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(Aus der Universit~ts-Klinik fiir Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten, Jena [Direktor: Prof. Dr. J. Zange].) Das Erscheinungsbild versteckter 0hrsch~delgrundbriichel. Von Dozent Dr. H. Wullstein. Mit 3 Textabbfldungen. (Eingegangen am 29. ~ebruar 1920.) N~chtverstechte Ohrsch~idelgrundbri~che sind solehe, die mit Blutung aus dem 0hre, gegebenenfalls aueh aus Mund uud Nase einhergehen. Bei ihnen handelt es sieh fast ausschliel~lich um die sog. Li~ngsbriiehe der Pyramide, bei denen die Frakturlinien vor oder hinter dem Felsenbeine durch die sehw~chen Stellen des knSchernen Sch~delgrundes verlaufen, dabei die hier das Sch~delinnere verlassenden Hirnnerven in ihren Durchtrittsl~iehern mehr oder weniger in Mitleidensehait ziehen und zu Hirnnervenerscheinungen der versehiedensten Art als fibrigem klinischem Symptomenbilde fiihren. Versteckte Schdidelgrundbri~che sind dagegen solche, bei denen es nicht zur Blutung nach aul3en durch den i~uiieren GehSrgang oder durch Mund und Nase kommt, aber gleichfalls wie bei den sog. nieht versteekten zu StSrungen yon Hirnnerven ~ls eigentlichem klinischem Erseheinungs- bride, und zwar hauptss des HSr- und Gleiehgewiehtsnerven, da- neben manehmal noeh anderer Hirnnerven, insbesondere des ~qervus facialis oder aueh des Nervus sympathieus und seines Plexus im karo- tischen I4anal. Diese versteclcten Ohrschddelgrundbri~ehe sind immer Querbri~che der Felsenbeinpyramide, die in der Regel den inneren GehSrgang durch- setzen, manchmal auch nur die medialer gelegenen Teile der Pyramiden- spitze. Es ist daher versts wenn bei ihnen weder Blutungen aus dem 0hre noeh aus dem Raehen zu beobachten sind. Die versteekten Querbrfiche der Felsenbeinpyramide sind erst in letzter Zeit, seitdem man mit Hilfe des RSntgenverfahrens genaueren Einbliek in die Traumafolgen am Sehs zu gewinnen verstanden hat, Gegenstand st~rkerer Aufmerksamkeit geworden. Sic verdienen diese Aufmerksamkeit besonders deswegen, weft sie frfiher meist ganz fibersehen wurden und mit hi~ufig vorkommenden leichteren StSrungen seitens der entspreehenden Hirnnerven verweehselt wurden, die allein schon dureh die Beutelung des Gehirnes im Zusamraenhang mit einer Commotio eerebri hervorgerufen werden kSnnen. z Zum 60. Geburtstag yon Prof. Dr. K. Beck.

Das Erscheinungsbild versteckter Ohrschädelgrundbrüche

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Page 1: Das Erscheinungsbild versteckter Ohrschädelgrundbrüche

(Aus der Universit~ts-Klinik fiir Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten, Jena [Direktor: Prof. Dr. J. Zange].)

Das Erscheinungsbild versteckter 0hrsch~delgrundbriichel.

Von Dozent Dr. H. Wullstein.

Mit 3 Textabbfldungen.

(Eingegangen am 29. ~ebruar 1920.)

N~chtverstechte Ohrsch~idelgrundbri~che sind solehe, die mit Blutung aus dem 0hre, gegebenenfalls aueh aus Mund uud Nase einhergehen. Bei ihnen handelt es sieh fast ausschliel~lich um die sog. Li~ngsbriiehe der Pyramide, bei denen die Frakturlinien vor oder hinter dem Felsenbeine durch die sehw~chen Stellen des knSchernen Sch~delgrundes verlaufen, dabei die hier das Sch~delinnere verlassenden Hirnnerven in ihren Durchtrittsl~iehern mehr oder weniger in Mitleidensehait ziehen und zu Hirnnervenerscheinungen der versehiedensten Art als fibrigem klinischem Symptomenbilde fiihren.

Versteckte Schdidelgrundbri~che sind dagegen solche, bei denen es nicht zur Blutung nach aul3en durch den i~uiieren GehSrgang oder durch Mund und Nase kommt, aber gleichfalls wie bei den sog. nieht versteekten zu StSrungen yon Hirnnerven ~ls eigentlichem klinischem Erseheinungs- bride, und zwar hauptss des HSr- und Gleiehgewiehtsnerven, da- neben manehmal noeh anderer Hirnnerven, insbesondere des ~qervus facialis oder aueh des Nervus sympathieus und seines Plexus im karo- tischen I4anal.

Diese versteclcten Ohrschddelgrundbri~ehe sind immer Querbri~che der Felsenbeinpyramide, die in der Regel den inneren GehSrgang durch- setzen, manchmal auch nur die medialer gelegenen Teile der Pyramiden- spitze. Es ist daher versts wenn bei ihnen weder Blutungen aus dem 0hre noeh aus dem Raehen zu beobachten sind.

Die versteekten Querbrfiche der Felsenbeinpyramide sind erst in letzter Zeit, seitdem man mit Hilfe des RSntgenverfahrens genaueren Einbliek in die Traumafolgen am Sehs zu gewinnen verstanden hat, Gegenstand st~rkerer Aufmerksamkeit geworden. Sic verdienen diese Aufmerksamkeit besonders deswegen, weft sie frfiher meist ganz fibersehen wurden und mit hi~ufig vorkommenden leichteren StSrungen seitens der entspreehenden Hirnnerven verweehselt wurden, die allein schon dureh die Beutelung des Gehirnes im Zusamraenhang mit einer Commotio eerebri hervorgerufen werden kSnnen.

z Zum 60. Geburtstag yon Prof. Dr. K. Beck.

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In dieser Beziehung mn~ auf die hierfiir grundlegenden experimen- tellen Untersuchungsergebnisse Zanges, spitter auch Grahes hingewiesen werden, die ergaben, dab nach kfinstlich gesetzten stumpfen Schitdel- traumen starke und lang anhaltende VestibularisstSrungen auftraten, fiir die sich jedoch bei der Sektion nnd histologischen Untersuchung keine Sch~delgrundbriiche , meist auch noch nicht einmal Verletzungsfolgen im inneren Ohre selbst fanden. Man fand vielmehr start dessen Blutungen in die weichen Hirnhs an der Sch/idelbasis, auch solche peri- und endo- neuraler Art im Bereiche des Nervus VIII sowie Blutungen im Zentral- nervensystem selbst, desgleichen auch Quetschungen und ZerreiBungen der genannten Hirnnerven. Es lag daher nahe, auch beim Menschen in allen Fi~llen, wo handgreifliche Zeichen eines Sch~delgTundbruches fehlten, mit diesen lV[Sglichkeiten als Ursache yon entsprechenden Hirn- nervenstSrungen, insbesondere des Nervus VIII zu rechnen.

Es besteht auch kein Zweifel, dab diese Deutung in sehr vielen F~llen riehtig ist. In einem Tell der Fglle aber mit solchem klinischem Symptomenbilde liegen zweifellos versteckte Scl~i~delgrundbriiche vor.

Es erscheint daher gerechtfertigt, auf Grund unserer eigenen Beob- achtungen und Erfahrungen das Erscheinungsbild dieser versteckten Ohrsch~delgrundbriiche einmal einer zusammenfassenden und zugleich kritischen Er6rterungen zu unterziehen.

Allem voran ist die Tatsache zu stellen, daft Quer/ralcturen in der Felsenbeinpyramide selbst dann vorlieffen k6nnen, wenn nicht einmal eine deutliche Commotio cerebri, geschweige denn die Zeichen eines regelrechten ScMidelgrundbruches zu beobachten sind.

Dafiir zwei Beispiele: Erstens: Es kann geschehen, dab jemand aus einem Fenster im dritten

Stockwerke stfirzt, danach aber nicht bewul3tlos wird, erst nachtr~glich in der Klinik voriibergehend Benommenheit zeigt, im iibrigen an neuro- logischen Symptomen nur einseitig nach anfi~nglicher Taubheit eine hoch- gradige SchwerhSrigkeit mit Schwindel und Nystagmus und zugleich auch noch andere Hirnnervenst6rungen, die in diesem Zusammenhang nicht welter interessieren, nut insofern Bedeutung haben, als sie auch den /qeurologen veranlaBten, eine eigentliche Commotio cerebri, des- gleichen auch einen Schiidelgrundbruch auszuschliel~en.

Trotzdem konnten wir in diesem Falle (Nr. 1) eine Querfraktur des Felsenbeines als Ursache der Cochlearisst6rung nachweisen (siehe die Krankengeschichtsauszfige am Schlusse).

Zweiten8: Es kann geschehen, dal~ jemand bei einem Sturze mit dem Motorrade auf den Kopf aufschl~gt, sich sofort wieder erhebt, aul3er einer augenblicklichen, rasch voriibergehenden Benommenheit an All- gemeinst6rungen zun~chst nichts welter als ein anhaltendes Brummen im Kopfe davontragt, das Motorrad selbst nach Hause schiebt und erst nachtr~glich bemerkt, dal~ er auf beiden Ohren taub ist {Fall 2).

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In diesem Falle war es nach den bisher giiltigen Regeln noch unwahr- ~cheinlicher als im ersten Beispiel, dab die Erscheinungen Folgen eines Querbruches durch die Pyramide, ja iiberhaupt eines Schs bruches seien. Man muBte hier erst reeht, und zwar auf Grund der doppel- seitigen It6rst6rungen an unmittelbare Hirnnervenseh~digungen dureh einfache traumatisehe Beutelung des Gehirnes als Ursache denken, und aueh anderw~rts wird man in entspreehenden Fitllen bisher stets s 8chluBfolgerungen gezogen haben. Gleiehwohl lag es aueh in diesem Falle anders : Es bestand iiberraschenderweise eine regelrechte einseitige Querfraktur der Pyramids.

Aus diesen beiden Beispielen ersehen wir zun~ehst, dab fiir das Vor- liegen eines Sch~tdelgrundbruehes, insbesondere eines Querbruehes des Felsenbeines weder die klassisehen Symptome einer Basisfraktur un- bedingt Voraussetzung sind, noeh aueh nur die einer einfaehen Commotio eerebri, und dab wir selbst bei leiehtesten Sehs ~obald nut irgendwie Hirnnerven beteiligt erseheinen, insbesondere der Nerv. VIII, stets an die M6gliehkeit eines trotzdem vorhandenen Sehi~del- grundbruehes, insbesondere eines Pyramidenquerbruehes denken miissen nnd naeh seiner Aufdeekung mit allen Mitteln und gr6Bter SorgfMt zu fahnden haben.

Nun zum ]clinischen Erscheinungsbilde versteclcter Schddelgrundbri~che, insbesondere verstec/cter Querbri~che des felsenbeines selbst.

Versteekt ist eigent]ieh jeder Querbrueh der Pyr~mide, da es bei ihm nieht zu dem klassisehen Symptom aller sonstigen Soh~delgrund- briiche, der Blntung naeh auBen dureh Ohr, Nase oder t~eh en kommt. Es gibt aber eine Grulope yon Querbr~chen der Felsenbeinioyramide, die, auch ohne daft es zu Blutungen nach au[Jen lcommt, schon ohne weiteres aus dem klinischen Symptomenbilde mit gr6[dter WahrscheinlicMceit als solche angesprochen we~'den k6nnen.

Znngchst geh6ren hierher die Fglle mit vollstgndiger Innenohr- aussehaltung , die zugleich verbunden sind mit einer sehweren Commotio eerebri oder gar mit gr6beren Verletzungen aueh der iibrigen kn6chernen Sehgdelkapsel. Bei ihnen kann man auf Grund vielf'~ltiger, pathologiseh- anatomischer Feststellungen (Literatur bei Ulrich) yon vornherein an- nehmen, dab der Brueh der Felsenbeinpyramide aueh das innere Ohr beriihrt und die Gi'undlage des gew6hnlich totalen Funktionsverlustes des gesamten Innenohres ist, und wenn er aueh nieht beide Teile, Sehneeke und Vestibularapparat, zug]eieh durehsetzt, sondern nur den einen der beiden, meist die Sehneeke, so doeh dureh Zerrung oder ZerreiBung des hgutigen Labyrinthes oder des zugeh6rigen Nerven eine gleichfalls schwere Verletzung des anderen Teiles mit hervorruft.

Ferner geh6ren hierher die Fglle sonst gleieher Art wie eben, bei denen auch noch der Xervus facialis geschitdigt ist. Aueh diese Fglle sind hgufig.

Archi~- f. Ohren-, Nasen- u, Kehlkopfhe i lkunde . Bd. 147. 18

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Endlich gehSren hierher auch die allerdings seltenen F/ille gleicher Art, bei denen obendrein noch ein Hornerscher Symptomenkomplex vor- handen ist, d e r mit Sicherheit auf eine Verletzung des karotischen Kanales mit ~nschlieBender St6rung des Plexus caroticus Nervi sym- pathici hinweist.

Die Fiille dieser Gruppe yon versteckten, aus dem klinischen Sym- ptomenbilde aber meist schon ohne weiteres erschlieBbaren Querbrfichen der Pyramide mit ihren drei Unterabteilungen sind so h/~ufig und im groBen ganzen schon so bekannt, dab wit darauf verzichten, hieriiber noch mit einzelnen Beispielen aus unserer Erfahrung aufzuwarten. Ich beschr/inke reich auf die Mitteilung, dab wit im Laufe der letzten Jahre nicht weniger als ein Dutzend dieser F~lle zur Beobachtung und Begut- achtung hatten.

Anders steht es mit den im eigentlichen Sinne versteckten Querbriichen der Pyramide. Sie sind wesentlich seltener oder scheinen es wenigstens bisher zu sein und sind daher auch noch wenig bekannt. Zur Zeit liegen fiberhaupt nur elf Beobachtungen dieser Art in der Literatur n~her be- schrieben vor, meist Einzelbeobachtungen, so von Klingenberg, Biechele und Barth, und nur sechs aus einer Hand, n/~mlich yon Rainer, der sie aus dem Gutachtenmateria] der Wtirzburger Klinik zusammengestellt hat.

Dazu kommen nun noch weitere vier Beobachtungen yon uns, fiber die ich schon vor Rainer im Jahre 1937 auf der S/ichsisch-Thfiringischen Ohren/~rzte-Tagung kurz berichtet babe, und die nun im folgenden noch n/~her besprochen werden sollen, well sie eine Erg/~nzung und Erweiterung des hierfiber schon Bekannten bringen.

Die eigentlich versteckten Querbriiche der Pyramide mit Bruchverlau[ durch den inneren Geh6rgang zeichnen sich nach den bisherigen ;Beob- achtungen im klinisehen Symptomenbilde einerseits durch den Total- verlust des GehSres, andererseits durch gleiehzeitige, meist auch dauernde Seh/~digung, jedoch nicllt vollstiindige Ausschaltung des Gleichgewiehts- appgrates aus. Es erkIs sich diese ungleiche Beteiligung yon Cochlearis und Vestibularis daraus, dal] der Bruch in der Regel die Schnecke trifft,, wie sich r6ntgenologisch nachweisen l~Ilt.

Auch in unseren vier entsprechenden Beobachtungen betraf die HauptstSrung, meist in Gestalt eines Totalverlustes, das Geh6r, und es erstreckte sich die dutch den inneren Geh6rgang verlaufende Fraktur auch nut auf die Schnecke.

I m fibrigen aber bildeten unsere vier F~lle Awsnahmen yon der bisher bekannten Regel, und zwar in verschiedener Richtung.

Zungichst wies ein Fall (Nr. 2) ibberhaupt keine Vestibularisst6rung auf, weder im Anfang noch sp/~ter, weder subjektiv noch objektiv bei der experimentellen Prfifung.

Ferner waren bei e@em Fall (Hr. 1) VestibularisstSrungen zwar yon Anfang an in Gestalt yon Schwindelgefiihl und Gangst6rung vorhanden,

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bestanden auch nach 11/2 Jahren (letzte Untersuchung) in Form eines zur gesunden Seite gerichteten Restnystagmus bei im fibrigen experi- mentell normal erregbarem Labyrinth fort. Sie waren abet sicher nicht durch die Fraktur bedingt, sondern nut zentraler ~Yatur. Das ergab sich aus dem fibrigen neurologischen Befund, der neben Sehnenreflex- stSrungen solehe auch seitens noch anderer Hirnnerven der gleichen Seite wie des Nerv. ocu!omotorius, faeialis und hypoglossus bot, die vom Neurologen angesichts auch des Fehlens einer vorausgegangenen Commotio cerebri als lediglich durch eine Contusio des Hirnstammes im Bereiche der Hirnbasis bedingt angesprochen wurden. Auch Rainer erw/~gt in einem seiner Fi~lle die M6glichkeit einer zentralen Natur der gleichzeitigen Vestibularisst6rung.

Angesichts dieser Tatsache geh6rt also zum klinischen Bilde der ,,ira eiffentlichen Sinne" versteckten Quer/rakturen nicht unbedingt auch eine gleichzeitige St6rung des Bogengangsapparates.

Dazu kommt welter noch, dab in Fdillen gleichzeitiger Vestibularis- st6rung diese keineswegs immer so schwer sein mul~, wie es nach den friiheren Beobachtungen schien, nach denen zwar kein Totalverlust der Vestibularisfunktion der betroffenen Seite auftrat , dennoch aber erheb- liche, auch bleibende StSrungen in Gestalt einer verminderten experimen- tellen Erregbarkeit immer nachweisbar waren mit Ausnahme eines Falles yon Rainer. Es zeigen n~mlich meine zwei F/~lle (3 und 4) mit gleichzeitiger und sicher peripherischer Vestibularisst6rung nicht nur keine bleibenden Reste der spontanen Erseheinungen, sondern auch keine dauernd beein- trgchtigte experimentelle Erregbarkeit, welche vielmehr fiir calorische wie ffir Drehreiz aueh nach Jahr und Tag noch normal befunden wurde.

Auch in F~illen mit gleichzeitigen Vestibularisst6rungen ist daher, wie es scheint, zwar h/~ufig, aber doch keineswegs regelmiifliff, mit Dauer- schd~digungen zu rechnen.

D~uersch/~digungen sind mit Sicherheit nur zu erwarten, wenn der Querbruch auch oder allein den Vestibularapparat durchsetzt. Das 1/s sich fast ohne Ausnahme mit dem RSntgenver/ahren feststellen, welches dadurch oft entscheidende Bedeutung gewinnt.

Weitere Ausnahmen yon der bisher giiltig erscheinenden Regel boten unsere F/ille aueh betre]/s der H6rst6rung. Wir konnten nicht jedes Mal wie die anderen Autoren dauernden Totalverlust des Geh6rs feststellen. In einem Falle (•r. 3) erlosch das Geh6r, obwohl der Bruch die Schnecke durehsetzte, nicht gleich vollstiindig, dann aber doch dauernd. Ulrich hat bereits ~hnliches beobachtet. In einem weiteren unserer Falle (Nr. 1) kam naeh vorausgegangenem Totalverlust das GehSr wieder, wenn aueh n u r beschr/inkt, obwohl auch hier die Querfraktur die Schnecke mit betraf. Eine derartige Beobachtung wurde bisher noch nicht gemaeht, oder wo es gesehah, so yon Schlittler, handelte es sich um eine Bogen- gangsfraktur bei Verschontbleiben der Schnccke.

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Aus diesen Beobaehtungen geht hervor, dab selbst bei Einbeziehung der Schnecke in die Fraktur das Geh6r nicht immer vollst~indig und daue~md

Abb. 1, Stenvers-Allfrta.hme. Querfrak~ur des Felse~- beines du tch den i~meren Geh6rgang m i t Zersplitterung" tier Sehneeke a n d l n f r a k t u r i c r u n g des Carot is-Kanales . a I nne re r Gehgrgang , b Bog'enga.ngapparat , c Schnecke, g Carot iskanal , f Bruehlinien. (Fall 3, Josef Trebes,)

eines Schgdelgrundbruehes glauben wolRe, solehen auf der Oegenseite.

erlOschen mug. Es kommt eben auf die Schwere der Zerst6rung an, die der SchneekenriB setzt.

Diese verschiedenen A us- nahmen vonder Regel er- leichtern es natiirlich nicht, die schon vorhandenen Schwierigkeiten beim Er- kennen einer ,,ira eigent- lichen Sinne versteckten" Querfraktur der Pyramide zu iiberwinden. Sie er. schweren die richtige Dia- gnoseim Gegentcil erheblich und verpflichten uns um so mehr, in entsprechen- den F~ill~n imme~" an die MSgtichkeit einer Quer]rak- (,ur zu denken.

Jg selbst bei Cochlear- und Vestibalarerscheinun- gen auf der Gegenseite des Traumas ist eine Quer- fraktur auf dieser Gegen- se re nicht ausgeschlossen. Ulrich hat zwar behaup- tet, dM3 es das nicht g~be. Unser Fall (Nr. 2) zeigt aber einwandfrei, da, B es doch vorkommen kann, obwohl beide Ohren naeh der Verletzung sofort er- taubt waren, und man infolgedessen sowie man- gels guBerer Zeiehen einer Basisfraktur i iberhaupt nicht an das Vorliegen

ers~ recht nichg an einen

In solchen und iihnlichen F~illen ist man hinsichtlich des Nachweises einer versteckten Querfraktur unbedingt auf das R6ntgenbitd angewiesen und darf dessen Anfe~'tigung hie vers~iumen.

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Anders liegt es natiirlich, wenn zugleich aueh noeh weitere klinisehe Zeiehen, wie etwa ein gleiehzeitiger Hornerscher Symptomenkomplex auf eine Verletzung der Felsenbeinpyramide unmittelbar hinweisen. Das war in unserer Beob~ehtung Nr. 2 der Fall (Abb. 1).

Wichtig erseheint m m zum Sehlug bei dieser Gruppe, daft der Nervu8 /acialis bei diesen ,,ira eigentliehen Sinne" versteckten Querbriiehen der Pyramide, obwohl sie dutch den inneren GehSrgang gehen, doeh in der Regel nicht oder wean iibarhaupt, nut leicht geschiidigt geJunden wird. Unter unseren vier F~llen dieser Gruppe wiesen nur zwei eine Faeialisst6rung, und zwar nur eine leiehte voriibergehende Schw~tche auf (Fall Nr. 1 und 2).

Von Bedeutung ist schlie/31ich auch noch, daft diese versteclcten Quer/ralcturen der Felsen- beinpyramide, wenn sie nicht zufi~llig mit anderen schweren Schgdelverletzungen verbun- den sind, [caum ]e unmittelbare t6dliche Folgen haben. Das ist deswegen noch besonders hervor- hebenswert, wail diese Querfrakturen gar nicht selten den karotischen Kanal in Mitleiden- schaft ziahen. Infolge der ElastizitS~t und Stark- wandigkeit der Arteri~ carotis interna, und weil es sieh bei dan Querbrfichen gew6hnlich nut urn Biegungsbrfiche mit verhi~ltnism/~Big geringen Exkursionen handelt, kommt es wohl nie zu dieses grogen Gefgges.

Abb. 2. Trommelfe l110 T a g e n a e h der P o l y p e n - E n t f e r - hung . Die grol~e, lfi,ngliehe P e r f o r a t i o n ge re in ig t n n d be re i t s s t a r k ve rk le ine r t . K n r z e r F o r t s a t z des H a m - nlers sehr s t a r k ~orspr in- g e n d ( L u x a t i o n des /:Ialn- m e r s ?). S t a r k e E i n z i e h u n g h i n t e r dem iKammer (Fall 5,

E r n s t Sem~e).

ernsteren Verletzungen

Zum Schlusse nun noch ein Beispiel von einem versteclcten Ohrschiidel- basisbruch aus der Gruppe der Liingsbri~che (Fall 5).

In diesem Falle beruhte die Verschleierung des w~hren Zusummem hanges ~ber nicht etwa auf einem Verstecktsein der Fraktur und ihrer unmittelbaren Symptome. Der L~ngsbruch hatte auch hier wie in der Regel das Mittelohr mit durchsetzt und hatte zu Trommelfell- zerreigung und Blutung aus dem Ohre gefiihrt, iiberdies auch noeh zu einer Luxution des Ambosses nach augen in den Geh6rgang. Der Kr~nke k~m uber erst 21/2 Monate nach dem UnfMle, einem Sturz vom R~de, mit einer stinkenden Eiterung und Polypenbildung im i~uBeren Geh6rg~ng erstmalig in unsere Behandlung. Augerdem bat ten in der Jugend Ohreiterungen vorgelegen. Die Annuhme, dab der Sturz yore R~de infolge vestibul~rer Unsieherheit bei einer alten, nieht beuchteten Choleste~tomeiterung erfolgt sei, war daher naheliegend, besonders, da eine Bruehlinie in der Sonnenlcalb- und Stenvers-Aufnahme nicht

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festzustellen war, die Blutung im GehSrgang konnte dem beim Unfalle gequetschten Polypen entstammen. Der vorsichtig abgetragene Granu- lationspolyp enthielt zur tJberraschung den vor das Trommelfell luxierten Ambol~, die Granalationswueherung war also erst naeh der Dislokation entstanden. Durch die jetzt sichtbare grol3e, besonders im Epitympanon liegende Perforation (Abb. 2) tastete die Sonde ranhen Knochen, der abet nieht, dutch eine Knocheneil, erung bedingt war, sondern den Ans- I/ruler einer versteckten Tegmenfraktur im Suleus tympanicus bildete,

Abb. 3. Mayer-Aufnahme. F r a k t u r l a te ra l -h in ten im Dach des Tegmen t y m p a n i m i t Trommelfel lzerrei l3ung und Ambo~ luxa t i on v o r das Trommelfe l l . a Xu~erer GehSrgang, b Pauke , c Unte rk ie fe rge lenkskopf , d Zellcn des W a r z e n f o r t s a t z e s ] F rak tu r l in ie (Fall 5,

E rns t Senne),

wie sich dann in der Aufnahme nach Mayer herausstellte (Abb. 3). Die stinkende Eiterung versiegte in 10 Tagen, "darauf verkleinerte sich die Perforation des Trommelfelles zusehends und schlol~ sich schliel31ich ganz.

Die ausschlaggebenden Merkmale der Fraktur dieses F&lles sind: Bruchlinie im Tegmen tymp&ni unter Beteiligung des Sulcus tympanicus; Trommelfellzerreil~ung; Verletzung der Geh6rkn6chelchenkette unter Luxation des Ambosses nach auBen; keine Ausschaltung oder hoch- gr~dige Herabsetzung der H6r- und Gleichgewichtsfunktion. Mit diesem Symptomenbild ist der versteckte Bruch a]s eine unvollst/~ndige Felsen- beinl/~ngsfraktur aufzuf~ssen, bei der eine Beteilig~mg der Pyramide, der Sehuppe oder des Warzenfortsatzes ausblieb. Die Granulations- bildung um den nach aul3en luxierten AmboB und die damit einher- gehende fibelrieehende Sekretion aus dem Mittelohre bewirkten es, dal3

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das Bild einer Cholesteatomeiterung vorget~uscht und dadurch die fiberstandene Fraktur zun~chst verschleiert wurde.

Wir sahen im vorstehenden die Schwierigkeiten, denen der Unte r - sucher bei der Erkennung der versteckten Ohrsch/~delgrundbrfiche gegen- iiberstehen kann. Wenn auch an der Diagnose ,,traumatische ttirn- nervenst6rung" und der Vergeblichkeit therapeutischer Bemfihungen dadurch nichts ge~ndert wird, so ist die Feststellung des versteckten Ohr. schS~delgrundbruches in zweierlei Hinsicht belangvoll.

Erstens erbringt sie fOr die Unfallbegutachtung den Nachweis, dab doch ein ernsteres Sch~deltrauma vorgelegen hat.

Zweiten8 gewinnt sie bei einer sp~teren Otitis media mit Rficksicht auf die Gefahren einer Sp~tmeningitis for den Verletzten in thera- peutischer und prognostischer Hinsicht groBe, unter Umsti~nden ent- scheidende Bedeutung, weswegen er auch vom Vorliegen einer v e r - steckten Basisfraktur stets in Kenntnis gesetzt werden sollte.

Zusammenfassung. Unter versteckten Ohrschiide]grundbrtichen hat man solche zu ver-

stehen, die ohne Blutung nach aul~en verlaufen. In der Regel handelt es sich dabei um Querfrakturen der Felsen-

beinpyramide. Solche Querbris der Felsenbeinpyramide kommen, wie zwei eigene

Beobachtungen lehren, auch ohne Commotio cerebri vor und n6tigen uns in entsprechenden Fi~llen zu sorgf~ltiger Nachforschung mit Hilfe des R6ntgenverfahrens.

Nach dem klinischen Erscheinungsbilde kann man zwei Gruppen yon versteckten OhrscMidelgrundbri~chen unterscheiden.

Die erste Gruppe zeichnet sich aus durch Totalverlust des GehSres, auch Ausfall des Vestibularis und h~ufige Teil- oder Ganzl~hmung des Nervus facialis. Auch ein Hornerscher Symptomenkomplex ist gele- gentlich vorhanden, und zwar dann, wenn der Querbruch den karotischen Kanal in Mitleidenschaft zieht.

Die zweite Gruppe versteckter Ohrsch~delgrundbriiche zeigt in der Regel nur unvollst~ndige St6rungen des Nervus cochlearis und vesti- bularis und kann leicht mit St6rungen dieser Nerventeile durch einfache Beutelung des Gehirnes verwechselt werden. Sie ist diagnostisch sicher zu erfassen einzig und allein durch das RSntgenverfahren, das in ent- sprechenden Fallen nie vers~umt werden darf (Stenvers-Aufnahme !).

Gelegentlich kSnnen auch unvollstiindige L~ingsbri~che der Felsenbein- pyramide zu versteclcten Ohrschd~telgrundbri~chen werden, namentlich bei gleichzeitig hinzutretender Ohreiterung und erst nachtriiglicher ~bergabe der Verletzten in facharztliche Hand. Ein Beispiel dieser Art wird auch noch mitgeteilt.

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268 H. Wullstein:

Krankengeschichtsausziige. Fall 1. Heinz Giinther, 21 J., Kr.-:Bl.-Nr. 493/37, Jena. Pyramidenquerfraktur

durch den inneren GehSrgang und Zersplitterung in der Schnecke. Hochgradige Herabsetzung des GehSres, aber nicht Ertaubung. ~entral bedingte Vestibularis- st6rung bei beiderseits einwandfrei erregbarem ]~ogengangssystem.

Am 30. 7.36 aus dem 3. Stoekwerk eines I-Iauses gestiirzt. Blutung aus Mund, Nase und angeblieh den Ohren (Nasenfraktur). Zun~chst keine Bewugtlosigkeit, volle Erinnerung an den Unfall und den Transport ins Krankenhaus. Dort 2 Tage stark benommen. Anfangs auf dem betroffenen Ohre anseheinend gar kein H6r- verm6gen, viel Kopfsehmerzen, Sehst6rungen, zeitweise Sehwindelanf~lle. Unter- suchung am 22.4.37 (naeh 8 Monaten): Geh6rgang und Trommelfell beiderseits o.B. Geh6r reehts fiir Umgangsspraehe 0. TongehSr nieht sieher. Geh6r links vollwertig. Am 10.12.37 (naeh 16 Monaten) Geh6r ftir Umgangsspraehe a.e. Geringes Tongeh6r yon etwa C--O (wiederholt mit allen VorsiehtsmaBnahmen geprfift). Am 24.2.38 (nach 19 Monaten) GehSr noeh etwas gebessert. - Vesti- bularisuntersuehung: (naeh 8 Monaten) deutlicher Spontan-Ny. zum gesunden Ohr, ersehwert umkehrbar. Naeh 19 Monaten unver~nderter Spontan-Ny. Drehnaeh-Ny. naeh reehts 35 Sek., nach links 40 Sek., mitte]sehl~gig. Kalorisation (20 eem, 27 ~ beiderseits 20 Sek. Latenz, Dauer naeh reehts 50--60 Sek., naeh links 50 Sek. Erst naeh einer Pause setzt der Spontan-Ny. wieder ein.

Neurologischer tlefund: Keine Commotio, abet Contusio eerebri wegen Sehnen- reflexdifferenz zugunsten der gesunden Seite, Sehw/~ehe des gleiehseitigen Nervus faeialis und glossopharyngeus und I-Ieberl~hmung des gleiehseitigen Augapfels.

R6ntgenbefund naeh Stenvers: Frakturlinie von der oberen Felsenbeinkante durch den inneren GehSrgang, die sich dort, wo sie die Sehneeke erreicht, in zwei divergierende Aste gabelt, die die ganze Sehneeke durehsetzen. Bogengangsgebiet~ und Vestibulum unversehrt.

Fall 2. Josef Trebes, 24 J., Kr.-B1.-Nr. 1228/37, Jena. Pyramidenquerfraktur dutch inneren GehSrgang und Sehneekenzersplitterung, anfangs beiderseitige Taubheit, dann Taubheit des einen frakturierten und erhebliehe SchwerhSrigkeig des anderen Ohres, aber Fehlen aller Zeiehen einer Vestibularisst6rung und einer Commotio cerebri.

Am 2.8.37 bei Motorradunfall auf die reehte Kopfseite gestiirzt. Nicht be- wugtlos. I-Ieimweg zu Ful3, dort Erbrechen, dann mehrere Stunden bewugtlos. W/thrend 4 Tagen h6rte Tr. gar niehts, dann stellte sieh auf dem Ohre, auf das er beim Unfalle gefallen war, ein gewisses HSrverm6gen wieder ein, daa gegenseitige Ohr blieb taub. 3 Woehen Bettruhe. Station/~re Nachuntersuehung naeh 2~/2Monaten: Trommelfell beiderseits grauspiegelnd, reizlos. Linksseitige Taubheit. Geh6r rechts ffir Umgangssprache etwas herabgesetzt. Flfisterspraehe nur verschi~rft am Ohre, starke Einsehr/~nkung der I-ISrfghigkeit im mittleren und oberen Tonbereiehe. Vestibularisuntersuehung: kein Vorbeizeigen, keine Fall- neigung oder GangstSrung, kein Spontan-Ny. Drehnach-Ny. nach rechts 28 Sek., nach links 27 Sek., mittelfeinschlggig. Calorische Priifung (20 ecru, 27~ Latenz rechts 18 Sek., links 15 Sek. Dauer rechts 70 Sek., links 60 Sek. Neurologische Untersuchung: geringe Facialissehwgche links. Augenklinisehe Untersuehung: Hqrnerscher Symptomenkomplex links. Blutwassermann: negativ.

R6ntgenuntersuchung beider 1%lsenbeine naeh Stenvers: links deutliche, ge- gabelte Frakturlinie yon der oberen Felsenbeinkante durch den inneren GehSr- gang und die Sehneeke abwgrtsziehend, in letzterer sieh spaltend. Die Brueh- linien verlaufen gegen den Carotiskanal zu aus (Abb. 1). Auf allen tibrigen Auf- nahmen keinerlei Frakturlinien. Gesundung ohne weitere Zwisehenfglle.

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Das Erseheinungsbild versteekter Ohrsch/idelgrundbriiehe. 269.

Fall 3. Willi Voigt, 34 J . , Kr.-BI.-Nr. 771/38, Jena. Pyramidenquerfraktur dutch inneren Geh6rgang und Sehneeke, ffir 2 Tage kleines Restgeh6r, dann Er- taubung, anfangs geringe Vestibularisst6rung, aber schon innerhalb 6 Wochen yel l - st~ndiger Ausgleich, aueh bei experimenteller Prtifung.

Am 7 .5 .38 beim Radfahren gegen einen Baum gesehleudert, mit der Stirn aufgesehlagen. Etwa ]/2 Stunde bewuBtlos, dann zu Fug ins niiehste Dorf ge- gangen. Von def t gleieh Klinikeinweisung. Blutung aus einer Stirnwunde, aber nieht aus den Ohren. Seit dem Unfall Sausen im linken Ohre, Geh6r links herab- gesetzt. Bei der fJberfiihrung mehrmals Erbreehen, kein Sehwindel.

Befund: bei klarem BewuBtsein. [~ber der Mitre der Stirn breite Sehwellung mit I-Iautabseht~rfung, ebenso auf dem Nasenriieken. Brillenh/tmatom. Abgesehen yon etwas Blur in der Nase ist der Spiegelbefund regelreeht. - - Bei der I-I6rprtifung in den beiden ersten Tagen hatte der Kranke links noeh ein geringes RestgehSr fiir Umgangsspraehe a. e. (mit L/~rmtrommel). Danaeh v611iger Geh6rverlust links bei normalem Geh6r reehts. In den beiden ersten Tagen leiehter horizontaler Spontan-Ny. naeh reehts, das linke betroffene Ohr cMeriseh mi~ HeiBreiz (48 o) sieher erregbar. Bei der AbsehluBuntersuehung am 17. 6.38 (6 Woehen spgter} kein Spontan-Ny., Drehnaeh-Ny. naeh rechts 35 Sek., naeh links 36 Sek., fein- mittel-sehlggig, Kalorisation (20 eem, 27 ~ Latenz reehts 17 Sek., links 15 Sek., I)auer reehts 60 Sek., links 65 Sek. - - Glatter Heilverlauf, das Ohrenklingen links besteht fort.

R6n~genuntersuehung: linkes Ohr naeh Stenvers: Querbrueh dureh die Pyramide, dureh das ~ugerste distale Ende des inneren GehSrganges und yon dort feine ]~rnehspalte abwgrts im lateralen Teil der Sehneekenkapsel. - - Mehrere Bruehlinien im Bereiehe beider StirnhShlen sowie der ]inken KieferhShlenvorderwand.

Fall 4. Josef Tastl, 40 J. , Kr.-B1.-Nr. 485/39, Jena. Pyramidenquerfraktur dureh inneren GehSrgang und Sehnecke mit Ertaubung, aueh subjektiven Gleieh- gewiehtsst6rungen am Anfange, aber sparer unversehrtem Vestibularapparat bei alter reizloser zentraler Trommelfellperforation.

Seit friiher Jugend links wiederholte Mittelohreiterungen ohne Sehmerzen. Am 12.10.30 sehlug T. bei einem Motorradunfall mit dem reehten Augenbogen auf das Pflaster auf, war 2 Tage bewugtlos, erwaehte im Krankenhaus ohne Erinnerung an den UnIM1, angeblich anfangs Erbreehen. l~ber Blutung aus dem Ohre ist niehts bekannt. Naeh dem Aufstehen Unsicherheitsgeftihl fiir 1/~ngere Zeit. Kein Drehsehwindel. Durch den Unfall GehSrverlust links und eine Herab- setzung des Sehverm6gens links. - - Jetzt in Behandlung wegen StirnhShlenentziin- dung. Troekene, zentrMe, mittelgrol3e Perforation des linken Trommelfelles. Geh6r reehts vollwertig, links erlosehen (auch bei Simulationsprobe am Stenger-Oesterlein Ger/~t). Kein Spontan-Ny., keine Fallneigung oder Gangst6rung. Drehnaeh-Ny. naeh reehts 22 Sek., naeh links 19 Sek., mittelsehl~gig. KMorisation (20 eem, 270) rechts Latenz 15 Sek., Dauer 135 Sek., links Latenz 18 Sek., Dauer 130 Sek., mittelsehl/~gig. Liquor eerebrospinMis o. B., Liquor-Wassermann negativ.

R6ntgenbefund: siehere ]3ruehlinie dureh die Pyramide an der oberen Kante beginnend und etwas sehrag ,con oben medial dureh den inneren GehSrgang nnd die Iaterale H~Ifte der Sehneeke verlaufend. Bogengangsapparat anseheinend unversehrt.

Fall 5. Ernst Senne, 40 J. , Kr.-BI.-Nr. 1403/37, Jena. Versteekte Tegmen- fraktur mit Trommelfellril] und Luxation des Ambol3, eine Cholesteatomeiterung vort~usehend.

Als Kind Ohrlaufen, sp/~ter nicht mehr. Am 15.5.37 Sturz vom Fahrrad, anscheinend ohne Ursache. Dreit~gige Bewugtlosigkeit, vollst/~ndige Amnesie. Blutung aus der Nase nnd aus dem rechten Ohre. Das rechte Auge stark blut- unterlaufen, naeh dem Erw~ehen nach oben verdreht, dadurch Sehst6rungen.

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2 7 0 H. Wutlstein: Das Erscheinungsbild versteckter 0hrsch/idelgrundbrfiche.

Nach 21/2 Monaten wegen Granulationen im Geh6rgang und Ohreiterung zur Unter- suchung geschickt. Stinkender Eiter im Geh6rgang und groite, derbe Grauulations- massen in der Tiefe, die den Aufblick auf das Trommelfell v611ig verlegen. Links groBe, atrophische Trommelfellnarbe. Seit dem Unfall Klagen fiber Geh6rver- schlechterung und etwas taumeliges Gefiihl beim Blick nach oben. Geh6r auf dem nichtbetroffenen Ohre 8 m Fltistersprache, obere Tongrenze 16000 Doppel- schwingungen, auf dem kranken Ohr 1 m Umgangssprache, 0,25 m Fliistersprache, kombinierte SchwerhSrigkeit, besonders yon g2 aufw/trts. Kein Spontan-Ny., kein Fistelsymptom. Drehnach-Ny. nach rechts 34 Sek., nach links 32 Sek. Beide Ohren mit Schwachreiz calorisch einwandfrei erregbar, rechts etw~s verl/ingerte Latenz, 30 Sek. gegen 20 Sek. li. {Polyp !). Augenklinik: im Riickgang befindliche Oculo- motoriusparese rechts. R6ntgenologisch: Sch/~deliibersicht, Sonnenkalb, Stenvers: keine Bruchlinie. Gehemmte, unregelm/~Bige Pneumatisation beiderseits. Entfernung des groBen Granulationspolypen mit schneidender Schlinge, in ihm finder sich ein- gebettet dervor dasTrommelfell luxierteAmboB. Dahinter epitympanale Perforation mit stinkender Eiterung, rauher Knochen mit der Sonde tastbar, Cholesteatom noch nicht auszuschliel]en (Abb. 2). 10Tage darauf ist das Ohr trocken, die Per- foration verkleinert. Besserung des GehSrs auf 7--8 m Umgangssprache. Tongeh6r im unteren und auch weiterhin im mittleren Bereiche ausgeglichen, beiderseits leichte Innenohrschwerh6rigkeit. R6ntgenologisch in Mayer-Aufnahme im Mittel- ohrdach eine Fraktur zu erkennen, die auch den Sulcus tympanicus spaltet und nach hinten auBen zu auslauft (Abb. 3). Die TrommelfellzerreiBung heilt narbig ab, der Hammergriff springt stark vor, anscheinend der Hammer durch Luxa- tion oder Fraktur verlagert. Das Trommelfell davor und dahinter tier ein- gesenkt, bei Uber- und Unterdruck frei beweglich. - - Also sicher keine alte Mittelohreiterung, sondern als Folgen des Unfalles Fraktur im Mittelohrdach, die am besten als eine unvollst/~ndige Felsenbein-L~ngsfraktur (ohne Beteiligung der Pyramide selbst) aufzufassen ist.

Schrifttum. Barth: Zbl. Hals- usw. Heilk. 30, 172 (1938), Disk.bem. - - Biechele: Z. Laryng.

usw. 24, 293 (1933). - - Grahe: Z. Hals- usw. Heilk. 34, 228 (1933), Kongr.ber. - - Klingenbery: Z. Hals- usw. tIeilk. 22, 452 (1929). - - Rainer: H.SI.O.-Arzt I. Teil 29, 37 (1938). - - Schlittler: Acta oto-laryng. (Stockh.) 24, 213 (1936). - - Ulrich: Acta oto-laryng. (Stockh.) Suppl. 6 (1926). - - Wullstein: Zbl. Hals- usw. Heilk. 80, 172 (1938) Sitzungsbericht. - - Zange: Miinch. med. Wschr. 62, 1091 (1915). Z. Hals- usw. Heilk. 84, 234 (1933); Kongr.ber., Disk.bern.