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Abhandlungen. Aus dem Institut fiir Tierphysiologie und Tieremahrung der Universitjit Gottingen. Direktor: Prof. Dr. W. Lenkeit. Das Schicksal des Harnstoffs der Amidflocken im Pansen. Von W. Lenkeit und M. Becker. Seit mehreren Jahrzehnten beschaftigt die Frage der Verwertung von Stickstoffverbindungen nichteiweiSartiger Natur (Amide) durch den Organismus der Wiederkauer die wissenschaftliche Forschung auf dem Gebiet der Ernahrungsphysiologie. I) Besonders war es der angenommene Aufbau von BakterieneiweiS im Pansen, der als moglicher Weg einer Verwertung der Amide in Frage kam. AuSer- ordentlich viele experimentelle Arbeiten wurden unternomrnen, urn zu einer Kliirung dieses Problems zu gelangen. Obwohl die ver- schiedensten Wege eingeschlagen wurden, konnte indessen eine zweifels- freie Entscheidung bis jetzt nicht herbeigefiihrt werden. Unter den zahlreichen geeignet erscheinenden Stickstoffverbindungen begegnete der Harnstoff in der letzten Zeit besonderem Interesse, weil er wegen der MZiglichkeit, ihn in groSen Mengen aus einfachen organischen Rohstoffen herzustellen, aus praktischen und wirtschaftlichen Griinden am ehesten als Futtermittel in Frage kam. Allerdings ist hinreichend festgestellt, dal3 Harnstoff in zu groSen Mengen direkt verfuttert ent- weder durch Verursachung urhischer Zustandc infolge seiner rapiden Zersetzung zu Ammoniak und Kohlensiure (unter dem Einflu6 der im Pansen vorhandenen Urease) imstande war, die Tiere erheblich gesund- heitlich zu schzdigen. Man erkannte jedoch bald, daS bei einiger Vor- sicht in der Zufuhr auch erhebliche Mengen von Harnstoff @ei Schafen bis zu 40 g tzglich) ohne Gesundheitsschadigung vertragen wetden. Einige jetzt neu herausgbrachte Praparate (Amidflocken, Amidschnitzel

Das Schicksal des Harnstoffs der Amidflocken im Pansen

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Page 1: Das Schicksal des Harnstoffs der Amidflocken im Pansen

Abhandlungen.

Aus dem Institut fiir Tierphysiologie und Tieremahrung der Universitjit Gottingen.

Direktor: Prof. Dr. W. Lenkeit.

Das Schicksal des Harnstoffs der Amidflocken im Pansen.

Von W. L e n k e i t und M. B e c k e r .

Seit mehreren Jahrzehnten beschaftigt die Frage der Verwertung von Stickstoffverbindungen nichteiweiSartiger Natur (Amide) durch den Organismus der Wiederkauer die wissenschaftliche Forschung auf dem Gebiet der Ernahrungsphysiologie. I) Besonders war es der angenommene Aufbau von BakterieneiweiS im Pansen, der als moglicher Weg einer Verwertung der Amide in Frage kam. AuSer- ordentlich viele experimentelle Arbeiten wurden unternomrnen, urn zu einer Kliirung dieses Problems zu gelangen. Obwohl die ver- schiedensten Wege eingeschlagen wurden, konnte indessen eine zweifels- freie Entscheidung bis jetzt nicht herbeigefiihrt werden. Unter den zahlreichen geeignet erscheinenden Stickstoffverbindungen begegnete der Harnstoff in der letzten Zeit besonderem Interesse, weil er wegen der MZiglichkeit, ihn in groSen Mengen aus einfachen organischen Rohstoffen herzustellen, aus praktischen und wirtschaftlichen Griinden am ehesten als Futtermittel in Frage kam. Allerdings ist hinreichend festgestellt, dal3 Harnstoff in zu groSen Mengen direkt verfuttert ent- weder durch Verursachung urhischer Zustandc infolge seiner rapiden Zersetzung zu Ammoniak und Kohlensiure (unter dem Einflu6 der im Pansen vorhandenen Urease) imstande war, die Tiere erheblich gesund- heitlich zu schzdigen. Man erkannte jedoch bald, daS bei einiger Vor- sicht in der Zufuhr auch erhebliche Mengen von Harnstoff @ei Schafen bis zu 40 g ’ tzglich) ohne Gesundheitsschadigung vertragen wetden. Einige jetzt neu herausgbrachte Praparate (Amidflocken, Amidschnitzel

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98 Lenkeit und Becker:

u. dgl.) suchten einen giinstigen Effekt dadurch zu erreichen, dad Harn- stofflosungen an Kartoffelflocken u. a. angetrocknet wurden. Eine be- sonders innige Verbindung rnit dem Grundstoff, vielleicht sogar adsorptive oder chemische Bindungen sollten den Harnstoff nur ganz allmahlich in Usung gehen lassen, damit schienen die Bedingungen fur eine EiweiS- synthese durch Bakterien gunstiger zu sein als bei der Zufuhr reinen Harnstoffs, der durch seine sehr groSe Uslichkeit und Zersetzlichkeit schneller aus dem Pansen, der eigentlichen Statte der Bakterientatigkeit entfernt wird.

Es erschien uns von grundsatzlicher Wichtigkeit zu sein, einmal einwandfrei festzustellen, und zwar moglichst mittels quantitativer Ana- lyse, wie sich Harmto8 im Pansen verhalt. Es besteht kein Zweifel, dad sich harnstoff spaltende Fermente, Ureasen im Pansen finden, dies wurde erst vor kurzer Zeit in einer eingehenden Arbeit von B u n g e ') hestatigt, der in einer groderen Versuchsreihe u. a. aus einer Pansen- fistel gewonnenen und filtrierten Pansensaft auf Harnstoff einwirken lieS. Es sollte nun durch die vorliegenden Untersuchungen geklart werden, welche Verhaltnisse wir bei der Fiitterung harnstofialtigen Futters im Pansen zu gewartigen haben.

Als Untersuchungsmaterial verwandten wir Amidflocken, die zu- nlchst fur sich analysiert wurden. Dabei wurde folgender Analysengang ausgearbeitet. I g Amidflocken wurden mit 20 ccm Wasser in einem Ioo-ccm-MeSkolben einige Zeit geschiittelt, dann wurde Alkohol bis zur Marke hinzugefugt, einen Tag stehen gelassen und filtriert. Ein aliquoter Teil des nunmehr eiweid- und starkefreien Filtrats wurde vorsichtig bei niederer Temperatur eingedunstet und darin nach F o s s e mit Xanthy- drol der Harnstoff bestimmt. Auf diese Weise lieJ3 sich der Harnstoff der Amidflocken quantitativ ermitteln, er erwies sich also entgegen unseren Erwartungen keineswegs als besonders festgebunden oder schwerloslich (Tabelle I).

Die weitere Untersuchung erfolgte auf zwei Wegen. Einnial wurden Schafe mit einem bestimmten Futter, darunter Amidflocken, ge- futtert, zu verschiedenen Zeiten nach der Futterung Panseninhalt aus- gebebert und auf Harnstoff analysiert. Zweitens wurde Panseninhalt auf Amidflocken unter Bedingungen einwirken lassen, die denen im Pansen moglicbst nahe kamen (C0,-Atmosphare, Brutschrank). Nach bestimmter Zeitdauer wurde dann die Einwirkung durch Zugabe von Alkohol unter- brochen und in der Losung Harnstoff und Ammoniak bestimmt.

Ergebnisee. I. Bei den Versuchen der ersten Art, Futterung voii Amidflocken

und Untersuchung des Panseninhatts, erhielten mehrere Hammel dcr Leineschafrasse eine Futterration aus Wiesenheu, Kleeheu, Zucker- schnitzeln und Amidflocken. Zu verschiedenen Zeiten (1-3 S t u n d e n)

l) ,Med. vet. Dissertation Berlin 1937, dort auch anaftihrliche Lite-ben zum Problem1 der der kernstofipaltendkn F-ente.

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nach der Fiitterung wurde Panseninhalt ansgehebert und in der oben beschriebenen Weise auf seinen W a l t an Harnstoff gepriift. Trotz viel- facher Wiederholung wurde dabei in keinem Falle auch nur eine Spur von Harnstoff gefunden. Deshalb wurde folgende Versuchsanordnung eingehalten. Die Tiere muSten zwecks Hemmung der Pansentatigkeit Il/r Tage hungern und dann je 150 g Amidflocken fressen. 3 o M i - n u t e n nach Beendigung der Futteraufnahrne wurde Panseninhalt ent- nommen. Zur Bestimmung des Harnstoffs wurden 20 g in einem 100-ccm- MeSkolben mit Alkohol bis zur Marke aufgefiillt. Nach eintagigem Stehen wurde filtriert und 50 ccm des Filtrats (entspricht 10, g Pansen- inhalt) vorsichtig auf ein Volumen von 10 ccm eingedunstet, mit 35 ccrn Eieessig versetzt und mit Xanthydrol nach der Vorschrift von F o s s e gefallt usw. Unmittelbar nach der Entnahme wurden auch 10 g Pansen- inhalt zur Bestimmung des Gesamt-N nach K j e 1 d a h 1 und 20 g Pansen- inhalt zur Bestimmung des Ammoniaks nach F o 1 i n angesetzt.

Ergebnir d a Analysen: Berdnung auf 100 g PpwninhJ t. Hnmmel 10 . . 4 0,2577 g Geramt-N; 0,ooOOg H~rMt0ff-N; 0,0707 g N+N Hammel 12 . . . . 0,1494 g Gesamt-N; O , m g Harnatoff-N; 0,0630 g NH,-N Kontrollc: Pmsdnhdt (ohne Amidflocken) o.oo00 g Humstoff-N; 0,0070 g NH,-N

Dieser Versuch wurde in der Weise wiederholt, da6 die E n t - n a h m e von Panseninhalt u n m i t t e 1 b a r nach dem Verzehr der 150 g Amidflocken vorgenommen wurde. I) Die Analysen geschahen in gleicher Weise wie oben,

Ergebnis, bmehnet a d IOO g P.nreninh.lt. *

0,2731 g Gaamt-N; 0,0586 g Hsmrtoff-N; q0280 g NH,-N

Zweite Versuchsreihe. Panseninhalt von Tieren, die keine Amid- flocken gefressen hatten, wurden in roo-ccm-MeSkolbchen mit Amidflocken gemischt, dann wurden die Kolbchen mit gasformigem CO, gefiillt und bestimmte &it im Brutschrank bei 37 O aufbewahrt. Danach wurde rnit Alkohol zur Marke aufgefiillt und wie oben weiter behandelt. Bestimmt wurde Harnstoff- und Ammoniakgehalt. Daneben wurden als Kontroll-

T a b c l l e I. Ergebnis der Analyren.

Zeit Stmde

Material

2 g Amidflocken . . . . . . . . 2 g Amidflocken + 10 g Panseninhalt . z g Amidsocken + 10 g Pameninhalt . 2 g Amidflocken+ 10 g Panseninhait . a g Amidflocken + 10 g Pameninhalt . 2gAmid0ockcn+2occm Wurer. . agAmidaocken+aocan wsuer. . - - 10g Panseninhalt .

NH,-N

0

Zurunmen

0,1022

O,IOO9 0,0996 0~084 > 0,0882 0,1008 0,1013 o,oO06 *

l) Wir sahur drvon ab, den Tieren ehva Amidflocken durch &en Schleucb direkt in den Pansen einzubringen. -

7*

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100 Lenkeit und Becker:

T a b c l l e 2. Ergebnir der Analyren.

Material I Zeit Shmde

I

3 '1, 6

24

I g Amidflocken, 20 g P d a l t . 0,0434 o@IIg 40553 I g Amidflocken, 20 g Panseninhalt . 0,0228 0,0238 0,0466 I g &nidBocken, 20 g Panseninhalt . 0,0069 Oi0385 0,0454 I g Amidflodren, 20 g Panseninhalt . 0,o000 0,0470 0,0470

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Zusammenfaurpng. I. Der Harnstoff der Amidflocken ist wasserloslich und als solcher

nachweisbar. 2. Bei Fiitterung von Schafen mit Amidflocken lieS sich der Harn-

stoff nur unmitteibar nach der Aufnahme im Panseninhalt nach- weisen: Schon 30 Minuten danach war kein Harnstoff mehr zu finden, aber der NH,-Gehalt des Panseninhalts gegenuber der Norm betrachtlich crhoht.

3. In gleichem Sinne (Harnstoffzersetzung und NH,-Bildung) ver- liefen die Versuche in vitro.