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(Aus der Hygienischen Abteflung Kiel des Sanit~tsamtes der Marinestation der 0stsee. -- Leiter: Flottenarzt Dr. Nerllch.) Der Einflull der Binnenwanderung auf die Blutgruppenzusammensetzung groBsfiidtischer Beviilkerungen. Von Dr. reed. habil. Rudolf Rabl, ~[arinestabsarzt d. R. Die geographische Verteilung der Blutgruppen in Grol]deutsehland zeigt Unterschiede besonders zwischen den 5stlichen und westlichen Gebieten. ttierfiix sind zahlreiche Einzelarbeiten zuerst yon SteHan und Wellisch zusammengestellt worden, dureh die sich deutliche Unterschiede zwischen verschicdenen Bearbeitungen yon mehreren Gebieten ergaben. Die neuen Erhebungen yon Bernhart an Hand yon Untersuehungen bei dcr ~ brachtcn einen weiteren :Fortschritt, nachdem sehon yon Kerlc. ho]] eine Zusammenfassung der bisher vorliegenden Befunde vor- genommen worden war. Stets findet sieh eine H/~ufung der Blutgruppe A in den westlichen, der Blutgruppe B in den 5stliehen Gebieten Deutsch- lands. Welm aueh dureh diese Untersuehung ein klareres Verteilungsbild entstanden ist, so bleibt doch die Frage often, wodureh die seinerzeit festgestellten Unte1~ehiede zwisehen versehtedenen Bearbeitungen der. selben St~dte entstanden sind und wieweit sie iiberhaupt eindeutig ver- wertbar sind. Als Ursache~fiir die Entstehung dieser Differenzen soil d~bei im folgenden die Beeinflussung durch die Binnenwanderung hervor- gehoben werden, da deren AusmaB fiir geographiseh-t~thologisehe und epidemiologische Untersuehungen yon groi3er Bedeutung ist. GeogTaphiseh-pathologiseh betraehtet k6nnen Wanderungen zu einer Bev61kerungsmischung yon k0nstitutionell oder gesundheitlieh ver- schiedenen ~ensehengruppen fiihren. Dureh An]age oder Umwelt- wirkungen bedingen sie Unterschiede in der tt/~ufigkeit und im Verlauf yon Krankheiten-, auf die in anderem Zusammenhang hingewiesen worden ist. Vom epidemiologisehen Gesiehtspunkt aus gilt dasselbe, da hierbei Krankheitsversehleppungen eintreten und immunbiolOgisch versehiedene Populationen neben- oder inehmnder verschoben werden k6nnen. Die Blutgruppenuntersuehung gibt nun die M6gliehkeit, mi~ Hflfe eines Merk- reals Populationen nebeneinander zu untersuehen, da dieses exogen nieht beeinfluBbar is~. Auf die Grenzen dieser l~6glichkeit muB jedoeh noch eingegangen werden. Die BiImenwandertmg ist mit IIilfe der Blutgruppenbefunde sehon ~nehrfaeh untersueht worden, da aus der Verh~ltniszahl der :Blutgruppen 41"

Der Einfluß der Binnenwanderung auf die Blutgruppenzusammensetzung großstädtischer Bevölkerungen

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(Aus der Hygienischen Abteflung Kiel des Sanit~tsamtes der Marinestation der 0stsee. -- Leiter: Flottenarzt Dr. Nerllch.)

Der Einflull der Binnenwanderung auf die Blutgruppenzusammensetzung

groBsfiidtischer Beviilkerungen. Von

Dr. reed. habil. Rudolf Rabl, ~ [ a r i n e s t a b s a r z t d. R .

Die geographische Verteilung der Blutgruppen in Grol]deutsehland zeigt Unterschiede besonders zwischen den 5stlichen und westlichen Gebieten. ttierfiix sind zahlreiche Einzelarbeiten zuerst yon SteHan und Wellisch zusammengestellt worden, dureh die sich deutliche Unterschiede zwischen verschicdenen Bearbeitungen yon mehreren Gebieten ergaben. Die neuen Erhebungen yon Bernhart an Hand yon Untersuehungen bei dcr ~ brachtcn einen weiteren :Fortschritt, nachdem sehon yon Kerlc. ho]] eine Zusammenfassung der bisher vorliegenden Befunde vor- genommen worden war. Stets findet sieh eine H/~ufung der Blutgruppe A in den westlichen, der Blutgruppe B in den 5stliehen Gebieten Deutsch- lands. Welm aueh dureh diese Untersuehung ein klareres Verteilungsbild entstanden ist, so bleibt doch die Frage often, wodureh die seinerzeit festgestellten Unte1~ehiede zwisehen versehtedenen Bearbeitungen der. selben St~dte entstanden sind und wieweit sie iiberhaupt eindeutig ver- wertbar sind. Als Ursache ~ fiir die Entstehung dieser Differenzen soil d~bei im folgenden die Beeinflussung durch die Binnenwanderung hervor- gehoben werden, da deren AusmaB fiir geographiseh-t~thologisehe und epidemiologische Untersuehungen yon groi3er Bedeutung ist.

GeogTaphiseh-pathologiseh betraehtet k6nnen Wanderungen zu einer Bev61kerungsmischung yon k0nstitutionell oder gesundheitlieh ver- schiedenen ~ensehengruppen fiihren. Dureh An]age oder Umwelt- wirkungen bedingen sie Unterschiede in der tt/~ufigkeit und im Verlauf yon Krankheiten-, auf die in anderem Zusammenhang hingewiesen worden ist. Vom epidemiologisehen Gesiehtspunkt aus gilt dasselbe, da hierbei Krankheitsversehleppungen eintreten und immunbiolOgisch versehiedene Populationen neben- oder inehmnder verschoben werden k6nnen. Die Blutgruppenuntersuehung gibt nun die M6gliehkeit, mi~ Hflfe eines Merk- reals Populationen nebeneinander zu untersuehen, da dieses exogen nieht beeinfluBbar is~. Auf die Grenzen dieser l~6glichkeit muB jedoeh noch eingegangen werden.

Die BiImenwandertmg ist mit IIilfe der Blutgruppenbefunde sehon ~nehrfaeh untersueht worden, da aus der Verh~ltniszahl der :Blutgruppen

41"

616 l~udolf Rabl: Binnenwanderung

zueinander auf friihere Besiedelungen durch andersrassische Bev61ke- rungen geschlossen wurde. Christiansen hat diese beispielsweise in Sachsen verfolgt, das als Grenzgebie~ yon rassen- und blutgruppenm/~Big Ver- schiedenen BevSlkerungen hierfiir sehr geeignet ist. Holzer und Bernhart sind diesen Fragen dureh Erfassung der Familiennamen nachgegangen. Ste//an wies sogar durauf bin, dal~ durch die Blutgruppenuntersuehungen "vVanderungen in Flul~t/~lern oder Hindernisse durch Gebirge - - wie z. B. den Kaukasus - - nachweisbar werden.

Die geschiehtliche Entwicklung zeigt, dab die Binnenwanderung dureh versehiedenste Ursaehen bedingt ist und zu verschiedenen Er- gebnissen gefiihrt hat. Sie ist nicht die einzigc Ursache fOx ~nderungen der biologisehen Zusammensetzung yon Populationen. Vielmehr miissen aullerdem Auslesevorg/inge beriieksiehtigt werden.

Scheid~ wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dal3 durch auslesende Ein- fliisse in der Zeit yore 30j~hrigen Kriege bis zur Gegenwart, d.h. im Laufe yon 15 Generationen, eine erbliche Umschichtung yon der BevSlkerung der ]~lbinsel Finkenw~rder ~ingetreten ist. Um eine Auslesewirkung handelt es sich ferner bei der durch Beunholdt-Thomsen bearbeiteten Einwanderung vegetativ-labiler Menschen in die Grollsti~dte. Auch sie kann nicht durch Blutgruppenuntersuchungen erfa[lt werden, da bisher keine eindeutigen Unterschiede zwisehen Mensehen verschledener Konstitutionstypen festgestellt worden sind (Streng, Hornun9). Nut Schaer glaubt neuerdings, daI] sich Beziehungen zu den Konstitu~ionsbypen ergcben: Pykniker sollen besonders hi~ufig die Blutgruppe A und Athletiker die Blutgruppe B haben. Er glaubt, dab sich die grazilen bzw. leptosomen Konstitutionen in beiden Blut- gruppen fhlden, und zwar in Blutgruppe A h~ufig die gespannt Vitalen, in Blut- gruppe B die sog. eckig Steifen. Derartige MSglichkei~en sind aber nicht flit eine genaue Untersuchung zu verwenden, da die Befunde zu wenig eindeutig sind.

Demgegeniiber haben in der Entwicklung Deutschlands zahlreiche Wanderungen stattgefunden, die nieht durch Auslesevorg/~nge zu Be- vSlkerungsnmsehiehtungen gefiihrt haben. Sie sind teilweise durch die Blutgru~ppenuntcrsuehungen erfal~bar. Vielfach handelt es sieh um Um- siedelungen, die dutch die politischen und wirtschaftlichen Entwick- lungen 0der im Gefolge yon Kriegen eingetreten sind.

~iir den Osten seien daffir einige Beispiele herausgegriffen. Dutch Friedrich Wilhelm I. wurden Tausende yon Franken, Nassauern und Pf/ilzern sowie fran- z6siselle Schweizer und Salzburger in das dutch die Pest yon 1701 ver6dete li~auische Land geholt. ~qach dem Danziger Werder und in die Elbinger Niederung kamen seit dem 16. Jahrhundert holl&ndische Mennoniten. :FranzSsische Familien siede]ten sieh nach 1689 ebenfalls vor allem in den Sti~dten an der Ostsee~an. Aus RuBland kamen die~Philipponen, eine religiSse Sekte. Wi~hrend der pohtisehen Aufst/~nde, vor allem 1830, kamen ganze Heere nach Ost- und WestpreuBen, yon denen sich Teile ansiedelten. SchlieBlich sei an die Folgen der Kriege yon 1807 und 1812 erinnert. Die gleichen Beispiele lieBen sich fiir andere Gebiete ~nfii~'en.

Es zeigt sieh, dab bei diesen Besiedelungen nicht immer die ursprfing- lichen Bewohner vernichtet werden, sondern daI~ beide Volksgl, uppen nebeneinander wohnen kSnnen und erst sp/~ter ineinander aufgehen, sofern nieht durch Volkstum, Kirche oder Kul tur beide gesehieden bleiben.

und Blutgruppenzusammensetzung grol3stadtischer Bevflkbrungen. 617

Ffir die Stiklte gilt dasselbe. Ih r Waehsen ist an die Einwanderung geknfipft, deren St~rke und Rlchtung yon der Bedeutung der St~dte abh~ngig ist und daher im Laufe der Jahrhunder te nicht gleichbleibt. Dabei erfolgt ein Zuzug v o m Lande oder aus anderen St~dten. Keyser glaubt dabei die SchluBfolgerung ziehen zu k6nnen, dab die St~rke der Einwanderung mit der Entfernung y o n der Heimat abnimmt. Die GroB- stadtbev61kerung setzt sieh dadureh aus solchen ~ensehen zusammen, die in der Stadt und deren Umgebung geboren oder aus entfernteren Gegenden zugezogen sind. Sofern die entfernter liegenden Gebiete mengenm~Big ira Vordergrund steben, k o m m t es zu Umsiedlungen, d ie zu Vers im Charakter der st~dtisehen Bev61kerungen gegen- fiber der Provinz fiihren. I)ie Untersehiede zwischen versehiedenen St~dten werden dutch die folgenden Zahlen deutlicher:

In Frankfurt a. hr. kamen nach Angaben vpn Keyser in den Jahren 1311 bis 1350 91% der Einwanderer aus einer Entfernung yon 70 km. Im gleichen Jahr- hundert stammten in Braunschweig 75 % de~ ~Ieubfirger aus einem Umkreis yon 75 kin, in Dortmund 88 % aus der Provinz Westfalen. In Danzig mit seinen aus- gedehnten Fernhandelsbeziehungen waren dagegen im 14. Jahrhundert nur 25% der Einwanderer im damaligen PreuBen beheimatet. Auch im 18. Jahrhundert stammten yon dort nur 30%. Brepohl hat darauf hingewiesen, dab die heutige Bev61kerungszusammensetzung der Industriest~dte vom Ruhrgebiet besonders groBe Unterschiede aufweist. Polligkeit land fiir Frankfurt a. M. aul]erdem Unter- sehiede zwisehen den verschiedenen Jahren.

Aus allen diese Angaben geht hervor, dal] genau so wie in frfiheren Jahrhunder ten auch jetzt noeh dauernd vielfach unbemerkte Binnen,. wanderungen st~ttfinden, die zu Bev61kerungsumsehiehtungen ffihren. Hierdureh kann es kommen, dal~ in einer Gegend ortsfremde st~dtische PopuLutionen in Form yon Enklaven wohnem Bekannt sind diese Ver- h~Itnisse ffir das rheinisch-westf~lisehe Industriegebiet. Nieht immer aber miissen diese Wanderungen zu Verschmelzungen der Bev61kerungs- gruppen fiihren. Zahlreiehe Beispiele aus der Gesehiehte lassen sieh hier. ffir anfii_hren. Ste//an weist in diesem Zusammenhang bei der verschie- denen Blutgruppenverteflung nebeneinander wohnender VSlker auf die Monastirer spaniolischen Juden und die fibrigen Balkanbewohner bin. Ein Nebenein~nderwohnen ist mi t der angegebenen Methode jedoeh nur bei s tark verschiedenen Blutgruppenverhi~ltnissen naehweisbar, wie dies z. B. nach den Befunden yon Weszeczky, v. Dungern, Hirz/eld und Verzdr zwisehen Ungarn, deutschen Siediern und Zigeunern der Fall ist, w~hrend es nich~ ffir ~ad j a r en und Rums vorhanden zu sein seheint.

Bei der Verschmelzung der Bev61kerungen t r i t t ohne sonstige Unter- sehiede eine ~nderung der Population ein. Dureh die U~tersuehung einer gesamten BevSlkerung ist dieser Untersehied schwer festzustellen. Leiehter ist er dutch die Erfassung der wehrf~higen BevSlkerung zu er- kennen, da hierbei die landfremde wegf~llt. Unter Zugrundelegung des M ~ terials der Wehrmacht k6nnte also durch die Blntgruppenuntersuehungen

618 Rudolf Rabli Binnenwanderung

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und Blutgruppenzusammonsetzung groBstiidtiseher BevOlkerungen. 619

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eme Anderung der grol3st/idtisehen BevSl- kerung infolge der Binnenwanderung erfal3t werden. Hierzu mul3 d i e st/~dtisehe Bev61ke- rung m i t derjenigen des umgebenden. Landes vergliehen werden, wie es schon "con Gundel fiir Schleswig-Holstein gemaeht worden ist. Erg/inzend mul3 hinzugefiigt werden, daft die Einwanderungsgebie~e fiir zahlreiehe Grofl- st/idte dureh die Befunde yon Brepohl, Pollig- keit, Hallermann, Rabl, Hecke, Burkhardt, Schwidetzky, Miiller, Keyser und Ullrich fest- gestellt worden sind. Die Rieh tung der Binnen- wanderung k~nn durch die ~ Blu tgruppenunter - suchung nieht fes~geleg~ werden, da das Misehungsverh/ilmis der Wande rungs r i ch tum gen nichb auf~eilbar ist und nur W~nderungen bei versehiedenem Blu tgruppenbes tand her- vor t re ten.

Das vorhandene Material der Kieler hygienisehen Abteilung yon 47076 Befunden wurde dazu gebiets- m~13ig in groBe Bezirke gegliedert, in denen teilweise Grol3stitdte mit geniigend zahlreiehen Untersuchungen vorhanden sind. Fast immer wurde dann das Mate- rial der Stadte abgetrennt, wodurch eine ~dbersieht fiber die geographische Verteilung erreicht wurde. Soweit von Grol]stiidten geniigend zahlreiche Unter- suchnngen vorliegen, wurden diese mit den Gebieten verglichen, in denen sic liegen.

Gebietsm~13ig soU noeh erw/ihnt werden, d~13 als Siidwestdeutschland Saargebiet, Pfalz, F, lsaB, Baden und Wiirttemberg zusammengefal3~ wurden. Zum Rheinland wurde auflerdem Westfalen bis ~um Teuto. burger Wald gerechnet. Zu Westdeutschland geh6rt 6stliehes Westfalen, Lippe, Hessen und siidlicho RheinprovinZ. Als Nordwestdeutschland wurde Oldenburg, Hannover und Braunschweig, als Mittei- deutschland die Provinz Sachsen, Anhalt, Thiiringen und 'Saehsen bezeichuet.

Die Art des l~Iaterials ergibt ferner insofern eine Einsehr/~nkung, da aus einigen Gebie~en zu wenig Untersuchungen vorliegen, um sic fiir die gestellte Frage zu verwenden. Die Auswertung besehr~nkt sieh dadureh auf die.mittleren und nSrdlichen Reiehs- teile. Bei der prozentualen Auswertung wurde stets der mittlere Fehler beriicksiohtigt, um einen Ver- gleich der Werte miteinander und mit denen des Sehrifttums zu erm6gliehen. Die Blutgenfaktoren sind auf ro, Po und .qo umgereehnet. Eine Zusammenfas: sung des Gesamtmaterials wurde nieht vorgenommen,

620 Rudolf tlabl: Bi~mcnwanderung

weil seine Werte von der geographisehen Verteflung des Materials abh~ngen, so daft sic nicht mi~ anderen Bearbeigungen vergleichbar isg.

Die versehiedenen Gebiete GroBdeutsehlands zeigen naeh diesen Er- hebungen die bekannten, bereits erw~hnten Unterschiede. Im 0sten, d.h. besonders in West- nnd OstpreuBen, Posen und Sehlesien, ist die Blu~- gruppe B h~tufiger als im Westen und Siiden vertreten. Im Westen, d. h. in Siidwest- und Westdeutsehland ohne die Rheinprovinz, ist die Blu~- gruppe A vermehrt, wiihrend in West- und Ostpreul~en sowie i n Posen die Blutgruppe 0 vermindert ist. ~Absiehtlich wird auf die Grenzgebiete nicht eingegangen (Tabelle 1).

Der Vergleieh der eigenen Werte mig den Zusammenstellungen yon Kerkho[] nnd Bernhart ergibt ifir einige Gebiete zwar prozentuale Unterschiede, die aber unter Beriieksichtigung des mittleren Fehlers niehg ins Gewieht fallen, so dab sie meistens unberficksiehtigt bleiben kSnnen. Von diesem Gesiehts/)unkt aus sind aueh die Angaben yon Bernhart fiber die Bezirke ttalle-Merseburg und Salzburg zu betrachten, die sieh hinsichtlich aller ~Verte yon denjenigen der, angrenzenden Gebiete unterscheiden, obgleieh keine stammesmi~Bigen Unterschiede der BevSlke- rung vorhanden sind. Es erseheint daher gerechtfertigg, auch diese Gebiete im l~hmen der einheitliehen Verteflung der Blutgruppen in Deuschland zu betraehten. Die geringen Differenzen der eigenen Befunde gegeniiber denen yon 23ernhart lassen sieh ~ndererseits nieht dadurch erldi~ren, dab es sieh bei der ~ um ein kon- stitutionell bzw. rassem~13ig ausgewiihltes Material leptosomer Mensehen handelt.

Bei der Auswertung der Befunde ergeben sich zwischen dem Gesam%- material und dem Land h~ufig Diffcrenzen. Sie sind verschieden grol3 und in ihrer Riehtnng nicht einheitlieh. Im t~heinland und in Mittel- deutschland sind die B-Werte des Landes niedriger, in Brandenburg und Bayern hSher, in West- und Ostpreul]en sowie in Posen und Sehlesien gleieh hoch wie beim Gesamtmaterial. Fiir die ~nderen Blutgruppen gilt das entspreehende. Die ]31utgruppe 0 ist in Siidwestdeutschland beim Land niedriger, im Rheinland h6her, in Mecklenbhrg und Pommern gleich hoch wie beinl Gesamtmaterial. Werm auch diese Untersehiede nieht immcr sehr ins Gcwicht f~llen, so zeigen sie doch unter Beriick- siehtigung des mittleren Fchlers die Grenzen einer prozentualen Aus. wertung. Fiir die genaue geographische Verteilung der Blutgruppen muB also stets die Landbev61kerung als Grundlage genommen werden, ein Grundsatz, nach welehem z .B. die deutsche Gesellschaft ftir Blut- gruppenforsehung seit 15 Jahren arbeitet ~.

Der Vergle ieh der Blutgenfgktoren und -indices zeigt dasselbe {T~bel]e 2).-Auch sie ergeben die bekannte deutliehe geographische AS- hgngigkeit. Aul~erdem findet sich in West- und Mitteldeutsehland eine Steigerung des bluttypisehen Index bei der Landbev61kerung gegeniiber den Sts und in MJtteldeutschland aul~erdem eine des biochemischen Index. In B[ecklenburg, Pommern, Ost- und WestpreuSen, Posen und Schlesien sind keine wesentliehen Differenzen der Blutgenfakt~ren und -indices vorhanden. :Die Differenz zwisehen den h6chsten und niedrig- sten Werten sind etwa die gleiehen, die auch Kerkho H und Bernhart gefunden haben. Dureh diese 3 unabhi~ngig voneinander vorgenommenen

und Blu~gruppenzusammcnset, zung grol~stadl,ischer Bev61kerungen. 621

Tabelle 2. B l u ~ g e n f a k b o r e n u n d - i n d i c e s .

Siidwestdeutschland . . . . Land . . . . . . . . .

Rhe in land . . . . . . . . Land . . . . . . . . . KSln . . . . . . . . . . Duisburg . . . . . . .

E s s e n . . . . . . . . . Bochum . . . . . . . . Dor tmund . . . . . . . Dfisseldorf . . . . . . .

Westdeutschland . . . . . Land . . . . . . . . .

Nordwestdeutschland . . . L a n d . . . . . . . . :

Mit teldeutsehland . . . . . Land . . . . . . . . . Dresden . . . . . . . . Chemnitz . . . . . . . Leipzig . . . . . . . .

Brandenburg . . . . . . . Land . . . . . . . . .

Berlin . . . . . . . . . .

Hamburg . . . . . . . . . .

Schleswig-Holstein . . . . Land . . . . . . . . . Kiel . . . . . . . . . .

Mecklenburg/Pommern . . Land . : . . . . . . . , S te t t in . . . . . . . . .

West-OstpreuBen, Posen . . Land . . . . . . . . . K6nigsberg . . . . . .

Schlesien . . . . . . . . . Land . . . . . . . . . Breslau . . . . . . . .

Bayern . . . . . . . . . .

Land . . . . . . . . .

Ostmark . . . . . . . . .

Sude ten land und Pro tek to ra t

I,

E r l [ i u t e r u n g e n z u T a b e l l e 2.

I t = blu~artlicher Index (Wellisch), d . h . r ~ P____,o. r o + q o'

A B + A . 12 = biochemischer Index (Hirsz#ld), d.h. ~ B '

I s = blut~ypischer Index (WeUisch). d.h. r - - p. �9 q '

p = l O - - 1/o-+ ~ ;

q = 1 0 - - 1 / 0 - K .

6,32 3,00 0,68 1,331 4,019 4,482 6,21 3,10 0,70 1,347 3,940 4,443

6,59 2,73 . 0,68 1,312 3,392 5,676 6,63 2,71 0,65 1,283 3,729 6,031 6,30 3,05 0,65 1,345 4,276 5,000 6,51 2,56 0,93 1,219 2,517 4,247 6,57 2,66 0,77 1,259 3,070 5,078 6,28 2,82 0,90 1,268 2,726 i 3,844 6,64 2,42 0,94 1,194 2,376 [" 3,426 6,51 2,81 0,68 1,296 3,872 5,441

6,10 3,19 0,71 . 1,364 4,015 4,099 6,31 3,01 0,68 1,333 3,888 4,853

6,41 2,89 . 0,70 1,308 3,717 5,028 6,16 3,06 0,77 1,330 3,557 4,026

6,26 2,83 0,91 1,268 2,865 3,769 6,34 2,94 0,72 1,314 3,579 4,722 6,23 2,70 1,07 1,223 2,325 3,299 6,56 2,70 0,74 1,268 3,347 5,216 6,17 2,80 1,03 1,246 2,482 3,272

6,24 2,77 0,91 1,260 2,606 3,902 6,19 2,78 1,03 1,243 2,442 3,312

6,11 2,84 1,05 1,250 2,464 3,114

6,33 2 ,86 0,80 1,289 3,008 4,337

6,30 2,87 0,83 1,286 3,153 4,132 6,37 2,83 0,80 1,283 3,290 4,425 6,15 2,97 0,88 1,297 3,104 3,614

6,18 2,88 0,94 1,272 2,758 3,404 6,16 2,96 0,87 1,297 2,978 3,678 6,16 2,87 0,97 1,266 2,687 3,392

5,83 2,98 1,18 1,257 2,280 2,421 5,79 3,01 1,20 1,259 2,271 2,316 5,57 3.25 1,18 1,307 2,508 1,966

6, i0 2,74 1,16 1 ,218 2,172 2,897 6,02 2,84 1,14 1,237 2,187 2,790 6,14 2,66 1,20 1,196 2,027 2,900

6,30 2,93 0,77 1,306 3,451 4,377 6,36 2,80 0,84 1,272 3,097 4,238

6,30 2,73 0,97 1,242 2,598 3,680

3,981

622 Rudolf Rabl: Binnenwanderung

Untersuchungsreihen sind die Grenzwerte festgclegt. Sie sind gr61]er a!s sie in den ZusammeIrfassungen yon Wellisch angegeben sind.

Der Vergleich der GroBst/idte mi t den umgebenden Gebieten zeigt keine einheitliehen Ergebnisse. Bei einigen St/~dten, wie z .B . Breslau, haben under Beriicksichtigung des mRtleren Fehlers die Blutgruppen zueinander ein gleiehes Verteflungsverh/~ltnis wie es Schlesien entspricht. I m Rheinland sind keine einheitliehen Verteflungsverh/iltnisse der Blut. gruppen naohweisbar. Es linden sich dor~ erhebliche Differenzen zwisehen deh St~dten, yon denen K61n, Duisburg-Hamborn, Essen, Boehum, Dor tmund und Diisseldorf un~ersueht werden konnten. I n der gleiehen Weise sind diese Untersehiede b e i d e n Blutgenfaktoren und -indices zu finden. Daraus folgt, da.B nieht yon einem einheitliehen GroBstadttypus gesprochen werden kann, wie das Wichmann und Paal ~aeh Unter . suohungen in K61n angenomm~n haben.

In Duisburg und Dortmund, in Leipzig und Dresden ist eine Zunahme der Blutgruppe B, in K61n, Boohum und K6nigsberg eine Abuahme der Blutgruppe 0 vorhanden. "In Duisburg und Dor tmund ist eine Abnahme der Blutgruppe A, in Boehum und Chemnitz eine yon AB naehweisbar. Auch bei den BIutgenfaktoren zeigen sich die Untersehiede. In Duis- burg und Dor tmund finde$ sich eine Senkung der Po" und q0-Werte. In K61n is$ eine Steigerung, in Duisburg und Dor tmund eine Senkung des biochemiscben Blutindex zu sehen.

Es ergibt sieh hieraus, daft flit zahlreiche Grol~st/idte Xnderungen gegeniiber dem Land nachweisbar sind. Ein Tefl der Befunde k6nnte fiir eine Ostwest-Wanderung sprechen, w/~trrend ein anderer Tefl durch nahegelegene Grenzen en~st~nden sein k6rmte. Es miissen jedoeh hier- fiir die Grot]s~/idte einzeln untersuchr werden. Die Befunde yon Breslau s~ehen beispielsweise in 0bereins t immung mi t den Erhebungen yon

Tabello 3. D/roD. Blu$gruppe 0: Rhcinland (L.)/K61n . . . . . . . . . . . . . . . . . 1,97

l~heinland (L.)/Bochum . . . . . . . . . . . . . . . . 2,02 Nordwes$deutschland (G.M.)/NorwesSdeutschland ( L . ) . . . 1,8i Mitteldeutschland (L.)/Chemnitz . . . . . . . . . . . . 1,30

Blu~gruppo A: Rheinland (L.)/Duisburg-H . . . . . . . . . . . . . . . 1,42 Rheinland (L.)/Dortmund : . . . . . . . . . . . . . . 2,25 , Westdeutschland (L.)/Wes~deuschland (L.} . . . . . . . . 1,03. Mir (L.)/Dresdcn . . . . . . . . . . . . . 2,27

Blutgruppe B: Rheinland (L.)/Duisburg-H . . . . . . . . . . . . . . . . 2,25 Rhei~tland (L.)/Dor~mund . . . . . . . . . : . . . . . 2,75 Mitteldeutschland (L.)/Dresden . . . . . . . . . . . . . . 3,75 Mitteldeutschland (L.)/Leipzig . . . . . . . . . . . . . 3,45

Blu~grupt m AB: Rheinland. (L.)/K61n . . . . . . . . . . . . : . . . . . 1,I1 Rheinland (L.)/Duisburg-H . . . . . . . . . . . . . . . 1,51 Rheinland (L.)/Bochum . . . . . . . . . . . . " . . . . 2,30 l~heinland (L.)/Dflisseldorf . . . . . . . . . . . . . . . 0,90

Er l~u~erung zur T a b e l l c 3: L ~ L a n d , G.M. = Gesamtmaterial.

und Blutgruppenzusammense~zung grofls~dtischer Bev61kerungen. 623

Schwidet.zky, nach denen eine E i n w a n d e r u n g fas t n u r aus M_i~te!sohlesien u n d k a u m aus Gebie ten auBcrhalb Schlesiens s tat t f indet . .

Bei Un tc r suchung d e s F a k t o r s D/mD, also de r Differenz der W e r t e u n t c r Ber i icks icht igung des mi tHeren Fehlers , s ind die beweisbaren Unte r sch iede a l le rd ings ger inger (T~belle 3). Es sprich* das fiir die geringe Beeinf lussung des B lu tgenbes t andes de r groBst~idtischen Be- v61kerungen t ro t z de r Wa_nderungen. ttierfiix- k o m m e n mehre re Ur- saehen in ]3etraeh~. Einersei~s war fiir ~lle S t~dte die B innenwanderung . aus b e n a e h b a r t e n Gebie ten heu t zu t age meis tens gr6Ber als aus ent fern- teren, ande~erseits b rauchen die .Binnenwanderungen n ieh t zu e ine r Ein- g l iederung in die Bev61kerung zu f i ihren. Bekaml~ is t in d iesem Zu- s ammenhang , d a b viele Polen im rheinisch.wgstfs I ndus t r i e ge b i e t wohnen, ohne m i t de r .dortigen Bev61kerung zu versehmelzen. Bei de r Un te r suehung de r wehrpf l ieh t igen Bev61kerung s ind dagegen diese Tefle n ieh t m i t zu erfassen.

Zusammen/assung. Es ergibt sich 8omit, daft das durch die Blutgruppenuntersuchu,~ grofl-

stiidtischer BevSlkerungen nachweisbare Merkmal in]olge der Binnen. wanderung nu t selten sehr ge~indert wird. Die Beeinf lussung ist a l le rd ings soweit zu erkcnnen, dab Sehwankungen" p rozen tue l le r Auswer~ungen zwisehen versehiedenen Bea rbe i tungen en t s t ehen k6nnen, die bei ver- gleiehsweisen Untc i~uchungen zu ber i ieks icht igen sind. E in Vergleich de r B innenwande rung mi t den B l u t g r u p p e n m e r k m a l e n zeigt de mna c h eine deut l iehe Differenz. Die B innenwanderung i s t also gr6fler als die dadurch m6gliche .~nder~ng der BlutgruppenMiu/igkeit.

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