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627 (Aus dem pharmakologischen Institut der Reichsuniversiti~t Utrecht.) Der Einfluss des Koloquinten-Dekokts auf die Verdauungsbewegungen. Von J. H. Padtbel~ ehem. Assistent des Instituts. (Mit 2 Textfiguren.) Die guten Resultate, welche das Studium des Einflusses von Abfiihrmitteln auf die Bewegungen des Magendarmkanals mit Hilfe von Ri)ntgenstrahlen 1) geliefert hatten, liessen es wfinschenswert er- scheinen, diese Methode auch bei der Untersuchung der sogenannten Drastika anzuwenden. Als Repriisentant dieser pharmakologischen Gruppe wurden wegen ihrer haufigen praktischen Verwendung die Koloquinten gew~hlt, und zwa~ in Form eines 10 % igen Dekokts. Uber die Wirkung der Drastika wissen wir durch die Arbeiten B u c h h e i m's 2), dass nach 15--30 Minuten Magenbeschwerden au treten, darauf heftiges Kollern im Leibe und nach 1--3 Stunden fliissige Entleerung meist ohne Kolikschmerzen erfolgt. R a d z i ej e w s k i 8) sah an Hunden mit Kolonfistel Beschleunigung der Darmpassage. L a u d e r B r u n t o n 4) und I3 r i e g e r 5) brachten Drastika in abgebundene Darmschlingen und fanden danach starken, 1) R. M agn us, Der Einfluss des Sennainfuses auf die Verdauungs- bewegungen. Pfli:lger's Arch. Bd. 122 S. 251. 1908. -- R. Magnus, Der Einfluss des ,Rizinusiiles auf die Verdauungsbewegungen. Pflflger~s Arch. Bd. 122 S. 261. 1908. -- J. H. Padtberg, Der Einfluss des Magnesiumsulfats auf die Verdauungsbewegungen. Pfltiger's Arch. Bd. 129 S. 476. 1909. 2) R. B u c h h e i m, Uber einige Abftihrmittel aus der Familie der Konvol- vulaeeen. Arch. f. physioh Heilk. N. F. Bd. 1 S. 423. 1857. 3) L. Radziejewski, Zur physiol. Wirkung der Abftihrmittel. Arch. f. Anat. u. Physiol. 1870 S. 1. 4) Lauder Brunton, On the action of purgative medicines. The prac- titioner 1874 no. 71 and 72. 5) L. Brieger, Zur physiol. Wirkung der Abftihrmittel. Schmiede- berg's Arch. Bd. 8 S. 355. 1878. 42 *

Der Einfluss des Koloquinten-Dekokts auf die Verdauungsbewegungen

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Page 1: Der Einfluss des Koloquinten-Dekokts auf die Verdauungsbewegungen

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(Aus dem pharmakologischen Institut der Reichsuniversiti~t Utrecht.)

D e r E i n f l u s s d e s Koloquinten-Dekokts a u f d i e V e r d a u u n g s b e w e g u n g e n .

Von

J . H . P a d t b e l ~ ehem. Assistent des Instituts.

(Mit 2 Textfiguren.)

Die guten Resul tate , welche das Studium des Einflusses von

Abfiihrmitteln auf die Bewegungen des Magendarmkanals mit Hilfe

von Ri)ntgenstrahlen 1) geliefert hatten, liessen es wfinschenswert er-

scheinen, diese Methode auch bei der Untersuchung der sogenannten

Drastika anzuwenden. Als Repriisentant dieser pharmakologischen

Gruppe wurden wegen ihrer haufigen praktischen Verwendung die

Koloquinten gew~hlt, und zwa~ in Form eines 10 % igen Dekokts.

Uber die Wirkung der Drastika wissen wir durch die Arbeiten

B u c h h e i m ' s 2), dass nach 15 - -30 Minuten Magenbeschwerden au�9

treten, darauf heftiges Kollern im Leibe und nach 1 - - 3 Stunden

fliissige Ent leerung meist ohne Kolikschmerzen erfolgt.

R a d z i ej e w s k i 8) sah an Hunden mit Kolonfistel Beschleunigung

der Darmpassage. L a u d e r B r u n t o n 4) und I3 r i e g e r 5) brachten

Drastika in abgebundene Darmschlingen und fanden danach starken,

1) R. M a gn u s , Der Einfluss des Sennainfuses auf die Verdauungs- bewegungen. Pfl i : lger 's Arch. Bd. 122 S. 251. 1908. - - R. Magnus, Der Einfluss des ,Rizinusiiles auf die Verdauungsbewegungen. Pflflger~s Arch. Bd. 122 S. 261. 1908. - - J. H. P a d t b e r g , Der Einfluss des Magnesiumsulfats auf die Verdauungsbewegungen. P f l t i g e r ' s Arch. Bd. 129 S. 476. 1909.

2) R. B u c h h e i m, Uber einige Abftihrmittel aus der Familie der Konvol- vulaeeen. Arch. f. physioh Heilk. N. F. Bd. 1 S. 423. 1857.

3) L. R a d z i e j e w s k i , Zur physiol. Wirkung der Abftihrmittel. Arch. f. Anat. u. Physiol. 1870 S. 1.

4) L a u d e r B r u n t o n , On the action of purgative medicines. The prac- titioner 1874 no. 71 and 72.

5) L. B r i e g e r , Zur physiol. Wirkung der Abftihrmittel. S c h m i e d e - b e r g ' s Arch. Bd. 8 S. 355. 1878.

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manehmal blutigen Fliissigkeitserguss und Entziindung der Schleim- haut. D i xo n konnte an einem in den Darm eingebundenen Mano-

meter Zunahme der Bewegungen und des Tonus direkt sehen. Die Wirkung der Drastika ist nach B u c h h e i m 1), S t a d e 1 m a n 9) u. a. an die Anwesenheit von Galle im Darme gebunden.

v. P o d w y s s o t z k i 8) erhielt durch Podophyllin und F i s c h e r 4)

durch Koloquinten in t o x i s c h e n Dosen heftige Entziindung des Darmkanals, die ara stiirksten im Rectum zu sehen war. Gelegentlich wurden auch Magengeschwtire beobachtet.

Die Resultate der vorliegenden Arbeit beruhen auf 33 Experi-

menten, wovou 15 mit Hilfe von R5ntgenstrahlen ausgeft~hrt wurden. Als Versuchstiere dienten ausschliesslich Katzen, welche ebenso wie in meiner friiheren Untersuchung iiber den Einfluss von Magnesium-

sulfat auf die Verdauungsbewegungen nach eintiigigem Hunger mit

einem Gemenge von 25 ccm Kartoffelbrei und 5 g Wismuthydroxyd gefiittert und nach der Methode von C a n n o n vor dem R5ntgen- schirm beobachtet wurden. Das Koloquintendekokt wurde mit der

Schlundsonde in den Magen gebracht. Als sicher abftlhrende Dosis

wurde die Menge von 10 ccm ermittelt. Darauf er�9 nach 1 bis 4 Stunden eine sehr weiche bis fli~ssige Entleerung, auf welche bald eine zweite und dritte und manchmal noch weitere Defakationen

sich einstellten. Nur einmal unter 33 Fiillen trat der erste Stuhl erst nach 6 Stunden auf. Mit den Faces wurde ziemlich riel

Schleim und in einigen Fiillen auch etwas Blut entleert. Alter Kolom

inhalt kann auch geformt ausgestossen werden. Zuerst seien diejenigen Versuche beschrieben~ in welchen das

Decoctum colocynthidis etwa eine Viertelstunde nach Verfiitterung

des Kartoffelbrei-Wismutgemisches in den Magen gebracht wurde. biachstehende Kurve (Fig. 1) veranschaulicht die erhaltenen Re-

sultate. Die punktierte Linie entspricht dem normalen Ablauf der Ver-

dauungsbewegungen nach zahlreichen von M a g n u s und mir an-

1) 1. c. 2) S t a d e l m a n , Experim. Untersuchungen liber die Wirkung von Abfiihr-

mitteln bei Gallenabwesenheit im Darm. S c h m i e d e b e r g ' s Arch. Bd. 37

S. 352. 1896. 3) v. P o d w y s s o t z k i ~ Pharm. Studien liber Podophyllum peltatum.

S e h m i e d e b e r g ' s Arch. Bd. 13 S. 29. 1880.

4) F i s c h e r , Zur Wirkung der Koloquinten. Dissertation. Berlin 1889.

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Der Einfluss des Koloquinten-Dekokts auf die Verdauungsbewegungen. 629

gestellten Normalversuehen. Die ausgezogene Linie gibt die mittleren Werte von fUnf Koloquintenversuehen wieder. Die Kurven stellen naeh dem Vorgange C a n n o n ' s die Gesamtli~nge der Di~nndarm- sehatten in Zentimetern ira Verlaufe von 7 Stunden dar.

Die Gesehwindigkeit der Magenentleerung verhiilt sieh ver- sehieden, manehmal ist sie besehleunigt (1--11/2 Stunde), manehmal verlangsamt (6 Stunden). Ein Bliek auf die Kurve zeigt demgegen- ftber, dass der Einfluss auf den Diinndarm konstant und sehr deutlieh ist und in einer wesentlieh besehleunigten Passage besteht, so dass

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Fig. 1. Diagramm der Verdauungsbewegungen bei der Katze nach Kartoffelbrei- Wismut-Fiitterung (Gesamtl~nge der Dtinndarmschatten in Zentimetern). Die punktierte Kurve stellt das Mittel aus den Normalversuchen dar, die ausgezogene Kurve aus den Versuchen, in denen 10---15 Minuten nach der Fiitterung 10 ccm 10~ iges Decoct. eolocynthidis per os gegeben wurde. Die Pfeile bezeichnen

das erste Auftreten eines Schattens ira Kolon.

der Diinndarm sich niemals so stark anfi~llen kann als unter normalen Bedingungen. Die erste Anwesenheit von Speisebrei ira Kolon ist demnaeh aueh sehon ira Mittel naeh 1~/2 statt naeh 3--31/~ Stunden wahrzunehmen. Die Besehleunigung der Di~nndarmpassage kann so weit gehen, dass sehon naeh einer Viertelstunde Inhalt ira Kolon zu sehen ist. Naeh 4 Stunden ist der Di~nndarm leer, wahrend er in den 5Tormalversuehen naeh 7 Stunden noeh deutliehen Inhalt er- kennen lttsst.

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630 J .H. Padtberg:

Die Beeinflussung der Dtinndarmbewegung wird nun noch

riel deutlicher, wenn man das Koloquintendekokt erst in den Magen bringt, nachdem sich derselbe entleert hat und sich aller oder

fast aller Speisebrei im Dtlnndarm befindet. Dann sieht man, dass in einigen Fi~llen schon nach 1/2 Stunde sich der ganze Darminhalt

in das Kolon entleert bat. Ira Mittel dauerte es in dieser Versuchs-

reihe 1- -2 Stunden, bis der Dtinndarm leer geworden war, wi~hrend in der Norm dazu 7 und mehr Stunden erforderlich sind. Fig. 2 veranschaulicht diesen Vorgang.

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Fig. 2. Diagramm der Verdauungsbewegungen bel der Katze nach Kartoffelbrei- Wismut-Ftitterung (Gesamtli~nge der Dt'mndarmschatten in Zentimetern). Die punktierte Linie stellt das Mittel aus den Normalversuchen~ die ausgezogene Linie aus den Versuchen dar, in denen nach Leerwerden des Magens 10 ccm 10~ Decoctum colocynthidis gegeben wurde. Die Pfeile bezeichnen das

erste Auftreten eines Schattens ira Kolon.

Ausser dieser schnellen Diinndarmpassage kann man auf dem

R5ntgenschirm noch andere Besonderheiten wahrnehmen. Die Diinn-

darmschatten werden in al]en Fi~llen riel breiter und undeutlicher

und verwandeln sich in blasse Bander. Diese Veri~nderung betrifft manchmal aile Dtinndarmscbatten, manchmal nur einen Teil derselben.

Auf diese Weise kann man deuflich die Erweiterung und die An-

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Der Einfluss des Koloquinten-Dekokts auf die Verdauungsbewegangen. 631

ftillung der Darmschlingen erkennen und kann so die Verdiinnung des Darminhaltes durch vermehrte Fliissigkeitssekretion direkt wahr- nehmen. Auch das Undeutlicherwerden der Schatten ist derselben Ursache zuzuschreiben. Rhythmische Segmentierung ist meist in denjenigen Darmschlingen zu sehen, welche nicht auf diese Weise erweitert worden sind.

Wi~hrend sich nun in der geschilderten Weise das Iproximale Kolon sehr schnell mit Speisebrei und Darmsekreten ftlllt, kann man wahrnehmen, dass in diesem Darmabschnitt die normal dort zu be- obachtende Antiperistaltik aufgehoben ist. Es wurde also ebenso wie durch Senna und RizinusS1 der normale Eindickungsmechanismus an dieser Stelle verhindert. Durch diese Wirkung unterscheiden sich die bisher untersuchten pfianzlichen Abfflhrmittel von den Mittelsalzen.

Die Ankunft des koloquintenhaltigen Darminhaltes ira proxi- malen Kolon gibt nun aber nicht so, wie es bei Senna der Fall ist, Anlass zu sofortigem Auftreten der Kotentleerung, sondern diese erfolgt erst, wenn man den Ubertritt von Kot ins Rectum auf dem R0ntgenschirme sieht. Die Kotentleerung wird also in diesem Falle ebenso wie nach RizinusOl und Bittersalz refiektorisch von der nor- malen Stelle ausgeliist. Wi~hrend in der Norm der Obertritt des Kotes aus dem proximalen ins distale Kolon sehr langsam und un- merklich erfolgt, wird auch dieser Vorgang durch Koloquinten deutlich beschleunigt. Meist nach 1/.o Stunde, manchmal in noch kth-zerer Zeit, sieht man schwarze Schatten im distalen Kolon erscheinen und I/4 bis 2 Stunden spiiter (ira Mittel nach 11/,, Stunde) er�9 dann die Kotentleerung. Bedenkt maa, dass in den Normalversuchen �9 die Passage des Kolons 12 Stunden und mehr erforderlich sind, so sieht man, um welche betrachtliche Beschleunigung es sich hier handelt.

In einer dritten Versuchsreihe wurden die Katzen des Abends mit Kartoffelbrei-Wismut geffittert. Ara anderen Morgeu war dann aller Darminhalt ira Kolon angehi~uft, und die Tiere bekamen nun 10 ccm des Dekokts mit der Schlundsonde. Als ersten Erfolg sieht man dann ausser dem Verschwinden der Antiperistaltik ein Fleckig- werden des Kolonschattens, was auf die vermehrte Darmsekretion bezogen werden muss. Bei der Kotentleerung wird haufig nicht der ganze Koloninhalt ausgestossen, das proximale Kolon kann zunachst noch gefiillt bleiben.

Es ist sehr wahrscheinlich, dass die Koloquinten nicht nur auf die Sekretion des Dt~nndarmes, sondern auch auf die des Dickdarmes

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632 J.H. 1)adtberg: Der Einfluss des Koloquinten-Dekokts etc.

einwirken. Daf0r spricht erstens die reichliche Beimengung von Schleim zu den Faces, welcher sehr hi~ufig nicht mit dem Kot gut durchgemischt ist, sondern demselben nur oberitachlich anhaftet. Zweitens wurde gelegentlich beobachtet, dass zuerst eine nur schleimige Entleerung und einige Zeit danach die Ausstossung von Kot erfolgte.

Die Resultate dieser Untersuchung lassen sich folgendermaassen zusammenfassen:

I. Bei Katzen kann man durch 10 ccm 10% iges Decoctum colocynthidis per os weiche bis fli~ssige Kotentieerung hervorrufen, welche riel Schleim und manchmal auch etwas Blut enthi~lt.

II. Nach dem RSntgenverfahren kann man sehen, dass dieses Dekokt die Magenentleerung bald beschleunigt, bald verlangsamt: die Fortbewegung des Darminhaltes durch den Dfinndarm betri~cht- lich beschleunigt und eine starke Sekretion hervorruft, durch welche die Darmschlingen ausgedehnt werden; die Antiperistaltik des proxi- malen Kolons aufhebt; die Passage veto proximalen ins distale Kolon und von hier ins Rectum beschleunigt; wahrscheinlich auch vermehrte Dickdarmsekretion veranlasst; auf diese Weise sehr sr grosse Mengen diinnen bis fit~ssigen, schleimhaltigen Darminhaltes in das Rectum befSrdert, von wo auf normale Weise der Defl~kationsrefiex ausgel0st wird.