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Dokumentation und Information 203 punktthemen weiterer Treffen gesprochen wurde. Das nachste Treffen sol1 in ca. einem Jahr wiederum im Institut fur Ge- schichte der Medizin der Robert Bosch Stiftung stattfinden. Robert Jutte Anschrift des Verfassers: Prof. Dr. Robert Jutte, Institut fur Geschichte der Medizin der Robert Bosch Stif- tung, Straufiweg 17, 7000 Stuttgart 1 Der 30. Kongrei3 der Internationalen Gesellschaft fur Geschichte der Pharmazie (IGGP) in Prag. Teilnehmer aus nahezu allen Landern Eu- ropas, aus den USA, Afrika und Sudame- rika kamen vom 15. bis 20. April 1991 in Prag zum 30. Kongrefl der Internationalen Gesellschaft fur Geschichte der Pharma- zie zusammen. Zahlenmai3ig starkste aus- landische Delegation war die deutsche. Dies widerspiegelte sich auch in der Zahl der deutschen Vortriige (25). Prag als Ort der Entspannung zwischen Ost und West sowie Schauplatz bedeuten- der geschichtlicher Ereignisse bot im dop- pelten Sinne eine ideale Kulisse fur diesen Kongrei3. Uberall in Prag, ob im Audito- rium maximum der Karlsuniversitat, im Carolinum oder im St. Agnes Convent, wurde der wissenschaftliche Gedanken- austausch iiber die Geschichte zugleich zur Begegnung mit der Geschichte. Der Kongrei3 begann mit der Vollver- sammlung der Mitglieder unter der Lei- tung von Yngve Torud (Oslo), dem Priisi- denten der IGGP. Nach den Berichten der Regionalgesellschaften uber die Hohe- punkte seit dem letzten Kongrei3 und der Finanzrevison wurde das amtierende Pd- sidium fur weitere zwei Jahre wiederge- wahlt. Schliei3lich beschloi3 die Vollver- sammlung, den nachsten Kongrei3 der IGGP 1993 in Heidelberg zu veranstalten. Die wissenschaftlichen Vortdge began- nen am 16. April nach der feierlichen Er- offnungszeremonie in zwei Horsalen des Carolinums. Die weit iiber 100 Vortdge waren nach drei inhaltlichen Kategorien geordnet worden. Pharmazeutische Museologie, Geschichte der Pharmazie, Geschichte der verwandten Wissenschaften und FZcber. Frau Kucerova (Bratislava) ging in ihrem englisch gehaltenen Vortrag auf die Ent- wicklung der pharmazeutischen Ausbil- dung in der Slovakei ein. Ebenso wie in anderen europaischen Landern erfuhr das Pharmaziestudium in der Slovakei vielfal- tige Veranderungen. Von 1806 bis 1851 dauerte die Ausbildung ein Jahr, danach auf zwei Jahre verlangert, begann ein drei- jahriger regularer Studiengang der Phar- mazie erst im Jahre 1940 an der medizini- schen Fakultat in Bratislava. An der 1952 geschaffenen Pharmazeutischen Fakultat ist bis heute ein fiinfjahriges Studium zu absolvieren. Mit besonderem Interesse nahmen die Zuhorer zur Kenntnis, dai3 funfzehn Jahre lang (1975- 1990) Pharma- zeuten in drei Spezialisierungen ausgebil- det wurden: der Allgemeinen und Klini- schen Pharmazie sowie der Pharmazeuti- schen Technologie. Heute hingegen, und damit schloi3 Frau Kucerova, ist die Phar- mazeutenausbildung, wie in den meisten Landern, universe11 und unspezialisiert. Ein Beispiel fur die weit uber die beruf- lichen Grenzen hinaus gehenden Aktivita- ten von Apothekern des 19. Jahrhunderts gab V.R. Novotny aus Prag. Sein Vortrag widmete sich Vojtech Kablik (1783-1853), der 1817 zu den Griindern der ersten che- mischen Fabrik in Osterreich gehorte. Ebenso wie viele deutsche Apotheker sei- ner Generation war Kablik aderst vielsei- tig. Er beschaftigte sich mit che- much-technologischen Problemen wie Bleicherei, Farberei und Bierbrauerei. Auch fuhrte Kablik die erste Gasbeleuch- tung in Prag ein. In seinem Abendvortrag der AcadCmie Internationale d’ Histoire de la Pharmacie Ber,Wissenschaftsgesch. 14 (1991) 197-204

Der 30. Kongreß der Internationalen Gesellschaft für Geschichte der Pharmazie (IGGP) in Prag

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Page 1: Der 30. Kongreß der Internationalen Gesellschaft für Geschichte der Pharmazie (IGGP) in Prag

Dokumentation und Information 203

punktthemen weiterer Treffen gesprochen wurde. Das nachste Treffen sol1 in ca. einem Jahr wiederum im Institut fur Ge-

schichte der Medizin der Robert Bosch Stiftung stattfinden.

Robert Jutte

Anschrift des Verfassers: Prof. Dr. Robert Jutte, Institut fur Geschichte der Medizin der Robert Bosch Stif- tung, Straufiweg 17, 7000 Stuttgart 1

Der 30. Kongrei3 der Internationalen Gesellschaft fur Geschichte der Pharmazie (IGGP) in Prag.

Teilnehmer aus nahezu allen Landern Eu- ropas, aus den USA, Afrika und Sudame- rika kamen vom 15. bis 20. April 1991 in Prag zum 30. Kongrefl der Internationalen Gesellschaft fur Geschichte der Pharma- zie zusammen. Zahlenmai3ig starkste aus- landische Delegation war die deutsche. Dies widerspiegelte sich auch in der Zahl der deutschen Vortriige (25).

Prag als Ort der Entspannung zwischen Ost und West sowie Schauplatz bedeuten- der geschichtlicher Ereignisse bot im dop- pelten Sinne eine ideale Kulisse fur diesen Kongrei3. Uberall in Prag, ob im Audito- rium maximum der Karlsuniversitat, im Carolinum oder im St. Agnes Convent, wurde der wissenschaftliche Gedanken- austausch iiber die Geschichte zugleich zur Begegnung mit der Geschichte.

Der Kongrei3 begann mit der Vollver- sammlung der Mitglieder unter der Lei- tung von Yngve Torud (Oslo), dem Priisi- denten der IGGP. Nach den Berichten der Regionalgesellschaften uber die Hohe- punkte seit dem letzten Kongrei3 und der Finanzrevison wurde das amtierende Pd- sidium fur weitere zwei Jahre wiederge- wahlt. Schliei3lich beschloi3 die Vollver- sammlung, den nachsten Kongrei3 der IGGP 1993 in Heidelberg zu veranstalten.

Die wissenschaftlichen Vortdge began- nen am 16. April nach der feierlichen Er- offnungszeremonie in zwei Horsalen des Carolinums. Die weit iiber 100 Vortdge waren nach drei inhaltlichen Kategorien geordnet worden. Pharmazeutische Museologie, Geschichte der Pharmazie, Geschichte der verwandten Wissenschaften und FZcber.

Frau Kucerova (Bratislava) ging in ihrem englisch gehaltenen Vortrag auf die Ent- wicklung der pharmazeutischen Ausbil- dung in der Slovakei ein. Ebenso wie in anderen europaischen Landern erfuhr das Pharmaziestudium in der Slovakei vielfal- tige Veranderungen. Von 1806 bis 1851 dauerte die Ausbildung ein Jahr, danach auf zwei Jahre verlangert, begann ein drei- jahriger regularer Studiengang der Phar- mazie erst im Jahre 1940 an der medizini- schen Fakultat in Bratislava. An der 1952 geschaffenen Pharmazeutischen Fakultat ist bis heute ein fiinfjahriges Studium zu absolvieren. Mit besonderem Interesse nahmen die Zuhorer zur Kenntnis, dai3 funfzehn Jahre lang (1975- 1990) Pharma- zeuten in drei Spezialisierungen ausgebil- det wurden: der Allgemeinen und Klini- schen Pharmazie sowie der Pharmazeuti- schen Technologie. Heute hingegen, und damit schloi3 Frau Kucerova, ist die Phar- mazeutenausbildung, wie in den meisten Landern, universe11 und unspezialisiert.

Ein Beispiel fur die weit uber die beruf- lichen Grenzen hinaus gehenden Aktivita- ten von Apothekern des 19. Jahrhunderts gab V.R. Novotny aus Prag. Sein Vortrag widmete sich Vojtech Kablik (1783-1853), der 1817 zu den Griindern der ersten che- mischen Fabrik in Osterreich gehorte. Ebenso wie viele deutsche Apotheker sei- ner Generation war Kablik aders t vielsei- tig. Er beschaftigte sich mit che- much-technologischen Problemen wie Bleicherei, Farberei und Bierbrauerei. Auch fuhrte Kablik die erste Gasbeleuch- tung in Prag ein.

In seinem Abendvortrag der AcadCmie Internationale d’ Histoire de la Pharmacie

Ber,Wissenschaftsgesch. 14 (1991) 197-204

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204 Berichte zur Wissenschaftsgeschichte 14 (1991): Dokumentation und Information

hob V. Rusek (Hradec Kralove) die Bemu- hungen tschechischer und deutscher, in Bohmen lebender Apotheker fur die Zu- sammenarbeit der europaischen pharma- zeutischen Gesellschaften und Vereine hervor. Diese fuhrte zu zehn zwischen 1865 und 1910 veranstalteten internationa- len Kongressen und mundete in die Griin- dung der FkdCration International Phar- maceutique.

Erfreulich groi3 war die Zahl der Bei- trage aus den romanischen Landern. P. La- brude (Nancy) sprach uber den Apothe- ker, Hochschullehrer und Industriellen Fernand Girardet (1872-1950). R. Ernest0 von der Italienischen Akademie fur Ge- schichte der Pharmazie ging in seinem Vortrag uber das Ricettario Florentio und Antidotario Mantovano auf zwei wichtige Vorlaufer der Arzneibuchliteratur ein. Be- eindruckend war die mit groi3er Begeiste- rung von A. Touwaide aus Milano vorge- tragene Biographie Dioskurides' (La bio- graphie de Dioskuride), woriiber eine leb- hafte Diskussion entstand.

E. A. Varella vom Chemischen Institut der Aristoteles-Universitat zu Thessalo- niki in Griechenland sprach uber Synesios von Ptolemais - eine Ubergangsfigur in der Geschichte der Alchemie. Synesios - Philosoph, Bischof und Alchemist - ver- korperte die Phase des Ubergangs wah- rend des 4. Jahrhunderts n. Chr. in Grie-

chenland, in welcher sich einerseits Christ- licher Glaube allmahlich durchsetzte, gleichzeitig aber hellenistische Traditio- nen bewahrt wurden. Korrespondenzen und Schriften dieses Gelehrten sind erhal- ten geblieben und widerspiegeln die Ein- flusse der antiken Goldhersteller auf Syne- sios und dessen Hauptwerk Kommentar der demokritiscben Bucber. Frau Varellas Vortrag beriicksichtigte auch die von den griechischen Alchimisten benutzten Ge- riite.

Von der eingangs erwahnten groi3en Zahl deutscher Beitrage, sollen hier nur solche erwahnt werden, die einen Bezug zur Gastgeberstadt herstellten: F. Leimku- gel (Heidelberg) ,,uber die Prager judi- schen Apothekerfamilien", Th. Lederer (Heidelberg) ,,Zur Alchemie am Prager Hofe Rudolf 11" (1552-1612), H. Becker (Munchen) ,,Die Prager Arzneitaxe von 1737 - Eine Pharmazie-, Sozial- und Wirtschaftsgeschichtliche Betrachtung" und A. Wankmiiller (Tubingen) ,,Die Pharmaziestudenten der Universitaten in Wien und Prag nach 1800".

Der Kongrei3 verdankte der guten Orga- nisation der tschechoslovakischen Phar- maziehistoriker unter der Leitung von Vaclav Rusek einen wissenschaftlich sehr interessanten und angenehmen Verlauf.

Christoph Schumann/ Christoph Friedrich

Anschrift der Verfasser: Dip].-Pharm. Christoph Schurnann/PD Dr. Christoph Friedrich, Fachrichtung Phar- mazie der Ernst-Moritz-Amdt-Universitat Greifswald, E-L.-Jahn-Str. 17, D-2203 Greifswald

Ber.Wissenschafrsgesch. 14 (1991) 197-204