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Oliver Gassmann Crowdsourcing Innovationsmanagement mit Schwarmintelligenz Interaktiv Ideen finden Kollektives Wissen effektiv nutzen Mit Fallbeispielen und Checklisten 2. Auflage

Crowdsourcing, 2. Auflage - swisscleantech · 4 1 Crowdsourcing: Eine kurze Einführung Pepple können so ihren Prototypen in ein richtiges Produkt verwandeln und haben bereits 67

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Oliver Gassmann

CrowdsourcingInnovations management mit Schwarmintelligenz

Interaktiv Ideen finden

Kollektives Wissen effektiv nutzen

Mit Fallbeispielen und Checklisten

2. Auflage

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1 Crowdsourcing: Eine kurze Einführung Oliver Gassmann, Sascha Friesike & Christian Häuselmann

Plattformen

Crowdbegeistern

CreativeCrowd

Crowdsourcing-Prozess

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1.1 Schneller, besser und kundennäher  3

■■ 1 .1■Schneller, besser und kundennäher

Die zentrale Frage in allen Unternehmen lautet: „Wie kann ich meine Wett-bewerber durch Innovation übertrumpfen?“ In Zeiten des globalen Wettbe-werbs heißt dies noch schneller, noch besser und noch kostengünstiger und vor allem noch kunden orientiertere Leistungen entwickeln. Der Kampf um die Talente im eigenen Unternehmen ist längst zu einem Kampf um die bes-ten Ideen geworden, unabhängig davon, ob die kreativen Ideengeber für das eigene Unternehmen arbeiten oder nicht. Kreativität kann nicht komplett ausgelagert werden, die Problemstellungen, die Konzeptinterpretation und vor allem die Umsetzung der Ideen bleiben im Unternehmen. Dazu ist wei-terhin Kreativität der eigenen Mitarbeiter notwendig. Jedoch lassen sich intelligent Hebel effekte schaffen, wenn man die Intelligenz außerhalb des eigenen Unternehmens aktiviert. Dies ist der Kern von Crowdsourcing. Bei-spiele hierzu sind vielfältig: � Letztes Jahr wurde auf humanrightslogo.net dazu aufgerufen, eine Bild-marke für Menschenrechte zu entwerfen. Das Projekt erhielt 15 300 Ein-sendungen aus 191 Ländern.

� Auf der Cleantech Innovationsplattform Skipso suchte die schweizer non-profit Organisation Mabawa erfolgreich nach Konzepten, um abgelegene Dörfer mit Schulen und Gesundheitszentren in Ruanda stromnetz-unab-hängig betreiben zu können.

� Die neue Eisteesorte „Glückstee“ der Supermarktkette Migros ist das Ergebnis eines öffentlichen Brainstormings auf der Plattform Atizo.

� Im Jahr 2012 durchbrach die Crowdfunding-Plattform Kickstarter das erste Mal die Marke von zehn Millionen Dollar. Die Erfinder der Armbanduhr

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4  1 Crowdsourcing: Eine kurze Einführung

Pepple können so ihren Prototypen in ein richtiges Produkt verwandeln und haben bereits 67 000 Investoren.

Crowdsourcing ist ein altes Phänomen, das weit in die Geschichte zurück-reicht. Der berühmte „gordische Knoten“  – heute Synonym für ein kaum lösbares Problem – stand jedermann zur Lösung offen. Der Legende nach befand sich der gordische Knoten am Streitwagen des Königs Gordios, dort war er von den Göttern befestigt worden, mehrere Jahrhunderte vor Christi Geburt. Ein Orakel hatte erklärt, dass nur derjenige, der den Knoten lösen könnte, die Herrschaft über Persien erringen würde. Und so versuchten sich etliche Männer an diesem altertümlichen Puzzle samt und sämtlichst mit dem Wunsch, die Macht über Persien zu erringen, und samt und sämtlichst ohne Erfolg. Die Geschichtsschreibung wird nun etwas ungenau, aber man geht davon aus, dass dieser Zustand mehrere Jahrhunderte andauerte, bis sich 334 v. Chr. Alexander der Große dem Problem annahm. Quasi im Vor-beigehen zerschlug er den Knoten mit seinem Schwert und läutete so seinen Siegeszug durch Persien ein.Ein weiteres, historisches Beispiel für Crowdsourcing ist der britische Ver-such zur Bestimmung des Längengrades. Das britische Parlament schrieb 1714 den „Longitudinal Act“ aus. Für eine praktikable Methode zur Bestim-mung der Längengrade wurde ein Preis von 20 000 Pfund versprochen. 1773 und nach vier Jahrzehnten akademischen Gerangels und politischer Intrigen erhielt John Harrison den Preis für seine Präzisionsuhr.Problem des Crowdsourcing in der Vergangenheit war die Ortsabhängigkeit: Nur wer den Weg nach Kleinasien auf sich nahm, konnte sich am gordischen Knoten versuchen. Doch dies änderte sich drastisch durch moderne Kom-munikationsmittel: durch das Televoting oder in Deutschland Tele-Dialog, vorgestellt zur IFA 1979, blühte die Problem lösungsstrategie erstmals auf. Die erste Frage lautete übrigens: „Wird Hertha BSC dieses Jahr deutscher Fußballmeister?“ Die Hertha stieg zum Ende der Saison ab. In der Folgezeit wurden Wahlprognosen, Wettkönige oder Sieger in europaweiten Gesangs-wettbewerben ermittelt.Doch es dauerte weitere 20 Jahre, bevor das Befragen von jedermann, durch die breite Verfügbarkeit des Internets, zu einem wirklichen Massenphäno-men wurde. Webseiten, wie Wikipedia oder die Internet Movie Database (imdb.com), setzen auf das kollektive Wissen, um ihre Inhalte zu generieren. Und Jeff Howe kreierte 2006 den Neologismus „Crowdsourcing“, um dem Phänomen einen Namen zu geben.

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1.2 Crowdsourcing-Konzepte  5

Heute ist Crowdsourcing als Problemlösungsstrategie nicht mehr wegzuden-ken, die Beispiele sind vielfältig: � auf 12designer.com entwickeln Nutzer Flyer, Logos und Webdesigns; � atizo.com, jovoto.com oder innovationskraftwerk.de binden Nutzer in Wett-bewerben ein, um aktuelle Businessprobleme zu lösen;

� auf wheelmap.org entsteht eine rollstuhlgerechte Karte; � die Plattform devexo.com vermittelt zwischen Start-ups und privaten Investoren;

� Procter & Gamble fragt sich auf vocalpoint.com „was wollen Frauen?“ und � die Erfinder von galaxyzoo.org haben kurzerhand das Universum zu ihrem Projekt gemacht.

■■ 1 .2■Crowdsourcing-Konzepte

Auch für den Praktiker eine kurze Einordnung: Crowdsourcing ist Teil des Open-Innovation-Paradigmas, bei dem der Innovationsprozess nach außen geöffnet wird. Kunden, Lieferanten, Hochschulen werden interaktiv in den Wertschöpfungsprozess eingebunden. Für zahlreiche Unternehmen ist Crowdsourcing das wirklich Neue von Open Innovation im Unternehmen. Mit Kunden und Lieferanten wurde auch schon früher zusammengearbeitet. Auch wenn man hier sicher differenzieren muss bezüglich des Ausmaßes und der Intensität der Öffnung des Innovationsprozesses, ist Crowdsourcing sicherlich ein Augenöffner für die Mitarbeiter. So treibt der Konzernverant-wortliche von Siemens für Open Innovation vor allem die Verbreitung der Crowdsourcing-Konzepte im Unternehmen voran, um die Kultur von Sie-mens in Richtung Offenheit weiter zu fördern.Nun, was ist Crowdsourcing? Im Folgenden möchten wir die Begriffsvielfalt in Akademia und Praxis etwas klären und eine umfassende Definition zugrunde legen:

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6  1 Crowdsourcing: Eine kurze Einführung

Crowdsourcing ist eine interaktive Strategie des Auslagerns von Wissensgenerierung und Problemlösung an externe Akteure durch einen öffentlichen oder semi-öffentlichen Auf-ruf an eine große Gruppe. Typischerweise stehen kreative The-men im Zentrum, aber es sind auch repetitive Aufgaben mög-lich. In der Regel wird dieser Aufruf durch eine Webseite realisiert.In Kürze: Crowdsourcing ist eine interaktive, community- basierte Innovationsstrategie .

Unter den zahlreichen Crowdsourcing-Initiativen lassen sich fünf unter-schiedliche Kategorien erkennen, die nun vorgestellt werden (Bild 1.1).

iBridge Network

Ideas Campaign

Galaxy Zoo

Eureka Medical

Fold it

Picnic Green Challenge

Dream Heels

CreateMyTattoo

JuJups

Spreadshirt

zazzle

cafepress

Naked&Angry

Vocalpoint

Ideas4Unilever

My Starbucks Idea

BetavineIBM InnovationJam

Kraft

BMW Via

Muji

BurdaStyleLEGO Mindstorms

OSRAM LED-EmotionalizeElectrolux Design Lab

Fluevog

LEGO Factory

Gmail M-VelopeVideo Competition W

ebse

iten

Wikipedia

OpenStreetMap

Yahoo Answers

CrowdSpirit

A Swarm of Angels

reCAPTCHA

Firefox

Apache

Linux

JabRef

VideoLAN

F&E-

Plat

tform

en

InnoCentive

TekScoutIdeaConnection

Yet2.com

PRESANSHypios

NineSigma

PharmalicensingSkipso

RedesignMe

IdeaBolunty

crowdSPRING

Battle of concepts

Brand Tags

Guerra Creativa

99designs

Amazon Mechanical TrunkSpudaroo

HumanGridTopCoder

LeadVine

Atizo

Big Idea Group

ExnovateChaordix

Innovation Exchange

Idea Crossing

Jovoto

Crowd���

��

����

Kickstarter

Sellaband

Bild 1 .1■ Fünf Kategorien an Crowdsourcing-Initiativen

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1.2 Crowdsourcing-Konzepte  7

1 . Intermediäre PlattformenCrowdsourcing-Initiativen, die verschiedene Parteien zusammenbringen, werden Intermediäre genannt. Die einzelnen Webseiten verstehen sich als Bindeglied zwischen Fragendem und Lösendem. Den Teilnehmern winken in der Regel Preise oder Honorare für die Erstellung von Lösungen oder für die beste, vom Auftraggeber ausgewählte Lösung. Es gibt vier Typen von Intermediären: Forschungs- und Entwicklungsplattformen, Marketing- und Designplattformen, Plattformen für Freelancer und Ideenplattformen.(1) Forschungs- und Entwicklungsplattformen: Hier werden Fragen aus der Forschung und Entwicklung gelöst. Plattformen wie TekScout, InnoCen-tive oder ideaconnection.com vernetzen Unternehmen mit Wissenschaftlern und Forschern und erlauben den Unternehmen so den Zugriff auf einen großen „Wissenspool“.Der bekannteste Intermediär InnoCentive bietet eine Plattform zum Lösen wissenschaftlicher Fragestellungen. Auf der Webseite sind knapp 200 000 Wissenschaftler registriert, die für die Lösung komplexer Probleme zwi-schen 10 000 und 1 000 000 US-Dollar ausgezahlt bekommen. Zu den Kun-den gehören zahlreiche große Firmen wie Procter & Gamble, Solvay oder Eli Lilly.Plattformen wie yet2.com oder pharmalicensing.com dienen als Marktplätze für Patente. Die neue Plattform Skipso geht einen Schritt weiter und vernetzt als One-stop-hub Crowdsourcing mit einem B2B-Netzwerk, Investoren und aktuellen Inhalten. Zudem fokussiert sich Skipso ausschließlich auf eine Branche, den stark wachsenden Cleantech-Markt.(2) Marketing- und Designplattformen: Im Vergleich zu den Entwick-lungsplattformen werden bei diesen Intermediären Fragen zum Marketing oder zum Design ausgeschrieben. Bei crowdSPRING sind beispielsweise bereits 80 000 Design-Wettbewerbe zur Ge staltung von Webseiten, Logos oder Marketingkampagnen gelaufen. Eine vergleichbare Dienstleistung bie-tet 99designs an, mit bereits 200 000 Designern. Bei brandtags.com kann man eigene Assoziationen zu Marken abgeben und sich ansehen, was die Allgemeinheit zu den bekanntesten Marken denkt.(3) Plattformen für Freelancer: Plattformen dieses Typs bringen Unter-nehmen und einzelne Freelancer zusammen. Dabei sind die Aufgaben viel-seitig und häufig wenig innovativ. Sie reichen vom Überprüfen von Links oder Inhalten einer Webseite bei Human Grid bis zum Erstellen von Busi-nessplänen oder Pressemitteilungen bei Spudaroo.

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8  1 Crowdsourcing: Eine kurze Einführung

Humangrid wurde 2006 gegründet und eröffnete 2009 seine Plattform mit dem Slogan „Mit Intelligenz Geld verdienen  – vom eigenen Schreibtisch aus“. In 2010 ging das Unternehmen unter dem Namen „Clickworker“ in den USA auf den Markt. Kunden sind Touristikfirmen, Medienunternehmen und Internetportale, die zumeist einfache, repetitive Aufgaben für geringes Honorar offerieren, welche nicht maschinell erstellt werden können. Die ergebnisorientierten Mini-Jobs werden vor allem von Angestellten (35 %), Studenten (25 %), Selbständigen (17 %), Arbeitslosen (10 %) sowie Schülern und Rentnern (13 %) angenommen. Honda ließ sich dort für die Entwicklung einer Software Fotos beschriften, andere Unternehmen Spielanleitungen übersetzen oder Texte editieren.Auf TopCoder sind über 230 000 Programmierer registriert, die in Wettbe-werben Algorithmen, Programme oder graphische Oberflächen entwerfen.(4) Ideenplattformen: Bei Intermediären dieser Gruppe (Tabelle 1.1) steht nicht die Qualifikation ihrer Mitglieder, sondern der Lösungsfindungspro-zess im Vor dergrund. So entwickeln sie Lösungen für unterschiedlichste Branchen und unterschiedlichste Problemstellungen. Die Mitglieder von atizo.com entwickeln beispielsweise neue Konzepte für den Reißverschluss, neue Lebensmittel, neue Geschäftsmodelle oder auch Feinrechen für Kläran-lagen. Jovoto.com, 2006 an der Berliner Universität der Künste entstanden, vernetzt weltweit kreative Talente und wird so zum Kreativ-Department.

Tabelle 1 .1■Intermediäre Plattformen bieten unterschiedlichste Einsatzmöglichkeiten

Forschung- und Entwicklungs-plattformen

Marketing- und Designplattformen

Plattformen für Freelancer

Ideenplattformen

InnoCentiveProblemlösung wissenschaftlicher Fragestellungen

RedesignMeDesigns für Logos, Corporate Design, Tools

Amazon Mecha-nical TurkEinfache günstige Tätigkeiten

AtizoCrowdsourcing mit eigener Innovations-Community

TekScoutProblemlösung wissenschaftlicher Fragestellungen

Idea BountyMarketingwett-bewerbe

SpudarooVirtuelle Werbe-texter

Big Idea Group13 000 Innovatoren für Ideen, Marketing und Produkte

IdeaConnectionIdeenmarktplatz

crowdSPRINGDesign, Logos „The world's best creative department“

HumanGridKleine Online- Aufgaben, geringe Entlöhnung

ExnovateOpen Innovation in einem Netzwerk

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1.2 Crowdsourcing-Konzepte  9

Forschung- und Entwicklungs-plattformen

Marketing- und Designplattformen

Plattformen für Freelancer

Ideenplattformen

Yet2 .comHandelsplatz für geistiges Eigentum

Battle of conceptsWettbewerbe für Studenten

TopCoderProgrammierer

ChaordixIdeenmotor

PRESANSProblemlösung wissenschaftlicher Fragestellungen

Brand TagsWas wir über Mar-ken denken

LeadVine„The community is your sales force“

Innovation ExchangeIdeen für Geschäfts-modellinnovationen

HypiosProblemlösung wissenschaftlicher Fragestellungen

Guerra CreativaCrowdsourcing für Logos, Webseiten und mehr

AppJobberDeutschlandweit Microjobs per Smartphone

Idea CrossingIdeenwettbewerbe

NineSigmaTechnische Pro-bleme

99designsDesign für Logos, Websites, Print, T-shirts, etc.

ClickworkerKleine Online-Tasks wie Web-recherchen, Umfragen, Ver-schlagwortung etc.

Jovotovernetzt weltweit krea-tives Talent und wird zum größten Kreativ-Department.

PharmalicensingPharmalizenzen

12designerLogos Flyer, Web-design

cash4feedbackMobile App, die es ermöglicht, kleine Aufgaben an unbe-kannt outzusour-cen

crowdINNOPlattform, auf der Wettbewerbe für Inno-vationen ausgeschrie-ben werden können

SkipsoCleantech Challen-ges und Business Ecosystem

Logo ArenaGroße Logo Gestal-tungsplattform

Freelancer .com„Outsource anything you can think of!“

Innovationskraft-werkOpen-Innovation-Platt-form aus Deutschland

2 . Gemeinsam eine freie LösungDie zweite Kategorie kann als „Gemeinsam eine freie Lösung“ bezeichnet werden, denn im Vergleich zu den Intermediären gibt es hier kein Unterneh-men, das eine explizite Frage stellt und für die Lösung bezahlt. Die freie Lösung steht jedem zur Verfügung und wird über das Internet zugänglich gemacht. Unterschiedlichste Lizenzmodelle klären die Verwendungsmög-lichkeiten. Dabei lassen sich zwei Gruppen unterscheiden:

Tabelle 1 .1■ Intermediäre Plattformen bieten unterschiedlichste Einsatzmöglichkeiten (Fortsetzung)

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10  1 Crowdsourcing: Eine kurze Einführung

(1) Webseiten: Die Idee dieser Gruppe ist es, das Wissen und Können von  vielen gemeinsam zu nutzen und jedermann zugänglich zu machen. Die Wikipedia ist vermutlich das bekannteste Beispiel dieser Gruppe, doch es gibt noch eine Vielzahl an weiteren Web seiten dieser Kategorie. Auf openstreetmap.org wird die Welt kartographiert, um eine Alternative zu Google Maps zu bieten, bei reCAPTCHA entschlüsseln Internetnutzer, was die Schrifterkennung beim Einscannen von Büchern nicht lesen konnte. Bei Yahoo Answers werden eher profane Fragen beantwortet wie „Mein Hund ist krank, was soll ich tun?“ oder „Soll ich wirklich nach Seattle ziehen?“.(2) Open Source Software: Die Zusammenarbeit von weltweit verteilten Programmierern an einem Softwaresystem ist ein Feld, in dem die Prinzi-pien von Crowdsourcing schon lange vor der Prägung des Begriffs Anwen-dung fanden (Tabelle 1.2). Software, wie der Webbrowser Firefox oder das Betriebssystem Linux, sind oft genannte Beispiele. Die Software ist für jeder-mann zugänglich, der Source Code der weiterentwickelten Lösung muss jedoch in der Regel wieder veröffentlicht werden (Fogel, 2005).

Tabelle 1 .2■Gemeinsam eine freie Lösung schafft in vielen Bereichen freie Alternativen

Webseiten Open Source SoftwareWikipedia – Die freie Enzyklopädie Firefox – WebbrowserOpenStreetMap – Freie Straßenkarte Apache – WebserverYahoo Answers – Fragen und Antworten Linux – BetriebssystemWheelmap .org – Rollstuhlgerechte Orte finden JabRef – LiteraturverwaltungreCAPTCHA – User lösen, was Scanner nicht lesen konnten

VideoLAN – Mediaplayer

3 . Unternehmenseigene PlattformenInzwischen mischen etliche Firmen im Crowdsourcing-Universum mit. Wer einen bekannten Namen hat und nicht auf einen der vielen Intermediäre zurückgreifen möchte, der erstellt seine eigene Plattform. Häufig wird als Nebeneffekt die eigene Marke als innovativ und kundennah positioniert.Es lassen sich bei den unternehmenseigenen Plattformen zwei Gruppen ausmachen:(1) Produktideen und Problemlösungen: In dieser Gruppe suchen Unter-nehmen nach neuen Produkten, die zukünftig angeboten werden könnten, oder nach Lösungswegen. Tchibo sucht so nach Neuem für die wöchentlich

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1.2 Crowdsourcing-Konzepte  11

wechselnden Angebote, Starbucks fragt, wie sich die Kunden die Zukunft wünschen, und BMW ruft in der virtuellen Innovations-Agentur zur Mitge-staltung des Autos von morgen auf.(2) Branding & Design: Andere Unternehmen zapfen mit ihren Plattformen das Design- und Marketingverständnis ihrer Kunden an (Tabelle 1.3). Bei BurdaStyle.com handeln knapp 300 000 Mitglieder mit Schnittmustern und feiern ein Revival des Modeverständnisses der Wirtschaftswunderjahre, bei Muji können alte Produkte überarbeitet oder neue vorgeschlagen werden, und bei OSRAM wurde eine Community aufgebaut, um Lampen, die durch LEDs leuchten, zu entwerfen.Unternehmenseigene Plattformen werden oft als White-Label-Versionen in Zusammenarbeit mit Anbietern von intermediären Plattformen realisiert (hierzu auch das Kapitel 7). Folgende zwei Beispiele basieren etwa auf Tech-nologien des Intermediärs Skipso: � Die führende italienische Bank Intesa Sanpaolo hat die Plattform euro-peanictchallenge.com lanciert. 2011 wurden 30 ICT Start-up-Firmen aus 140 Bewerbern ausgewählt und zu einem mehrtägigen Start-up-Bootcamp eingeladen.

� Für die Grameen Foundation hat Skipso grameenfoundation.applab.org ent-wickelt. Hier werden Mobile Apps und Dienstleistungen gesucht, die auf Entwicklungsländer zugeschnitten sind. Dank bisherigen Lösungen erhal-ten werdende Mütter Informationen zu gesunder Ernährung, Bauern kön-nen bessere Entscheidungen treffen aufgrund von Vorhersagen zu Wetter und Marktpreisen oder lernen Neues zur Pflege von kranken Tieren.

Tabelle 1 .3■Unternehmenseigene Plattformen finden sich inzwischen in etlichen Industrien

Produktideen und Problemlösungen Branding & DesignTchibo ideasProduktideen für das wöchentlich wech-selnde Angebot von Tchibo

MujiAlte Produkte verbessern, neue entwerfen

Ideas4UnileverIdeen für die Marke Unilever

OSRAM LED-EmotionalizeDesignkonzepte für Lampen

BetavineVodafones mobile Community

BurdaStyleSchnittmuster, Revival der Burda-Moden, die der deutschen Nachkriegs-Frau das Erscheinungsbild von Welt ermöglichte

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12  1 Crowdsourcing: Eine kurze Einführung

Produktideen und Problemlösungen Branding & DesignVocalpointP&G fragt, was Frauen wollen

LEGO MindstormsLEGOs Roboter

Dell IdeaStormExterne Ideen für Dell

Electrolux Design LabJährlicher Designwettbewerb für Studenten

My Starbucks IdeaWie soll die Zukunft von Starbucks aus-sehen?

FluevogSchuhdesign

InnovationJamIBM sucht mit Freunden und Bekannten nach Innovationen

LEGO FactoryNeue LEGO-Produkte

KraftInnovieren mit Kraft

Gmail M-Velope Video CompetitionViral video competition

BMW VIANeue Ideen für die Autos von BMW

PeugeotDesignwettbewerb für das Auto von morgen

LeadUsers .nl & Live SimplicityDie Crowdsourcing-Plattform von PhilipsP&G Open-Innovation-ChallengeNeue Ideen für P&GGoldCorpIdeen auf der Suche nach GoldVersatelIdeenportal für Telekommunikations-kunden

4 . Marktplätze für eigene IdeenWebseiten dieser Gruppe bieten Kreativen oder Erfindungsreichen eine Plattform, um ihre Ideen und selbst entworfenen Produkte zu verkaufen. Auf Spreadshirt kann jeder seinen eigenen Bekleidungsshop eröffnen, auf dreamheals.com seine eigenen Pumps verkaufen und auf createmytattoo.com seine Entwürfe für Tattoos anbieten.In letzter Zeit haben sich im Besonderen Crowdfunding-Plattformen einen Namen gemacht (Tabelle 1.4). Auf diesen Plattformen wird Geld gesammelt, um eine bestimmte Idee umzusetzen. Der Marktführer, die Plattform Kick-

Tabelle 1 .3■ Unternehmenseigene Plattformen finden sich inzwischen in etlichen Industrien (Fortsetzung)

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1.2 Crowdsourcing-Konzepte  13

starter, beheimatet tausende von Projekten, die aus ganz unterschiedlichen Bereichen stammen und auf der Plattform um Unterstützung bitten. Etli-chen Filmprojekten ist es so gelungen, genug Geld zu sammeln, um die eigene kreative Vision umzusetzen. Mehr und mehr Entwick lungsprojekte werden so umgesetzt, und für eine beträchtliche Zahl Menschen hat Crowd-funding die notwendige Anschubfinanzierung leisten können, um die eigene Selbständigkeit möglich zu machen. In den USA wurde im April 2012 ein wichtiger Meilenstein erreicht. Eine Gesetzesänderung ist in Kraft getreten, die Crowdfunding legalisiert: Unternehmen ist es nun erlaubt, Geld über Crowdfunding-Plattformen zu beschaffen, die zuvor von der US-Börsenauf-sicht genehmigt wurden. Auch die Wissenschaft hat diese neue Finanzie-rungsform inzwischen erreicht. Auf petridish.org können wissenschaftliche Projekte vorgestellt und von Interessierten gefördert werden. Das SciFund-Projekt ist ein weiteres Beispiel für eine Crowdsourcing-Plattform in der Wissenschaft.

Tabelle 1 .4■ Marktplätze für eigene Ideen machen jeden zum Inhaber eines kleinen Geschäfts

Verkauf fertiger Produkte CrowdfundingDream HeelsEigene Pumps entwerfen

KickstarterMarktführer unter den Crowdfunding-Platt-formen

JuJupsGeschenkideen aller Art

IndieGoGo .comGroße Crowdfunding-Plattform aus den USA

ThreadlessT-Shirt Designwettbewerb

PetridishFunding für wissenschaftliche Projekte

CreateMyTattooTattoo-Designs

SciFund-ProjektProjekt, um zu prüfen, ob Wissenschaftsprojekte durch Crowdfunding finanziert werden können

ZazzlePoster, Geschenkideen, T-Shirt, Kaffeetassen . . .

c-crowdSchweizer Plattform zum Vorstellen von Pro-jekten

SpreadshirtT-Shirts und mehr

mySherpasCrowdsponsoring für individuelle Projekte

Naked&AngryKrawatten, Regenschirme, Tapeten

SellabandVerbindet Musiker und Fans

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14  1 Crowdsourcing: Eine kurze Einführung

5 . Öffentliche InitiativenZu guter Letzt öffentliche Initiativen, Initiativen, die dem Gemeinwohl die-nen (Tabelle 1.5). Es ist nicht immer leicht, diese Initiativen von solchen wie der Wiki pedia oder OpenStreetMap zu unterscheiden, denn auch diese die-nen dem Gemeinwohl. Der Unterschied liegt darin, dass Plattformen dieser Kategorie einen öffent lichen Auftraggeber haben. So suchen Universitäten auf iBridge nach Innovationen, und auf ideascampaign.ie werden die Iren von ihrer Regierung nach Ideen für mehr Wirtschaftswachstum gefragt.Eine Spezialform öffentlicher Initiativen stellen Wettbewerbe wie X-Prize oder die, in Vorbereitung stehende, Siebel Energy Free Home Challenge dar. Auftraggeber ist meist eine private Organisation oder Stiftung mit philan-thropischem Hintergrund, die durch große Preissummen von 10 bis 100 Millionen US-Dollar Innovationssprünge und damit den Aufbau neuer Märkte bewirken wollen.

Tabelle 1 .5■Öffentliche Initiativen sind ein neuer Trend in der Crowdsourcing-Landschaft

iBridge NetworkUniversitäten suchen nach InnovationenGalaxy ZooDas UniversumIdeas CampaignIrland fragt die Bevölkerung nach Ideen für mehr WirtschaftswachstumFold itPuzzle, die die Wissenschaft bewegenEureka MedicalPlattform der MedizinPicnic Green ChallengeIdeen, um den Planeten Erde zu schützenKatholische Kirche KölnFragen an junge GläubigeX-PrizeInnovationssprünge für die Raumfahrt für jedermann, das Automobil der Zukunft, etc.Siebel Energy Free Home ChallengeKonzepte und Prototypen für nachhaltige Gebäude der Zukunft

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1.3 Schritte des Crowdsourcings  15

■■ 1 .3■Schritte des Crowdsourcings

Der Ablauf eines Crowdsourcing-Projekts kann in fünf Phasen gegliedert werden (siehe Kapitel 2):(1) So beginnt ein Projekt mit der Vorbereitungsphase, hier muss der Auf-traggeber sich im Klaren darüber sein, was er sich aus dem Projekt erhofft und welche Teilnehmer oder Innovatoren angesprochen werden sollen. Als nächstes muss geklärt werden, ob dazu eine der bestehenden Plattformen genutzt werden soll oder ob es einer eigenen bedarf. In dieser Phase ent-scheidet sich auch, ob eine Fragestellung überhaupt für Crowdsourcing geeignet ist. Oft wird aufgrund der Analyse und Diskussion der vermeint-lichen Fragestellung herausgearbeitet, wo der Schuh wirklich drückt. Solche Analysen bedingen auf Seiten der Crowdsourcing-Anbieter Branchen-Know-how.(2) Die nächste Stufe, die Initiierung des Wettbewerbs, besteht darin, die richtige Frage an die richtigen Leute zu stellen. Was profan klingt, ist oft-mals eine wirkliche Herausforderung, denn eine Fragestellung in wenigen Worten so deutlich zu formulieren, dass passable Antworten herauskom-men, stellt viele Unternehmen vor Probleme. In diesem Schritt werden die Weichen für den Erfolg oder Misserfolg des Projekts gestellt. Es hat sich gezeigt, dass die Zusammenarbeit mit Experten, die bereits Crowdsourcing-Projekte betreut haben, einen erheblichen Einfluss auf die Ideenqualität und Ideenmenge hat. Es gilt das bekannte GIGO-Prinzip (Garbage In, Garbage Out), wer dumme Fragen stellt, bekommt auch dumme Antworten. Auch Fra-gen zu Vertraulichkeit und geistigem Eigentum müssen hier angesprochen und klar kommuniziert werden. In dieser Phase wird zudem der Grundstein für den späteren Umsetzungserfolg gelegt: wer nicht dem „Not-invented-here“-Syndrom1 verfallen will, macht Betroffene frühzeitig zu Beteiligten. Schlüsselpersonen sind mit klaren Aufgaben und Kompetenzen im ganzen Crowdsourcing-Prozess zu integrieren.(3) Während der Durchführung, also wenn der Wettbewerb bereits auf der Plattform ausgeschrieben ist, schränkt sich der Handlungsspielraum der suchenden Unternehmen drastisch ein. Die Frage ist gestellt, aufgeschaltet, und die Innovatoren verstehen sie so, wie man sie eben als Außenstehender

1 Beschreibt Akzeptanzprobleme von Mitarbeitern gegenüber Ideen oder Lösungen, die nicht in der eigenen Gruppe, sondern außerhalb (not here) entwickelt wurden.

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16  1 Crowdsourcing: Eine kurze Einführung

versteht. Firmenvertreter haben in dieser Phase nur noch die Möglichkeit, moderierend einzugreifen, der Aufwand, die Ergebnisse so in eine andere Richtung zu lenken ist aber ungleich höher. Firmen ent decken in der Durch-führungsphase zunehmend den Marketing-Wert von Crowdsourcing-Projek-ten: Über die Fragestellung können ausgewählte Zielgruppen (Kunden, Mitarbeitende, Universitäten, etc.) gezielt und auf sympathische Art ange-sprochen und involviert werden. Zurzeit bietet Crowdsourcing noch eine „buy one get one free“-Situation: Lanciere ein Crowdsourcing-Projekt, erhalte Lösungsvorschläge plus eine Marketingkampagne. Ein weiterer Zusatznutzen ergibt sich oft auch in Form einer verbesserten Innovations- und Kommunikationskultur innerhalb der ausschreibenden Firmen.(4) Bei der Auswertung der eingesandten Ideen und Vorschläge ergibt sich erfahrungsgemäß der höchste Arbeitsaufwand für die beteiligten Unterneh-men. Dieser kann jedoch re duziert werden, wenn genau überlegt wird, welche Kriterien für die Bewertung zu grun de gelegt werden. Es empfiehlt sich, die Auswertung vorzubereiten, denn gerade in Ideenwettbewerben ist es der Regelfall, dass hunderte von Ideen eingereicht werden. Ohne genügend Res-sourcen für die Auswertung sind Crowdsourcing-Projekte besser gar nicht erst zu starten. Hier entsteht der entscheidende Mehrwert und die Akzeptanz zur internen Verwertung und Realisierung der Ideen, auf Stufe Mitarbeitende wie Top-Management.(5) Die Verwertung beendet das Crowdsourcing-Projekt. Nicht erst wenn alle Ideen ausgewertet sind, sollte man sich die Frage stellen, wie mit den gesam-melten Ergebnissen umgegangen werden soll. Das größte Risiko haben wir darin beobachtet, das Ganze als netten Zeitvertreib und Erfahrungsgewinn zu betrachten und die Ergebnisse in einer Schublade verschwinden zu las-sen. Doch auch wenn aus den Ergebnissen ein direkter Nutzen gezogen wer-den kann, müssen wichtige Punkte beachtet werden. Der Ruf der Firma in der Innovatoren-Community ist davon abhängig, wie fair mit den Beitragen-den umgegangen wird. Rechtlich abgesichert zu sein schützt hier nicht vor einem möglichen Imageschaden auf der anderen Seite, bietet jedoch auch große Chancen für Unternehmen, ihre Kundennähe nicht nur in Werbebot-schaften, sondern durch tatsächlich bessere Produkte zu belegen. Die Ver-wertungsphase ist zudem Schnittstelle zur klassischen Beratungsarbeit; Weiterentwicklungsprojekte und Markteinführungskonzepte sind Beispiele hierfür.

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1.4 Chancen und Risiken  17

■■ 1 .4■Chancen und Risiken

Crowdsourcing ist ein Phänomen, das durch die ständige und zunehmend mobile Verfügbarkeit des Internets auch in den kommenden Jahren an Bedeutung gewinnen wird. Heute werden pro Sekunde zwei Blogs gegrün-det, 30 Domains registriert, 3400 Google-Suchen gestartet und 5,3 Millionen Sofortnachrichten verschickt, da erscheint es nur folgerichtig, dass auch immer mehr Ideen und Problemlösungen aus dem Internet kommen. Die Welt ist flach, global und vernetzt, und dennoch arbeiten mehr als 1,3 Mil-liarden Menschen für weniger als zwei US-Dollar pro Tag. Gleichzeitig haben immer mehr Menschen Zugang zum Internet, die Anzahl derer, die ihre Arbeitsleistung im Internet anbietet, ist massiv gestiegen. Wer den Kampf um die Aufmerksamkeit im Internet gewinnt, der wird auch den anstehen-den Kampf um die Talente für sich entscheiden können.Tatsächlich empfiehlt es sich für Unternehmen, sich mit dem Phänomen genauer aus einanderzusetzen und sich nicht pauschal dafür oder dagegen zu entscheiden. Wie bei jeder neuen Technologie, so ist auch Crowdsourcing mit vielen Vorteilen, jedoch auch mit Risiken und Nebenwirkungen verbun-den, die man sich bewusst machen sollte.Es gibt fünf Vorteile, die Unternehmen aus dieser Art der Problemlösung ziehen können. Dabei ist als erstes der offensichtlichste zu nennen, die Lösung eines Problems. Die Problemlösung ist zumindest in der Ideen- und Konzeptphase in aller Regel deutlich schneller, effektiver und kostengünsti-ger als das interne Schmoren im eigenen Saft. Doch darüber hinaus haben wir bei unserer Arbeit mit Crowdsourcing-Plattformen vier mehr oder weni-ger versteckte Vorteile ermittelt, die Unternehmen nutzen sollten. Als erstes kann hier die Werbung in eigener Sache genannt werden. Da Crowdsourcing ein vergleichsweise junges Innovationswerkzeug ist und eine breite Masse an Externen einbezieht, ist es geeignet, um die Innovativität des Unterneh-mens zu signalisieren. Hier besteht ein großer Vorteil gegenüber der her-kömmlichen Werbung, denn während Innovativität dort nur suggeriert wer-den kann, ist Crowdsourcing in der Lage, die Innovativität tatsächlich zu zeigen. Crowdsourcing kann in diesem Sinne auch als effizientes Kunden-bindungsinstrument verstanden und genutzt werden.Als weiterer Vorteil hat sich die Wiederbelebung intern verworfener Ideen herauskristallisiert. So kann Crowdsourcing zeigen, dass bereits verworfene

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Ideen doch nicht so ungeeignet sind, wie sie unternehmensintern schienen. Die Betriebsblindheit zu überwinden ist ein zusätzlicher Vorteil von Crowd-sourcing, so haben wir in vielen Fällen beobachtet, wie die Lösungen im Nachhinein fast profan wirkten, Unternehmen aber aufgrund der Industrie-denke nicht darauf kamen.Der letzte wesentliche Vorteil von Crowdsourcing ist es, Wünsche zu erken-nen und neue Marktimpulse zu bekommen. Auch wenn Crowdsourcing kein Instrument ist, mit dem man repräsentative Ergebnisse erhält, so eignet es sich, Wünsche und Assoziationen zu erkennen. Ein schweizer Energiever-sorger erfuhr so beispielsweise, dass Kunden Gasflaschen oft mit Explo-sionsgefahr verbanden. Eine vermutlich durch Hollywood beeinflusste Assoziation, die dem Unternehmen nicht geläufig war und dazu anhielt, Sicherheit als Verkaufsargument stärker in den Vordergrund zu stellen.Neben den genannten Vorteilen ist Crowdsourcing auch mit Risiken verbun-den. Und wie bei jeder Technologie ist es ratsam, sich mit den Risiken aus-einanderzusetzen, um sie sinnvoll managen zu können. Vier Risiken haben sich dabei als besonders relevant herausgestellt. Hier sind zum einen die Gesamtkosten zu nennen. Denn die Kosten, die ein Unternehmen hat, um ein Projekt abzuschließen, liegen weit über denen, die das Crowdsourcing selbst verursacht. Die eingereichte Lösung muss von Unternehmen umge-setzt, vollendet und in den organisatorischen Kontext eingebettet werden, diese Ressourcen gilt es zu kalkulieren. Es ist wichtig, Crowdsourcing-Pro-jekte nicht als Einzelaktion zu lancieren, sondern im Rahmen einer Ge -samtstrategie, und dazu auch die notwendigen finanziellen und personellen Ressourcen zu stellen. Sonst laufen Unternehmen Gefahr, einmal mehr viele kreative Ideen zu generieren, die dann vor lauter Alltagsgeschäft ungenutzt liegen bleiben und bei allen Beteiligten nur Unzufriedenheit auslösen. Ein weiteres Risiko bergen die geringen Löhne. Die Teilnehmer erhalten in der Regel eine geringe oder keine Kompensation für ihre Tätigkeit. In vielen Fällen werden nur die besten Lösungen prämiert. Dies wirft immer wieder die Frage auf, ob Unternehmen die Teilnehmer angebracht entschädigen. Reputationsschäden sind in extremen Fällen möglich. Ein weiteres Risiko liegt in der Motivation, denn durch die geringe Kompensation und dadurch, dass die Teilnehmer in der Regel alle Rechte an ihren Lösungen abtreten müssen, ist das persönliche Interesse an einer optimalen Lösung mitunter eingeschränkt. Das vierte und vielleicht maßgeblichste Risiko bilden recht-liche Probleme. Wie viel eine Idee wert ist, lässt sich im Voraus nicht bezif-

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1.5 Wo geht die Reise hin?  19

fern. Die gezahlten Prämien führen im Nachhinein nicht selten zu Unstim-migkeiten (Näheres dazu in Kapitel 3). Teilnehmer möchten am liebsten vom  Markterfolg ihrer Idee profitieren, Unternehmen versuchen in der Regel, die alleinigen Rechte an den Ideen zu erhalten. Es ist essentiell, dies im Voraus klar zu kommunizieren. Es sind bereits Modelle realisiert, z. B. von Procter & Gamble, wo die Innovatoren mit einer prozentualen Erfolgsbe-teiligung belohnt werden, sofern der Lösungsvorschlag im Markt realisiert wird. Solche Ansätze werden die Innovatoren-Community zunehmend er -weitern und professionalisieren, da sie ganzen Experten-Teams und Firmen erlauben, viel Zeit in eine Lösungseingabe zu investieren.

■■ 1 .5■Wo geht die Reise hin?

Crowdsourcing ist ein junges Phänomen, und wöchentlich entstehen neue Plattformen, die auf das Wissen und die Kreativität der Vielen setzen. Es stellt sich die Frage, was die kommenden Trends sind, was der gordische Knoten des 21. Jahrhunderts sein wird, wie sich Crowdsourcing in den nächsten Jahren weiterentwickelt. Der Erfindungsreichtum der Macher von Crowdsourcing-Plattformen ist groß, und so kann man davon ausgehen, dass sich die Methodik in den nächsten Jahren laufend neu erfinden und weiterent wickeln wird.Auf Basis unserer mehrjährigen Forschung und intensiver Zusammenarbeit mit der Praxis wagen wir folgende zehn Trends für die nächsten Jahre zu prognostizieren:Erstens wird eine Spezialisierung stattfinden. Plattformen werden sich zunehmend auf spezielle Kernbereiche fokussieren und diese entsprechend ausbauen, sei es auf Teil aspekte des Innovationsprozesses (z. B. Evaluations-prozess), auf Fachkompetenzen (z. B. Design) oder auf Branchen (z. B. Clean-tech). Spezialisierung ist erforderlich aufgrund der Technologie- und Anwen-derkomplexität und -dynamik, welche sich nicht mehr auf einer Plattform ab bilden lässt. Zudem entwickeln sich einzelne Plattformen alleine durch die  Community der Anwender zu bestimmten Spezialisierungen heraus. Dies ist ein Prozess, den die Unternehmen nicht immer aktiv steuern kön-nen.

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Zweitens werden Plattformen zunehmend ganze „Business-Ecosysteme“ abbilden, nicht mehr alleine das Element der Ideengeneration. Dies aus dem einfachen Grund, dass die meisten Ideen zur Realisierung weitere B2B-Kon-takte brauchen, Investoren sowie Marktdaten. Für Großunternehmen, wie für Start-ups und KMU, ist es am effizientesten, wenn sie die zur Ideengene-rierung und -verwertung nötigen Informationen und Kontakte auf einer Plattform als One-stop-hub suchen und finden können.Drittens werden sich neue Formen strategischer Partnerschaften innerhalb der Crowdsourcing-Anbieter entwickeln. Firmen mit einer „Open Inno -vation“-Philosophie werden sich in einem zunehmend kompetitiven Umfeld anders verhalten als traditionelle Firmen, was zur Entwicklung neuer For-men von strategischen Partnerschaften führen wird, auch auf der Ebene der Kollaboration zwischen bestehenden Innovatoren-Communities.Viertens werden sich vor allem die innovativen Unternehmen an die „Crea-tive Crowd“ wenden. Paradoxerweise öffnen sich vor allem kreative und innovative Mitarbeiter, in Unternehmen mit einer starken Innovationskul-tur, nach außen. Wenig innovative Unternehmen schmoren weiterhin im eigenen Saft und erfinden das Rad, im übertragenden Sinne, eher zweimal. Crowdsourcing begünstigt damit das Matthäus-Prinzip: Dem, der hat, wird gegeben. In wenig innovativen Unternehmen mit ausgeprägtem Not-inven-ted-here-Syndrom werden die externen Ideen nicht aufgenommen.Fünftens wird sich der neue Beruf „Crowdsourcer“ etablieren. Durch die stei-gende Zahl an Crowdsourcing-Plattformen und entsprechenden Verdienst-möglichkeiten werden sich Innovatoren zunehmend auf die Lösung von solchen Fragestellungen spezialisieren können, zuerst als Nebenerwerb, später hauptberuflich. Der Mix zwischen Selbstbestimmung, Anreizsyste-men, sozialer Anerkennung und globaler Interaktion entspricht dem Bedürf-nis und Lebensentwurf einer steigenden Anzahl Menschen. Crowdsourcing ist letztlich die Plattform für die Wissensarbeiter von Peter Drucker (1959), welche sich zunehmend als Portfolioarbeiter und Freelancer losgelöst von einem Unternehmen betätigen. Individualisierung und ergebnisorientierte Wissensarbeit werden sich weiter verstärken.Sechstens werden sich gleichzeitig auf Anwenderseite zunehmend Unter-nehmen als Profis in der Anwendung und Integration von Crowdsourcing in firmeninterne Prozesse profilieren. Crowdsourcing als Top-down-Ansatz entwickelt sich dabei als optimale Ergänzung zu den bereits seit Jahren etablierten Formen des betrieblichen Vorschlagswesens, welche meist als

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„Bottom up“-Ansatz funktionieren. „Bottom up“ wird dabei als Suche nach Lösungsvorschlägen verstanden, welche breit und in dem Sinne unstruktu-riert von der Basis her erfolgt, mit entsprechender Auszeichnung von guten Mitarbeitenden-Ideen. „Top down“ dagegen meint die gezielte Suche nach neuen Lösungen in vom Management bestimmten, strategisch relevanten Themenbereichen und Aufgaben.Siebtens wird sich die Ideenfilterung und -aufbereitung dank technologi-schem Fortschritt und neuen Algorithmen für Unternehmen wie Innovato-ren stark vereinfachen und zu einer Qualitätssteigerung wie Beschleuni-gung des Innovationsprozesses führen. Anbieter wie Anwender werden ausschließlich an der Qualität der Lösungsvorschläge gemessen werden.Achtens wird Crowdsourcing als integrales Businesselement zunehmend ganze Branchen und Geschäftsmodelle von Grund auf und disruptiv ver-ändern. Crowdsourcing-Anbieter, welche es schaffen, sich nahtlos in firmen-interne Geschäftsprozesse zu integrieren und damit auch für komplexe Fra-gestellungen einen kurzen Verkaufszyklus zu erreichen, werden zu den großen Alexandern der Zukunft gehören.Neuntens wird Crowdsourcing einen größeren Einfluss auf die Konfiguration der gesamten Wertschöpfungskette eines Unternehmens haben. Reine Ideen generierung wird er gänzt durch Umsetzung, Produktion und After-Sales Beratung. Einerseits werden einzelne Aktivitäten der Wertschöpfungs-kette stärker entkoppelt, andererseits werden Verwertungs- und Umset-zungsangebote direkt mit dem Lösungsvorschlag verbunden. Dies eröffnet neue Geschäftsfelder für entsprechend spezialisierte, mit Crowdsourcing-Anbietern kooperierende Beratungsfirmen.Zehntens wird Crowdsourcing die Globalisierung von Forschung und Ent-wicklung weiter vorantreiben. Für Clickworker in Indien und China sowie anderen Entwicklungs- und Schwellenländern stellen Crowdsourcing-Platt-formen einmalige Chancen dar, um ihre Kompetenzen global in Projekte ein-zubringen. Die Welt wird flacher und vernetzter werden. Der Kollege von Bangalore ist näher an unseren Züricher Standort gerückt – als Ideengeber, Lieferant und Wettbewerber.

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ISBN 978-3-446-43182-9€ 39,90 [D] | € 41,10 [A]www.hanser-fachbuch.de

Crowdsourcing –Innovationsmanagement mit Schwarmintelligenz

Mit Crowdsourcing können Kunden, externe Experten, aber auch unbeteiligte

Amateure mit Hilfe des Internets aktiv in den Innovationsprozess eines

Unternehmens einbezogen werden. In diesem Praxisbuch zeigen führende

Autoren aus Wissenschaft und Unternehmenspraxis konkrete Wege auf, wie

Crowdsourcing gewinnbringend genutzt und erfolgreich umgesetzt werden

kann.

»Es war ein Glücksfall für mich, dieses Buch gefunden zu haben: Es

provoziert und inspiriert.«

Frank Blase, CEO/Geschäftsführer igus GmbH

»Der Leser gewinnt tiefe Einsicht in die Mechanismen von Crowdsour-

cing, deren geschäftliche Relevanz und die Bedeutung dieses Innova -

tionstrends für Unternehmen. Absolut lesenswert!«

Dr. Thomas Lackner, Chief Technology Office, Siemens AG

»Dieses Buch zeigt eindrücklich, wie Unternehmen mit Crowdsourcing

ihre Innovationsfähigkeit zusätzlich steigern können.«

Rolf G. Schmid, CEO Mammut Sports Group AG

»With this book, Professor Gassmann demonstrates once more why he

is among the world’s leading researchers on Open Innovation.

Crowdsourcing is an important driving force behind Open Innovation,

as these examples clearly demonstrate.«

Henry Chesbrough,

Executive Director Center for Open Innovation, UC Berkeley