütezeit Chinas. Folgende Dinge wurden u. a. erfunden: Papier, Stahlerzeugung, Seismoskop.

Blütezeit des Konfuzianismus: Staatliche Beamtenprüfung

auf Grundlage der „Fünf Klassiker“ des Konfuzius.

Staatliche Anerkennung der Lehren des Konfuzius.Der aus Indien stammende

Buddhismus gelangt erstmals nach China.

220 n. Chr.: Der mächtige Kriegsherr Cao Pi erzwang die Absetzung des letzten

Han-Kaisers.

618 n. Chr.: General Li Yuan (Kaisertitel Gaozu) gründete die

Tang-Dynastie.

Die Tang-Dynastie gilt als Glanzzeit des chinesischen

Kaisertums: Das Reich expandier-te, der Handel erlebte einen

Aufschwung und die chinesische Literatur florierte.

Wichtige Erfindungen wie das Schießpulver und der

Buchdruck wurden gemacht.Die einzige offizielle Kaiserin Wu Zetian.

Blütezeit des Buddhismus.Das Christentum erreichte

China.

907 n. Chr.: Dem Sturz der Tang-Dynastie gingen Aufstände und schwere

Naturkatastrophen voraus.

960 n. Chr.: General Zhao Kuangyin (Kaisertitel: Taizu) gründete die Song-Dynastie

im Anschluss an einen Militärputsch.

Die Song-Dynastie wird als kulturelle und gesellschaftliche

Blütezeit betrachtet: Wirtschaftlicher Aufschwung und Höhepunkte auf den Gebieten der

Malerei und Literatur gingen in dieser Epoche einher.

Landreformen wurden durch- geführt: Kleinbauern erhielten

staatliche Kredite.Einführung des Papiergeldes.

Bevölkerungswachstum und vergleichsweise hoher

Lebensstandard.

1279 n. Chr.: Korruption und Veruntreuung führten zum

Niedergang der Dynastie, die schließlich durch die Invasion der

Mongolen beendet wurde.

1368 n. Chr.: Der erfolgreiche Aufstand gegen die Herrschaft der

Mongolen mündete in die Gründung der Ming-Dynastie durch den Han-Chinesen Zhu

Yuanzhang (Kaisertitel: Hongwu).

Die Ming-Dynastie wird allgemein als Ära von hoher

Stabilität bezeichnet. Große Seiden- und

Porzellanmanufakturen entstan-den als Folge einer hohen Nach-

frage aus Europa.Seereisen der Hochseeflotte u. a.

bis nach Ostafrika.

1644 n. Chr.: Die Angriffe und Eroberungen der Mandschu besie-

gelten den Untergang der Ming-Dynastie.

1644 n. Chr.: Die Mandschu unter Kaiser Fulin (Kaisertitel:

Shunzhi) machten Peking zur neuen Hauptstadt und

beherrschten wenige Jahre später ganz China.

Letzte Herrscherdynastie Chinas. Die Qing-Dynastie wird

als Periode des Friedens und des Wohlstandes angesehen.

Das Tragen des mandschurischen Zopfs wurde für alle männlichen

Chinesen zur Pflicht erklärt.Flächenmäßig größte Ausdehnung Chinas.

1911 n. Chr.: Die Xinhai-Revolu-tion beendete die Herrschaft des fünfjährigen Kaisers Puyi

und führte zur Gründung der Republik China.

218 v. Chr.: Im Punischen Krieg überquerte der Karthager Hannibal mit

einem Tross von Soldaten und Kriegselefanten die Alpen.

73-71 v. Chr.: Sklavenaufstand unter Spartakus in Rom.

100 n. Chr.: Bau des Limes in Germanien.

710 n. Chr.: Die Mauren erobern Spanien. 8. Jh n. Chr.: Klöster waren der Hort der mit-

telalterlichen Kultur. 800 n. Chr.: Karl der Große wird zum Kaiser gekrönt.

1095 - 13. Jh. n. Chr.: Kreuzzüge nach Palästina.

11. - 14. Jh. n. Chr.: Blütezeit von Rittertum und Minnesang.

1492 n. Chr.: Entdeckung Amerikas durch Kolumbus. 1550 n. Chr.: Gutenberg erfindet den

Buchdruck. 1517 n. Chr.: Beginn der Reformation durch Luther. 1618-1648 n. Chr.: 30-jähriger Krieg.

1708 n. Chr.: Entdeckung der Rezeptur für Porzellan in Sachsen. 1750 n. Chr.: Beginn der Industrialisierung. 1789-1799 n. Chr.: Franzö-

sische Revolution. 1914-1918: 1. Weltkrieg.

Die chinesische Geschichtsschreibung kennt keine Epocheneinteilungen wie sie in der europäischen Geschichte (Antike, Mittelalter, Neuzeit) üblich sind. Stattdessen wird auf die Kontinuität der Herrscherdynastien verwiesen.

Einige Dynastien prägten das Reich der Mitte dabei stärker als andere und werden daher auf dieser Doppelseite vorgestellt. Ergänzend dazu sind jeweils Ereignisse aus der europäischen Geschichte aufgelistet.

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Geschichte

1

历史bruch der gesamten Wirtschaftstätigkeit und insbesondere der Landwirtschaft. So mündete der „Große Sprung“ in die Hungersnöte der „Drei bitteren Jahre“ (1959 – 1961), denen zwischen 20 und 30 Millionen Chinesen zum Opfer fielen.

N ach dem Scheitern des „Großen Sprungs“ übernahmen für kur-ze Zeit pragmatische Reformer

die Ausrichtung der chinesischen Politik. Sie legten den Fokus auf wirtschaftliche Produktion in der Leichtindustrie und stellten dabei den ideologischen Klassen-kampf zurück. Mao Zedong und seine radikalen Anhänger bezichtigten jedoch die gemäßigten Vertreter des Verrates an den Idealen der Revolution und gingen 1966 – gestützt auf die Armeezentrale und mithilfe Millionen politisch gelenk-ter jugendlicher „Rotgardisten“ – zum Gegenangriff über: Während der von Mao initiierten „Großen Proletarischen Kulturrevolution“ (1966 – 1976) wurden gemäßigte Parteiführer gestürzt, miss-handelt und eingekerkert. Viele kritische Intellektuelle und willkürlich politisch angeprangerte Menschen verloren in der „Kulturrevolution“ ihr Leben. Zwar blieb Mao Zeit seines Lebens der unangreifbare „Große Steuermann“. Die

wirtschaftliche Modernisierung Chinas aber wurde unter seiner Führung nicht erreicht. Nach Maos Tod im Jahr 1976 fand sich daher rasch eine breite Koali-tion, die sich für wirtschaftliche Refor-men und eine internationale Öffnung des Landes einsetzte. (sh)

1976 – 2015: REFORM UND ÖFFNUNG

Unter der Führung des erfahrenen Partei-veteranen Deng Xiaoping (1904 – 1997) wurde die Umsetzung zentraler Elemen-te des Maoismus (Klassenkampf, Mas-senkampagnen und Egalitarismus, also eine annähernde Gleichverteilung von Vermögen und Geldeinkommen in der Gesellschaft) in die Zukunft verlegt. Das Zentralkomitee der KPCh leitete in den folgenden Jahren tiefgreifende Struktur-reformen zunächst vor allem in der Land-wirtschaft, später aber auch im Industrie- und Dienstleistungssektor ein.

„Nach den Steinen tastend den Fluss überqueren“ – mit diesem bildhaften Vergleich charakterisierte Chen Yun, der Chefökonom der Volksrepublik, die chinesische Reform- und Öffnungspoli-tik in den Jahren nach 1978. Deng gab der KPCh vor, beim Umbau der sozia-listischen Wirtschaftsordnung radikale Reformmaßnahmen zu vermeiden und stattdessen in kleinen, experimentellen Schritten voranzugehen. Erfahrungen und Errungenschaften kapitalistischer Wirtschaftssysteme sollten konsequent genutzt werden, getreu dem von Deng ausgegebenen Motto: „Ganz gleich, ob es eine weiße oder eine schwarze Katze ist – Hauptsache, sie fängt Mäuse, dann ist es eine gute Katze.“Das neue Ziel war der Aufbau einer „So-zialistischen Marktwirtschaft“, in der die Losung „Reich werden ist ehrenhaft“ gel-

ten sollte. Während sich das Land öko-nomisch zunehmend veränderte, waren demokratische Reformen weiterhin un-erwünscht. Insbesondere das militärische Vorgehen gegen die studentischen Protes-te um den Platz vor dem „Tor des Himm-lischen Friedens“ (Tiananmen-Platz) im Jahr 1989 machte den Umgang des Regi-mes mit Kritikern sichtbar. Wirtschaftli-che Öffnung bei gleichzeitigem Beharren auf dem Machtmonopol der KPCh blieb auch unter den Nachfolgern Dengs das politische Leitbild. Dieser pragmatische – an konkreten Problemlösungen, nicht an ideologischen Leitbildern orientierte – Kurs wird allerdings seit dem Amtsantritt des neuen Staatspräsidenten Xi Jinping zunehmend in Frage gestellt. Unter Xi sind Einzelelemente des Maoismus wie etwa Disziplinierungskampagnen und Personenkult wiederbelebt worden. Ins-gesamt ist der Druck auf politisch „ab-weichende“ und kritische Stimmen unter Intellektuellen und im Internet unter Xi Jinping deutlich gestiegen. Auch die Au-torität der Parteizentrale in Peking ist gegenüber den vorangegangenen Regie-rungen gestärkt worden.

Debatten über wirtschaftliche und politische Modernisie-rungsstrategien beschäftigen

die politischen und intellektuellen Eliten Chinas dabei seit anderthalb Jahrhunder-ten. Die zentrale Frage lautet, ob die Mo-dernisierung Chinas mit Hilfe westlicher Technik und mit marktwirtschaftlichen Elementen möglich ist, ohne die Kon-trolle über Wirtschaft und Gesellschaft aufzugeben. Ebenso wie die konservativen Reformer am Kaiserhof vor über einhundert Jah-ren versuchten, „mit den chinesischen Lehren als Substanz die westliche Tech-nik zu nutzen“, vertritt die Führung der KPCh bis heute die Ansicht, dass sie die autoritäre politische Ordnung mit einer marktwirtschaftlichen Ordnung in einem „Sozialismus chinesischer Prägung“ er-folgreich verbinden kann. (sh)

„Nach den Steinen tastend den Fluss überqueren“

TAIWANWie die meisten Staaten, die diplomatische Beziehungen mit der Volksrepublik

China unterhalten, erkennt Deutschland auf der Grundlage des Ein-China-Prinzips formell an, dass die Provinz Taiwan Teil eines untrennbaren Chinas ist.

De facto ist Taiwan seit 1949 aber Sitz der Regierung der Republik China.

von Sebastian Heilmann und Marc Bermann

1912 – 1949: BÜRGERKRIEG UND JAPANISCHE BESATZUNG

Mit der Absetzung des letzten Kaisers der Qing-Dynastie, des fünfjährigen Puyi, endete

am 12. Februar 1912 die Jahrhunderte währende Epoche der Kaiser in China. Die eigentlichen Forderungen der Revo-lutionsbewegung nach Beendigung der Fremdherrschaft und Demokratisierung des Landes verpufften jedoch rasch im Chaos des überstürzten Machtwechsels. Als nach Beendigung des Ersten Welt-kriegs durch den Versailler Vertrag der deutsche Kolonialbesitz in China uner-wartet Japan zugesprochen wurde, führ-te das zu landesweiter Empörung. Die Protestaktionen, die besonders von der intellektuellen Jugend getragen wur-den, mündeten 1919 schlussendlich in der Bewegung des Vierten Mai. In die-ser Zeit erreichten geistige Strömungen wie der Marxismus oder Leninismus das Land. Durch die beratende und fi-nanzielle Unterstützung der russischen Kommunisten gelang 1921 die Gründung

der Kommunistischen Partei Chinas. In der Folgezeit kämpften die nationalis-tische Guomin-Partei, die Kommunisti-sche Partei und regionale Kriegsherren um die Vorherrschaft im Land. Der Kon-flikt zwischen Nationalisten und Kom-munisten gipfelte 1927 in einem Bürger-krieg. Die innere Spaltung und Schwäche Chinas wurde in den 1930er Jahren ins-besondere von Japan ausgenutzt. Dem Einmarsch in die Mandschurei 1931 folgte 1937 eine groß angelegte japani-sche Invasion, die kurzfristig für einen brüchigen Frieden zwischen den Natio-nalisten und Kommunisten sorgte. Der Zweite Japanisch-Chinesische Krieg ist durch Kriegsverbrechen der japanischen Armee, wie etwa das Massaker von Nan-jing, auch heute noch Ursprung von anti- japanischen Ressentiments in der chine-sischen Bevölkerung.Mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs und dem Rückzug der Japaner 1945 flammte der Konflikt zwischen Nationa-listen und Kommunisten erneut auf. Er endete mit dem Sieg der Kommunisten und der Flucht der Nationalisten auf die Insel Taiwan im Jahr 1950. (mb)

1949 – 1976: ÄRA MAO ZEDONG

Am 1. Oktober 1949 wurde die Volks-republik (VR) China ausgerufen. Die Kommunistische Partei Chinas (KPCh) und deren Vorsitzender Mao Zedong (1893 – 1976) hatten damit bereits eines ihrer Ziele erreicht, nämlich die Befrei-ung Chinas vom Einfluss der „imperialis-tischen“ Mächte.

Der Aufbau des Sozialismus nach sowjetischem Vorbild erlitt jedoch in Folge der von Mao

1958 ausgerufenen Kampagne „Großer Sprung nach vorn“ einen herben Rück-schlag. Radikale Kollektivierungsmaß-nahmen und Massenmobilisierungen sollten dabei helfen, Chinas ökonomi-schen und technologischen Rückstand wettzumachen. Der „Große Sprung“ wur-de zu dem in wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht opferreichsten Experiment in der Geschichte Chinas. Der Versuch, die Industrieproduktion ohne Rücksicht auf Qualität und Nachfrage und ohne Ab-stimmung untereinander sprunghaft zu steigern, bewirkte einen drastischen Ein-

1. Aisin Gioro Puyi (rechts im Bild, stehend) war von 1908 bis 1912 der letzte chinesische

Kaiser. Nach Jahren der kommunistischen Umerziehung starb er 1967 als einfacher Bürger der VR China.

VON KAISERN UND KOMMUNISTEN

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HARMONIE UND KONTROLLE Xi Jinping…

…und die anderen 6 Mit­glieder des Ständigen

Ausschusses des Politbüros

BevölkerungBefürworter der

wirtschaftlichen & politischen Liberalisierung

W W W

Think Tanks, Berater

Lokale Regierungen

MilitärStaats­

unternehmen

Familienclans

PrivatunternehmenMinisterien

Wer hat’s geMACHT? Das Kräftefeld der chinesischen Politik

Beschluss des 3. ZK­Plenums

Merics – Look and Feel

Innenpol i t ik

1

Quelle: Mercator Institute for China Studies (MERICS)

1. Der Nationale Volkskongress Chinas besteht aus rund 3.000 Mitgliedern.

2. Xi Jinping ist Staatspräsident, Generalsekretär der KP und Vorsitzender

der Zentralen Militärkommission, also der mächtigste Mann im Staat.

Mitglieder nach offiziellen Angaben jün-ger als 35 Jahre, fast vier Fünftel von ihnen besaßen mindestens einen Oberschulab-schluss. Eine Parteimitgliedschaft bietet vielfältige Vorteile, wie zum Beispiel ein hilfreiches Beziehungsnetz, Bevorzugung bei Beförderungen oder Auslandsreisen. Das Zentralkomitee der KPCh (ZK) bil-det das zentrale Repräsentativorgan der wichtigsten innerparteilichen Gruppen aus Partei, Staat und Armee. Die rund 200 Vollmitglieder des ZK treten ge-wöhnlich nur einmal im Jahr zusammen. Dann stimmen sie über die Besetzung von Spitzenpositionen in Partei und Staat und über politische Grundsatzfragen ab. Im ZK sind verschiedene Interessen-gruppen aus der Staatsbürokratie ebenso repräsentiert wie Vertreter aus den Pro-vinzen und der Armee. Das höchste Entscheidungs- und Füh-rungsorgan der KPCh ist das ZK-Polit-büro. Es hat derzeit 25 Mitglieder, aus denen wiederum ein Ständiger Ausschuss mit nur sieben Mitgliedern hervorgeht. Dieser Ständige Ausschuss des Politbü-ros ist der Führungskern der KPCh und setzt sich aus den wichtigsten aktiven Parteiführern zusammen. An der Spitze des Ständigen Ausschusses steht der KP-Generalsekretär.

STAATSIDEOLOGIE

Heute vertritt die KPCh offiziell einen „Sozialismus chinesischer Prägung“, der sich vom sowjetischen Modell distan-ziert und die marxistischen Klassiker in

ihrer Bedeutung für die Modernisierung Chinas neu zu bewerten sucht. Um Chinas Wirtschaft zu modernisieren, werden marktwirtschaftlich-ka-pitalistische Methoden genutzt. Die Funktion der Ideologie als Mittel po-litischer Disziplinierung nimmt unter Staatspräsi-dent Xi Jinping wieder zu.

Die von der Führung seit 1979 verbindlich vorgegebenen „Vier Grundprinzipien“ – Führungs-

rolle der Partei, Demokratische Dikta-tur des Volkes, sozialistischer Entwick-lungsweg und Marxismus-Leninismus/Mao-Zedong-Ideen – werden von einem großen Teil der Parteimitglieder nur noch in ideologischen Lippenbekenntnissen hochgehalten. Heute präsentiert sich die Kommunistische Partei als Modernisie-rungs- und Volkspartei, die ein sehr ra-sches und dauerhaftes wirtschaftliches Wachstum erreichen und zugleich eine sozial möglichst ausgeglichene Mittel-schichtsgesellschaft aufbauen will.

CHANCEN EINER DEMOKRATISIERUNG

Die politische Führung Chinas hat seit den 1990er Jahren eine Reihe von Struk-turreformen durchgesetzt, die theoretisch auch Voraussetzungen für eine künftige demokratische Ordnung schaffen könn-

ten. Eine moderne, an internationalen Vorbildern orientierte Wirtschaftsge-setzgebung wurde eingeleitet und eine Pluralisierung gesellschaftlicher Lebens-stile geduldet. In innerparteilichen Per-sonalabstimmungen gibt es inzwischen eine begrenzte Kandidatenkonkurrenz. Gesetzgebungsverfahren sind verbindlich geregelt und die Volkskongresse in ihren Kontrollfunktionen aufgewertet worden. Gegen Verwaltungsentscheidungen gibt es eine zunehmende Zahl erfolgreicher gerichtlicher Klagen, und die Bevöl-kerung wird sich ihrer eigenen Rechte stärker bewusst. Die ökonomische Ent-wicklung fördert also auch in China eine differenziertere und mit neuen Einfluss-möglichkeiten ausgestattete Gesellschaft. Manche Chinaforscher sehen hierin An-satzpunkte für eine „schleichende Demo-kratisierung“, die sich auf längere Sicht ähnlich wie in Taiwan oder Südkorea durchsetzen werde. Zurzeit aber scheint die Kommunistische Partei aufgrund wirtschaftlicher Erfolge und des interna-tionalen Machtgewinns fest im Sattel zu sitzen. Durchgreifende politische Verän-derungen sind kurz- und mittelfristig nur für den Fall einer akuten wirtschaftlichen Krise und innerparteilicher Führungs-konflikte zu erwarten.

von Sebastian Heilmann

CHARAKTERISTIKA DES POLITISCHEN SYSTEMS

Der tiefgreifende wirtschaftliche und gesellschaftliche Wandel hat besonders seit den 1990er

Jahren markante politische Verände-rungen bewirkt. Vom Totalitarismus der Mao-Ära, als die Kommunistische Partei

einen totalen Zugriff auf das wirtschaftli-che, gesellschaftliche und persönliche Le-ben ausüben konnte, hat sich die gegen-wärtige politische Ordnung weit entfernt. Politische Entscheidungen kommen heu-te anders zustande und werden auch mit anderen Mitteln durchgesetzt als noch Ende der 1980er Jahre. Eine Demokratie nach westlichem Mo-dell lehnt die Regierung als untaugliches Ordnungsmodell ab. Weiterhin hält die

Kommunistische Partei Chinas (KPCh) an ihrem Machtmonopol fest, lässt keine unabhängigen Kontrollinstanzen zu und unterdrückt oppositionelle Aktivitäten.

KOMMUNISTISCHE PARTEI CHINAS (KPCH)

2013 zählte die KPCh rund 85 Millionen Mitglieder. In den letzten beiden Jahr-zehnten waren fast drei Viertel der neuen

„‚Eine schleichende Demokratisierung‘ wie in Taiwan

oder Südkorea“

2

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Außenpol i t ik

mit seiner „Kanonenboot-diplomatie“ in die Knie. In den folgenden Jahrzehnten wurde China von insgesamt acht Nationen des Westens besetzt und in verschiedene Einflusssphären aufgeteilt. China stürzte in eine tiefe, lang anhaltende Identitäts-krise, von der es sich bis heute nicht ganz erholt hat. Von dieser Zeit sprechen die Schulbücher noch heute als „100 Jahre Erniedrigung“. Erst mit der Machtüber-nahme der Kommunisten im Oktober 1949 befreite sich die dann gegründete Volksrepublik China von den „ausländischen Teu-feln“, indem Mao die Be-satzungsmächte aus China verdrängte und das Land wiedervereinte. Seit dieser Zeit wurde die chinesische Außenpolitik (und auch die Innenpolitik) in den Dienst eines übergreifenden Ziels gestellt: China an seinen rechtmäßigen Platz in der Mitte – bzw. an der Spitze – der Welt zurück zu verhelfen und nie wieder in die Lage zu geraten, sich den eige-nen Weg vom Ausland vor-schreiben zu lassen. In diesen Kontext muss man die chinesische Haltung hinsichtlich der oft zitierten

und teilweise kritisierten „Nichteinmi-schung in innere Angelegenheiten“ ein-ordnen. Das erklärt zumindest zu einem Teil, warum China sich in internationa-

len Konflikten lange neutral verhalten hat und sich umgekehrt bei eigenen inneren Konflikten, etwa im Falle von Tibet, Xin-jiang oder Taiwan, stets Einmischung von außen verbittet. Peking präferiert eine multipolare Welt-ordnung, und wie in der Vergangenheit verfolgt auch die gegenwärtige Außenpolitik primär das Ziel, die inneren Entwicklungspro-zesse – allen voran die wirt-schaftliche Entwicklung – ab-zusichern und für ein stabiles regionales Umfeld zu sorgen. Die Absicherung der Rohstoff- und Handelswege und die Sta-bilisierung der Beziehungen zu wichtigen strategischen Part-nern wie den USA, Russland und der Europäischen Union haben dabei hohe Priorität. Seit einigen Jahren vertieft die chi-nesische Regierung jedoch auch systematisch die wirtschaft-lichen und politischen Beziehungen zu Lateinamerika und Afrika. Als Gründer und Mitglied der „Shanghai Coopera-tion Organisation“ (SCO) beeinflusst China die Kooperation in Zentralasien maßgeblich, und mit der Vertiefung der regionalen Beziehungen in Ost- und Südostasien verfolgt Peking gezielt seine Entwicklungsinteressen. China versucht gleichzeitig, Territorialinteressen im Ost-chinesischen Meer gegenüber Japan und im Südchinesischen Meer gegenüber den dortigen Anrainern durchzusetzen. (mb)

Die vergleichsweise erfolgreiche Bewältigung der Wirtschafts- und Finanzkrise und Chinas

stetiges Wirtschaftswachstum haben den Fokus der Weltöffentlichkeit verstärkt

auf China gelenkt und die Erwartungen der internationalen Gemeinschaft nach aktiver Mitarbeit bei der Lösung globa-ler Probleme vor allem in den Bereichen Entwicklung, Klima, Umwelt und Ener-gie verstärkt. Der Widerspruch zwischen dem wachsenden wirtschaftlichen und

politischen Gewicht Chinas in der Welt und seiner eigenen Wahrnehmung – in erster Linie als Entwicklungsland in ei-ner schwierigen Entwicklungsphase – ist dabei offensichtlich.

Peking versucht, bestehende Ängste der Nachbarn abzubauen, die durch die schnelle Entfaltung

wirtschaftlicher, politischer und auch mi-litärischer Macht und durch sein kompro-missloses Verhalten in territorialen Fragen entstehen. Die wachsenden Spannungen in den Territorialkonflikten im Ost- und Südchinesischen Meer berühren auch eu-ropäische Sicherheitsinteressen. Die EU und Deutschland haben mehrfach alle be-teiligten Parteien zur Streitbeilegung auf der Grundlage internationalen Rechts aufgefordert. Dazu ist China bisher aller-dings nicht bereit. Die regionalen wirt-schaftlichen Verflechtungen und gemein-samen Interessen der asiatischen Staaten und Chinas haben jedoch eine neue Quali-tät erreicht und wirken langfristig stabilisie-rend (vgl. www.auswaertiges-amt.de).

1. Bundeskanzlerin Angela Merkel auf Staatsbesuch mit Ministerpräsident Li

Keqiang und Teilneh-mern des deutsch- chinesischen Sprachen-jahres 2014.

2. China im Kreis der Mächtigen: Beim G20-Gipfel in Bris-bane 2014 traf sich Xi

Jinping u.a. mit Barack Obama, David Came-ron, Matteo Renzi und Dilma Rousseff.

CHINAS ROLLE IN DER WELT

SUPERMACHT AUF DER SUCHE

von Marc Bermann

V iele Jahrhunderte war das chi-nesische Selbstverständnis hin-sichtlich der eigenen Rolle in

der Welt geprägt von einem Konzept, das die Chinesen „Tian Xia“ (天下) nennen, was so viel bedeutet wie „alles unter dem Himmel“. Das heißt, dass der Kaiser – und wahrscheinlich die meisten seiner

Untertanen – China als die wichtigste Zivilisation der Welt betrachteten. Diese Sichtweise spiegelt sich auch in der chi-nesischen Bezeichnung für China wider: „Zhongguo“ (中国), was übersetzt „Reich der Mitte“ heißt. Die unmittelbar an China angrenzenden Staaten bezeichnete man als „Vasallen-staaten“, die dem chinesischen Kaiser zu huldigen hatten. Alle anderen Länder,

die man kannte, wurden von „Barbaren“ bewohnt. China genügte sich über Hun-derte von Jahren selbst und sah keinen strategischen Mehrwert in der Pflege internationaler Beziehungen. Die eigene Wahrnehmung, dass China in jeder Hin-sicht überlegen war, wurde in den 1840er und späten 1860er Jahren zum ersten Mal fundamental gestört. Zum Ende des 19. Jahrhunderts zwang „der Westen“ China

1

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Als bevölkerungsreichstes Land der Welt, ständiges Mitglied des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen, Nuklearmacht und dynamische

Volkswirtschaft strebt China verstärkt nach Mitwirkung in allen bedeutenden weltpolitischen Fragen und verfolgt dabei selbstbewusst seine

nationalen Interessen. Mit dem Beitritt zur WTO am 11. Dezember 2001 ist China dem Ziel gleichberechtigter Integration in das multilaterale

Welthandelssystem ein großes Stück näher gekommen. Als aktives Mitglied der G20 und der BRICS bringt sich China in die zukünftige Gestaltung des

internationalen Wirtschafts- und Währungssystems ein.(vgl. www.auswaertiges-amt.de)

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W ir tschaf t

Jörg Wuttke ist der Chef der Europäischen Handelskammer in Peking, er lebt seit über 20 Jahren in China.

Herr Wuttke, warum ist China so relevant für deutsche Unternehmen?Mit einer Bevölkerung von 1,4 Mrd. Menschen ist China zwei-felsohne der Elefant im Raum. In der Vergangenheit ist die chinesi-sche Wirtschaft jährlich um zehn Prozent gewachsen. Das heißt, statistisch verdoppelt sich die Wirtschaftsleistung alle sieben Jah-re. Daran kommt man nicht vorbei.

Sind die deutschen Unternehmen in China gut aufgestellt?Die erfolgreichsten europäischen Unternehmen kommen sicherlich aus Deutschland. Das merkt man auf der Straße: Da fahren Autos von BMW, Mercedes oder VW vorbei. Viele deutsche Konzerne sind seit Jahrzehnten hier, Siemens hat 40 000 Mitarbeiter vor Ort, Bayer dürfte etwa 20 000 haben und die BASF hat 8000. Das Handelsvolumen zwischen China und der Europäischen Union be-trägt eine Milliarde Euro und das täglich. Die Hälfte davon beträgt alleine der deutsch-chinesische Handel.

Deutschland und China, das passt also zusammen?Oh ja, wie die Faust aufs Auge.

Ist China gar das Traumland für deutsche Investoren?

Nun, Probleme gibt es trotzdem noch jede Menge. Inzwischen braucht man schon Überredungs-künste, um gute Leute ins Land zu holen. Und dann sind da noch die vielen Einschränkungen, denen eu-ropäische Unternehmen in China unterliegen, während sich chinesi-sche Firmen in Europa problemlos einkaufen können.

Haben Sie ein Beispiel?Seit Chinas Beitritt zur Welt-handelsorganisation im Jahr 2001 dürfen Banken in der Volksrepublik nur in zwei Städten pro Jahr neue Filialen eröffnen. Die chinesischen Institute verfügen bereits über ein dichtes Filialnetz, aber für Banken aus dem Westen ist diese Einschränkung bei 150 Millionen-Städten ein ernstes Problem, da es Jahrzehnte dauern würde, bis man halbwegs vertreten ist. Wir haben einmal versucht zu beziffern, wie groß der Nachteil ist, der uns in China entsteht, und sind auf etwa 23 Milliarden Euro gekommen, die den europäischen Unternehmen jedes Jahr durch die Lappen gehen.

Man hört immer wieder, dass Ideenklau ein Problem für deutsche Unternehmen sei. Stimmt das?Für die großen Konzerne mag das lästig sein, es ist meistens aber nicht bedrohlich, bestimmte Tech-nologien werden deshalb gar nicht erst nach China geholt. Für Mittelständler kann ein Pa-tentklau und die darauf folgende weltweite Vermarktung durch die Diebe allerdings schnell existenz-bedrohend werden. Meiner eigenen Beobachtung nach kommt es heute aber nur noch in Einzelfällen vor, dass Ideen abgekupfert werden.

von Christoph Giesen

Seit Anfang 2014 ist China die größ-te Handelsnation der Welt. Dank eines Zuwachses des Außenhandels

um 7,6 Prozent überholte die Volksre-publik die Vereinigten Staaten. Chinas Handelsvolumen beträgt jedes Jahr in-zwischen deutlich mehr als vier Billionen Dollar. Es ist Jahrhunderte her, dass Chi-na zum letzten Mal die größte Handels-nation der Erde war. Damals regierten in der Verbotenen Stadt in Peking die Kaiser der Qing-Dynastie, Frauen wurden tradi-tionell die Füße gebunden und in Europa experimentierte James Watt noch an sei-ner Maschine. Nun ist es wieder soweit.

In absoluten Zahlen ist China heute die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt. Schon bald wird die Volksrepublik auch die Vereinigten Staaten überholen. Öko-nomen streiten eigentlich nur noch, wann das der Fall sein wird. 2019 schon? Oder doch erst 2022? In nicht einmal 40 Jahren ist es China

gelungen, von einem der ärmsten Staaten der Welt zu einer der wichtigsten Wirt-schaftsmächte aufzusteigen. Was in der Volksrepublik passiert, hat globalen Ein-fluss, vor allem ökonomisch.

Zu sehen war das eindrucksvoll im Sep-tember 2014. An der Säulenfront der Wall Street wehten die amerikanische und die chinesische Flagge, als der Inter-netkonzern Alibaba in New York an die Börse ging. Alibaba ist eine Handelsplatt-form im Internet, bislang größtenteils auf China beschränkt, und doch brachte der Börsengang 25 Milliarden Dollar ein – so viel wie noch kein anderes Unternehmen jemals zuvor. Inzwischen sind die Anteile von Alibaba mehr als 260 Milliarden Dol-lar wert, mehr als alteingesessene Schwer-gewichte wie Shell oder General Electric. Auch andere chinesische Unternehmen haben sich in den vergangenen Jahren etabliert. Die staatlichen Ölkonzerne wie Sinopec oder die großen Banken wie die ICBC gehören inzwischen zu den um-satzstärksten Unternehmen der Welt.

Andere Namen werden in den kommen-den Jahren groß werden. Für die deutsche Industrie ist das China-Geschäft inzwi-schen fast überlebenswichtig geworden. Die Maschinenbauer und großen Auto-konzerne verdienen einen Großteil ihres Geldes in der Volksrepublik. Etwa jedes dritte Auto aus dem Volkswagen-Kon-zern wird zum Beispiel in China verkauft.

Mit dem gewaltigen Wachstum gehen allerdings auch Proble-me einher. Die Kluft zwischen

Arm und Reich ist in China so groß wie in kaum einem anderen Land in der Welt. Während in Shanghai Geschäftsleute Porsche oder Ferrari fahren, leben Wan-derarbeiter und Bauern von wenigen hun-dert Yuan im Monat. Diese Ungleichver-teilung bietet Zündstoff für soziale Konflikte. Genauso wie die Frage, was

passiert, wenn die Wirtschaft einmal doch ins Straucheln geraten sollte. Die Legiti-mation der Kommunistischen Partei be-ruht im Wesentlichen auf dem wirtschaft-lichen Erfolg der vergangenen Jahrzehnte – demokratische Wahlen wie in Deutsch-land gibt es nicht. Sechs bis sieben Pro-zent Wachstum, sagen manche Ökono-men, das sei die Untergrenze, damit es keinen sozialen Unfrieden gibt. Weniger Wachstum bedeutet schließlich auch we-niger neue Arbeitsplätze. Und gerade die-se sind in einem Land, das die Urbanisie-rung vorantreibt und aus Bauern Arbeiter und Angestellte macht, dringend nötig. Als Chinas Wirtschaft sich öffnete, lebten 80 Prozent der Chinesen auf dem Land, heute sind über 50 Prozent Städter. Allei-ne um diese Umschichtung zu stemmen, muss Chinas Führung jedes Jahr Millio-nen an neuen Arbeitsplätzen schaffen.

„DAS PASST ZUSAMMEN“CHINA UND DIE

WELT WIRT- SCHAFT

1. Der Online-Kon-zern Alibaba 2014 beim größten Börsen-gang aller Zeiten.

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W ir tschaf t

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... der Mann, der China nach den Wirren der Kul-turrevolution wieder an die Weltwirtschaft ankoppelte, liebte es, in Bildern zu sprechen. Jedes Schulkind in China kennt heute seine Aussprüche. Einer dieser Sätze lautet: „Es ist mir egal, ob eine Katze schwarz oder weiß ist − Hauptsache sie fängt Mäuse.“ Was er damit meinte? Die Ideolo-gie ist nicht mehr so wich-tig, nur der wirtschaftliche Erfolg zählt. Auch Dengs Chefökonom Chen Yun bediente sich der Bildspra-che: Er versuche den Fluss zu überqueren, indem er vorsichtig nach Steinen im rauschenden Wasser suche. Wirtschaftliche Reformen ja – aber auf keinen Fall überstürzt handeln. Das ist die eigentliche Erfolgsfor-mel des chinesischen Wirt-schaftswunders. Schritt für Schritt baute Deng China um.Zunächst schaffte er die sogenannten Volkskommu-nen ab, in denen Bauern im Kollektiv die Felder bestellt hatten. Statt gemeinsam zu arbeiten, konnten sie Land pachten. An der staatlichen Planwirtschaft hielt Deng zunächst dennoch fest, er modifizierte sie nur leicht. Weiterhin mussten Bauern und Fabriken Quoten erfül-len. Wurde die vorgegebene Menge allerdings erreicht, durfte der Rest verkauft

werden. Viele Bauern spezi-alisierten sich deshalb, sie bauten wieder Gemüse an, nicht mehr bloß Weizen und Reis. Sie betrieben Viehzucht und legten Teiche an, um Fische zu züchten, und entkamen der bitteren Armut. Auch in den Städten griffen die Reformen, kleine Firmen durften öffnen. In Südchina erklärte Deng einige Städte zu Sonder-wirtschaftszonen, vor allem Shenzhen, eine Stadt an der Grenze zu Hongkong, zog viele ausländische Investo-ren an. Rasch entstand eine auf den Export ausge-richtete Industrie. In den Neunzigerjahren kamen dann verstärkt ausländi-sche Direktinvestitionen in anderen Provinzen Chinas hinzu.Seitdem hat kein anderes Land der Welt so viele ausländische Investoren angezogen wie die Volks-republik. Außerdem wurde geschickt verhandelt. Her-steller, die in China produ-zieren wollten, mussten mit einer chinesischen Partner-firma ein Gemeinschafts-unternehmen gründen. Die Gewinne wurden geteilt, mussten aber zum Großteil im Land bleiben.Die Folge: weitere In-vestitionen und weiteres Wachstum für China.

DENG XIAOPING,...

von Christoph Giesen

Einmal im Jahr, zum Frühlingsfest, wenn das ganze Land Urlaub hat, sieht der sechsjährige Wang Lei seine Eltern wieder. Er lebt in einem Dorf in Hunan in Zentralchina,

die Großeltern kümmern sich um ihn. Der Vater arbeitet Hun-derte Kilometer entfernt in einer Fabrik im Süden Chinas, die Mutter lebt in derselben Stadt wie ihr Mann und geht putzen. Wenn die Eltern einmal im Jahr nach Hause fahren, haben sie Geschenke und kleine rote Umschläge mit Geld dabei. Zehn Tage bleiben sie im Dorf. Dann müssen sie wieder zurück zur Arbeit, in eine Millionenstadt in der Provinz Guangdong.

So wie Wang Lei wachsen Millionen Kinder in China auf, sie sind die Kinder der Wanderarbeiter. Ihre Eltern schuften fast jeden Tag. Etwa 250 Millionen Wanderarbeiter sind es inzwi-

schen in China, die sich vom Land auf den Weg in die Städte gemacht haben. Sie sind es, die die iPhones zusammensetzen, T-Shirts nähen oder wie Wang Leis Vater Turnschuhe kleben. Ohne sie wäre das chinesische Wirtschaftswunder undenkbar. Sie leben in den Schlafsälen der großen Fabriken oder in herun-tergekommenen Häusern am Stadtrand.

In den Metropolen wie Peking, Shanghai oder Guangzhou schätzt man, dass etwa ein Viertel der Bevölkerung Wan-derarbeiter sind. Sie arbeiten in den Fabriken, sammeln den

Müll auf, verdingen sich als Flaschensammler, die Männer ar-beiten schwarz auf dem Bau, viele Frauen wie Wang Leis Mutter haben eine Anstellung als Zugehfrau gefunden, sie putzen und kochen für wohlhabende Städter. Eine Ayi, eine Tante, nennen die Chinesen sie. Jeden Yuan sparen Wang Leis Eltern, damit ihr Sohn es einmal besser haben wird als sie.

Dass Wang Lei nicht im Süden Chinas leben kann, daran ist das sozialistische Meldesystem Schuld. Von der Geburt an hat jeder Chinese einen eingetragenen ständigen Wohnsitz, die sogenannte Hukou. Es gibt Land-Hukous für die Bauern und Hukous für die Städter. Eingeführt wurde dieses System 1958 in den Mao-Jahren, um die Bevölkerung zu kontrollieren; es sollte sichergestellt werden, dass niemand den zugeordneten Wohnort verlässt. Im Kern gilt dieses Gesetz noch immer, trotz der Mil-lionen Wanderarbeiter, die ihre Dörfer längst verlassen haben.

Wer vom Land kommt und in großen Städten arbeitet, ist of-fiziell kein Bewohner der Stadt und hat keinen Anspruch auf Sozialleistungen, seine Kinder muss er in der Heimatprovinz zur Schule schicken. Ein Ummelden ist sehr kompliziert. Von einer in eine andere Stadt ziehen, das geht gerade noch so, von einem Dorf in Hunan nach Shenzhen oder nach Shanghai, das ist so gut wie unmöglich für einen Wanderarbeiter. Ende Juli 2014 wurde eine Hukou-Reform vorgestellt, die bis 2020 umgesetzt werden soll. Wer in eine Gemeinde oder Stadt mit weniger als einer Million Einwohnern zieht, soll künftig alle kommunalen Leistungen in Anspruch nehmen können. Schwierig bleibt es hingegen, sich in Shanghai oder Peking niederzulassen. Es soll ein strenges Punkte-System geben, in dem nach Kriterien wie Arbeitserfahrung, Bildung und sozialer Absicherung die neuen Bewohner ausgewählt werden. Für die meisten Wanderarbeiter und ihre Kinder bleibt das eine kaum überwindbare Hürde.

1.+2. Wanderarbeiter verdienen ihren Lebensunterhalt meist fernab ihrer Familie.

3. Die Arbeitsbedin-gungen sind mit denen in Europa nicht zu vergleichen.

4. Ob im Städtebau oder bei der Fabrikar-beit für internationale Konzerne – die

Wanderarbeiter sind für das chinesische Wirtschaftswachstum unverzichtbar.

WANDERARBEITERIN CHINA

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Kunst und Kultur

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Die chinesische Identität speist sich ganz wesentlich aus den traditionellen Lehren des Konfuzianismus, des Daoismus und des Buddhismus. Die drei großen

Lehren spielten eine wechselhafte Rolle in der chinesischen Ge-schichte – immer wieder gab es Kaiser, die einer Lehre besonders anhingen und darum Anhänger der anderen Lehren verfolgen ließen. In der Wahrnehmung vieler Chinesen verschmolzen die Lehren aber miteinander. Sie kombinieren daoistische mit bud-dhistischen Elementen und orientieren sich gleichzeitig an der Ethik des Konfuzius.

KONFUZIANISMUS

Der Konfuzianismus beschreibt die politische Lehre und Philo-sophie des Konfuzius (ca. 551 bis 495 v. Chr.) und seiner Schüler. Im Zentrum dieser Lehre stehen vor allem die Selbstkultivie-rung und (Selbst-)Erziehung des Menschen sowie die Verant-wortung und Pflichten gegenüber der Familie. Aufgrund der im Mittelpunkt stehenden fünf menschlichen Elementarbeziehun-gen – Vater-Sohn, Herrscher-Untertan, Ehemann-Frau, älterer Bruder-jüngerer Bruder und Freund-Freund – wird der Staat im Konfuzianismus seit jeher als große, übergeordnete Familie ge-sehen. Ohne diesen gibt es auch keine Sicherheit für die Familie. Hieraus ergibt sich ein hierarchisches Unterordnungsverhältnis, das die Aufgaben des Menschen darin sieht, zunächst dem Staat zu dienen, danach der Familie und zuletzt sich selbst. Diese fünf Beziehungen werden maßgeblich durch die Tugenden der Men-schenliebe, der Rechtschaffenheit und der Pietät der Kinder ge-genüber ihren Eltern bestimmt.Auch der Ahnenkult ist ein zentrales Element des Konfuzia-nismus. Neben den großen, offiziellen Feierlichkeiten zu Ehren des Konfuzius und seiner Schüler als auch verstorbener kaiserli-cher Vorfahren bildete sich auch in den Familien eine Form des Ahnenkults heraus. Für alle wichtigen familiären Ereignisse, wie Geburt, Hochzeit und Tod, schreibt die konfuzianische Traditi-on genaue Regeln vor. Der über die Landesgrenzen Chinas hinaus einflussreiche Kon-fuzianismus wurde gegen Ende des 19. Jahrhunderts besonders von jungen chinesischen Intellektuellen und Revolutionären für die Rückschrittlichkeit Chinas verantwortlich gemacht und

nach 1949 unterdrückt. Erst seit den 1990er Jahren und be-sonders seit der Regierungszeit von Hu Jintao und Wen Jiabao (2003-2013) wurde Konfuzianismus wieder beliebt. In dieser Zeit begann China auch damit, an ausländischen Universitä-ten sogenannte Konfuzius-Institute anzugliedern (ähnlich wie die Goethe-Institute). Hohe Führungskader, wie der aktuelle Staatspräsident Xi Jinping, reisen zu Konfuzius‘ Geburtsstätte in Qufu und stellen die positive Rolle des konfuzianischen Den-kens für Chinas heutige Entwicklung heraus.

DAOISMUS

Der Daoismus (oder auch Taoismus) ist eine philosophische und religiöse Weltanschauung, die auf den sagenumwobenen Denker Laozi und eine anonym veröffentliche Sammlung von Spruch-kapiteln, das Daodejing, aus dem 4. Jh. v. Chr. zurückgeht. Im Zentrum der Lehre steht der Begriff „Dao“ (der Weg), der für das Unbegreifliche und Geheimnisvolle steht. Dao kennzeich-net die höchste Wirklichkeit und die ursprüngliche Einheit al-ler Dinge. Gegensätze wie z. B. Tag und Nacht werden vereint, indem davon ausgegangen wird, dass in jedem Tag bereits ein Stück Nacht enthalten ist und umgekehrt. Das Begriffspaar Yin und Yang steht stellvertretend für diese Gegensätze, die laut Daoismus stets in einer rhythmischen Abfolge auftreten: So wird zum Beispiel aus Sommer Winter oder aus Freude Trauer.Dao bezeichnet außerdem die treibende Kraft, aus der alles entsteht und die den Lauf der Zeit bestimmt. Dem Daoismus zufolge gelangt der Mensch zu Harmonie, wenn er sich am Dao ausrichtet. Dieses offenbart sich in der Welt als erkennbares Prinzip der Natürlichkeit, der Spontaneität und des kontinuier-lichen Wandels. Das Ziel besteht also darin, sich auf intuitive Weise dem Lauf der Welt anzupassen. Das Nicht-Handeln oder Nicht-Erzwingen (chin. „Wu Wei“) ist somit eines der leitenden Prinzipien des Daoismus. Auch das im Westen bekannte Konzept des ,,Feng Shui“, einer Harmo-nisierung der Wohn- und Lebensräume auf der Grundlage des Qi (Energie), zählt zu der daoistischen Harmonielehre.

Der Übergang von Daoismus als Philosophie zu Daoismus als Religion ist fließend. Es gibt

kein geschlossenes Glaubenssystem, son-dern eine Vielzahl an Quellen, die im Laufe der Jahrhunderte unterschiedliche Spielarten hervorbrachten. Zu den auch heute noch praktizierten Elementen des religiösen Daoismus zählen u. a. die Ver-ehrung von Gottheiten und Ahnen, Ri-tuale wie Traumdeutung und Meditation ebenso wie Atemübungen und Gymnastik.

BUDDHISMUS

Der Buddhismus ist eine Weltreligion, die sich auf die Lehren des Inders Siddharta Gautama aus dem 5. Jh. v. Chr. beruft. Demnach ist der Mensch einem endlosen Kreislauf von Geburt und Wiedergeburt ausgesetzt, der nur durch die Überwindung von Leid und Unvollkommenheit durchbrochen werden kann. Gläubige Buddhisten versuchen durch eine gute Lebensführung und Meditation diesem Kreislauf zu entrinnen. Entscheidend ist dabei das Konzept von Karma, das den Zusammenhang von Ursache und Wirkung von menschlichen Taten beschreibt. Laut buddhistischer Lehre hat es der Mensch selbst in der Hand, durch gute oder schlechte Taten seine Zukunft zu prägen. Da aber sowohl gutes als auch schlechtes Karma zur erneuten Wie-dergeburt führen, ist das eigentliche Ziel der Buddhisten, gar kein Karma zu erzeugen. Am Ende dieser Entwicklung tritt der erleuchtete oder erwachte Mensch in den Zustand des vollkom-menen Glücks, das sogenannte Nirwana, ein.

Nach China gelangte der Buddhismus vermutlich erst-mals im 1. Jh. n. Chr. Hier wurden die buddhistischen Lehren weiterentwickelt und mit verschiedenen Ele-

menten des Daoismus verschmolzen. In dem buddhistischen Begriff „bodhi“ („Erleuchtung“) haben die frühen chinesischen Übersetzer beispielsweise das Dao erkannt. Der Buddhismus wurde folgerichtig von Daoisten häufig als indische Variante des Daoismus bezeichnet. Anders herum erklärten die Buddhisten Laozi zu einem Schüler Buddhas.Prägende Kraft auf die chinesische Bevölkerung entfaltete der Buddhismus insbesondere in der Tang-Dynastie (618-907 n. Chr.) als sich auch viele Kaiser zu den Lehren Buddhas bekannten. Von den buddhistischen Tempeln und Klöstern über chinesische Moralvorstellungen bis hin zu vielen chine-sischen Wörtern und Sprichwörtern hat der Buddhismus seine Spuren in China hinterlassen. Als größte Religionsgemeinschaft in China wirkt er aber auch heute fort: Schätzungen gehen von ca. 244 Mio. Anhängern aus.

DIE DREI LEHREN:

1. Konfuzius präsen-tiert Laozi den jungen Buddha. Das Bild ent-

stand im 14. Jh. und befindet sich heute im Britischen Museum.

3. Yin und Yang steht für eine Beziehung geprägt von Ge-

gensätzlichkeit und gleichzeitiger Abhän-gigkeit voneinander.

2. Der chinesischen Legende nach verließ Laozi China auf der

Suche nach Ruhe gen Westen auf einem Wasserbüffel reitend.

KONFUZIANISMUS, DAOISMUS, BUDDHISMUS

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Kunst und Kultur

von Michael Kahn-Ackermann

Die rasante Urbanisierung des Landes ist gegenwärtig die wichtigste gesellschaftliche Entwicklung Chinas. Sie

verursacht tiefgreifende Veränderungen von Lebensgewohnheiten und Weltan-schauungen und bestimmt auch die chi-nesische Gegenwartskultur. Der Anblick chinesischer Städte wird von Wolken-kratzern, Stadtautobahnen und gigan-tischen LED-Leuchtreklamen geprägt. Auch moderne kulturelle Großbauten, Museen, Kunst- und Musikhallen, Thea-ter- und Opernhäuser entstehen dort in großer Zahl und oft über Nacht, zumeist entworfen von bekannten internationalen

Architekten. Nur noch wenige erhaltene Kulturdenkmäler erinnern an die traditi-onelle Kultur chinesischer Städte. In den schimmernden Einkaufszentren reihen sich die Läden mit internationalen De-signprodukten, auf Schritt und Tritt be-gegnet man Filialen von Starbucks, Mc Donald’s und KFC. Die Menschen sind westlich gekleidet und fahren Autos eu-ropäischer, nordamerikanischer oder japa-nischer Marken. In vieler Hinsicht bietet China heute dem Betrachter äußerlich das Bild einer „verwestlichten“ oder „amerikanisierten“ Kultur. Doch dieses Bild ist trügerisch.Zum einen vergisst man über den manch-mal futuristisch anmutenden Stadtsil-houetten leicht, dass auch heute noch

etwa die Hälfte der 1,4 Milliarden Men-schen Chinas auf dem Land lebt, wo trotz der wirtschaftlichen und sozialen Verän-derungen, die auch dort stattgefunden haben, viele der bäuerlichen Traditionen und Lebensgewohnheiten erhalten blei-ben. Ahnenkult und volksreligiöse An-schauungen und Gebräuche haben sich dort zäh gegen kommunistische Indok-trination erhalten und sind sogar wieder auf dem Vormarsch.

Zum anderen täuschen Glasfassaden und Designer-Klamotten darüber

hinweg, dass China auch heute keines-wegs dem westlich-europäischen Kul-turkreis angehört. Vielmehr ist Chinas Gegenwartskultur von einer tiefen Ver-

unsicherung geprägt, die ihre Ursache im Zusammenstoß der jahrtausendealten ei-genen Kultur mit der technologisch, wis-senschaftlich und militärisch überlegenen Zivilisation des westlichen Imperialismus hat, der vor ca. 150 Jahren seinen Anfang nahm. Anders als Japan war China zunächst nicht in der Lage, den „Einbruch des Westens“ zu assimilieren. Zu weit lagen die Weltanschauungen auseinander, zu drückend war die wissenschaftlich-tech-nologische und militärische Überlegen-heit der westlichen Imperialmächte und zu demütigend ihre Arroganz gegenüber der Kultur und den kulturellen und politi-schen Eliten des Landes.Die Konsequenz, die die intellektuelle

und später die politi-sche Elite des Lan-des nach einigen s c h m e r z h a f t e n Niederlagen aus dieser Situation zog, war die radikale Ablehnung der eigenen kulturel-len Tradition, insbesondere die Ver-werfung des Konfuzianismus und die bedingungslose Übernahme nicht nur westlicher Technologien, son-dern auch Ideologien. Das waren insbesondere der Nationalismus, der Darwinismus und der bedingungslo-se Glaube an den Fortschritt. Diese Ideologien verschmolzen mit dem am Ende siegreichen Marxis-mus-Leninismus zum Maois-mus. Gemeinsam war diesen geistigen und politischen Strömungen die Ableh-nung der eigenen kulturellen Tradition. Sie fand in der Zerstörungswut der „Gro-ßen Proletarischen Kulturrevolution“ (1966-1976) ihren Höhepunkt: Etwa 80 Prozent des vorhandenen materiellen kulturellen Erbes wurden während deren Anfangsjahren vernichtet. Der „sozialis-tische Realismus“, die Ablehnung der westlichen Moderne und die bedingungs-lose Indienstnahme der Kultur durch die Partei bildeten die Grundlagen der kultu-rellen Doktrin der kommunistischen Herrschaft. Damit entstand neben den Traditionen des kaiserlichen Chinas eine neue „Tradition“. Beide sind bis heute in der Gegenwartskultur Chinas wirksam. Mit dem Beginn der „Reform- und Öff-nungspolitik“ Ende der 1970er Jahre konzentrierte sich das Interesse der kul-turellen Eliten des Landes zunächst auf die Rezeption und Übernahme der west-lichen Moderne des 20. Jahrhunderts, von Nietzsche bis Derrida, von Duchamps bis Andy Warhol, von Joyce bis Marquez. In den 1990er Jahren entwickelten sich in-folge der raschen Kommerzialisierung aller Lebensbereiche eine riesige chinesi-sche Populärkultur und ein milliarden-schwerer chinesischer Kunstmarkt. Seit Beginn des 21. Jahrhunderts macht

sich in der kulturellen Szene Chinas eine zunehmen-

de Distanzierung von westlichen Vorbil-

dern und die Wie-derentdeckung

der eigenen k u l t u r e l l e n Traditionen be-

merkbar. Die Wiederbele-bung dieser zerstörten und nahezu vergessenen kultu-rellen Tradition ist allerdings ein schwieriges und mühseli-ges Unterfangen und endet

nicht selten in Kitsch und Kommerz, etwa bei der Errichtung von

Wohnhäusern und Einkaufsstraßen im „alten Stil“.

So präsentiert sich Chinas Gegen-wartskultur heute als eine „Hy-brid-Kultur“, ein Flickenteppich

aus noch existierenden oder wieder be-lebten kulturellen Traditionen (Konfu-zianismus, Buddhismus, Volksreligion), einigen von Staat und Partei mit viel Auf-wand am Leben erhaltenen Traditionen der „sozialistischen Kultur“, Importen aus dem Westen (Modernismus, Postmoder-nismus, Individualismus, Zivilgesellschaft, etc.) und Elementen der „Globalkultur“ (Konsumismus, Internetkultur). Einziges gemeinsames Merkmal der heterogenen Elemente, aus denen die chinesische Ge-genwartskultur besteht, ist die Suche nach einer „chinesischen“ Identität.

2. „Homunculus“ von Chen Wenling, einem der bekanntesten chi-nesischen Künstler.

3. Der Film „Bai Ri Yan Huo“ gewann den Goldenen Bären der Berlinale 2014.

1. Das Nationalsta-dion in Peking wird aufgrund seiner Architektur auch

„Vogelnest“ genannt. Darin wurden 2008 die Olympischen Spiele eröffnet.

CHINASGEGENWARTSKULTUR

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Didakt ik und Ar beitsblätter

ÜBERSICHT ÜBER DIE ARBEITSBLÄT TER:

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Zweifellos ist China seit langer Zeit ein wichtiges Unterrichtsthema, das

in den letzten Jahren noch einmal an Aktualität gewonnen hat. Mit ein wenig Kreativität in der Auslegung der einzel-nen Lehrpläne kann es in nahezu allen Fächern behandelt werden.Die Arbeitsblätter sind angelehnt an die von der Kultusministerkonferenz erar-beiteten kompetenzbezogenenen Bil-dungsstandards. Sie enthalten Arbeits-anweisungen („Aufgaben“), die nach Möglichkeit sämtliche Anforderungsbe-reiche (s. EPA) abdecken. Es wurde darauf geachtet, dass das Heft einen Grundstock an Wissen vermittelt. Darüber hinaus sollen die Schülerinnen und Schüler zu einer aktiven Auseinan-dersetzung mit den einzelnen Themen-komplexen ermuntert werden.Als Zielgruppe der Arbeitsmaterialien sind vordergründig Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufe II angespro-chen, wobei grundsätzlich alle Arbeits-blätter, nach Entlastung, auch für die Sekundarstufe I geeignet sind. Grund-sätzlich sind die Arbeitsblätter auch ein-zeln einsetzbar, aber um der Komplexität des Themas gerecht zu werden, empfehlen wir den Einsatz im Rahmen eines fächer-übergreifenden Projekttages oder einer

Projektwoche. Auf diese Weise wird für die Bewertung einzelner Aspekte inner-halb der Themenkomplexe genug Raum gelassen. Zur Vertiefung des Erlernten bietet sich anschließend zum Beispiel, sofern erreichbar, der Besuch eines Kon-fuzius-Institutes an.

Die Reihenfolge der Arbeitsblätter ist zwar grundsätzlich variabel, es bie-

tet sich jedoch an, in die Thematik über eine Konfrontation mit dem „Unbekann-ten“ einzusteigen. So können zunächst Vorurteile abgebaut werden, bevor im weiteren Verlauf eine nähere Beschäfti-gung mit den Grundpfeilern von Staat und Gesellschaft stattfindet. Es folgt ein Komplex zur Zukunft der Volksrepub-lik, in der sowohl die Globalisierung als auch die Situation im Land selbst aus ver-schiedenen Perspektiven betrachtet und bewertet wird. Den Abschluss bildet ein Komplex zur Geschichte, in dem exem-plarisch Entwicklungen Chinas dargelegt werden. Dieses Heft ist auch in einer digitalen, durch weitere Arbeitsblätter angereicher-ten Version erhältlich – Sie können es kostenlos herunterladen unter www.zeit-bild.de/china und ohne rechtliche Ein-schränkungen für den Unterricht nutzen.

METHODISCHEUND DIDAKTISCHE

HINWEISE FÜR DEN EINSATZ IM UNTERRICHT

CHINA KENNENLERNEN:

DER CHINA-CHECK32

CHINESISCHE SCHRIFTZEICHEN33

MANIEREN*

ESSKULTUR*

CHINA VERSTEHEN:

VIELVÖLKERSTAAT CHINA34

DAS CHINESISCHE BILDUNGSSYSTEM*

AHNENKULT*

ROLLE DER FRAU IN DER GESELLSCHAFT*

POLITISCHES SYSTEM DER VR CHINA*

CHINAS ZUKUNFT:

CHINAS ROLLE IN DER WELT*

GLOBALISIERUNG UND URBANISIERUNG35

KLIMASCHUTZ*

ZWISCHEN RESTRIKTION UND PARTIZIPATION36

BINNENMIGRATION/WANDERARBEITER*

CHINAS GESCHICHTE:

CHINA UND DER WESTEN – EIN „JAHRHUNDERT DER DEMÜTIGUNG“?

37MAO ZEDONG

38DEUTSCHE SPUREN IN CHINA*

* Diese Arbeitsblätter finden sich nur in der digitalen Version.

1. Vom Jingshan Park aus hat man einen sehr guten Ausblick auf Pekings Innenstadt.

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Ar beitsblatt 1 Ar beitsblatt 2

ARBEITSAUFTRÄGE

1. Schauen Sie sich das Bild an und diskutieren Sie folgende Frage: Welche Bedeutung haben chinesische Schriftzeichen für Sie?

2. Zeichnen Sie das oben abgebildete Schriftzeichen „Schiff“ nach. Was ist die Schwierigkeit dabei im Vergleich zum lateinischen Alphabet?

3. Suchen Sie nach anderen Sprachen, die auch Schriftzeichen benutzen. Erörtern Sie Vor- und Nachteile dieser Kommunikationsart.

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DER CHINA-CHECK

Die chinesische Schrift ist ca. 1.000 Jahre v. Chr. entstanden und ver-

fügt schätzungsweise über 87.000 Zei-chen. Für den Alltagsgebrauch genügt bereits die Kenntnis von 3.000 – 5.000 Zeichen. Im Westen gibt es seit einigen Jahren ein reges Interesse an Tattoos mit chinesischen Schriftzeichen, dieses Inter-esse birgt allerdings immer ein Risiko: Da die Schriftzeichen häufig nicht überprüft werden können, kommt es manchmal zu peinlichen Missgeschicken, die bei Chi-nesen bestenfalls zu Gelächter führen. Das abgebildete Tattoo trägt beispiels-weise die Bedeutung „Goldenes Schwein“. Das Schriftzeichen für Schwein ist dabei sogar noch verkehrt herum abgebildet.

Im Folgenden können Sie einmal selbst versuchen, ein chinesisches Wort fehler-frei zusammenzusetzen.

1. Vorsicht bei Tattoos! Das gezeigte Wort heißt „Golde-nes Schwein“. Das

Schriftzeichen für Schwein ist dabei sogar noch verkehrt herum abgebildet.

2. Das Schriftzeichen für das Wort „Schiff“ besteht aus mehreren einzelnen Zeichen.

3. Kalligraphie (Schönschreiben) wird in China sehr geschätzt.

CHINESISCHE SCHRIFTZEICHEN

1. Woher kommen die Glückskekse?aus China (E)aus Japan (K)Keiner weiß es genau. (Z)

2. Welches der folgenden Länder ist KEIN Nachbarstaat der VR China?Vietnam (A)Thailand (H)Myanmar (I)

3. An welchem Fluss wird das weltweit größte Wasserkraftwerk gebaut?Chang Jiang ( Jangtsekiang) (U)Amur (B)Huang He (G)

4. Unter welchem Begriff wurde die chinesische Be-völkerungspolitik bekannt?Kein-Kind-Politik (L)Ein-Kind-Politik (M)Zwei-Kind-Politik (A)

5. Wie heißt das Meer zwischen China und der koreanischen Halbinsel?Gelbes Meer (U)Ostchinesisches Meer (O)Südchinesisches Meer (M)

6. Aus wie vielen Soldaten besteht die Terrakotta-Armee?ungefähr 5.500 (T)ungefähr 7.300 (A)ungefähr 9.600 (U)

7. Welche Würzsoße stammt ursprünglich aus China?Senf (N)Mayonnaise (O)Ketchup (N)

8. Wer ist auf dem 100-Yuan-Schein abgebildet?Mao Zedong (G)Xi Jinping (C)Bai Ling (L)

9. Wie hoch ist Chinas jährliches Bevölke-rungswachtum aktuell?0,5 % (M)5 % (Z)50 % (W)

10. In welchem Land wird am wenigsten Fleisch gegessen?Deutschland (O)China (A)USA (Q)

Wer kennt sich mit China aus? Im gro-

ßen China-Check geht es um Wissen über China, aber auch um Vorstellungen und Vorurteile. Mit Hilfe der Fragen kann überprüft wer-den, welche Wissenslücken und möglicherweise über-holten Vorstellungen von China und vom Leben der Menschen dort existieren. Mit Hilfe des Lösungswortes kann leicht kontrolliert wer-den, welche Antworten rich-tig sind. Übrigens: Im Lexi-kon nachzuschlagen oder im Internet zu recherchieren ist ausdrücklich erwünscht!

Das Lösungswort

ist die chinesische Bezeichnung

für die „Mutter des Universums“

Bitte tragen Sie die 10 Lösungsbuchstaben oberhalb

der Leerstriche ein:

_ _ _ _ _ L _ _ _ _ _

u ~zw

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Ar beitsblatt 3 Ar beitsblatt 4

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ARBEITSAUFTRÄGE

1. Arbeiten Sie in Gruppen. Erstellen Sie ein Lernplakat zu einer der Minderheiten in China, auf dem Sie diese vorstellen und deren Handlungsspielräume erläutern. Bereiten Sie eine Präsentation vor!

2. Vergleichen Sie die Minder-heiten. Welche Gemeinsamkei-ten und Unterschiede können Sie feststellen? Ergänzen Sie die Tabelle! 3. Stellen Sie die Grundsätze der Ansiedlungspolitik der Regie-rung vor und bewerten Sie diese.

ARBEITSAUFTRÄGE

1. Nennen Sie anhand der Materialien die Push- und Pull-Faktoren, die zur Verstädte-rung in China führen.

2. Erläutern Sie die Herausforde-rungen, die mit der Zuwanderung in die Städte einhergehen. Beziehen Sie sich auf die Grund-daseinsfunktionen der Menschen.

3. Beurteilen Sie die zunehmende Verstädterung vor dem Hinter-grund der nachhaltigen Entwick-lung und visualisieren Sie Ihr Urteil, indem Sie Ihre Ergebnisse in ein Nachhaltigkeitsdreieck eintragen.

E N T W I C K L U N G D E R S TA D T - / L A N D B E V Ö L K E R U N G I N C H I N A ( i n Ta u s e n d )Die zunehmende inter-nationale Verflechtung

der Volkswirtschaften hat die Volksrepublik China in den letzten Jahrzehnten verwan-delt. Die Investitionen von internationalen und chinesi-schen Unternehmen sorgen für eine andauernde Nachfrage nach Arbeitskräften, vor allem in den Städten.

WARUM ZIEHT ES CHINESEN IN DIE STÄDTE?

Als Erklärung von Wanderungsgründen werden oft die Push- (Schub) und Pull- (Sog) Faktoren genannt. Push-Faktoren bewirken, dass Menschen ihre Heimat auf dem Land verlassen, Pull-Faktoren,

dass sie von Städten angezogen werden. In China sind es insbesondere wirtschaft-liche Gründe, die für das stetige Wachs-tum der Städte sorgen. Der Boom der chinesischen Städte geht zu einem nicht geringen Teil auf ausländische Investiti-onen zurück. Internationale Großkon-zerne haben in der Vergangenheit viele neue Jobs in den großen Ballungszent-ren geschaffen, für die wiederum immer mehr Arbeitskräfte benötigt wurden. In-zwischen gibt es auch viele chinesische Großkonzerne, die ebenfalls Arbeitskräf-te suchen.Das Gefälle zwischen Stadt und Land nimmt seitdem immer weiter zu, da auch ungelernte Arbeiter in den Städten deut-lich mehr verdienen als Bauern auf dem Land. Daher verdingen sich viele Chine-sen über Jahre als Wanderarbeiter in den aufstrebenden Metropolen und überwei-sen regelmäßig einen Teil ihres Einkom-mens an die Familie auf dem Dorf.

MEGACITIES* IN CHINA – CHANCEN UND HERAUSFORDERUNGEN

Mit Peking (20,7 Mio.) und Shanghai (23 Mio.) verfügt China über zwei Megacities.

Zusätzlich gibt es viele Bal-lungszentren mit einer Bevöl-kerung von über 10 Mio. Men-schen. In der Jangtse-Region (Shanghai-Nanjing-Hangz-hou) und im Pearl-River-De-lta (Hongkong-Guangz-hou-Macao) entstehen derzeit mega-urbane Regionen, die in naher Zukunft bis zu 100 Mio. Einwohner zählen werden. Die zunehmenden Wanderungsbe-wegungen in die Städte sind sogar zu einem gewissen Teil

von höchster Stelle erwünscht. Die chi-nesische Regierung plant mit der Ur-banisierung, das Wirtschaftswachstum langfristig zu garantieren. Produktions-kapazitäten lassen sich auf diese Weise zusammenlegen und bürokratische Dop-pelstrukturen abbauen; auch die Daseins-vorsorge lässt sich kostengünstiger um-setzen, wenn viele Menschen auf engem Raum zusammenleben. Allerdings neh-men mit zunehmender Größe der Städte auch die Herausforderungen zu: Smog, Luftverschmutzung, Müll, Lärm und Verkehrschaos sind nur einige Aufgaben, welche die chinesische Gesellschaft in Zukunft lösen muss.

*Megacities sind Städte mit mehr als 10 Mio. Einwohnern.

1. Nächtliche Satel-litenaufnahme der Ostküste Chinas, Quelle: NASA

GLOBALISIERUNG UND URBANISIERUNG

VIELVÖLKERSTAAT CHINA

einer Minderheit geworden, denn die chi-nesische Regierung lockt mit finanziellen Anreizen immer mehr Han-Chinesen in das rohstoffreiche Gebiet (Erdgas, Erdöl, Kohle) im Westen des Landes.Was Chinas Regierung als den Versuch einer wirtschaftlichen Entwicklung der Region verstanden wissen will, begreifen die Uiguren als Angriff auf ihre Identi-tät. Sie fühlen sich gegenüber den Han-Chinesen benachteiligt und an den Rand gedrängt. Es gibt keine Religionsfreiheit und kein gerechtes Bildungssystem. Han-Chinesisch ist auch an uigurischen Uni-versitäten, Schulen und Kindergärten die offizielle Sprache.Vonseiten der Regierung werden uigu-rischen Gruppen terroristische Bestre-bungen nachgesagt. Diese wollten die „Einheit der Ethnien“ sabotieren und die „soziale Stabilität“ unterwandern. Ihnen wird auch vorgeworfen, eine extremisti-sche religiöse Ideologie zu verfolgen. Teils wird den Aktivisten eine Verbindung zum Terrornetzwerk al-Qaida nachge-sagt, zum Beispiel der Islamistischen Partei Ost-Turkestans. Die Exilorganisa-tion „Weltkongress der Uiguren“ mit Sitz in München wird von der chinesischen Regierung als Helfer der Terroristen be-trachtet. Eine Verbindung zwischen ei-nem globalen Dschihad und Anschlägen in Xinjiang wurde allerdings nie nachge-wiesen.

Die Volksrepublik China wird von ca. 55 verschiedenen ethnischen

Volksgruppen bewohnt. Die Han-Chi-nesen bilden dabei mit einem Anteil von rund 92 Prozent die größte Gruppe. Das Verhältnis zwischen der Mehrheitsge-sellschaft und den Minderheiten kreist besonders bei den Volksgruppen der Uiguren und Tibeter um die Frage nach Minderheitenrechten und Eigenständig-keit und ist zum Teil von Spannungen und Gewalt gekennzeichnet.[Artikel „Wie die Gewalt im Wes-

ten Chinas entsteht“, sueddeutsche.de, 22.5.2014]In der Autonomen Region Xinjiang (im Nordwesten Chinas) leben nach Regie-rungsangaben etwa 22 Millionen Men-schen. Die beiden größten Bevölkerungs-gruppen sind die Uiguren (8,4 Millionen), ein muslimisches Turkvolk, und die Han-Chinesen (10,4 Millionen). Nach der Machtübernahme 1949 hatten sich die chinesischen Kommunisten das ehema-lige Ost-Turkestan einverleibt. Nun sind die Uiguren in ihrer eigenen Region zu

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Ar beitsblatt 5 Ar beitsblatt 6

ARBEITSAUFTRÄGE

1. Arbeiten Sie mit Ihrem Partner. Recherchieren Sie in der jeweili-gen Suchmaschine (zu Baidu: http://www.baiduinenglish.com) nach folgenden Begriffen: Mao Zedong, Marx, Facebook und Ai Weiwei. Erstellen Sie eine Tabelle und vergleichen Sie die Ergebnisse.

2. Erklären Sie mithilfe der Informationstexte die Gründe für die unterschiedlichen Ergebnisse.

3. Der Zeitungsartikel zeigt Möglichkeiten auf, wie Bürger in China sich trotz der Zensur engagieren. Recherchieren Sie weitere Beispiele und erstellen Sie ein Lernplakat, das die Bedeutung von Bürgerinitiativen in China thematisiert.

**Ausschnitt aus dem Artikel „Chinas Zivil-gesellschaft. Westliche

Werte als trojanische Pferde“, FAZ-Online 06.07.2014.

Zivilgesellschaftliches Engagement und Mitbestimmung haben in Chi-

na, anders als im Westen, wenig Tradition und beginnen erst sich zu entwickeln. Die KPCh steht solchen Bestrebungen mit Misstrauen gegenüber. Im Internet-zeit-alter ist jedoch mittlerweile ein großer Aufwand nötig, um die Kommunikation der Bevölkerung zu überwachen. Eine wachsende Mittelschicht ist zunehmend daran interessiert, Einfluss auf gesell-schaftliche Entscheidungen – außerhalb der Parteistrukturen – zu nehmen. Die Menschen nutzen dabei die Spielräume, die ihnen die Regierung lässt.Die Internetsuchmaschine Baidu und die Nachrichten-App Weixin (wechat) sind die chinesischen Pendants zu Google und WhatsApp. Seit 2003 werden Inter-netseiten in China durch die sogenannte „große Firewall“ systematisch gesperrt, wenn sie – nach Ansicht der Regierung – unliebsame Inhalte enthalten. Das geht so weit, dass zu bestimmten Themen wie zum Beispiel dem Tianan-men-Massaker von 1989 schlicht keine Suchergebnisse gefunden werden können. Andere Suchanfragen, wie etwa zu Tibet oder Taiwan, liefern lediglich Ergebnisse im Sinne der KPCh.

Während Baidu stark von der Inter-netzensur betroffen ist, fällt es den Be-hörden verhältnismäßig schwer, die Instant-Kommunikation via Weixin zu überwachen. Umgangen werden die Zensurmaßnahmen von einigen Chine-sen, einerseits über Proxy-Server oder VPN-Clients, mit deren Hilfe sich tech-nik-affine User über einen ausländischen Server ins Internet einloggen. Anderer-seits verwenden chinesische Polit-Akti-

visten in ihrer Online-Kommunikation mittlerweile Codewörter: So beschreibt beispielsweise der Begriff „gelbe Ente“ ein Foto des Tiananmen-Massakers.

ENGAGEMENT FÜR DIE ZIVILGESELLSCHAFT*

Der Regierung sind sie suspekt, doch sie sind aus dem öffentlichen Leben Chinas nicht mehr wegzudenken. Sie kümmern sich um Wanderarbeiter oder Landschu-len, kämpfen gegen Plastiktüten oder Wasserverschwendung: Bürgerinitiativen und Nichtregierungsorganisationen, die sich sozialer oder Umweltthemen anneh-men, sprießen überall aus dem Boden. Oft lavieren sie auf politisch schwierigem Terrain. Wenn sie mit ihren Aktivitäten örtlichen Behörden und Wirtschaftsin-teressen in die Quere kommen, geraten sie schnell unter staatlichen Druck oder werden sogar zur Auflösung gezwungen.

Die Regierung weiß aber auch, dass sie die Bürgerinitiativen besonders im sozialen Sektor braucht, daher steckt sie ihre ideo-logischen Bedenken häufig zurück. Seit einem Jahr können sich Nichtregierungs-organisationen (NROs) beim Innenmi-nisterium registrieren und brauchen keine offizielle Dachorganisation mehr. 19.000 NROs haben sich im vergangenen Jahr neu registriert. Nach offiziellen Angaben gibt es jetzt rund 511.000 NROs in ganz China. Für die ausländischen Nichtregierungs-organisationen gelten die neuen erleich-terten Bestimmungen nicht. Sie werden als ein trojanisches Pferd gesehen, das nicht nur ausländisches Geld und Exper-tise, sondern auch die westlichen Ideen ins Land bringt, die zu einer „friedlichen Evolution“ Chinas führen sollen.Die chinesischen NROs sind vorsichtig optimistisch. Immer mehr Menschen wollten jetzt ihre eigene NRO gründen, schreibt Blogger Bei Xiaochao, das sei ein Zeichen für die Entstehung einer leben-digen Zivilgesellschaft.

ZWISCHEN RESTRIKTION UND PARTIZIPATION

Die Epoche vom ersten Opiumkrieg (1839) bis zur Machtübernahme

der kommunistischen Partei (1949) wird in China bis heute in weiten Kreisen als Demütigung durch den Westen empfun-den. Die Besetzung chinesischen Territo-riums, die permanente Einmischung in die innerchinesischen Angelegenheiten und insbesondere das oftmals brutale Vorgehen der Quasi-Kolonialherren ge-gen Aufständische (z. B. während des Bo-xeraufstandes 1900) haben in der chine-sischen Gesellschaft Spuren hinterlassen.

CHINA UND DER WESTEN – EIN JAHRHUNDERT DER DEMÜTIGUNGEN?

ARBEITSAUFTRÄGE 1. Schauen Sie sich die Karikatur an. Recherchieren Sie, welche Personen dargestellt sind. Informieren Sie sich über die Hintergründe.

2. Teilen Sie sich in Gruppen auf und erstellen Sie Standbilder zu der im Titel genannten Leitfrage. (zur Methode Standbild, siehe z. B. hier: http://www.trg-oha.de/unterricht/methodenkonzept/pdf/standbild.pdf ) . 3. Bewerten Sie die Darstellungen der jeweiligen Gruppen.

4. Recherchieren Sie, wie der Westen die behandelte Zeit aufgearbeitet hat. Sichern Sie Ihre Werturteile in Form eines fiktiven Interviews, das der deutsche Außenminister einem Pekinger Journalisten gibt.

1. Karikatur von 1898: Die imperialen Mäch-te streiten sich um

den großen „Kuchen“ China und und teilen das Land auf.

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Ar beitsblatt 7 Anhang

ARBEITSAUFTRÄGE

1. Welche Rolle spielte Mao Zedong im 20. Jahrhundert für die Entwicklung Chinas? Arbeiten Sie in Gruppen und untersuchen Sie jeweils eine Dekade. Bereiten Sie eine multimediale Präsentation vor! Informationen finden Sie beispielsweise hier: Planet Wissen, http://goo.gl/YC2F6L.

2. Mao Zedong gilt als promi-nentes Beispiel für das Phäno-men „Personenkult“. Recher-chieren Sie zu diesem Begriff und suchen Sie nach weiteren Beispielen.

3. Auch im Westen gelangte Mao zu einem gewissen Kultstatus (siehe auch das Mao-Porträt von Andy Warhol, http://goo.gl/Z8Vo8v). Versuchen Sie zu erklären, warum.

4.Kennen Sie Beispiele für Personenkult in der westlichen Welt? Vergleichen Sie!

ÜBER DIE AUTORENMarc BermannPolitikwissenschaftler und Sinologe, Programmleiter China der Stiftung Mercator

Christoph GiesenJournalist, Wirtschaftsressort der Süddeutschen Zeitung

Professor Dr. Sebastian HeilmannPolitikwissenschaftler und Sinologe, Direktor des Mercator Institute for China Studies (MERICS) in Berlin

Michael Kahn-AckermannSinologe, Special Representative der Stiftung Mercator in Peking

FACHLICHE BERATUNGProfessor Dr. Christian GöbelUniversität Wien

Professor Dr. Lena HenningsenUniversität Freiburg

Jonas HumpertStiftung Mercator

Michał MirskiGymnasiallehrer, Berlin

LITERATURHINWEISEHuawei Technologies Deutschland GmbH: Deutschland und China – Wahrnehmung und Realität. Berlin 2014.Die Huawei-Studie vergleicht aktuell das Wissen und die gegenseitige Wahr-nehmung von Deutschland und China anhand ausgewählter Themenfelder und stellt die Ergebnisse in zahlreichen Schaubildern dar.Kostenloser Download: www.huawei-studie.de/download

Yang Liu: Ost trifft West. Mainz, 2008.Die in Berlin lebende Designerin Yang Liu hat die unterschiedlichen Denk- und Verhaltensweisen von Deutschen und Chinesen in Form von Piktogrammen aufbereitet.

VIDEOShttp://bit.ly/1IyuCxGDie Zeitbild Playlist „China im Wandel“ auf YouTube enthält Videos zu aktuellen und historischen Themen rund um die Volksrepublik China und wird ständig ergänzt und aktualisiert.

LINKTIPPSwww.sinonerds.comSINONERDS ist ein junges und innovatives Magazin sowie eine Informa-tionsplattform für junge Menschen mit Interesse an China, chinesischer Kultur und Sprache und Austausch.

www.merics.orgDas Mercator Institute for China Studies (MERICS) ist ein unabhängiges Forschungsinstitut mit Sitz in Berlin. MERICS betreibt gegenwartsbezogene und praxisorientierte China-Forschung. MERICS vermittelt Erkenntnisse und Analysen in die Öffentlichkeit hinein, stellt Entscheidungsträgern aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft China-Ex-pertise zur Verfügung und ist Ansprech-partner für die Medien. MERICS ist eine Initiative der Stiftung Mercator.

www.bpb.de/gesellschaft/migration/laenderprofile/187111/chinaDie Bundeszentrale für politische Bil-dung hält ein ausführliches Länderprofil zu China mit zahlreichen Informationen von Politik bis Kultur bereit.

www.auswaertiges-amt.de/DE/ Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/01- Laender/China.htmlDas Auswärtige Amt informiert über China und die deutsche China-Politik.

LÖSUNGSHINWEISEArbeitsblatt 1Das Lösungswort lautet: ZHUMULANGMA

Arbeitsblatt 3Stichworte zur Ansiedlungspolitik: z. B. Umsiedlung von Han-Chinesen nach Tibet und in das uigurische Gebiet; finanzielle Anreize zur Umsied-lung, Chinesisch als „offizielle“ Sprache („Sinisierung“); Bewertung z. B. anhand der „Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte“.

Arbeitsblatt 4Push-Faktoren: z. B. Stadt-Land-Gefäl-le; höherer Verdienst in den Städten.Pull-Faktoren: z. B. Wirtschaftsboom in den Ballungsräumen; mehr Jobs; persönliche Freiheit; kulturelle Vielfalt.Nachhaltigkeitsdreieck a) sozial: Schere zwischen Wanderarbei-tern und Mittel- und Oberschicht; b) ökologisch: Umweltbelastungen durch Verkehr und Energieerzeugung, Wasser-verbrauch durch Bevölkerungswachstum; c) ökonomisch: Konzentration von Wirtschaftswachstum, Konsum und Einkommenschancen.

Arbeitsblatt 6Dargestellte Personen: Queen Victoria (Großbritannien), Kaiser Wilhelm II. (Deutsches Reich), Zar Nikolaus II. (Russisches Reich), Marianne (Symbol-figur für Frankreich), Samuraikrieger (Symbolfigur für das kaiserliche Japan); im Hintergrund ein chinesischer Hofbeamter.

Mao Zedong war lange Zeit der ein-flussreichste politische Führer der

Volksrepublik China. Sein Ziel war ein unabhängiges und wirtschaftlich starkes China – die Modernisierung des Landes im kommunistischen Sinne versuchte er mit teilweise drastischen Maßnahmen und Reformen zu erzwingen und nahm dabei Opfer und Leiden der Bevölkerung in Kauf. Unbestreitbar hat Mao jedoch das Antlitz des Landes entscheidend ge-prägt und – wie niemand neben ihm – die chinesische Geschichte des 20. Jahrhunderts gestaltet.

KURZPORTRÄTMAO ZEDONG

Mao Zedong kam 1893 in der zentralchine-

sischen Provinz Hunan zur Welt, seine Eltern waren Bauern, die es zu einem bescheidenen Auskommen gebracht hat-ten. Über die Zerrissenheit seines Landes und die Machtlosigkeit seines Volkes tief empört, nahm Mao frühzeitig Kontakt zu kommunistischen Zirkeln auf und wurde im Jahr 1923 in das Zentralkommitee der KPCh gewählt.

In der Folge des chinesischen Bürger-kriegs konnte Mao seine Macht innerhalb der Partei ausbauen. Nach der Gründung der Volksrepublik China im Jahr 1949 war er bis zum Jahr 1973 gleichzeitig ihr „Großer Vorsitzender“. Mao versuchte mit aller Macht, Chinas wirtschaftlichen Rückstand wettzumachen. So rief er wäh-rend der Kampagne „Großer Sprung“ beispielsweise das ganze Land dazu auf, in einer konzertierten, kollektiven Aktion auf jedem Bauernhof, in jedem Hinterhof unter Heranziehung selbst primitivster Arbeitsmittel Hochöfen zu errichten und Stahl zu produzieren. Im Zuge dieser Aktion wurde der Ackerbau von vielen Bauern vernachlässigt und so entstand eine der größten Hungerkatastrophen der Menschheitsgeschichte. Die Härte, mit der Mao gegen seine Kritiker vorging, kostete darüber hinaus in der sogenann-ten Kulturrevolution viele Menschen das Leben. Nichtsdestotrotz wird er heutzu-tage nach wie vor von vielen Chinesen verehrt.

DER MAOISMUS

Der Maoismus ist die chinesische Varian-te des Sozialismus. Er beruht, wie der So-zialismus sowjetischer Prägung, ebenfalls

auf den Werken von Marx, Engels, Lenin und Stalin. Die Eigen-heiten des Maoismus liegen in der Betonung der revolutionären Rol-le der Bauern (im So-zialismus kommt diese Rolle der Arbeiterklas-

se zu). Außerdem war der Maoismus na-tional ausgerichtet und lehnte die zentrale Führung der internationalen kommunis-tischen Bewegung ab.

Im Westen erfreuten sich Mao und der Maoismus einer gewissen Beliebtheit un-ter Anhängern der Studentenbewegung rund um das Jahr 1968. Das kleine rote Buch, auch „Mao-Bibel“ genannt, wurde von einem Teil der westdeutschen Stu-dierenden eifrig gelesen, diskutiert und zitiert. Das Buch enthält eine Sammlung mit Zitaten des „Großen Vorsitzenden“. In China war es zwischen den Jahren 1966 und 1976 Bürgerpflicht, ein Exem-plar mitzuführen.

1.+2. Der „Große Vorsitzende“ Mao und die „Mao-Bibel“ stehen

bis heute für den chinesischen Sozialismus.

MAO ZEDONG

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Impressum

IMPRESSUM

Zeitbild WISSEN „China im 21. Jahrhundert. Politik, Wirtschaft und Kultur im Unterricht.“,

herausgegeben vom Zeitbild Verlag in Zusammenarbeit mit der Stiftung Mercator, Mai 2015.

Gesamtherstellung:Zeitbild Verlag und Agentur für Kommunikation GmbH,

Kaiserdamm 20, 14057 Berlin, www.zeitbild.de

Verantwortlich für den Inhalt:Frank J. Richter

Texte: (soweit nicht anders gekennzeichnet)

Zeitbild

Gestaltung:Christiane Rauert, München

Druck:DCM Druckcenter Meckenheim

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