32
Das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 23. Mai 1949 Zusammenfassung Das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland ist am 23. Mai 1949 in Kraft getreten. Ausgearbeitet und verabschiedet wurde es durch den Parlamentarischen Rat, dessen Mitglieder von den westdeutschen Landesparlamenten bestellt worden sind und der auf Geheiß der westlichen Siegermächte zusammengetreten ist. Die Arbeit des Parlamentarischen Rates stand unter dem Eindruck des Scheiterns der Weimarer Republik und der Erfahrungen mit der Diktatur des Dritten Reichs. Das Resultat kann sich sehen lassen: Das Grundgesetz stellt die erste demokratische Verfassung dar, die sich in Deutschland in der politischen Praxis bewährt hat und die bis heute – mit einigen Änderungen und Ergänzungen – die Grundlage des staatlichen Lebens der Bundesrepublik bildet. Einführung Mit dem Auseinanderfallen der Anti-Hitler-Koalition nach 1945 und der allmählichen Herausbildung des Ost-West-Gegensatzes bis 1948 entstanden sowohl in der Sowjetischen Besatzungszone als auch in den drei Westzonen übergreifende politische Strukturen. Es war unverkennbar, daß die Entwicklung auf die Bildung zweier deutscher Staaten hinauslief. In diesem Prozeß ergriffen schließlich die Westmächte die Initiative. Nach dem Scheitern der Londoner Außenministerkonferenz im Dezember 1947 trafen die westlichen Alliierten mit den Benelux-Staaten zur sogenannten Londoner-Sechs-Mächte-Konferenz zusammen. Im Verlauf dieser Konferenz, die am 2. Juni 1948 erfolgreich abgeschlossen wurde, fiel die Entscheidung zur Gründung eines Weststaates. Am 1. Juli 1948 beriefen die Westalliierten die Ministerpräsidenten der Länder in den Westzonen zu einer Konferenz ein und übergaben ihnen die sogenannten "Frankfurter Dokumente". Sie autorisierten die Ministerpräsidenten zur Einberufung einer "Verfassunggebenden Versammlung", die eine "demokratische Verfassung" ausarbeiten sollte, "die für die beteiligten Länder eine Regierungsform des föderalistischen Typs" mit einer "angemessenen Zentralinstanz schafft und die Garantien der individuellen Rechte und Freiheiten enthält". Die Ministerpräsidenten zögerten, den Auftrag anzunehmen, da sie negative Konsequenzen für die deutsche Einheit befürchteten. Nach längerem Hin und Her stimmten sie unter dem Vorbehalt zu, daß lediglich ein "Parlamentarischer Rat", gebildet aus Landtagsabgeordneten, einberufen wurde, der ein "Grundgesetz" schaffen sollte, das nicht durch ein Referendum, sondern durch Abstimmungen in den Landtagen bestätigt werden sollte. Erst nach einigem Zögern akzeptierten die alliierten Militärgouverneure dieses Verfahren. Der Parlamentarische Rat bestand aus 65 Mitgliedern, von denen jeweils 27 Abgeordnete den Unionsparteien und der SPD angehörten. Hinzu kamen fünf Abgeordnete der FDP und je zwei von der Deutschen Partei, der KPD und dem Zentrum. Das Durchschnittsalter der Abgeordneten, unter denen Vertreter des öffentlichen Dienstes und Akademiker überrepräsentiert waren, betrug 56 Jahre. Die Hauptarbeit wurde in Ausschüssen geleistet. Zu den wichtigsten Gremien zählten der

Das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 23 ...Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland, Stuttgart 1969. Wengst, U., Staatsaufbau und Regierungspraxis 1948-1953

  • Upload
    others

  • View
    6

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 23 ...Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland, Stuttgart 1969. Wengst, U., Staatsaufbau und Regierungspraxis 1948-1953

Das Grundgesetz für die BundesrepublikDeutschland, 23. Mai 1949

ZusammenfassungDas Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland ist am 23. Mai 1949 in Kraftgetreten. Ausgearbeitet und verabschiedet wurde es durch den ParlamentarischenRat, dessen Mitglieder von den westdeutschen Landesparlamenten bestellt wordensind und der auf Geheiß der westlichen Siegermächte zusammengetreten ist. DieArbeit des Parlamentarischen Rates stand unter dem Eindruck des Scheiterns derWeimarer Republik und der Erfahrungen mit der Diktatur des Dritten Reichs. DasResultat kann sich sehen lassen: Das Grundgesetz stellt die erste demokratischeVerfassung dar, die sich in Deutschland in der politischen Praxis bewährt hat und diebis heute – mit einigen Änderungen und Ergänzungen – die Grundlage desstaatlichen Lebens der Bundesrepublik bildet.

EinführungMit dem Auseinanderfallen der Anti-Hitler-Koalition nach 1945 und der allmählichenHerausbildung des Ost-West-Gegensatzes bis 1948 entstanden sowohl in derSowjetischen Besatzungszone als auch in den drei Westzonen übergreifendepolitische Strukturen. Es war unverkennbar, daß die Entwicklung auf die Bildungzweier deutscher Staaten hinauslief. In diesem Prozeß ergriffen schließlich dieWestmächte die Initiative. Nach dem Scheitern der LondonerAußenministerkonferenz im Dezember 1947 trafen die westlichen Alliierten mit denBenelux-Staaten zur sogenannten Londoner-Sechs-Mächte-Konferenz zusammen.Im Verlauf dieser Konferenz, die am 2. Juni 1948 erfolgreich abgeschlossen wurde,fiel die Entscheidung zur Gründung eines Weststaates.Am 1. Juli 1948 beriefen die Westalliierten die Ministerpräsidenten der Länder in denWestzonen zu einer Konferenz ein und übergaben ihnen die sogenannten"Frankfurter Dokumente". Sie autorisierten die Ministerpräsidenten zur Einberufungeiner "Verfassunggebenden Versammlung", die eine "demokratische Verfassung"ausarbeiten sollte, "die für die beteiligten Länder eine Regierungsform desföderalistischen Typs" mit einer "angemessenen Zentralinstanz schafft und dieGarantien der individuellen Rechte und Freiheiten enthält".Die Ministerpräsidenten zögerten, den Auftrag anzunehmen, da sie negativeKonsequenzen für die deutsche Einheit befürchteten. Nach längerem Hin und Herstimmten sie unter dem Vorbehalt zu, daß lediglich ein "Parlamentarischer Rat",gebildet aus Landtagsabgeordneten, einberufen wurde, der ein "Grundgesetz"schaffen sollte, das nicht durch ein Referendum, sondern durch Abstimmungen inden Landtagen bestätigt werden sollte. Erst nach einigem Zögern akzeptierten diealliierten Militärgouverneure dieses Verfahren.Der Parlamentarische Rat bestand aus 65 Mitgliedern, von denen jeweils 27Abgeordnete den Unionsparteien und der SPD angehörten. Hinzu kamen fünfAbgeordnete der FDP und je zwei von der Deutschen Partei, der KPD und demZentrum. Das Durchschnittsalter der Abgeordneten, unter denen Vertreter desöffentlichen Dienstes und Akademiker überrepräsentiert waren, betrug 56 Jahre. DieHauptarbeit wurde in Ausschüssen geleistet. Zu den wichtigsten Gremien zählten der

Page 2: Das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 23 ...Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland, Stuttgart 1969. Wengst, U., Staatsaufbau und Regierungspraxis 1948-1953

Hauptausschuß, der aus den Vorlagen der Fachausschüsse ein "homogenesGanzes" zu bilden hatte, und der allgemeine Redaktionsausschuß, der auch wichtigeinhaltliche Entscheidungen traf und dem Heinrich von Brentano (CDU),Georg-August Zinn (SPD) und Thomas Dehler (FDP) angehörten. Danebenetablierten sich Carlo Schmid (SPD), der Vorsitzende des Hauptausschusses, AntonPfeiffer (CSU), der Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion, und Theodor Heuß (FDP),der im September 1949 zum ersten Bundespräsidenten gewählt wurde und über dieParteigrenzen hinweg eine integrierende Kraft erlangte, als dominierendeVerfassungspolitiker. Konrad Adenauer (CDU) hat als Präsident desParlamentarischen Rates weniger auf die Details der Verfassungsberatungen Einflußgenommen, sondern vielmehr in den Verhandlungen mit den Alliierten und durchseine Auftritte in der Öffentlichkeit politisches Profil gewonnen und damit dieGrundlage für seinen Aufstieg zum Bundeskanzler gelegt.Als der Parlamentarische Rat am 1. September 1948 in Bonn zusammentrat, lag ihmein vollständiger Verfassungsentwurf mit einem Kommentar vor. Diese Unterlagenhatte der Verfassungskonvent auf Herrenchiemsee erarbeitet, der im Juli und August1948 auf Einladung des bayerischen Ministerpräsidenten getagt hatte. WichtigeVorentscheidungen für die Ausgestaltung des Grundgesetzes, insbesonderehinsichtlich der organisatorischen Struktur der Bundesrepublik, waren bereits indiesen Expertengesprächen gefallen, und einige Artikel des Grundgesetzes wurdenwörtlich aus dem Herrenchiemseebericht übernommen. Dies ist vor allem daraufzurückzuführen, daß der Herrenchiemseebericht Grundlage der erstenGeneraldebatte des Plenums des Parlamentarischen Rates war und auch in derFolgezeit immer wieder auf ihn Bezug genommen wurde. Hinzu kam, daß mehrereeinflußreiche Abgeordnete des Parlamentarischen Rates, allen voran Anton Pfeifferund Carlo Schmid, schon dem Verfassungskonvent auf Herrenchiemsee angehörthatten.Die Beratungen des Parlamentarischen Rates standen unter dem Eindruck desScheiterns der Weimarer Republik und den Erfahrungen mit der Diktatur des DrittenReichs. Der in der Weimarer Verfassung angelegte Dualismus vonparlamentarischem und präsidialem System wurde nicht in das Grundgesetzaufgenommen. Die Stellung des Bundespräsidenten wurde geschwächt durch dieBeschränkung seiner Legitimitätsgrundlage und die Beschneidung seinerBefugnisse; die Stellung des Parlaments wurde gestärkt, indem seine Auflösungerschwert und sein Einfluß auf die Regierungsbildung vergrößert wurde. Alsdominantes Bundesorgan installierte das Grundgesetz die Bundesregierung – unddarin den Bundeskanzler. Nur er kann durch ein Mißtrauensvotum des Parlamentsgestürzt werden – und das auch nur dann, wenn der Bundestag zugleich einenNachfolger wählt (konstruktives Mißtrauensvotum). Er besitzt dieRichtlinienkompetenz sowie die Organisationsgewalt im Bereich der Regierung.Somit läuft die Struktur des Grundgesetzes auf "eine Führungskonzentration beimRegierungschef" hinaus (Friedrich Karl Fromme). Die historische Erfahrung war auchdafür verantwortlich, daß das Repräsentationsprinzip (Art. 38 ff. GG) im Grundgesetzverankert und eine Sicherung des demokratischen Aufbaus des Staats gegen jedeVerfassungsänderung (Art. 79 Abs. 3 GG) festgeschrieben worden ist. In diesemZusammenhang ist auch auf die Bindung aller staatlichen Gewalt an die Wahrungder individuellen Grundrechte des Menschen (Art. 1, Abs. 19 GG) hinzuweisen.Zum Schutz der Verfassungsordnung beschloß der Parlamentarische Rat dieEinsetzung eines Bundesverfassungsgerichts. Allerdings beließ er es dabei, einenZuständigkeitskatalog in das Grundgesetz aufzunehmen und einigeMinimalforderungen zu zementieren. Ansonsten übertrugen die Verfassungsväter die

Page 3: Das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 23 ...Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland, Stuttgart 1969. Wengst, U., Staatsaufbau und Regierungspraxis 1948-1953

weitere Ausgestaltung dem Gesetzgeber. Der Bundestag verabschiedete 1951 einentsprechendes Gesetz. Im Verfassungsgefüge der Bundesrepublik erlangte dasBundesverfassungsgericht nach einigen Anlaufschwierigkeiten einengleichberechtigten Platz neben den übrigen Bundesorganen; mittlerweile kommt ihmeine Bedeutung zu, die in den 1950er Jahren so nicht erwartet worden war.Auf die Arbeit des Parlamentarischen Rats haben die Alliierten, dieMinisterpräsidenten und verschiedene Interessengruppen Einfluß zu nehmenversucht. Den Alliierten ging es insbesondere darum, die vom Parlamentarischen Ratangestrebte Finanzverfassung, die dem Bund große Kompetenzen einräumen wollte,zu torpedieren. Dies war darauf zurückzuführen, daß insbesondere Amerikaner undFranzosen einen stark föderalistisch strukturierten Bundesstaat anstrebten, womitihrer Meinung nach nur eine Finanzverfassung zu vereinbaren war, die dieBefugnisse der Länder stärkte. Der Erfolg blieb allerdings begrenzt, da sich derParlamentarische Rat schließlich insoweit durchsetzen konnte, daß der Bundweitgehende Steuergesetzgebungskompetenzen erhielt und auch einFinanzausgleich zwischen Bund und Ländern sowie zwischen den Bundesländernfestgeschrieben wurde.Insgesamt nicht allzu erfolgreich waren auch die Interventionen derMinisterpräsidenten, die mehrheitlich für die Festschreibung eines ausgeprägtenFöderalismus im Grundgesetz votierten. Dabei konzentrierten sich ihre Wünsche aufdie Ausgestaltung der Länderkammer. Unter maßgeblicher Beteiligung desbayerischen Ministerpräsident Hans Ehard ist die Bundesratslösung zustandegekommen. Es gelang ihm zwar nicht, eine volle Gleichberechtigung der zweitenKammer im Gesetzgebungsverfahren durchzusetzen, wohl aber wurde ihr einZustimmungsrecht konzediert, das Raum für beträchtliche Ausweitungen ließ.Unterschiedlich fiel das Ergebnis der Einflußnahmen der Interessenverbände aus.Die Kirchen erreichten die Aufnahme der Bestimmungen zum Ehe- und Familienrecht(Art. 6 und 7 GG). Die Beamten waren mit ihren Forderungen nach Anerkennung der"hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums" (Art. 33, Abs. 5 GG) sowieeiner Regelung zugunsten der "verdrängten Beamten" (Art. 133 GG) erfolgreich.Weniger durchschlagskräftig agierten die Gewerkschaften, die ihre Forderungennach Aufnahme von sozial- und wirtschaftspolitischen Bestimmungen (sozialeGrundrechte) nicht durchzusetzen vermochten. Dies lag vor allem an der SPD, diedie Gewerkschaften in dieser Frage nicht unterstützte.In der Schlußabstimmung über das Grundgesetz im Parlamentarischen Rat am 8.Mai 1949 haben 53 von 65 Abgeordneten mit Ja gestimmt. ImRatifizierungsverfahren stimmten mit Ausnahme des bayerischen Landtags alleLandesparlamente für das Grundgesetz. Dennoch stand die Mehrheit derBevölkerung dem Grundgesetz anfangs distanziert gegenüber. Dies änderte sich erstim Lauf der 1950er Jahre, als eine überwiegende Mehrheit zu einer positivenEinstellung zum Grundgesetz und zum neuen Staat fand.Das Grundgesetz ist seit seiner Verabschiedung immer wieder geändert bzw.ergänzt worden. Besonders wichtig waren die drei im folgenden genannten Eingriffe:1956 verabschiedete der Bundestag die sogenannte Wehrverfassung. Sie ergänztedas Grundgesetz um Bestimmungen, die infolge der Aufstellung der Bundeswehrund der Einbindung der Bundesrepublik in das westliche Verteidigungsbündnis nötiggeworden waren. Die ergänzenden Artikel sind über das ganze Grundgesetzverstreut. Sie betreffen die Errichtung und Kontrolle der Streitkräfte sowie dieRegelungen für den Spannungs- und Verteidigungsfall.1968 setzte die Regierung der "Großen Koalition" die sogenannteNotstandsverfassung in Kraft (Art. 35 Abs. 2 und 3, Art. 87a Abs. 4 und Art. 91 Abs. 1

Page 4: Das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 23 ...Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland, Stuttgart 1969. Wengst, U., Staatsaufbau und Regierungspraxis 1948-1953

und 2 GG). Sie war notwendig geworden, um die noch bestehenden Rechte der dreiSiegermächte im Falle eines Notstands, die aus dem Deutschland-Vertragresultierten, abzulösen. Angesichts der Erfahrungen, die das Notstandsrecht imAuflösungsprozeß der Weimarer Republik gespielt hat, war diese Frage in Politik undGesellschaft sehr umstritten und für die studentische Revolte von 1968 ein zentralesThema. Die Notstandsgesetzgebung betraf die Katastrophenhilfe, den Einsatz vonStreitkräften im Inneren und die Abwehr von Gefahren für den Bestand des Bundesoder eines Landes. Die in den 1960er Jahren von den Kritikern derNotstandsgesetzgebung befürchteten negativen Konsequenzen für den Bestand derdemokratischen Verfassung sind nicht eingetreten.Der letzte große Eingriff in das Grundgesetz erfolgte im Zusammenhang mit derWiedervereinigung. Dies führte zu mehreren Änderungen. Von besondererBedeutung waren die neue Präambel und die durch den Beitritt der neuenBundesländer notwendig gewordene Änderung der Stimmenzahl für die einzelnenLänder im Bundesrat. Nunmehr hat jedes Land mindestens drei Stimmen. Länder mitmehr als zwei Millionen Einwohnern haben vier, Länder mit mehr als sechs MillionenEinwohnern fünf und Länder mit mehr als sieben Millionen Einwohnern sechsStimmen. Sechs Stimmen führen die Länder Baden-Württemberg, Bayern,Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen, fünf Hessen, vier Berlin, Brandenburg,Rheinland-Pfalz, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen, dreiStimmen führen schließlich Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern und dasSaarland.Im Gefolge der wirtschaftlichen Schwierigkeiten seit dem Vollzug der deutschenEinheit und den mit der Globalisierung verbundenen Problemen stellt sich zu Beginndes 21. Jahrhunderts die Frage, ob die föderalistische Struktur des Grundgesetzesnoch zeitgemäß ist. Aus diesem Grund ist im Jahr 2004 eineFöderalismuskommission eingesetzt worden, die Empfehlungen für eine Entflechtungder Kompetenzen von Bund und Ländern beschließen sollte. Es gelang jedoch nicht,eine Einigung zwischen Bund und Ländern über die Kompetenzen in derBildungspolitik herbeizuführen. Möglicherweise wird im kommenden Jahr erneut derVersuch unternommen, eine Vereinbarung zwischen Bund und Ländern zustande zubringen. Ob dies gelingt, steht dahin. Gleichwohl wird das Grundgesetz auch inZukunft kein starres Normenkorsett, sondern eine lebendige Verfassung sein, dieden jeweiligen politischen, wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und kulturellenVeränderungen laufend angepaßt werden wird.Udo Wengst

Quellen- und LiteraturhinweiseDeutscher Bundestag und Bundesarchiv (Hg.), Der Parlamentarische Rat 1948-1949.Akten und Protokolle, 13 Bde., Boppard u.a. 1975-2002.Benz, W. (Hg.), "Bewegt von der Hoffnung aller Deutschen". Zur Geschichte desGrundgesetzes. Entwürfe und Diskussionen 1941-1949, München 1979.von Doemming, K.-B., Füsslein, R. W., Matz, W., "Entstehungsgeschichte der Artikeldes Grundgesetzes", in: Leibholz, G., von Mangoldt, H. (Hg.), Jahrbuch desöffentlichen Rechts der Gegenwart, Neue Folge, Bd. 1, Tübingen 1951.Feldkamp, M., Der Parlamentarische Rat 1948-1949. Die Entstehung desGrundgesetzes, Göttingen 1998.Fromme, F.K., Von der Weimarer Reichsverfassung zum Bonner Grundgesetz,Tübingen 1962.Lange, E.H.M., Gestalter des Grundgesetzes. Die Abgeordneten desParlamentarischen Rats: 15 historische Biographien, Brühl 1999.

Page 5: Das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 23 ...Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland, Stuttgart 1969. Wengst, U., Staatsaufbau und Regierungspraxis 1948-1953

Niclauß, K., Demokratiegründung in Westdeutschland. Die Entstehung derBundesrepublik 1945-1949, München 1974.Otto, V., Das Staatsverständnis des Parlamentarischen Rats, Düsseldorf 1971.Sörgel, W., Konsensus und Interessen. Eine Studie zur Entstehung desGrundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland, Stuttgart 1969.Wengst, U., Staatsaufbau und Regierungspraxis 1948-1953. Zur Geschichte derVerfassungsorgane der Bundesrepublik Deutschland, Düsseldorf 1984.

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 23. Mai 1949.Der Parlamentarische Rat hat am 23. Mai 1949 in Bonn am Rhein in öffentlicherSitzung festgestellt, daß das am 8. Mai des Jahres 1949 vom Parlamentarischen Ratbeschlossene Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland in der Woche vom16.-22. Mai 1949 durch die Volksvertretungen von mehr als Zweidritteln derbeteiligten deutschen Länder angenommen worden ist.Auf Grund dieser Feststellung hat der Parlamentarische Rat, vertreten durch seinenPräsidenten, das Grundgesetz ausgefertigt und verkündet.Das Grundgesetz wird hiermit gemäß Artikel 145 Absatz 3 im Bundesgesetzblattveröffentlicht:PräambelIm Bewußtsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen,von dem Willen beseelt, seine nationale und staatliche Einheit zu wahren und alsgleichberechtigtes Glied in einem vereinten Europa dem Frieden der Welt zu dienen,hat das Deutsche Volkin den Ländern Baden, Bayern, Bremen, Hamburg, Hessen, Niedersachsen,Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein, Württemberg-Baden undWürttemberg-Hohenzollern,um, dem staatlichen Leben für eine Übergangszeit eine neue Ordnung zugeben,kraft seiner verfassungsgebenden Gewalt dieses Grundgesetz der BundesrepublikDeutschland beschlossen. Es hat auch für jene Deutschen gehandelt, denenmitzuwirken versagt war.Das gesamte Deutsche Volk bleibt aufgefordert, in freier Selbstbestimmung dieEinheit und Freiheit Deutschlands zu vollenden.I. Die GrundrechteArtikel 1(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen istVerpflichtung aller staatlichen Gewalt.(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichenMenschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedensund der Gerechtigkeit in der Welt.(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, Verwaltung undRechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.Artikel 2(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nichtdie Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oderdas Sittengesetz verstößt.(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit derPerson ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzeseingegriffen werden.Artikel 3(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt.

Page 6: Das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 23 ...Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland, Stuttgart 1969. Wengst, U., Staatsaufbau und Regierungspraxis 1948-1953

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse,seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oderpolitischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden.Artikel 4(1) Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen undweltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich.(2) Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet.(3) Niemand darf gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungenwerden. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz.Artikel 5(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern undzu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zuunterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunkund Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze,den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht derpersönlichen Ehre.(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehreentbindet nicht von der Treue zur Verfassung.Artikel 6(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und diezuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatlicheGemeinschaft.(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund einesGesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigtenversagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichenBedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in derGesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.Artikel 7(1) Das gesamte Schulwesen steht unter der Aufsicht des Staates.(2) Die Erziehungsberechtigten haben das Recht, über die Teilnahme des Kindes amReligionsunterricht zu bestimmen.(3) Der Religionsunterricht ist in den öffentlichen Schulen mit Ausnahme derbekenntnisfreien Schulen ordentliches Lehrfach. Unbeschadet des staatlichenAufsichtsrechtes wird der Religionsunterricht in Übereinstimmung mit denGrundsätzen der Religionsgemeinschaften erteilt. Kein Lehrer darf gegen seinenWillen verpflichtet werden, Religionsunterricht zu erteilen.(4) Das Recht zur Errichtung von privaten Schulen wird gewährleistet. PrivateSchulen als Ersatz für öffentliche Schulen bedürfen der Genehmigung des Staatesund unterstehen den Landesgesetzen. Die Genehmigung ist zu erteilen, wenn dieprivaten Schulen in ihren Lehrzielen und Einrichtungen sowie in derwissenschaftlichen Ausbildung ihrer Lehrkräfte nicht hinter den öffentlichen Schulenzurückstehen und eine Sonderung der Schüler nach den Besitzverhältnissen derEltern nicht gefördert wird. Die Genehmigung ist zu versagen, wenn diewirtschaftliche und rechtliche Stellung der Lehrkräfte nicht genügend gesichert ist.(5) Eine private Volksschule ist nur zuzulassen, wenn die Unterrichtsverwaltung einbesonderes pädagogisches Interesse anerkennt oder, auf Antrag vonErziehungsberechtigten, wenn sie als Gemeinschaftsschule, als Bekenntnis- oder

Page 7: Das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 23 ...Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland, Stuttgart 1969. Wengst, U., Staatsaufbau und Regierungspraxis 1948-1953

Weltanschauungsschule errichtet werden soll und eine öffentliche Volksschule dieserArt in der Gemeinde nicht besteht.(6) Vorschulen bleiben aufgehoben.Artikel 8(1) Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlichund ohne Waffen zu versammeln.(2) Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oderauf Grund eines Gesetzes beschränkt werden.Artikel 9(1) Alle Deutschen haben das Recht, Vereine und Gesellschaften zu bilden.(2) Vereinigungen, deren Zwecke oder deren Tätigkeit den Strafgesetzenzuwiderlaufen oder die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen denGedanken der Völkerverständigung richten, sind verboten.(3) Das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und WirtschaftsbedingungenVereinigungen zu bilden, ist für jedermann und für alle Berufe gewährleistet.Abreden, die dieses Recht einschränken oder zu behindern suchen, sind nichtig,hierauf gerichtete Maßnahmen sind rechtswidrig.Artikel 10Das Briefgeheimnis sowie das Post- und Fernmeldegeheimnis sind unverletzlich.Beschränkungen dürfen nur auf Grund eines Gesetzes angeordnet werden.Artikel 11(1) Alle Deutschen genießen Freizügigkeit im ganzen Bundesgebiet.(2) Dieses Recht darf nur durch Gesetz und nur für die Fälle eingeschränkt werden,in denen eine ausreichende Lebensgrundlage nicht vorhanden ist und derAllgemeinheit daraus besondere Lasten entstehen würden und in denen es zumSchutze der Jugend vor Verwahrlosung, zur Bekämpfung von Seuchengefahr oderum strafbaren Handlungen vorzubeugen, erforderlich ist.Artikel 12(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte freizu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz geregelt werden.(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmeneiner herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichenDienstleistungspflicht.(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehungzulässig.Artikel 13(1) Die Wohnung ist unverletzlich.(2) Durchsuchungen dürfen nur durch den Richter, bei Gefahr im Verzuge auchdurch die in den Gesetzen vorgesehenen anderen Organe angeordnet und nur in derdort vorgeschriebenen Form durchgeführt werden.(3) Eingriffe und Beschränkungen dürfen im übrigen nur zur Abwehr einer gemeinenGefahr oder einer Lebensgefahr für einzelne Personen, auf Grund eines Gesetzesauch zur Verhütung dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung,insbesondere zur Behebung der Raumnot, zur Bekämpfung von Seuchengefahr oderzum Schutze gefährdeter Jugendlicher vorgenommen werden.Artikel 14(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schrankenwerden durch die Gesetze bestimmt.(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheitdienen.(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch

Page 8: Das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 23 ...Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland, Stuttgart 1969. Wengst, U., Staatsaufbau und Regierungspraxis 1948-1953

Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß derEntschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung derInteressen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe derEntschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichtenoffen.Artikel 15Grund und Boden, Naturschätze und Produktionsmittel können zum Zwecke derVergesellschaftung durch ein Gesetz, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt,in Gemeineigentum oder in andere Formen der Gemeinwirtschaft überführt werden.Für die Entschädigung gilt Artikel 14 Absatz 3 Satz 3 und 4 entsprechend.Artikel 16(1) Die deutsche Staatsangehörigkeit darf nicht entzogen werden. Der Verlust derStaatsangehörigkeit darf nur auf Grund eines Gesetzes und gegen den Willen desBetroffenen nur dann eintreten, wenn der Betroffene dadurch nicht staatenlos wird.(2) Kein Deutscher darf an das Ausland ausgeliefert werden. Politisch Verfolgtegenießen Asylrecht.Artikel 17Jedermann hat das Recht, sich einzeln oder in Gemeinschaft mit anderen schriftlichmit Bitten oder Beschwerden an die zuständigen Stellen und an die Volksvertretungzu wenden.Artikel 18Wer die Freiheit der Meinungsäußerung, insbesondere die Pressefreiheit (Artikel 5Absatz 1), die Lehrfreiheit (Artikel 5 Absatz 3), die Versammlungsfreiheit (Artikel 8),die Vereinigungsfreiheit (Artikel 9), das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis (Artikel10), das Eigentum (Artikel 14) oder das Asylrecht (Artikel 16 Absatz 2) zum Kampfegegen die freiheitliche demokratische Grundordnung mißbraucht, verwirkt dieseGrundrechte. Die Verwirkung und ihr Ausmaß werden durch dasBundesverfassungsgericht ausgesprochen.Artikel 19(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grundeines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nichtnur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unterAngabe des Artikels nennen.(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sieihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihmder Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist derordentliche Rechtsweg gegeben.II. Der Bund und die LänderArtikel 20(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen undAbstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehendenGewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehendeGewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.Artikel 21(1) Die Parteien wirken bei der politischen Willensbildung des Volkes mit. IhreGründung ist frei. Ihre innere Ordnung muß demokratischen Grundsätzenentsprechen. Sie müssen über die Herkunft ihrer Mittel öffentlich Rechenschaft

Page 9: Das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 23 ...Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland, Stuttgart 1969. Wengst, U., Staatsaufbau und Regierungspraxis 1948-1953

geben.(2) Parteien, die nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger daraufausgehen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zubeseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, sindverfassungswidrig. Über die Frage der Verfassungswidrigkeit entscheidet dasBundesverfassungsgericht.(3) Das Nähere regeln Bundesgesetze.Artikel 22Die Bundesflagge ist schwarz-rot-gold.Artikel 23Dieses Grundgesetz gilt zunächst im Gebiete der Länder Baden, Bayern, Bremen,Groß-Berlin, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen,Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein, Württemberg-Baden undWürttemberg-Hohenzollern. In anderen Teilen Deutschlands ist es nach deren Beitrittin Kraft zu setzen.Artikel 24(1) Der Bund kann durch Gesetz Hoheitsrechte auf zwischenstaatliche Einrichtungenübertragen.(2) Der Bund kann sich zur Wahrung des Friedens einem System gegenseitigerkollektiver Sicherheit einordnen; er wird hierbei in die Beschränkungen seinerHoheitsrechte einwilligen, die eine friedliche und dauerhafte Ordnung in Europa undzwischen den Völkern der Welt herbeiführen und sichern.(3) Zur Regelung zwischenstaatlicher Streitigkeiten wird der Bund Vereinbarungenüber eine allgemeine, umfassende, obligatorische, internationaleSchiedsgerichtsbarkeit beitreten.Artikel 25Die allgemeinen Regeln des Völkerrechtes sind Bestandteil des Bundesrechtes. Siegehen den Gesetzen vor und erzeugen Rechte und Pflichten unmittelbar für dieBewohner des Bundesgebietes.Artikel 26(1) Handlungen, die geeignet sind und in der Absicht vorgenommen werden, dasfriedliche Zusammenleben der Völker zu stören, insbesondere die Führung einesAngriffskrieges vorzubereiten, sind verfassungswidrig. Sie sind unter Strafe zustellen.(2) Zur Kriegführung bestimmte Waffen dürfen nur mit Genehmigung derBundesregierung hergestellt, befördert und in Verkehr gebracht werden. Das Nähereregelt ein Bundesgesetz.Artikel 27Alle deutschen Kauffahrteischiffe bilden eine einheitliche Handelsflotte.Artikel 28(1) Die verfassungsmäßige Ordnung in den Ländern muß den Grundsätzen desrepublikanischen, demokratischen und sozialen Rechtsstaates im Sinne diesesGrundgesetzes entsprechen. In den Ländern, Kreisen und Gemeinden muß das Volkeine Vertretung haben, die aus allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen undgeheimen Wahlen hervorgegangen ist. In Gemeinden kann an die Stelle einergewählten Körperschaft die Gemeindeversammlung treten.(2) Den Gemeinden muß das Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten derörtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln.Auch die Gemeindeverbände haben im Rahmen ihres gesetzlichenAufgabenbereiches nach Maßgabe der Gesetze das Recht der Selbstverwaltung.(3) Der Bund gewährleistet, daß die verfassungsmäßige Ordnung der Länder den

Page 10: Das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 23 ...Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland, Stuttgart 1969. Wengst, U., Staatsaufbau und Regierungspraxis 1948-1953

Grundrechten und den Bestimmungen der Absätze 1 und 2 entspricht.Artikel 29(1) Das Bundesgebiet ist unter Berücksichtigung der landsmannschaftlichenVerbundenheit, der geschichtlichen und kulturellen Zusammenhänge, derwirtschaftlichen Zweckmäßigkeit und des sozialen Gefüges durch Bundesgesetz neuzu gliedern. Die Neugliederung soll Länder schaffen, die nach Größe undLeistungsfähigkeit die ihnen obliegenden Aufgaben wirksam erfüllen können.(2) In Gebietsteilen, die bei der Neubildung der Länder nach dem 8. Mai 1945 ohneVolksabstimmung ihre Landeszugehörigkeit geändert haben, kann binnen einesJahres nach Inkrafttreten des Grundgesetzes durch Volksbegehren eine bestimmteÄnderung der über die Landeszugehörigkeit getroffenen Entscheidung gefordertwerden. Das Volksbegehren bedarf der Zustimmung eines Zehntels der zu denLandtagen wahlberechtigten Bevölkerung. Kommt das Volksbegehren zustande, sohat die Bundesregierung in den Gesetzentwurf über die Neugliederung eineBestimmung über die Landeszugehörigkeit des Gebietsteiles aufzunehmen.(3) Nach Annahme des Gesetzes ist in jedem Gebiete, dessen Landeszugehörigkeitgeändert werden soll, der Teil des Gesetzes, der dieses Gebiet betrifft, zumVolksentscheid zu bringen. Ist ein Volksbegehren nach Absatz 2zustandegekommen, so ist in dem betreffenden Gebiete in jedem Falle einVolksentscheid durchzuführen.(4) Soweit dabei das Gesetz mindestens in einem Gebietsteil abgelehnt wird, ist eserneut bei dem Bundestage einzubringen. Nach erneuter Verabschiedung bedarf esinsoweit der Annahme durch Volksentscheid im gesamten Bundesgebiete.(5) Bei einem Volksentscheide entscheidet die Mehrheit der abgegebenen Stimmen.(6) Das Verfahren regelt ein Bundesgesetz. Die Neugliederung soll vor Ablauf vondrei Jahren nach Verkündung des Grundgesetzes und, falls sie als Folge desBeitrittes eines anderen Teiles von Deutschland notwendig wird, innerhalb von zweiJahren nach dem Beitritt geregelt sein.(7) Das Verfahren über jede sonstige Änderung des Gebietsbestandes der Länderregelt ein Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates und der Mehrheit derMitglieder des Bundestages bedarf.Artikel 30Die Ausübung der staatlichen Befugnisse und die Erfüllung der staatlichen Aufgabenist Sache der Länder, soweit dieses Grundgesetz keine andere Regelung trifft oderzuläßt.Artikel 31Bundesrecht bricht Landesrecht.Artikel 32(1) Die Pflege der Beziehungen zu auswärtigen Staaten ist Sache des Bundes.(2) Vor dem Abschlüsse eines Vertrages, der die besonderen Verhältnisse einesLandes berührt, ist das Land rechtzeitig zu hören.(3) Soweit die Länder für die Gesetzgebung zuständig sind, können sie mitZustimmung der Bundesregierung mit auswärtigen Staaten Verträge abschließen.Artikel 33(1) Jeder Deutsche hat in jedem Lande die gleichen staatsbürgerlichen Rechte undPflichten.(2) Jeder Deutsche hat nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistunggleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amte.(3) Der Genuß bürgerlicher und staatsbürgerlicher Rechte, die Zulassung zuöffentlichen Ämtern sowie die im öffentlichen Dienste erworbenen Rechte sindunabhängig von dem religiösen Bekenntnis. Niemandem darf aus seiner

Page 11: Das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 23 ...Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland, Stuttgart 1969. Wengst, U., Staatsaufbau und Regierungspraxis 1948-1953

Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit zu einem Bekenntnisse oder einerWeltanschauung ein Nachteil erwachsen.(4) Die Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse ist als ständige Aufgabe in der RegelAngehörigen des öffentlichen Dienstes zu übertragen, die in einemöffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis stehen.(5) Das Recht des öffentlichen Dienstes ist unter Berücksichtigung der hergebrachtenGrundsätze des Berufsbeamtentums zu regeln.Artikel 34Verletzt jemand in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes die ihmeinem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so trifft die Verantwortlichkeitgrundsätzlich den Staat oder die Körperschaft, in deren Dienst er steht. Bei Vorsatzoder grober Fahrlässigkeit bleibt der Rückgriff vorbehalten. Für den Anspruch aufSchadensersatz und für den Rückgriff darf der ordentliche Rechtsweg nichtausgeschlossen werden.Artikel 35Alle Behörden des Bundes und der Länder leisten sich gegenseitig Rechts- undAmtshilfe.Artikel 36Bei den obersten Bundesbehörden sind Beamte aus allen Ländern inangemessenem Verhältnis zu verwenden. Die bei den übrigen Bundesbehördenbeschäftigten Personen sollen in der Regel aus dem Lande genommen werden, indem sie tätig sind.Artikel 37(1) Wenn ein Land die ihm nach dem Grundgesetze oder einem anderenBundesgesetze obliegenden Bundespflichten nicht erfüllt, kann die Bundesregierungmit Zustimmung des Bundesrates die notwendigen Maßnahmen treffen, um das Landim Wege des Bundeszwanges zur Erfüllung seiner Pflichten anzuhalten.(2) Zur Durchführung des Bundeszwanges hat die Bundesregierung oder ihrBeauftragter das Weisungsrecht gegenüber allen Ländern und ihren Behörden.III. Der BundestagArtikel 38(1) Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages werden in allgemeiner,unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl gewählt. Sie sind Vertreter desganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissenunterworfen.(2) Wahlberechtigt ist, wer das einundzwanzigste, wählbar, wer dasfünfundzwanzigste Lebensjahr vollendet hat.(3) Das Nähere bestimmt ein Bundesgesetz.Artikel 39(1) Der Bundestag wird auf vier Jahre gewählt. Seine Wahlperiode endet vier Jahrenach dem ersten Zusammentritt oder mit seiner Auflösung. Die Neuwahl findet imletzten Vierteljahr der Wahlperiode statt, im Falle der Auflösung spätestens nachsechzig Tagen.(2) Der Bundestag tritt spätestens am dreißigsten Tage nach der Wahl, jedoch nichtvor dem Ende der Wahlperiode des letzten Bundestages zusammen.(3) Der Bundestag bestimmt den Schluß und den Wiederbeginn seiner Sitzungen.Der Präsident des Bundestages kann ihn früher einberufen. Er ist hierzu verpflichtet,wenn ein Drittel der Mitglieder, der Bundespräsident oder der Bundeskanzler esverlangen.Artikel 40(1) Der Bundestag wählt seinen Präsidenten, dessen Stellvertreter und die

Page 12: Das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 23 ...Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland, Stuttgart 1969. Wengst, U., Staatsaufbau und Regierungspraxis 1948-1953

Schriftführer. Er gibt sich eine Geschäftsordnung.(2) Der Präsident übt das Hausrecht und die Polizeigewalt im Gebäude desBundestages aus. Ohne seine Genehmigung darf in den Räumen des Bundestageskeine Durchsuchung oder Beschlagnahme stattfinden.Artikel 41(1) Die Wahlprüfung ist Sache des Bundestages. Er entscheidet auch, ob einAbgeordneter des Bundestages die Mitgliedschaft verloren hat.(2) Gegen die Entscheidung des Bundestages ist die Beschwerde an dasBundesverfassungsgericht zulässig.(3) Das Nähere regelt ein Bundesgesetz.Artikel 42(1) Der Bundestag verhandelt öffentlich. Auf Antrag eines Zehntels seiner Mitgliederoder auf Antrag der Bundesregierung kann mit Zweidrittelmehrheit die Öffentlichkeitausgeschlossen werden. Über den Antrag wird in nichtöffentlicher Sitzungentschieden.(2) Zu einem Beschlusse des Bundestages ist die Mehrheit der abgegebenenStimmen erforderlich, soweit dieses Grundgesetz nichts anderes bestimmt. Für dievom Bundestage vorzunehmenden Wahlen kann die Geschäftsordnung Ausnahmenzulassen.(3) Wahrheitsgetreue Berichte über die öffentlichen Sitzungen des Bundestages undseiner Ausschüsse bleiben von jeder Verantwortlichkeit frei.Artikel 43(1) Der Bundestag und seine Ausschüsse können die Anwesenheit jedes Mitgliedesder Bundesregierung verlangen.(2) Die Mitglieder des Bundesrates und der Bundesregierung sowie ihre Beauftragtenhaben zu allen Sitzungen des Bundestages und seiner Ausschüsse Zutritt. Siemüssen jederzeit gehört werden.Artikel 44(1) Der Bundestag hat das Recht und auf Antrag eines Viertels seiner Mitglieder diePflicht, einen Untersuchungsausschuß einzusetzen, der in öffentlicher Verhandlungdie erforderlichen Beweise erhebt. Die Öffentlichkeit kann ausgeschlossen werden.(2) Auf Beweiserhebungen finden die Vorschriften über den Strafprozeß sinngemäßAnwendung. Das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis bleibt unberührt.(3) Gerichte und Verwaltungsbehörden sind zur Rechts- und Amtshilfe verpflichtet.(4) Die Beschlüsse der Untersuchungsausschüsse sind der richterlichen Erörterungentzogen. In der Würdigung und Beurteilung des der Untersuchung zugrundeliegenden Sachverhaltes sind die Gerichte frei.Artikel 45(1) Der Bundestag bestellt einen ständigen Ausschuß, der die Rechte desBundestages gegenüber der Bundesregierung zwischen zwei Wahlperioden zuwahren hat. Der ständige Ausschuß hat auch die Rechte einesUntersuchungsausschusses.(2) Weitergehende Befugnisse, insbesondere das Recht der Gesetzgebung, derWahl des Bundeskanzlers und der Anklage des Bundespräsidenten stehen demständigen Ausschuß nicht zu.Artikel 46(1) Ein Abgeordneter darf zu keiner Zeit wegen seiner Abstimmung oder wegen einerÄußerung, die er im Bundestage oder in einem seiner Ausschüsse getan hat,gerichtlich oder dienstlich verfolgt oder sonst außerhalb des Bundestages zurVerantwortung gezogen werden. Dies gilt nicht für verleumderische Beleidigungen.(2) Wegen einer mit Strafe bedrohten Handlung darf ein Abgeordneter nur mit

Page 13: Das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 23 ...Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland, Stuttgart 1969. Wengst, U., Staatsaufbau und Regierungspraxis 1948-1953

Genehmigung des Bundestage zur Verantwortung gezogen oder verhaftet werden,es sei denn, daß er bei Begehung der Tat oder im Laufe des folgenden Tagesfestgenommen wird.(3) Die Genehmigung des Bundestages ist ferner bei jeder anderen Beschränkungder persönlichen Freiheit eines Abgeordneten oder zur Einleitung eines Verfahrensgegen einen Abgeordneten gemäß Artikel 18 erforderlich.(4) Jedes Strafverfahren und jedes Verfahren gemäß Artikel 18 gegen einenAbgeordneten, jede Haft und jede sonstige Beschränkung seiner persönlichenFreiheit sind auf Verlangen des Bundestages auszusetzen.Artikel 47Die Abgeordneten sind berechtigt, über Personen, die ihnen in ihrer Eigenschaft alsAbgeordnete oder denen sie in dieser Eigenschaft Tatsachen anvertraut haben,sowie über diese Tatsachen selbst das Zeugnis zu verweigern. Soweit diesesZeugnisverweigerungsrecht reicht, ist die Beschlagnahme von Schriftstückenunzulässig.Artikel 48(1) Wer sich um einen Sitz im Bundestage bewirbt, hat Anspruch auf den zurVorbereitung seiner Wahl erforderlichen Urlaub.(2) Niemand darf gehindert werden, das Amt eines Abgeordneten zu übernehmenund auszuüben. Eine Kündigung oder Entlassung aus diesem Grunde ist unzulässig.(3) Die Abgeordneten haben Anspruch auf eine angemessene, ihre Unabhängigkeitsichernde Entschädigung. Sie haben das Recht der freien Benutzung allerstaatlichen Verkehrsmittel. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz.Artikel 49Für die Mitglieder des Präsidiums und des ständigen Ausschusses sowie für derenerste Stellvertreter gelten die Artikel 46, 47 und die Absätze 2 und 3 des Artikels 48auch für die Zeit zwischen zwei Wahlperioden.IV. Der BundesratArtikel 50Durch den Bundesrat wirken die Länder bei der Gesetzgebung und Verwaltung desBundes mit.Artikel 51(1) Der Bundesrat besteht aus Mitgliedern der Regierungen der Länder, die siebestellen und abberufen. Sie können durch andere Mitglieder ihrer Regierungenvertreten werden.(2) Jedes Land hat mindestens drei Stimmen, Länder mit mehr als zwei MillionenEinwohner haben vier, Länder mit mehr als sechs Millionen Einwohner fünf Stimmen.(3) Jedes Land kann so viele Mitglieder entsenden, wie es Stimmen hat. DieStimmen eines Landes können nur einheitlich und nur durch anwesende Mitgliederoder deren Vertreter abgegeben werden.Artikel 52(1) Der Bundesrat wählt seinen Präsidenten auf ein Jahr.(2) Der Präsident beruft den Bundesrat ein. Er hat ihn einzuberufen, wenn dieVertreter von mindestens zwei Ländern oder die Bundesregierung es verlangen.(3) Der Bundesrat faßt seine Beschlüsse mit mindestens der Mehrheit seinerStimmen. Er gibt sich eine Geschäftsordnung. Er verhandelt öffentlich. DieÖffentlichkeit kann ausgeschlossen werden.(4) Den Ausschüssen des Bundesrates können andere Mitglieder oder Beauftragteder Regierungen der Länder angehören.Artikel 53Die Mitglieder der Bundesregierung haben das Recht und auf Verlangen die Pflicht,

Page 14: Das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 23 ...Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland, Stuttgart 1969. Wengst, U., Staatsaufbau und Regierungspraxis 1948-1953

an den Verhandlungen des Bundesrates und seiner Ausschüsse teilzunehmen. Siemüssen jederzeit gehört werden. Der Bundesrat ist von der Bundesregierung überdie Führung der Geschäfte auf dem Laufenden zu halten.V. Der BundespräsidentArtikel 54(1) Der Bundespräsident wird ohne Aussprache von der Bundesversammlunggewählt. Wählbar ist jeder Deutsche, der das Wahlrecht zum Bundestage besitzt unddas vierzigste Lebensjahr vollendet hat.(2) Das Amt des Bundespräsidenten dauert fünf Jahre. Anschließende Wiederwahlist nur einmal zulässig.(3) Die Bundesversammlung besteht aus den Mitgliedern des Bundestages und einergleichen Anzahl von Mitgliedern, die von den Volksvertretungen der Länder nach denGrundsätzen der Verhältniswahl gewählt werden.(4) Die Bundesversammlung tritt spätestens dreißig Tage vor Ablauf der Amtszeitdes Bundespräsidenten, bei vorzeitiger Beendigung spätestens dreißig Tage nachdiesem Zeitpunkt zusammen. Sie wird von dem Präsidenten des Bundestageseinberufen.(5) Nach Ablauf der Wahlperiode beginnt die Frist des Absatzes 4 Satz 1 mit demersten Zusammentritt des Bundestages.(6) Gewählt ist, wer die Stimmen der Mehrheit der Mitglieder derBundesversammlung erhält. Wird diese Mehrheit in zwei Wahlgängen von keinemBewerber erreicht, so ist gewählt, wer in einem weiteren Wahlgang die meistenStimmen auf sich vereinigt.(7) Das Nähere regelt ein Bundesgesetz.Artikel 55(1) Der Bundespräsident darf weder der Regierung noch einer gesetzgebendenKörperschaft des Bundes oder eines Landes angehören.(2) Der Bundespräsident darf kein anderes besoldetes Amt, kein Gewerbe undkeinen Beruf ausüben und weder der Leitung noch dem Aufsichtsrate eines aufErwerb gerichteten Unternehmens angehören.Artikel 56Der Bundespräsident leistet bei seinem Amtsantritt vor den versammelten Mitgliederndes Bundestages und des Bundesrates folgenden Eid:"Ich schwöre, daß ich meine Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinenNutzen mehren, Schaden von ihm wenden, das Grundgesetz und die Gesetze desBundes wahren und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen undGerechtigkeit gegen jedermann üben werde. So wahr mir Gott helfe."Der Eid kann auch ohne religiöse Beteuerung geleistet werden.Artikel 57Die Befugnisse des Bundespräsidenten werden im Falle seiner Verhinderung oderbei vorzeitiger Erledigung des Amtes durch den Präsidenten des Bundesrateswahrgenommen.Artikel 58Anordnungen und Verfügungen des Bundespräsidenten bedürfen zu ihrer Gültigkeitder Gegenzeichnung durch den Bundeskanzler oder durch den zuständigenBundesminister. Dies gilt nicht für die Ernennung und Entlassung desBundeskanzlers, die Auflösung des Bundestages gemäß Artikel 63 und dasErsuchen gemäß Artikel 69 Absatz 3.Artikel 59(1) Der Bundespräsident vertritt den Bund völkerrechtlich. Er schließt im Namen desBundes die Verträge mit auswärtigen Staaten. Er beglaubigt und empfängt die

Page 15: Das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 23 ...Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland, Stuttgart 1969. Wengst, U., Staatsaufbau und Regierungspraxis 1948-1953

Gesandten.(2) Verträge, welche die politischen Beziehungen des Bundes regeln oder sich aufGegenstände der Bundesgesetzgebung beziehen, bedürfen der Zustimmung oderder Mitwirkung der jeweils für die Bundesgesetzgebung zuständigen Körperschaftenin der Form eines Bundesgesetzes. Für Verwaltungsabkommen gelten dieVorschriften über die Bundesverwaltung entsprechend.Artikel 60(1) Der Bundespräsident ernennt und entläßt die Bundesrichter und dieBundesbeamten, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist.(2) Er übt im Einzelfalle für den Bund das Begnadigungsrecht aus.(3) Er kann diese Befugnisse auf andere Behörden übertragen.(4) Die Absätze 2 bis 4 des Artikels 46 finden auf den Bundespräsidentenentsprechende Anwendung.Artikel 61(1) Der Bundestag oder der Bundesrat können den Bundespräsidenten wegenvorsätzlicher Verletzung des Grundgesetzes oder eines anderen Bundesgesetzesvor dem Bundesverfassungsgericht anklagen. Der Antrag auf Erhebung der Anklagemuß von mindestens einem Viertel der Mitglieder des Bundestages oder einemViertel der Stimmen des Bundesrates gestellt werden. Der Beschluß auf Erhebungder Anklage bedarf der Mehrheit von zwei Dritteln der Mitglieder des Bundestagesoder von zwei Dritteln der Stimmen des Bundesrates. Die Anklage wird von einemBeauftragten der anklagenden Körperschaft vertreten.(2) Stellt das Bundesverfassungsgericht fest, daß der Bundespräsident einervorsätzlichen Verletzung des Grundgesetzes oder eines anderen Bundesgesetzesschuldig ist, so kann es ihn des Amtes für verlustig erklären. Durch einstweiligeAnordnung kann es nach der Erhebung der Anklage bestimmen, daß er an derAusübung seines Amtes verhindert ist.VI. Die BundesregierungArtikel 62Die Bundesregierung besteht aus dem Bundeskanzler und aus den Bundesministern.Artikel 63(1) Der Bundeskanzler wird auf Vorschlag des Bundespräsidenten vom Bundestageohne Aussprache gewählt.(2) Gewählt ist, wer die Stimmen der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages aufsich vereinigt. Der Gewählte ist vom Bundespräsidenten zu ernennen.(3) Wird der Vorgeschlagene nicht gewählt, so kann der Bundestag binnen vierzehnTagen nach dem Wahlgange mit mehr als der Hälfte seiner Mitglieder einenBundeskanzler wählen.(4) Kommt eine Wahl innerhalb dieser Frist nicht zustande, so findet unverzüglich einneuer Wahlgang statt, in dem gewählt ist, wer die meisten Stimmen erhält. Vereinigtder Gewählte die Stimmen der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages auf sich, somuß der Bundespräsident ihn binnen sieben Tagen nach der Wahl ernennen.Erreicht der Gewählte diese Mehrheit nicht, so hat der Bundespräsident binnensieben Tagen entweder ihn zu ernennen oder den Bundestag aufzulösen.Artikel 64(1) Die Bundesminister werden auf Vorschlag des Bundeskanzlers vomBundespräsidenten ernannt und entlassen.(2) Der Bundeskanzler und die Bundesminister leisten bei der Amtsübernahme vordem Bundestage den in Artikel 56 vorgesehenen Eid.Artikel 65Der Bundeskanzler bestimmt die Richtlinien der Politik und trägt dafür die

Page 16: Das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 23 ...Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland, Stuttgart 1969. Wengst, U., Staatsaufbau und Regierungspraxis 1948-1953

Verantwortung. Innerhalb dieser Richtlinien leitet jeder Bundesminister seinenGeschäftsbereich selbständig und unter eigener Verantwortung. ÜberMeinungsverschiedenheiten zwischen den Bundesministern entscheidet dieBundesregierung. Der Bundeskanzler leitet ihre Geschäfte nach einer von derBundesregierung beschlossenen und vom Bundespräsidenten genehmigtenGeschäftsordnung.Artikel 66Der Bundeskanzler und die Bundesminister dürfen kein anderes besoldetes Amt,kein Gewerbe und keinen Beruf ausüben und weder der Leitung noch ohneZustimmung des Bundestages dem Aufsichtsrate eines auf Erwerb gerichtetenUnternehmens angehören.Artikel 67(1) Der Bundestag kann dem Bundeskanzler das Mißtrauen nur dadurchaussprechen, daß er mit der Mehrheit seiner Mitglieder einen Nachfolger wählt undden Bundespräsidenten ersucht, den Bundeskanzler zu entlassen. DerBundespräsident muß dem Ersuchen entsprechen und den Gewählten ernennen.(2) Zwischen dem Antrage und der Wahl müssen achtundvierzig Stunden liegen.Artikel 68(1) Findet ein Antrag des Bundeskanzlers, ihm das Vertrauen auszusprechen, nichtdie Zustimmung der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages, so kann derBundespräsident auf Vorschlag des Bundeskanzlers binnen einundzwanzig Tagenden Bundestag auflösen. Das Recht zur Auflösung erlischt, sobald der Bundestag mitder Mehrheit seiner Mitglieder einen anderen Bundeskanzler wählt.(2) Zwischen dem Antrage und der Abstimmung müssen achtundvierzig Stundenliegen.Artikel 69(1) Der Bundeskanzler ernennt einen Bundesminister zu seinem Stellvertreter.(2) Das Amt des Bundeskanzlers oder eines Bundesministers endigt in jedem Fallemit dem Zusammentritt eines neuen Bundestages, das Amt eines Bundesministersauch mit jeder anderen Erledigung des Amtes des Bundeskanzlers.(3) Auf Ersuchen des Bundespräsidenten ist der Bundeskanzler, auf Ersuchen desBundeskanzlers oder des Bundespräsidenten ein Bundesminister verpflichtet, dieGeschäfte bis zur Ernennung seines Nachfolgers weiterzuführen.VII. Die Gesetzgebung des BundesArtikel 70(1) Die Länder haben das Recht der Gesetzgebung, soweit dieses Grundgesetz nichtdem Bunde Gesetzgebungsbefugnisse verleiht.(2) Die Abgrenzung der Zuständigkeit zwischen Bund und Ländern bemißt sich nachden Vorschriften dieses Grundgesetzes über die ausschließliche und diekonkurrierende Gesetzgebung.Artikel 71Im Bereiche der ausschließlichen Gesetzgebung des Bundes haben die Länder dieBefugnis zur Gesetzgebung nur, wenn und soweit sie hierzu in einemBundesgesetze ausdrücklich ermächtigt werden.Artikel 72(1) Im Bereiche der konkurrierenden Gesetzgebung haben die Länder die Befugniszur Gesetzgebung, solange und soweit der Bund von seinem Gesetzgebungsrechtekeinen Gebrauch macht.(2) Der Bund hat in diesem Bereiche das Gesetzgebungsrecht, soweit ein Bedürfnisnach bundesgesetzlicher Regelung besteht, weil1. eine Angelegenheit durch die Gesetzgebung einzelner Länder nicht wirksam

Page 17: Das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 23 ...Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland, Stuttgart 1969. Wengst, U., Staatsaufbau und Regierungspraxis 1948-1953

geregelt werden kann oder2. die Regelung einer Angelegenheit durch ein Landesgesetz die Interessen andererLänder oder der Gesamtheit beeinträchtigen könnte oder3. die Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftseinheit, insbesondere die Wahrung derEinheitlichkeit der Lebensverhältnisse über das Gebiet eines Landes hinaus sieerfordert.Artikel 73Der Bund hat die ausschließliche Gesetzgebung über:1. die auswärtigen Angelegenheiten;2. die Staatsangehörigkeit im Bunde;3. die Freizügigkeit, das Paßwesen, die Ein- und Auswanderung und dieAuslieferung;4. das Währungs-, Geld- und Münzwesen, Maße und Gewichte sowie dieZeitbestimmung;5. die Einheit des Zoll- und Handelsgebietes, die Handels- und Schiffahrtsverträge,die Freizügigkeit des Warenverkehrs und den Waren- und Zahlungsverkehr mit demAuslande einschließlich des Zoll- und Grenzschutzes;6. die Bundeseisenbahnen und den Luftverkehr;7. das Post- und Fernmeldewesen;8. die Rechtsverhältnisse der im Dienste des Bundes und der bundesunmittelbarenKörperschaften des öffentlichen Rechtes stehenden Personen;9. den gewerblichen Rechtsschutz, das Urheberrecht und das Verlagsrecht;10. die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in der Kriminalpolizei und inAngelegenheiten des Verfassungsschutzes, die Einrichtung einesBundeskriminalpolizeiamtes sowie die internationale Verbrechensbekämpfung;11. die Statistik für Bundeszwecke.Artikel 74Die konkurrierende Gesetzgebung erstreckt sich auf folgende Gebiete:1. das bürgerliche Recht, das Strafrecht und den Strafvollzug, dieGerichtsverfassung, das gerichtliche Verfahren, die Rechtsanwaltschaft, das Notariatund die Rechtsberatung;2. das Personenstandswesen;3. das Vereins- und Versammlungsrecht;4. das Aufenthalts- und Niederlassungsrecht der Ausländer;5. den Schutz deutschen Kulturgutes gegen Abwanderung in das Ausland;6. die Angelegenheiten der Flüchtlinge und Vertriebenen;7. die öffentliche Fürsorge;8. die Staatsangehörigkeit in den Ländern;9. die Kriegsschäden und die Wiedergutmachung;10. die Versorgung der Kriegsbeschädigten und Kriegshinterbliebenen, die Fürsorgefür die ehemaligen Kriegsgefangenen und die Sorge für die Kriegsgräber;11. das Recht der Wirtschaft (Bergbau, Industrie, Energiewirtschaft, Handwerk,Gewerbe, Handel, Bank- und Börsenwesen, privatrechtliches Versicherungswesen);12. das Arbeitsrecht einschließlich der Betriebsverfassung, des Arbeitsschutzes undder Arbeitsvermittlung sowie die Sozialversicherung einschließlich derArbeitslosenversicherung;13. die Förderung der wissenschaftlichen Forschung;14. das Recht der Enteignung, soweit sie auf den Sachgebieten der Artikel 73 und 74in Betracht kommt;15. die Überführung von Grund und Boden, von Naturschätzen undProduktionsmitteln in Gemeineigentum oder in andere Formen der Gemeinwirtschaft;

Page 18: Das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 23 ...Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland, Stuttgart 1969. Wengst, U., Staatsaufbau und Regierungspraxis 1948-1953

16. die Verhütung des Mißbrauchs wirtschaftlicher Machtstellung;17. die Förderung der land- und forstwirtschaftlichen Erzeugung, die Sicherung derErnährung, die Ein- und Ausfuhr land- und forstwirtschaftlicher Erzeugnisse, dieHochsee- und Küstenfischerei und den Küstenschutz;18. den Grundstücksverkehr, das Bodenrecht und das landwirtschaftlichePachtwesen, das Wohnungswesen, das Siedlungs- und Heimstättenwesen;19. die Maßnahmen gegen gemeingefährliche und übertragbare Krankheiten beiMenschen und Tieren, die Zulassung zu ärztlichen und anderen Heilberufen und zumHeilgewerbe, den Verkehr mit Arzneien, Heil- und Betäubungsmitteln und Giften;20. den Schutz beim Verkehr mit Lebens- und Genußmitteln sowieBedarfsgegenständen, mit Futtermitteln, mit land- und forstwirtschaftlichem Saat- undPflanzgut und den Schutz der Bäume und Pflanzen gegen Krankheiten undSchädlinge;21. die Hochsee- und Küstenschiffahrt sowie die Seezeichen, die Binnenschiffahrt,den Wetterdienst, die Seewasserstraßen und die dem allgemeinen Verkehrdienenden Binnenwasserstraßen;22. den Straßenverkehr, das Kraftfahrwesen und den Bau und die Unterhaltung vonLandstraßen des Fernverkehrs;23. die Schienenbahnen, die nicht Bundeseisenbahnen sind, mit Ausnahme derBergbahnen.Artikel 75Der Bund hat das Recht, unter den Voraussetzungen des Artikels 72Rahmenvorschriften zu erlassen über:1. die Rechtsverhältnisse der im öffentlichen Dienste der Länder, Gemeinden undanderen Körperschaften des öffentlichen Rechtes stehenden Personen;2. die allgemeinen Rechtsverhältnisse der Presse und des Films;3. das Jagdwesen, den Naturschutz und die Landschaftspflege;4. die Bodenverteilung, die Raumordnung und den Wasserhaushalt;5. das Melde- und Ausweiswesen.Artikel 76(1) Gesetzesvorlagen werden beim Bundestage durch die Bundesregierung, aus derMitte des Bundestages oder durch den Bundesrat eingebracht.(2) Vorlagen der Bundesregierung sind zunächst dem Bundesrate zuzuleiten. DerBundesrat ist berechtigt, innerhalb von drei Wochen zu diesen Vorlagen Stellung zunehmen.(3) Vorlagen des Bundesrates sind dem Bundestage durch die Bundesregierungzuzuleiten. Sie hat hierbei ihre Auffassung darzulegen.Artikel 77(1) Die Bundesgesetze werden vom Bundestage beschlossen. Sie sind nach ihrerAnnahme durch den Präsidenten des Bundestages unverzüglich dem Bundesratezuzuleiten.(2) Der Bundesrat kann binnen zwei Wochen nach Eingang desGesetzesbeschlusses verlangen, daß ein aus Mitgliedern des Bundestages und desBundesrates für die gemeinsame Beratung von Vorlagen gebildeter Ausschußeinberufen wird. Die Zusammensetzung und das Verfahren dieses Ausschussesregelt eine Geschäftsordnung, die vom Bundestag beschlossen wird und derZustimmung des Bundesrates bedarf. Die in diesen Ausschuß entsandten Mitgliederdes Bundesrates sind nicht an Weisungen gebunden. Ist zu einem Gesetze dieZustimmung des Bundesrates erforderlich, so können auch der Bundestag und dieBundesregierung die Einberufung verlangen. Schlägt der Ausschuß eine Änderungdes Gesetzesbeschlusses vor, so hat der Bundestag erneut Beschluß zu fassen.

Page 19: Das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 23 ...Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland, Stuttgart 1969. Wengst, U., Staatsaufbau und Regierungspraxis 1948-1953

(3) Soweit zu einem Gesetze die Zustimmung des Bundesrates nicht erforderlich ist,kann der Bundesrat, wenn das Verfahren nach Absatz 2 beendigt ist, gegen ein vomBundestage beschlossenes Gesetz binnen einer Woche Einspruch einlegen. DieEinspruchsfrist beginnt im Falle des Absatzes 2 letzter Satz mit dem Eingange desvom Bundestage erneut gefaßten Beschlusses, in allen anderen Fällen mit demAbschlusse des Verfahrens vor dem in Absatz 2 vorgesehenen Ausschusse.(4) Wird der Einspruch mit der Mehrheit der Stimmen des Bundesrates beschlossen,so kann er durch Beschluß der Mehrheit der Mitglieder des Bundestageszurückgewiesen werden. Hat der Bundesrat den Einspruch mit einer Mehrheit vonmindestens zwei Dritteln seiner Stimmen beschlossen, so bedarf die Zurückweisungdurch den Bundestag einer Mehrheit von zwei Dritteln, mindestens der Mehrheit derMitglieder des Bundestages.Artikel 78Ein vom Bundestage beschlossenes Gesetz kommt zustande, wenn der Bundesratzustimmt, den Antrag gemäß Artikel 77 Absatz 2 nicht stellt, innerhalb der Frist desArtikels 77 Absatz 3 keinen Einspruch einlegt oder ihn zurücknimmt oder wenn derEinspruch vom Bundestage überstimmt wird.Artikel 79(1) Das Grundgesetz kann nur durch ein Gesetz geändert werden, das den Wortlautdes Grundgesetzes ausdrücklich ändert oder ergänzt.(2) Ein solches Gesetz bedarf der Zustimmung von zwei Dritteln der Mitglieder desBundestages und zwei Dritteln der Stimmen des Bundesrates.(3) Eine Änderung dieses Grundgesetzes, durch welche die Gliederung des Bundesin Länder, die grundsätzliche Mitwirkung der Länder bei der Gesetzgebung oder diein den Artikeln 1 und 20 niedergelegten Grundsätze berührt werden, ist unzulässig.Artikel 80(1) Durch Gesetz können die Bundesregierung, ein Bundesminister oder dieLandesregierungen ermächtigt werden, Rechtsverordnungen zu erlassen. Dabeimüssen Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung im Gesetze bestimmtwerden. Die Rechtsgrundlage ist in der Verordnung anzugeben. Ist durch Gesetzvorgesehen, daß eine Ermächtigung weiter übertragen werden kann, so bedarf eszur Übertragung der Ermächtigung einer Rechtsverordnung.(2) Der Zustimmung des Bundesrates bedürfen, vorbehaltlich anderweitigerbundesgesetzlicher Regelung, Rechtsverordnungen der Bundesregierung oder einesBundesministers über Grundsätze und Gebühren für die Benutzung derEinrichtungen der Bundeseisenbahnen und des Post- und Fernmeldewesens, überden Bau und Betrieb der Eisenbahnen, sowie Rechtsverordnungen auf Grund vonBundesgesetzen, die der Zustimmung des Bundesrates bedürfen oder die von denLändern im Auftrage des Bundes oder als eigene Angelegenheit ausgeführt werden.Artikel 81(1) Wird im Falle des Artikels 68 der Bundestag nicht aufgelöst, so kann derBundespräsident auf Antrag der Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesratesfür eine Gesetzesvorlage den Gesetzgebungsnotstand erklären, wenn derBundestag sie ablehnt, obwohl die Bundesregierung sie als dringlich bezeichnet hat.Das Gleiche gilt, wenn eine Gesetzesvorlage abgelehnt worden ist, obwohl derBundeskanzler mit ihr den Antrag des Artikels 68 verbunden hatte.(2) Lehnt der Bundestag die Gesetzesvorlage nach Erklärung desGesetzgebungsnotstandes erneut ab oder nimmt er sie in einer für dieBundesregierung als unannehmbar bezeichneten Fassung an, so gilt das Gesetz alszustande gekommen, soweit der Bundesrat ihm zustimmt. Das Gleiche gilt, wenn dieVorlage vom Bundestage nicht innerhalb von vier Wochen nach der erneuten

Page 20: Das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 23 ...Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland, Stuttgart 1969. Wengst, U., Staatsaufbau und Regierungspraxis 1948-1953

Einbringung verabschiedet wird.(3) Während der Amtszeit eines Bundeskanzlers kann auch jede andere vomBundestage abgelehnte Gesetzesvorlage innerhalb einer Frist von sechs Monatennach der ersten Erklärung des Gesetzgebungsnotstandes gemäß Absatz 1 und 2verabschiedet werden. Nach Ablauf der Frist ist während der Amtszeit des gleichenBundeskanzlers eine weitere Erklärung des Gesetzgebungsnotstandes unzulässig.(4) Das Grundgesetz darf durch ein Gesetz, das nach Absatz 2 zustande kommt,weder geändert, noch ganz oder teilweise außer Kraft oder außer Anwendunggesetzt werden.Artikel 82(1) Die nach den Vorschriften dieses Grundgesetzes zustande gekommenenGesetze werden vom Bundespräsidenten nach Gegenzeichnung ausgefertigt und imBundesgesetzblatte verkündet. Rechtsverordnungen werden von der Stelle, die sieerläßt, ausgefertigt und vorbehaltlich anderweitiger gesetzlicher Regelung imBundesgesetzblatte verkündet.(2) Jedes Gesetz und jede Rechtsverordnung soll den Tag des Inkrafttretensbestimmen. Fehlt eine solche Bestimmung, so treten sie mit dem vierzehnten Tagenach Ablauf des Tages in Kraft, an dem das Bundesgesetzblatt ausgegeben wordenist.VIII. Die Ausführung der Bundesgesetze und die BundesverwaltungArtikel 83Die Länder führen die Bundesgesetze als eigene Angelegenheit aus, soweit diesesGrundgesetz nichts anderes bestimmt oder zuläßt.Artikel 84(1) Führen die Länder die Bundesgesetze als eigene Angelegenheit aus, so regelnsie die Einrichtung der Behörden und das Verwaltungsverfahren, soweit nichtBundesgesetze mit Zustimmung des Bundesrates etwas anderes bestimmen.(2) Die Bundesregierung kann mit Zustimmung des Bundesrates allgemeineVerwaltungsvorschriften erlassen.(3) Die Bundesregierung übt die Aufsicht darüber aus, daß die Länder dieBundesgesetze dem geltenden Rechte gemäß ausführen. Die Bundesregierung kannzu diesem Zwecke Beauftragte zu den obersten Landesbehörden entsenden, mitderen Zustimmung und, falls diese Zustimmung versagt wird, mit Zustimmung desBundesrates auch zu den nachgeordneten Behörden.(4) Werden Mängel, die die Bundesregierung bei der Ausführung der Bundesgesetzein den Ländern festgestellt hat, nicht beseitigt, so beschließt auf Antrag derBundesregierung oder des Landes der Bundesrat, ob das Land das Recht verletzthat. Gegen den Beschluß des Bundesrates kann das Bundesverfassungsgerichtangerufen werden.(5) Der Bundesregierung kann durch Bundesgesetz, das der Zustimmung desBundesrates bedarf, zur Ausführung von Bundesgesetzen die Befugnis verliehenwerden, für besondere Fälle Einzelweisungen zu erteilen. Sie sind, außer wenn dieBundesregierung den Fall für dringlich erachtet, an die obersten Landesbehörden zurichten.Artikel 85(1) Führen die Länder die Bundesgesetze im Auftrage des Bundes aus, so bleibt dieEinrichtung der Behörden Angelegenheit der Länder, soweit nicht Bundesgesetze mitZustimmung des Bundesrates etwas anderes bestimmen.(2) Die Bundesregierung kann mit Zustimmung des Bundesrates allgemeineVerwaltungsvorschriften erlassen. Sie kann die einheitliche Ausbildung der Beamtenund Angestellten regeln. Die Leiter der Mittelbehörden sind mit ihrem Einvernehmen

Page 21: Das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 23 ...Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland, Stuttgart 1969. Wengst, U., Staatsaufbau und Regierungspraxis 1948-1953

zu bestellen.(3) Die Landesbehörden unterstehen den Weisungen der zuständigen oberstenBundesbehörden. Die Weisungen sind, außer wenn die Bundesregierung es fürdringlich erachtet, an die obersten Landesbehörden zu richten. Der Vollzug derWeisung ist durch die obersten Landesbehörden sicherzustellen.(4) Die Bundesaufsicht erstreckt sich auf Gesetzmäßigkeit und Zweckmäßigkeit derAusführung. Die Bundesregierung kann zu diesem Zwecke Bericht und Vorlage derAkten verlangen und Beauftragte zu allen Behörden entsenden.Artikel 86Führt der Bund die Gesetze durch bundeseigene Verwaltung oder durchbundesunmittelbare Körperschaften oder Anstalten des öffentlichen Rechtes aus, soerläßt die Bundesregierung, soweit nicht das Gesetz Besonderes vorschreibt, dieallgemeinen Verwaltungsvorschriften. Sie regelt, soweit das Gesetz nichts anderesbestimmt, die Einrichtung der Behörden.Artikel 87(1) In bundeseigener Verwaltung mit eigenem Verwaltungsunterbau werden geführtder Auswärtige Dienst, die Bundesfinanzverwaltung, die Bundeseisenbahnen, dieBundespost und nach Maßgabe des Artikels 89 die Verwaltung derBundeswasserstraßen und der Schiffahrt. Durch Bundesgesetz könnenBundesgrenzschutzbehörden, Zentralstellen für das polizeiliche Auskunfts- undNachrichtenwesen, zur Sammlung von Unterlagen für Zwecke desVerfassungsschutzes und für die Kriminalpolizei eingerichtet werden.(2) Als bundesunmittelbare Körperschaften des öffentlichen Rechtes werdendiejenigen sozialen Versicherungsträger geführt, deren Zuständigkeitsbereich sichüber das Gebiet eines Landes hinaus erstreckt.(3) Außerdem können für Angelegenheiten, für die dem Bunde die Gesetzgebungzusteht, selbständige Bundesoberbehörden und neue bundesunmittelbareKörperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechtes durch Bundesgesetz errichtetwerden. Erwachsen dem Bunde auf Gebieten, für die ihm die Gesetzgebung zusteht,neue Aufgaben, so können bei dringendem Bedarf bundeseigene Mittel- undUnterbehörden mit Zustimmung des Bundesrates und der Mehrheit der Mitgliederdes Bundestages errichtet werden.Artikel 88Der Bund errichtet eine Währungs- und Notenbank als Bundesbank.Artikel 89(1) Der Bund ist Eigentümer der bisherigen Reichswasserstraßen.(2) Der Bund verwaltet die Bundeswasserstraßen durch eigene Behörden. Er nimmtdie über den Bereich eines Landes hinausgehenden staatlichen Aufgaben derBinnenschiffahrt und die Aufgaben der Seeschiffahrt wahr, die ihm durch Gesetzübertragen werden. Er kann die Verwaltung von Bundeswasserstraßen, soweit sie imGebiete eines Landes liegen, diesem Lande auf Antrag als Auftragsverwaltungübertragen. Berührt eine Wasserstraße das Gebiet mehrerer Länder, so kann derBund das Land beauftragen, für das die beteiligten Länder es beantragen.(3) Bei der Verwaltung, dem Ausbau und dem Neubau von Wasserstraßen sind dieBedürfnisse der Landeskultur und der Wasserwirtschaft im Einvernehmen mit denLändern zu wahren.Artikel 90(1) Der Bund ist Eigentümer der bisherigen Reichsautobahnen und Reichsstraßen.(2) Die Länder oder die nach Landesrecht zuständigenSelbstverwaltungskörperschaften verwalten die Bundesautobahnen und sonstigenBundesstraßen des Fernverkehrs im Auftrage des Bundes.

Page 22: Das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 23 ...Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland, Stuttgart 1969. Wengst, U., Staatsaufbau und Regierungspraxis 1948-1953

(3) Auf Antrag eines Landes kann der Bund Bundesautobahnen und sonstigeBundesstraßen des Fernverkehrs, soweit sie im Gebiet dieses Landes liegen, inbundeseigene Verwaltung übernehmen.Artikel 91(1) Zur Abwehr einer drohenden Gefahr für den Bestand oder die freiheitlichedemokratische Grundordnung des Bundes oder eines Landes kann ein Land diePolizeikräfte anderer Länder anfordern.(2) Ist das Land, in dem die Gefahr droht, nicht selbst zur Bekämpfung der Gefahrbereit oder in der Lage, so kann die Bundesregierung die Polizei in diesem Landeund die Polizeikräfte anderer Länder ihren Weisungen unterstellen. Die Anordnungist nach Beseitigung der Gefahr, im übrigen jederzeit auf Verlangen des Bundesratesaufzuheben.IX. Die RechtsprechungArtikel 92Die rechtsprechende Gewalt ist den Richtern anvertraut; sie wird durch dasBundesverfassungsgericht, durch das Oberste Bundesgericht, durch die in diesemGrundgesetze vorgesehenen Bundesgerichte und durch die Gerichte der Länderausgeübt.Artikel 93(1) Das Bundesverfassungsgericht entscheidet:1. über die Auslegung dieses Grundgesetzes aus Anlaß von Streitigkeiten über denUmfang der Rechte und Pflichten eines obersten Bundesorgans oder andererBeteiligter, die durch dieses Grundgesetz oder in der Geschäftsordnung einesobersten Bundesorgans mit eigenen Rechten ausgestattet sind;2. bei Meinungsverschiedenheiten oder Zweifeln über die förmliche und sachlicheVereinbarkeit von Bundesrecht oder Landesrecht mit diesem Grundgesetze oder dieVereinbarkeit von Landesrecht mit sonstigem Bundesrechte auf Antrag derBundesregierung, einer Landesregierung oder eines Drittels der Mitglieder desBundestages;3. bei Meinungsverschiedenheiten über Rechte und Pflichten des Bundes und derLänder, insbesondere bei der Ausführung von Bundesrecht durch die Länder und beider Ausübung der Bundesaufsicht;4. in anderen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten zwischen dem Bunde und denLändern, zwischen verschiedenen Ländern oder innerhalb eines Landes, soweit nichtein anderer Rechtsweg gegeben ist;5. in den übrigen in diesem Grundgesetze vorgesehenen Fällen.(2) Das Bundesverfassungsgericht wird ferner in den ihm sonst durch Bundesgesetzzugewiesenen Fällen tätig.Artikel 94(1) Das Bundesverfassungsgericht besteht aus Bundesrichtern und anderenMitgliedern. Die Mitglieder des Bundesverfassungsgerichtes werden je zur Hälftevom Bundestage und vom Bundesrate gewählt. Sie dürfen weder dem Bundestage,dem Bundesrate, der Bundesregierung noch entsprechenden Organen eines Landesangehören.(2) Ein Bundesgesetz regelt seine Verfassung und das Verfahren und bestimmt, inwelchen Fällen seine Entscheidungen Gesetzeskraft haben.Artikel 95(1) Zur Wahrung der Einheit des Bundesrechts wird ein Oberstes Bundesgerichterrichtet.(2) Das Oberste Bundesgericht entscheidet in Fällen, deren Entscheidung für dieEinheitlichkeit der Rechtsprechung der oberen Bundesgerichte von grundsätzlicher

Page 23: Das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 23 ...Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland, Stuttgart 1969. Wengst, U., Staatsaufbau und Regierungspraxis 1948-1953

Bedeutung ist.(3) Über die Berufung der Richter des Obersten Bundesgerichtes entscheidet derBundesjustizminister gemeinsam mit einem Richterwahlausschuß, der aus denLandesjustizministern und einer gleichen Anzahl von Mitgliedern besteht, die vomBundestage gewählt werden.(4) Im übrigen werden die Verfassung des Obersten Bundesgerichts und seinVerfahren durch Bundesgesetz geregelt.Artikel 96(1) Für das Gebiet der ordentlichen, der Verwaltungs-, der Finanz-, der Arbeits- undSozialgerichtsbarkeit sind obere Bundesgerichte zu errichten.(2) Auf die Richter der oberen Bundesgerichte findet Artikel 95 Absatz 3 mit derMaßgabe Anwendung, daß an die Stelle des Bundesjustizministers und derLandesjustizminister die für das jeweilige Sachgebiet zuständigen Minister treten.Ihre Dienstverhältnisse sind durch besonderes Bundesgesetz zu regeln.(3) Der Bund kann für Dienststrafverfahren gegen Bundesbeamte und BundesrichterBundesdienststrafgerichte errichten.Artikel 97(1) Die Richter sind unabhängig und nur dem Gesetze unterworfen.(2) Die hauptamtlich und planmäßig endgültig angestellten Richter können widerihren Willen nur kraft richterlicher Entscheidung und nur aus Gründen und unter denFormen, welche die Gesetze bestimmen, vor Ablauf ihrer Amtszeit entlassen oderdauernd oder zeitweise ihres Amtes enthoben oder an eine andere Stelle oder in denRuhestand versetzt werden. Die Gesetzgebung kann Altersgrenzen festsetzen, beideren Erreichung auf Lebenszeit angestellte Richter in den Ruhestand treten. BeiVeränderung der Einrichtung der Gerichte oder ihrer Bezirke können Richter an einanderes Gericht versetzt oder aus dem Amte entfernt werden, jedoch nur unterBelassung des vollen Gehaltes.Artikel 98(1) Die Rechtsstellung der Bundesrichter ist durch besonderes Bundesgesetz zuregeln.(2) Wenn ein Bundesrichter im Amte oder außerhalb des Amtes gegen dieGrundsätze des Grundgesetzes oder gegen die verfassungsmäßige Ordnung einesLandes verstößt, so kann das Bundesverfassungsgericht mit Zweidrittelmehrheit aufAntrag des Bundestages anordnen, daß der Richter in ein anderes Amt oder in denRuhestand zu versetzen ist. Im Falle eines vorsätzlichen Verstoßes kann aufEntlassung erkannt werden.(3) Die Rechtsstellung der Richter in den Ländern ist durch besondereLandesgesetze zu regeln. Der Bund kann Rahmenvorschriften erlassen.(4) Die Länder können bestimmen, daß über die Anstellung der Richter in denLändern der Landesjustizminister gemeinsam mit einem Richterwahlausschußentscheidet.(5) Die Länder können für Landesrichter eine Absatz 2 entsprechende Regelungtreffen. Geltendes Landesverfassungsrecht bleibt unberührt. Die Entscheidung übereine Richteranklage steht dem Bundesverfassungsgericht zu.Artikel 99Dem Bundesverfassungsgerichte kann durch Landesgesetz die Entscheidung vonVerfassungsstreitigkeiten innerhalb eines Landes, den oberen Bundesgerichten fürden letzten Rechtszug die Entscheidung in solchen Sachen zugewiesen werden, beidenen es sich um die Anwendung von Landesrecht handelt.Artikel 100(1) Hält ein Gericht ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung

Page 24: Das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 23 ...Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland, Stuttgart 1969. Wengst, U., Staatsaufbau und Regierungspraxis 1948-1953

ankommt, für verfassungswidrig, so ist das Verfahren auszusetzen und, wenn es sichum die Verletzung der Verfassung eines Landes handelt, die Entscheidung des fürVerfassungsstreitigkeiten zuständigen Gerichtes des Landes, wenn es sich um dieVerletzung dieses Grundgesetzes handelt, die Entscheidung desBundesverfassungsgerichtes einzuholen. Dies gilt auch, wenn es sich um dieVerletzung dieses Grundgesetzes durch Landesrecht oder um die Unvereinbarkeiteines Landesgesetzes mit einem Bundesgesetze handelt.(2) Ist in einem Rechtsstreite zweifelhaft, ob eine Regel des VölkerrechtesBestandteil des Bundesrechtes ist und ob sie unmittelbar Rechte und Pflichten fürden Einzelnen erzeugt (Artikel 25), so hat das Gericht die Entscheidung desBundesverfassungsgerichtes einzuholen.(3) Will das Verfassungsgericht eines Landes bei der Auslegung des Grundgesetzesvon einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes oder desVerfassungsgerichtes eines anderen Landes abweichen, so hat dasVerfassungsgericht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen;will es bei der Auslegung von sonstigem Bundesrechte von der Entscheidung desObersten Bundesgerichtes oder eines oberen Bundesgerichtes abweichen, so hat esdie Entscheidung des Obersten Bundesgerichtes einzuholen.Artikel 101(1) Ausnahmegerichte sind unzulässig. Niemand darf seinem gesetzlichen Richterentzogen werden.(2) Gerichte für besondere Sachgebiete können nur durch Gesetz errichtet werden.Artikel 102Die Todesstrafe ist abgeschafft.Artikel 103(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war,bevor die Tat begangen wurde.(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetzemehrmals bestraft werden.Artikel 104(1) Die Freiheit der Person kann nur auf Grund eines förmlichen Gesetzes und nurunter Beachtung der darin vorgeschriebenen Formen beschränkt werden.Festgehaltene Personen dürfen weder seelisch noch körperlich mißhandelt werden.(2) Über die Zulässigkeit und Fortdauer einer Freiheitsentziehung hat nur der Richterzu entscheiden. Bei jeder nicht auf richterlicher Anordnung beruhendenFreiheitsentziehung ist unverzüglich eine richterliche Entscheidung herbeizuführen.Die Polizei darf aus eigener Machtvollkommenheit niemanden länger als bis zumEnde des Tages nach dem Ergreifen in eigenem Gewahrsam halten. Das Nähere istgesetzlich zu regeln.(3) Jeder wegen des Verdachtes einer strafbaren Handlung vorläufigFestgenommene ist spätestens am Tage nach der Festnahme dem Richtervorzuführen, der ihm die Gründe der Festnahme mitzuteilen, ihn zu vernehmen undihm Gelegenheit zu Einwendungen zu geben hat. Der Richter hat unverzüglichentweder einen mit Gründen versehenen schriftlichen Haftbefehl zu erlassen oder dieFreilassung anzuordnen.(4) Von jeder richterlichen Entscheidung über die Anordnung oder Fortdauer einerFreiheitsentziehung ist unverzüglich ein Angehöriger des Festgehaltenen oder einePerson seines Vertrauens zu benachrichtigen.X. Das FinanzwesenArtikel 105

Page 25: Das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 23 ...Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland, Stuttgart 1969. Wengst, U., Staatsaufbau und Regierungspraxis 1948-1953

(1) Der Bund hat die ausschließliche Gesetzgebung über die Zölle undFinanzmonopole.(2) Der Bund hat die konkurrierende Gesetzgebung über1. die Verbrauch- und Verkehrsteuern mit Ausnahme der Steuern mit örtlichbedingtem Wirkungskreis, insbesondere der Grunderwerbsteuer, derWertzuwachssteuer und der Feuerschutzsteuer,2. die Steuern vom Einkommen, Vermögen, von Erbschaften und Schenkungen,3. die Realsteuern mit Ausnahme der Festsetzung der Hebesätze,wenn er die Steuern ganz oder zum Teil zur Deckung der Bundesausgaben inAnspruch nimmt oder die Voraussetzungen des Artikels 72 Absatz 2 vorliegen.(3) Bundesgesetze über Steuern, deren Aufkommen den Ländern oder denGemeinden (Gemeindeverbänden) ganz oder zum Teil zufließt, bedürfen derZustimmung des Bundesrates.Artikel 106(1) Die Zölle, der Ertrag der Monopole, die Verbrauchsteuern mit Ausnahme derBiersteuer, die Beförderungsteuer, die Umsatzsteuer und einmaligen Zweckendienenden Vermögensabgaben fließen dem Bunde zu.(2) Die Biersteuer, die Verkehrsteuern mit Ausnahme der Beförderungsteuer und derUmsatzsteuer, die Einkommen- und Körperschaftsteuer, die Vermögensteuer, dieErbschaftsteuer, die Realsteuern und die Steuern mit örtlich bedingtemWirkungskreis fließen den Ländern und nach Maßgabe der Landesgesetzgebungden Gemeinden (Gemeindeverbänden) zu.(3) Der Bund kann durch Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesratesbedarf, einen Teil der Einkommen- und Körperschaftsteuer zur Deckung seiner durchandere Einkünfte nicht gedeckten Ausgaben, insbesondere zur Deckung vonZuschüssen, welche Ländern zur Deckung von Ausgaben auf dem Gebiete desSchulwesens, des Gesundheitswesens und des Wohlfahrtswesens zu gewährensind, in Anspruch nehmen.(4) Um die Leistungsfähigkeit auch der steuerschwachen Länder zu sichern und eineunterschiedliche Belastung der Länder mit Ausgaben auszugleichen, kann der BundZuschüsse gewähren und die Mittel hierfür bestimmten den Ländern zufließendenSteuern entnehmen. Durch Bundesgesetz, welches der Zustimmung desBundesrates bedarf, wird bestimmt, welche Steuern hierbei herangezogen werdenund mit welchen Beträgen und nach welchem Schlüssel die Zuschüsse an dieausgleichsberechtigten Länder verteilt werden; die Zuschüsse sind den Ländernunmittelbar zu überweisen.Artikel 107Die endgültige Verteilung der der konkurrierenden Gesetzgebung unterliegendenSteuern auf Bund und Länder soll spätestens bis zum 31. Dezember 1952 erfolgen,und zwar durch Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf. Diesgilt nicht für die Realsteuern und die Steuern mit örtlich bedingtem Wirkungskreis.Hierbei ist jedem Teil ein gesetzlicher Anspruch auf bestimmte Steuern oderSteueranteile entsprechend seinen Aufgaben einzuräumen.Artikel 108(1) Zölle, Finanzmonopole, die der konkurrierenden Gesetzgebung unterworfenenVerbrauchsteuern, die Beförderungsteuer, die Umsatzsteuer und die einmaligenVermögensabgaben werden durch Bundesfinanzbehörden verwaltet. Der Aufbaudieser Behörden und das von ihnen anzuwendende Verfahren werden durchBundesgesetz geregelt. Die Leiter der Mittelbehörden sind im Benehmen mit denLandesregierungen zu bestellen. Der Bund kann die Verwaltung der einmaligenVermögensabgaben den Landesfinanzbehörden als Auftragsverwaltung übertragen.

Page 26: Das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 23 ...Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland, Stuttgart 1969. Wengst, U., Staatsaufbau und Regierungspraxis 1948-1953

(2) Nimmt der Bund einen Teil der Einkommen- und Körperschaftsteuer für sich inAnspruch, so steht ihm insoweit die Verwaltung zu; er kann sie aber denLandesfinanzbehörden als Auftragsverwaltung übertragen.(3) Die übrigen Steuern werden durch Landesfinanzbehörden verwaltet. Der Bundkann durch Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, denAufbau dieser Behörden und das von ihnen anzuwendende Verfahren und dieeinheitliche Ausbildung der Beamten regeln. Die Leiter der Mittelbehörden sind imEinvernehmen mit der Bundesregierung zu bestellen. Die Verwaltung der denGemeinden (Gemeindeverbänden) zufließenden Steuern kann durch die Länderganz oder zum Teil den Gemeinden (Gemeindeverbänden) übertragen werden.(4) Soweit die Steuern dem Bunde zufließen, werden die Landesfinanzbehörden imAuftrage des Bundes tätig. Die Länder haften mit ihren Einkünften für eineordnungsmäßige Verwaltung dieser Steuern; der Bundesfinanzminister kann dieordnungsmäßige Verwaltung durch Bundesbevollmächtigte überwachen, welchegegenüber den Mittel- und Unterbehörden ein Weisungsrecht haben.(5) Die Finanzgerichtsbarkeit wird durch Bundesgesetz einheitlich geregelt.(6) Die allgemeinen Verwaltungsvorschriften werden durch die Bundesregierungerlassen, und zwar mit Zustimmung des Bundesrates, soweit die Verwaltung denLandesfinanzbehörden obliegt.Artikel 109Bund und Länder sind in ihrer Haushaltswirtschaft selbständig und voneinanderunabhängig.Artikel 110(1) Alle Einnahmen und Ausgaben des Bundes müssen für jedes Rechnungsjahrveranschlagt und in den Haushaltsplan eingesetzt werden.(2) Der Haushaltsplan wird vor Beginn des Rechnungsjahres durch Gesetzfestgestellt. Er ist in Einnahme und Ausgabe auszugleichen. Die Ausgaben werden inder Regel für ein Jahr bewilligt; sie können in besonderen Fällen auch für einenlängeren Zeitraum bewilligt werden. Im übrigen dürfen in das Bundeshaushaltsgesetzkeine Vorschriften aufgenommen werden, die über das Rechnungsjahr hinausgehenoder sich nicht auf die Einnahmen und Ausgaben des Bundes oder seinerVerwaltung beziehen.(3) Das Vermögen und die Schulden sind in einer Anlage des Haushaltsplanesnachzuweisen.(4) Bei kaufmännisch eingerichteten Betrieben des Bundes brauchen nicht dieeinzelnen Einnahmen und Ausgaben, sondern nur das Endergebnis in denHaushaltsplan eingestellt zu werden.Artikel 111(1) Ist bis zum Schluß eines Rechnungsjahres der Haushaltsplan für das folgendeJahr nicht durch Gesetz festgestellt, so ist bis zu seinem Inkrafttreten dieBundesregierung ermächtigt, alle Ausgaben zu leisten, die nötig sind,a) um gesetzlich bestehende Einrichtungen zu erhalten und gesetzlich beschlosseneMaßnahmen durchzuführen,b) um die rechtlich begründeten Verpflichtungen des Bundes zu erfüllen,c) um Bauten, Beschaffungen und sonstige Leistungen fortzusetzen oder Beihilfenfür diese Zwecke weiter zu gewähren, sofern durch den Haushaltsplan einesVorjahres bereits Beträge bewilligt worden sind.(2) Soweit nicht auf besonderem Gesetze beruhende Einnahmen aus Steuern,Abgaben und sonstigen Quellen oder die Betriebsmittelrücklage die Ausgaben unterAbsatz 1 decken, darf die Bundesregierung die zur Aufrechterhaltung derWirtschaftsführung erforderlichen Mittel bis zur Höhe eines Viertels der Endsumme

Page 27: Das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 23 ...Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland, Stuttgart 1969. Wengst, U., Staatsaufbau und Regierungspraxis 1948-1953

des abgelaufenen Haushaltsplanes im Wege des Kredits flüssig machen.Artikel 112Haushaltsüberschreitungen und außerplanmäßige Ausgaben bedürfen derZustimmung des Bundesministers der Finanzen. Sie darf nur im Falle einesunvorhergesehenen und unabweisbaren Bedürfnisses erteilt werden.Artikel 113Beschlüsse des Bundestages und des Bundesrates, welche die von derBundesregierung vorgeschlagenen Ausgaben des Haushaltsplanes erhöhen oderneue Ausgaben in sich schließen oder für die Zukunft mit sich bringen, bedürfen derZustimmung der Bundesregierung.Artikel 114(1) Der Bundesminister der Finanzen hat dem Bundestage und dem Bundesrate überalle Einnahmen und Ausgaben sowie über das Vermögen und die Schulden jährlichRechnung zu legen.(2) Die Rechnung wird durch einen Rechnungshof, dessen Mitglieder richterlicheUnabhängigkeit besitzen, geprüft. Die allgemeine Rechnung und eine Übersicht überdas Vermögen und die Schulden sind dem Bundestage und dem Bundesrate imLaufe des nächsten Rechnungsjahres mit den Bemerkungen des Rechnungshofeszur Entlastung der Bundesregierung vorzulegen. Die Rechnungsprüfung wird durchBundesgesetz geregelt.Artikel 115Im Wege des Kredites dürfen Geldmittel nur bei außerordentlichem Bedarf und in derRegel nur für Ausgaben zu werbenden Zwecken und nur auf Grund einesBundesgesetzes beschafft werden. Kreditgewährungen und Sicherheitsleistungen zuLasten des Bundes, deren Wirkung über ein Rechnungsjahr hinausgeht, dürfen nurauf Grund eines Bundesgesetzes erfolgen. In dem Gesetze muß die Höhe desKredites oder der Umfang der Verpflichtung, für die der Bund die Haftung übernimmt,bestimmt sein.XI. Übergangs- und SchlußbestimmungenArtikel 116(1) Deutscher im Sinne dieses Grundgesetzes ist vorbehaltlich anderweitigergesetzlicher Regelung, wer die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt oder alsFlüchtling oder Vertriebener deutscher Volkszugehörigkeit oder als dessen Ehegatteoder Abkömmling in dem Gebiete des Deutschen Reiches nach dem Stande vom 31.Dezember 1937 Aufnahme gefunden hat.(2) Frühere deutsche Staatsangehörige, denen zwischen dem 30. Januar 1933 unddem 8. Mai 1945 die Staatsangehörigkeit aus politischen, rassischen oder religiösenGründen entzogen worden ist, und ihre Abkömmlinge sind auf Antrag wiedereinzubürgern. Sie gelten als nicht ausgebürgert, sofern sie nach dem 8. Mai 1945ihren Wohnsitz in Deutschland genommen haben und nicht einen entgegengesetztenWillen zum Ausdruck gebracht haben.Artikel 117(1) Das dem Artikel 3 Absatz 2 entgegenstehende Recht bleibt bis zu seinerAnpassung an diese Bestimmung des Grundgesetzes in Kraft, jedoch nicht längerals bis zum 31. März 1953.(2) Gesetze, die das Recht der Freizügigkeit mit Rücksicht auf die gegenwärtigeRaumnot einschränken, bleiben bis zu ihrer Aufhebung durch Bundesgesetz in Kraft.Artikel 118Die Neugliederung in dem die Länder Baden, Württemberg-Baden undWürttemberg-Hohenzollern umfassenden Gebiete kann abweichend von denVorschriften des Artikels 29 durch Vereinbarung der beteiligten Länder erfolgen.

Page 28: Das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 23 ...Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland, Stuttgart 1969. Wengst, U., Staatsaufbau und Regierungspraxis 1948-1953

Kommt eine Vereinbarung nicht zustande, so wird die Neugliederung durchBundesgesetz geregelt, das eine Volksbefragung vorsehen muß.Artikel 119In Angelegenheiten der Flüchtlinge und Vertriebenen, insbesondere zu ihrerVerteilung auf die Länder, kann bis zu einer bundesgesetzlichen Regelung dieBundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates Verordnungen mit Gesetzeskrafterlassen. Für besondere Fälle kann dabei die Bundesregierung ermächtigt werden,Einzelweisungen zu erteilen. Die Weisungen sind außer bei Gefahr im Verzuge andie obersten Landesbehörden zu richten.Artikel 120(1) Der Bund trägt die Aufwendungen für Besatzungskosten und die sonstigeninneren und äußeren Kriegsfolgelasten nach näherer Bestimmung einesBundesgesetzes und die Zuschüsse zu den Lasten der Sozialversicherung mitEinschluß der Arbeitslosenversicherung und der Arbeitslosenfürsorge.(2) Die Einnahmen gehen auf den Bund zu demselben Zeitpunkte über, an dem derBund die Ausgaben übernimmt.Artikel 121Mehrheit der Mitglieder des Bundestages und der Bundesversammlung im Sinnedieses Grundgesetzes ist die Mehrheit ihrer gesetzlichen Mitgliederzahl.Artikel 122(1) Vom Zusammentritt des Bundestages an werden die Gesetze ausschließlich vonden in diesem Grundgesetze anerkannten gesetzgebenden Gewalten beschlossen.(2) Gesetzgebende und bei der Gesetzgebung beratend mitwirkendeKörperschaften, deren Zuständigkeit nach Absatz 1 endet, sind mit diesem Zeitpunktaufgelöst.Artikel 123(1) Recht aus der Zeit vor dem Zusammentritt des Bundestages gilt fort, soweit esdem Grundgesetze nicht widerspricht.(2) Die vom Deutschen Reich abgeschlossenen Staatsverträge, die sich aufGegenstände beziehen, für die nach diesem Grundgesetze die Landesgesetzgebungzuständig ist, bleiben, wenn sie nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen gültig sind undfortgelten, unter Vorbehalt aller Rechte und Einwendungen der Beteiligten in Kraft,bis neue Staatsverträge durch die nach diesem Grundgesetze zuständigen Stellenabgeschlossen werden oder ihre Beendigung auf Grund der in ihnen enthaltenenBestimmungen anderweitig erfolgt.Artikel 124Recht, das Gegenstände der ausschließenden Gesetzgebung des Bundes betrifft,wird innerhalb seines Geltungsbereiches Bundesrecht.Artikel 125Recht, das Gegenstände der konkurrierenden Gesetzgebung des Bundes betrifft,wird innerhalb seines Geltungsbereiches Bundesrecht,1. soweit es innerhalb einer oder mehrerer Besatzungszonen einheitlich gilt,2. soweit es sich um Recht handelt, durch das nach dem 8. Mai 1945 früheresReichsrecht abgeändert worden ist.Artikel 126Meinungsverschiedenheiten über das Fortgelten von Recht als Bundesrechtentscheidet das Bundesverfassungsgericht.Artikel 127Die Bundesregierung kann mit Zustimmung der Regierungen der beteiligten LänderRecht der Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebietes, soweit es nach Artikel124 oder 125 als Bundesrecht fortgilt, innerhalb eines Jahres nach Verkündung

Page 29: Das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 23 ...Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland, Stuttgart 1969. Wengst, U., Staatsaufbau und Regierungspraxis 1948-1953

dieses Grundgesetzes in den Ländern Baden, Groß-Berlin, Rheinland-Pfalz undWürttemberg-Hohenzollern in Kraft setzen.Artikel 128Soweit fortgeltendes Recht Weisungsrechte im Sinne des Artikels 84 Absatz 5vorsieht, bleiben sie bis zu einer anderweitigen gesetzlichen Regelung bestehen.Artikel 129(1) Soweit in Rechtsvorschriften, die als Bundesrecht fortgelten, eine Ermächtigungzum Erlasse von Rechtsverordnungen oder allgemeinen Verwaltungsvorschriftensowie zur Vornahme von Verwaltungsakten enthalten ist, geht sie auf die nunmehrsachlich zuständigen Stellen über. In Zweifelsfällen entscheidet die Bundesregierungim Einvernehmen mit dem Bundesrate; die Entscheidung ist zu veröffentlichen.(2) Soweit in Rechtsvorschriften, die als Landesrecht fortgelten, eine solcheErmächtigung enthalten ist, wird sie von den nach Landesrecht zuständigen Stellenausgeübt.(3) Soweit Rechtsvorschriften im Sinne der Absätze 1 und 2 zu ihrer Änderung oderErgänzung oder zum Erlaß von Rechtsvorschriften anstelle von Gesetzenermächtigen, sind diese Ermächtigungen erloschen.(4) Die Vorschriften der Absätze 1 und 2 gelten entsprechend, soweit inRechtsvorschriften auf nicht mehr geltende Vorschriften oder nicht mehr bestehendeEinrichtungen verwiesen ist.Artikel 130(1) Verwaltungsorgane und sonstige der öffentlichen Verwaltung oder Rechtspflegedienende Einrichtungen, die nicht auf Landesrecht oder Staatsverträgen zwischenLändern beruhen, sowie die Betriebsvereinigung der südwestdeutschenEisenbahnen und der Verwaltungsrat für das Post- und Fernmeldewesen für dasfranzösische Besatzungsgebiet unterstehen der Bundesregierung. Diese regelt mitZustimmung des Bundesrates die Überführung, Auflösung oder Abwicklung.(2) Oberster Disziplinarvorgesetzter der Angehörigen dieser Verwaltungen undEinrichtungen ist der zuständige Bundesminister.(3) Nicht landesunmittelbare und nicht auf Staatsverträgen zwischen den Ländernberuhende Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechtes unterstehen derAufsicht der zuständigen obersten Bundesbehörde.Artikel 131Die Rechtsverhältnisse von Personen einschließlich der Flüchtlinge undVertriebenen, die am 8. Mai 1945 im öffentlichen Dienste standen, aus anderen alsbeamten- oder tarifrechtlichen Gründen ausgeschieden sind und bisher nicht odernicht ihrer früheren Stellung entsprechend verwendet werden, sind durchBundesgesetz zu regeln. Entsprechendes gilt für Personen einschließlich derFlüchtlinge und Vertriebenen, die am 8. Mai 1945 versorgungsberechtigt waren undaus anderen als beamten- oder tarifrechtlichen Gründen keine oder keineentsprechende Versorgung mehr erhalten. Bis zum Inkrafttreten desBundesgesetzes können vorbehaltlich anderweitiger landesrechtlicher RegelungRechtsansprüche nicht geltend gemacht werden.Artikel 132(1) Beamte und Richter, die im Zeitpunkte des Inkrafttretens dieses Grundgesetzesauf Lebenszeit angestellt sind, können binnen sechs Monaten nach dem erstenZusammentritt des Bundestages in den Ruhestand oder Wartestand oder in ein Amtmit niedrigerem Diensteinkommen versetzt werden, wenn ihnen die persönliche oderfachliche Eignung für ihr Amt fehlt. Auf Angestellte, die in einem unkündbarenDienstverhältnis stehen, findet diese Vorschrift entsprechende Anwendung. BeiAngestellten, deren Dienstverhältnis kündbar ist, können über die tarifmäßige

Page 30: Das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 23 ...Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland, Stuttgart 1969. Wengst, U., Staatsaufbau und Regierungspraxis 1948-1953

Regelung hinausgehende Kündigungsfristen innerhalb der gleichen Frist aufgehobenwerden.(2) Diese Bestimmung findet keine Anwendung auf Angehörige des öffentlichenDienstes, die von den Vorschriften über die "Befreiung von Nationalsozialismus undMilitarismus" nicht betroffen oder die anerkannte Verfolgte des Nationalsozialismussind, sofern nicht ein wichtiger Grund in ihrer Person vorliegt.(3) Den Betroffenen steht der Rechtsweg gemäß Artikel 19 Absatz 4 offen.(4) Das Nähere bestimmt eine Verordnung der Bundesregierung, die derZustimmung des Bundesrates bedarf.Artikel 133Der Bund tritt in die Rechte und Pflichten der Verwaltung des VereinigtenWirtschaftsgebietes ein.Artikel 134(1) Das Vermögen des Reiches wird grundsätzlich Bundesvermögen.(2) Soweit es nach seiner ursprünglichen Zweckbestimmung überwiegend fürVerwaltungsaufgaben bestimmt war, die nach diesem Grundgesetze nichtVerwaltungsaufgaben des Bundes sind, ist es unentgeltlich auf die nunmehrzuständigen Aufgabenträger und, soweit es nach seiner gegenwärtigen, nicht nurvorübergehenden Benutzung Verwaltungsaufgaben dient, die nach diesemGrundgesetze nunmehr von den Ländern zu erfüllen sind, auf die Länder zuübertragen. Der Bund kann auch sonstiges Vermögen den Ländern übertragen.(3) Vermögen, das dem Reich von den Ländern und Gemeinden(Gemeindeverbänden) unentgeltlich zur Verfügung gestellt wurde, wird wiederumVermögen der Länder und Gemeinden (Gemeindeverbände), soweit es nicht derBund für eigene Verwaltungsaufgaben benötigt.(4) Das Nähere regelt ein Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesratesbedarf.Artikel 135(1) Hat sich nach dem 8. Mai 1945 bis zum Inkrafttreten dieses Grundgesetzes dieLandeszugehörigkeit eines Gebietes geändert, so steht in diesem Gebiete dasVermögen des Landes, dem das Gebiet angehört hat, dem Lande zu, dem es jetztangehört.(2) Das Vermögen nicht mehr bestehender Länder und nicht mehr bestehenderanderer Körperschaften- und Anstalten des öffentlichen Rechtes geht, soweit esnach seiner ursprünglichen Zweckbestimmung überwiegend fürVerwaltungsaufgaben bestimmt war, oder nach seiner gegenwärtigen, nicht nurvorübergehenden Benutzung überwiegend Verwaltungsaufgaben dient, auf das Landoder die Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechtes über, die nunmehr dieseAufgaben erfüllen.(3) Grundvermögen nicht mehr bestehender Länder geht einschließlich desZubehörs, soweit es nicht bereits zu Vermögen im Sinne des Absatzes 1 gehört, aufdas Land über, in dessen Gebiet es belegen ist.(4) Sofern ein überwiegendes Interesse des Bundes oder das besondere Interesseeines Gebietes es erfordert, kann durch Bundesgesetz eine von den Absätzen l bis 3abweichende Regelung getroffen werden.(5) Im übrigen wird die Rechtsnachfolge und die Auseinandersetzung, soweit sienicht bis zum 1. Januar 1952 durch Vereinbarung zwischen den beteiligten Ländernoder Körperschaften oder Anstalten des öffentlichen Rechtes erfolgt, durchBundesgesetz geregelt, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf.(6) Beteiligungen des ehemaligen Landes Preußen an Unternehmen des privatenRechtes gehen auf den Bund über. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz, das auch

Page 31: Das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 23 ...Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland, Stuttgart 1969. Wengst, U., Staatsaufbau und Regierungspraxis 1948-1953

Abweichendes bestimmen kann.(7) Soweit über Vermögen, das einem Lande oder einer Körperschaft oder Anstaltdes öffentlichen Rechtes nach den Absätzen l bis 3 zufallen würde, von dem danachBerechtigten durch ein Landesgesetz, auf Grund eines Landesgesetzes oder inanderer Weise bei Inkrafttreten des Grundgesetzes verfügt worden war, gilt derVermögensübergang als vor der Verfügung erfolgt.Artikel 136(1) Der Bundesrat tritt erstmalig am Tage des ersten Zusammentrittes desBundestages zusammen.(2) Bis zur Wahl des ersten Bundespräsidenten werden dessen Befugnisse von demPräsidenten des Bundesrates ausgeübt. Das Recht der Auflösung des Bundestagessteht ihm nicht zu.Artikel 137(1) Die Wählbarkeit von Beamten, Angestellten des öffentlichen Dienstes undRichtern im Bunde, in den Ländern und den Gemeinden kann gesetzlich beschränktwerden.(2) Für die Wahl des ersten Bundestages, der ersten Bundesversammlung und desersten Bundespräsidenten der Bundesrepublik gilt das vom Parlamentarischen Ratzu beschließende Wahlgesetz.(3) Die dem Bundesverfassungsgerichte gemäß Artikel 41 Absatz 2 zustehendeBefugnis wird bis zu seiner Errichtung von dem Deutschen Obergericht für dasVereinigte Wirtschaftsgebiet wahrgenommen, das nach Maßgabe seinerVerfahrensordnung entscheidet.Artikel 138Änderungen der Einrichtungen des jetzt bestehenden Notariats in den LändernBaden, Bayern, Württemberg-Baden und Württemberg-Hohenzollern bedürfen derZustimmung der Regierungen dieser Länder.Artikel 139Die zur "Befreiung des deutschen Volkes vom Nationalsozialismus und Militarismus"erlassenen Rechtsvorschriften werden von den Bestimmungen diesesGrundgesetzes nicht berührt.Artikel 140Die Bestimmungen der Artikel 136, 137, 138, 139 und 141 der deutschen Verfassungvom 11. August 1919 sind Bestandteil dieses Grundgesetzes.Artikel 141Artikel 7 Absatz 3 Satz 1 findet keine Anwendung in einem Lande, in dem am 1.Januar 1949 eine andere landesrechtliche Regelung bestand.Artikel 142Ungeachtet der Vorschrift des Artikels 31 bleiben Bestimmungen derLandesverfassungen auch insoweit in Kraft, als sie in Übereinstimmung mit denArtikeln 1 bis 18 dieses Grundgesetzes Grundrechte gewährleisten.Artikel 143(1) Wer mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt die verfassungsmäßige Ordnungdes Bundes oder eines Landes ändert, den Bundespräsidenten der ihm nach diesemGrundgesetze zustehenden Befugnisse beraubt oder mit Gewalt oder durchgefährliche Drohung nötigt oder hindert, sie überhaupt oder in einem bestimmtenSinne auszuüben, oder ein zum Bunde oder einem Lande gehöriges Gebiet losreißt,wird mit lebenslangem Zuchthaus oder Zuchthaus nicht unter zehn Jahren bestraft.(2) Wer zu einer Handlung im Sinne des Absatzes 1 öffentlich auffordert oder sie miteinem anderen verabredet oder in anderer Weise vorbereitet, wird mit Zuchthaus biszu zehn Jahren bestraft.

Page 32: Das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 23 ...Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland, Stuttgart 1969. Wengst, U., Staatsaufbau und Regierungspraxis 1948-1953

(3) In minder schweren Fällen kann in den Fällen des Absatzes 1 auf Zuchthaus nichtunter zwei Jahren, in den Fällen des Absatzes 2 auf Gefängnis nicht unter einemJahr erkannt werden.(4) Wer aus freien Stücken seine Tätigkeit aufgibt oder bei Beteiligung mehrerer dieverabredete Handlung verhindert, kann nicht nach den Vorschriften der Absätze 1 bis3 bestraft werden.(5) Für die Aburteilung ist, sofern die Handlung sich ausschließlich gegen dieverfassungsmäßige Ordnung eines Landes richtet, mangels anderweitigerlandesrechtlicher Regelung das für Strafsachen zuständige oberste Gericht desLandes zuständig. Im übrigen ist das Oberlandesgericht zuständig, in dessen Bezirkdie erste Bundesregierung ihren Sitz hat.(6) Die vorstehenden Vorschriften gelten bis zu einer anderweitigen Regelung durchBundesgesetz.Artikel 144(1) Dieses Grundgesetz bedarf der Annahme durch die Volksvertretungen in zweiDritteln der deutschen Länder, in denen es zunächst gelten soll.(2) Soweit die Anwendung dieses Grundgesetzes in einem der in Artikel 23aufgeführten Länder oder in einem Teile eines dieser Länder Beschränkungenunterliegt, hat das Land oder der Teil des Landes das Recht, gemäß Artikel 38Vertreter in den Bundestag und gemäß Artikel 50 Vertreter in den Bundesrat zuentsenden.Artikel 145(1) Der Parlamentarische Rat stellt in öffentlicher Sitzung unter Mitwirkung derAbgeordneten Groß-Berlins die Annahme dieses Grundgesetzes fest, fertigt es ausund verkündet es.(2) Dieses Grundgesetz tritt mit Ablauf des Tages der Verkündung in Kraft.(3) Es ist im Bundesgesetzblatte zu veröffentlichen.Artikel 146Dieses Grundgesetz verliert seine Gültigkeit an dem Tage, an dem eine Verfassungin Kraft tritt, die von dem deutschen Volke in freier Entscheidung beschlossenworden ist.Bonn am Rhein, am 23. Mai 1949.Dr. AdenauerPräsident des Parlamentarischen RatesSchönfelder 1. VizepräsidentDr. Schäfer 2. VizepräsidentHier nach: Bundesgesetzblatt, 1949, Nr. 1, S. 1-19.

FaksimileDie 38 Faksimile werden nicht mit ausgedruckt.Hier nach: Bundesgesetzblatt, 1949, Nr. 1, S. 1-19.

Quelle: http://1000dok.digitale-sammlungen.de/dok_0014_gru.pdfDatum: 20. September 2011 um 14:49:43 Uhr CEST.

© BSB München