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WIDERS.PIEGEIUilGE]I
Das Bündnis feierteNach dem Bürgerschaftsbeschluss für ein Deserteursdenkmel in Hamburg
'W'ie in der letzten Ausgabe der LB be-
richter, hat die Hamburger Biirgerschafteinstirnmig der F,rrichrung eines l)enk-nrals für die Deserteure der \Tehrrnachtzugestimrnt. l)as war ein Erfblg fiir das
Biindnis fiir ein Hamburger l)eserteurs-denkmal und damit auch ein Gnrnd zum
Feiern. Für den 25. Juni war eingeladen,
und die ,,Familie"-- u'ie sich die Mitelie-cier und tlnterstiitzer des Biindrrisses
schon bisrveilen nennen - rvar zablreich
erschienen. Schon bevor die Veranstal-
tung angefängeu hatre und auclr nach de-
rerr Beginn wurden die Erfcrlge des Biirrd-nisses symbolisch an Hand einer Dia-shorn, von den vielen Veransraltungen ins
Gedächtnis gebracht.
Rend Seirenko, w-ichtigcr Moror des
Biirndnisses, rnoderierce die Veranstal-
tung. Der erste Redner war natürlichl.udrvig Baunrann, Begriinder des Bun-desverbandes der Opfcr der NS-lVlilitär-justiz, der bei dcr Expertenanhönurs imKulrurausschuss die Köpf'e turd Herzender Abgeordneten €lewolrnerr hatte. Ernurzte nun die Gelegenheit, derr Neffenseines Freundes Kurt Olde nburg vorzu-sLellcn. Olderrburg rvar zusarnrncn rnitBaurnann rvegerr Desertion zum Tode
vcmrteilt worden; anschließend war ihreStrafe in eine Zuchtharrsstrafe urngewan-
delc rvorden, wovon beide jedoch erst
sehr viel später erfuhren. Inr Gegensatz
zu Ludwig Baurnann überlebte Kurt Ol-denburg den Krieg nicht; er kehrte vonseirrem Einsatz in einenr ,,Bervährungsba-taillon" nicht zurtick. Anlässlich der Ver-legung des Stolpersteins Fiir seinen
Freund Kurt hattc Ludwig Baurnann des-
sen gleichnarnigen Neflen kennen ge-
lenrt.Ludrvig Baurnann, inzrvischen 90 Jahre
:rlt, n'racht dtirch sein Auitreten das The-
rna .,I)esertiou aus der NS-'Vchrrnacht"irnmer wieder lebendig.
Rend Senenko ließ iri: Rückblick er-
kennen, dass die Anfänge des Projekts
den gerade errungencn Erfolg rroch gar
lricht erahrrerr ließ; dass es zu cirrcm
Bündnis komnren rvürde, war noch nichtabsehbal sewesen, als vor 2 Jahren dieWilli Bredel-Gesellschafr eine Fahrrad-
tour zu den Gräbern von Deserteuren auf
LB HH. Nn 14, 22.6.2012
dern Friedhof Ohlsdorf anbot. Er erin-nerte sich selbstironisch daran, rvie er da-
nach, als die Idee eines Deserteursdenk-
rnals in Harnburg aufJ<arn, noch denBahnhoßvorplatz. in Ohisdorl: als Stand-ort v<lrgeschlagen hatte. Da habe er spon-tanen \Tiderspruch r.on l)etlef Garbe ge-
errrtct, der solbrt dcn Ort arn Kriegsklorzins Spiel brachte.
Auch Derlcf Mielke (DFG/ \4Q harte
bereits danrals diese Idee gehabt. Errviinschte sich, rvie er rnui in seirrer Rede
sagte, als Bczeichrrung lür den Standorraber den Narncn,,Hiroshirna-Platz".l)en gibt es beute zwar noch nicht, das
Hamburger Forurn hat aber schon seitlärrgerer Zeit vorgeschlagen, den Ste-
phansplatz entsprechend urnzubenen-nen. hr einem solchen l)etail spiegelt sich
dic tinterschiedlichkeit der Ansätze irnBündnis. So hebt Mielke immer wiederhcrvor, dass es seiner Organisation im-mcr auch um l)escrteure geht, die gegen-rvärtig desertieren. (Auf dem 4. Klotz-Fest lratte z. B. cin f)eserteur aus den
LISA gesprochen.)
Ulrich Hentschel von der Evarrgeli-
schen Akadernie ist zrvar nicht Mitgliedirn Bündnis, hat aber in'rmer das gleicheArrliegerr velfolgr, wenn auch rnit arrde-
ren Akzenten. Pastor Hentschel rrrarkier-
re deutlich seinc Sonderrolle als Vertreterder Kirche; dcsscn ungeachtet erhielr er
Beifäl, als er zrln Abschluss seiner Rede
dcn Wtrnsch äußerre, dass die Bundes-
rvehr eines Täges abgeschafft r.r'erde.
Hentschel hatte in seiner ilede die Fra-
ge zu beannvorren versucht, weshalb die
Abstimrnung in der Bürgerschaft s<r
überraschend gcräuschlos iiber die Biih-ne gegangen sei. (Schon zuvor hatte
Georg Chodinski von der V\AI/ BdA inseiner Rede an verschieder-ren Stellen an-
gemerkr, dass el die Einigkeit der an be-
stimrnten f)iskrrssionen beteiligten Par-
teietrvertreter nie hatte glauberr rvollen,bis ihm die Abstimmung in der Bürger-schaft keine ande re tW'ahl
eel;use n hatte .)
Hencschel sprach der Vehrmachtsaus-stellung ir-r diesern Zusarnmenhang eine
große Bedeutung zu, wofiir sicher vieles
spricht. (Das Bild von der ,,sauberenWehrrnacht" ist seitdem nachhaltig in
Frage gestellt.) Der bereits envähnte Der-lef lVlielke ergänzre die Anrworr, indemer auf die kürzlich erfolgre Aussetzung
der Vehrpflichr und auf die Schließungvon Kasernen sowie die Aufgabe vouÜbungsgelände hinrvies, die auch prakri-sche Ausrvirkungen irn Hinblick auF dieZuqänglichkeit zu bestimmren bisher aufnrilirärische Nurzung eirrgcglerrzterr
Arealen hatte.
AIs einer der Höhepunkte des Abends
darf das Erscheinen des Bürgerschaftsab-
geordneten Norbert Hackbusch (l)lELINKE) betrachtet rverden, dcr - nichtzule tzr in seiner Eiqenschaft als Vcrrsit-
zendet des Kulttrrausschusses - wcsent-lich zurn Erl:olg der Bemühuneen des
Biilrdnisses beigetraeen hat. In gewohn-ter Bescheidenheit strich er den großenAnteil heraus, den das Btindnis daran ge-
habt habe. Im Gedächtnis bleiben wirdsein Cliickwurrsch an den CDtj-Abge-ordneten Andreas \Tankum dafir, dass eres geschafft habe, seirre Frakrion ge-
schkrssen hinte r: dcn Bürgersc[raftsbe-
schluss zu bringen. A[s er seine Belilom-nrerrheit angesichts des rnüglichen Ein-drucks Fornrulierte, als lobte er nrrnplötzlich CDU-fulitiker, half ihrn LilrichHclrtschel rnit dern Argtrrnent arrs. eirr
Cliiclavunsch sei rnit einern Lob nichtohne V/eiteres gleichz.usetzen - cine Hii-fe, Fiir die Hackbusch sich dann auch so-
gleich bedankte.
.A,uf der andcren fürc gab es auch warncnde
Hinwcisc, sich nichtvon Erfohen cinlullenzu lasscn.
Ren€ Senenko ft,rderte, es nicht sorveit
kornmen zu lassen, dass nach Errichtungdes geForderten f)eserteursdenkrnals alle
Bereiligten die Hände in den Schoß leg-
ten. In seiner kreativen Art stellte er sich
sogleich vor, dass der Platz urn clas f)enk-rnal herum rnit Bänken urrd anderen
Einrichtungen ausgestattet werden könn-te, die es ermöglichren, daraus eirren Ortder Begegnung und Auseinandersetzung
zu machcn, so dass dorc auch Veranstal-
tunlJen statcfi nden könn ten.
Doch die Aufmerlsamkcit der Bctciligrcn
muss auch auf bcstimmrc bcdcnklic.he Ent-wicklungcn gclcnkt srcdco"
So wies l)edeF Garbe (Leiter der K7--
Gedenkstätte Neuengamme) auf Ansätzehin, dic Srondcrgcrich*barkeit frr des Mili-tär dlm:ihlich wiedozubcl$cru es ist daran
gedacht, in Kempten eine Sonderstaats-
anwaltschaft einzurichten, die Vergehen
von Soldaten abLrrteiien wird, die diese
im Auslandseinsatz begangen haben sol-
len. Er betonte zwar, dass dies nicht mitder Militärjustiz vergangener Ze itengleichzusetzen sei, wohl aber den Einstiegin eine solche Enrwicklung l'redeuten
künne.
l)er gewerkschaftliche Bereich ist auch
durclraus brisant, wenn es um das Therna
,,Deserteure" geht, sind doch die in derRüstungsindustrie Beschäliigten i n vielen
Fällen Mitglieder der IG Meull. \Wie di-cke Bretter dort zu bohren sind. und rnitwie ldeinem Karo dort von bestirnmtenStellen gearbcitet wird (Stichwort: Anga-be der Zugehörigkeit zur Gewerkschafrauf Veransraltungsank;.indigungen), da-
von konnte \7olfgang l)itcrnann ein Liedsingen.
Auf jeden Fall - das war allen Anwe-senden klar - muss nach diesem gr:oßen
Erfolg der Blick in die Zukunft gerichtet
Qre lle : Fei n db egünstigung
werden; so blätterte Detlef Mielke eine
Reihe von Möglichkeiten arrf, wie das
Bündnis <;ffentlich in Erscheinung trerenkönne: angefangen von einer durch dieKZ-Gedenkstätte Netrengamme ausge-
richteten Ausstellurrg im HarnburgerRathaus, iiber den Kirchentas rrnd dieGartenschau.
Ein kieiner WehrnutstropFen aus mei-ner Sicht: Rerrd Senenko hatte einen, wie
ich finde, großartigen Vorschlag ge-
macht; die Anwesenden (mit Ausnahmeder eben Genannten, wie ich vorausset-
zen rnöchte) soilten die Gelegenheit er-
halten, eine Rede von einer N{inute Län-ge zu halten. Leider nahrn niemand (au-
ßer dem Berichterstatter) dieses Angebotan.
28.06.20 I 2 Lothar Zieske
Unterdrückurrgsverhältnisse in unserer
Analyse hintenüber fallen würden. Ei-gendich sollte es nach einem Blick in un-ser Grundsaczpapier, derr die AG/R ja of,fensichtlicli gewagr hat, mit solchen
,,Missverständnisserr" nicht weit sein.tVir nehmen uns trotzdem die Zeit, eini-ge Dinge noch einmal exernplarisch aus-
zufiihren. Aile Zitate, die wir iin Folgen-
den nicht belegen, starnrnen, wen wun-dert'.s, aus unserern Grundsatzpapier.
Nein, es ist nicht so, dass wir die Exis-
tenz von Privateigenturn ftir das alleinigeÜbel in der -Velt halten und schon garnicht steht so €twas wie Verteilungsge-rechtigkeit im Zentrurn unserer Pro-grammatik. AG/R behauptet zwar, ,,dass
es [für SoLl bereits Sozialismus wäre,
\Ä'enn das geseilschaftlich erarbeirere Ge-
sarntprodukt gerechter verteilt würde,wenn vor allem nicht mehr die Kapiralis-tlnnen vom Mehrprodukt profitierten",wir selbst haben so etwas jedoch nie ge-
segt. Eine solche Analyse trifft den Kernder Sache nicht, denn der hauptsächliche
\Tiderspruch irn irnperialistischenDeutschland, der zwischen Kapital undArbeit, findet seinen Ausdruck darin,
dass geselischaftiich produziert und pri-vat angeeignet lvird. Es besreht nichr irngeringsten die Möglichkeit, an dieserGrundsätzlichkeit etwas zu ändern, wennman auf dieser Gnrndlage, d. h. inner-halb der Gesetzmäßigkeiten des Kapita-lismus, auf die Verteilung zielt und Poli-tik betreilrt. Dass der Bock sich hier zumGärtner außchwingt, wird vielleicht erstauf den zweiren Blick deutlich, aber dieAG/R selbst erwecken rnit ihren: Vor-wurf die Iilusion, dass es so etlvas wie ei-nen,,gerechten" Kapitalisrnus gebenkönne.
Als Materialisrlnnen begreilen wir dieÖkonornie als Basis der Gesellschail, aus
der sich gewisse Ideen wie Moral, Religi-on usw. enrwickeln und aufgrund der ge-
wisse l)inge wie Staat, Narion usw. ge-
schaffen werden. Uns aber vorzurn'erfen,wir würden uns von Kämpfen innerhalbdes ,,tiberbaus" abwenden, ist angesichtsunseres teiiweise jahrelangen Engage-ments z. B. in antifaschistischen, anrimi-litaristischen, anrirassis(ischen, proleta-risch-feministischen, kulturellen undStadneil-Bewegungen und -Kärnpfenschlichmeg absurd.'Weder ist es also so,
Antwort auf den Text der AnarchistischenG ruppe/Rätekom m un i st I I n n I enAls erfrischende Alternative zu Fußball und
Nationalismus bieten wir im Folgenden die
Fortsetzung der kritischen Auseinanderset-
zung zwischen AG/R (siehe Polemik gegen
die Generallinie der SoL, tB l2l2012) und
SoL. So mögen auch im Sommer die Ge-
hirnzellen nicht ganz absterben.
Das ganze aus Platzgründen in zwei Teilen.
Red.'Wir freuen uns iiber die Kritik der AG/Rund da eine Debatte niclrt nur von Kiar-heit und Kiirze lebt, wollen wir etwas
ausführlicher aultden Text eingehen unddie Gelegenheit nutzen, unl einige
grundlegende Punkte darzulegen. Fiir dieAG/R mag das wie die von ihnen kriti-sierte Selbstbeschäfrigung aussehen. \7irhalten es ftir einen integraler.r Bestandteil
von Theorie und Pra.xis. Ln ersten Teilunserer Anrwort diskurieren wir die vonder AG/R unterstellte E indimensionalirätuns€rer Betrachtungen der gesellschaftli-chen Zustände im Kapitalisnrus, iirrerKonsequenzen und unserer Lösungsan-
sätze. f)anach geht es urn unsere Organi-sations- und Sozialismus-Vorstellungen.
Die AG/R rvirft uns reduktionistischenÖkonomismus vor, wodurch alle anderen
10 LB HH. Nr 14. 22.6.12