Der Fall der zwei - Felix Hutt | journalismfelixhutt.com/work/pdf/work_49.pdf · Der Fall der zwei Text: FELIX HuTT Der Kosmos Des AnDreAs schiestl-swArovsKi: [1] Als er 13 ist, stirbt

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  • Der Fall der zwei

    Text: FELIX HuTT

    Der Kosmos Des AnDreAs schiestl-swArovsKi: [1] Als er 13 ist, stirbt seine geliebte Mutter Wilhelmine [2] Das Ehepaar am 17. Septem-ber 2004 im Porsche-Zentrum Innsbruck [3] Ihr Grab auf dem Gemeindefriedhof Weerberg [4] Mit seiner Firma Watercryst residiert Schiestl-Swarovski in Kematen [5] Bei Otto Plattner im Hotel Europa in Innsbruck waren die beiden gern gesehene Gste [6] Am 20. Dezember 2006 fhrt Margreth Schiestl-Swarovski gegen einen Baum, strzt im Porsche Cayenne den Weerberg hinunter, ist sofort tot [7] Swarovski-Welt: Andr Hellers Kristallwelten und der Firmensitz in Wattens [8] Das Haus am Weerberg

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    ber die Liebe und den Tod lohnt es immer nachzudenken: Warum erschiet sich AndreAs schiestl-swarovski? Warum rast seine Frau MArgreth auf freier Strecke gegen einen Baum? Die Kristall-Dynastie schweigt. Warum?

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  • von oben die Sonne, von unten der Nebel. Die Tiroler Berge wie ein Fleckerlteppich. Zu wenig Schnee, zu viel Grn, die Lifte arbeitslos. Der Friedhof Weerberg liegt am Hang, gegenber vom Gemeindeamt. Das Grab an einer Mauer, im Schatten. Davor steht eine alte Dame und betet. Kopftuch, Lodenmantel, Kragen hochgekrempelt, als bliese ein eisiger Wind, dabei ist Frhling im Februar.

    Nicht fr jede Klte gibt es ein Thermometer. Die Spur deiner Worte, die Spur deiner Umarmung, die

    Spur deines Lchelns, niemand kann sie auslschen in uns, steht auf zwei schlichten Holzkreuzen. Darunter die Fotos von Andreas SchiestlSwarovski und seiner Frau Margreth. Sie, von allen nur Margee genannt, verunglckt am 20. Dezember 2006 auf dem Heimweg, fhrt gegen einen Baum. Ihr Mann, millionenschwerer Urenkel des Firmengrnders Daniel Swarovski, erschiet sich einen Monat spter, am 20. Januar 2007, in der gemeinsamen Villa am Weerberg.

    Auf dem Grab liegt ein Kranz mit Schleife: You will always be in our hearts. Von den Tchtern Natascha, 9, und Alexandra, 13, jetzt Vollwaisen. Zwei kleine Laternen brennen. Und die Frage nach dem Warum.

    UNTEN IM INNTAL, IN DAS SICH DER NEBEL WIE EIN WEISSES KISSEN BETTET, da liegt Wattens, der SwarovskiHauptsitz. Die Kristallwelten, der Erlebnispark, den Andr Heller fr Swarovski geschaffen hat, locken Touristen, die vom Brenner ber die A12 aus dem Urlaub kommen. Es wird geschwbelt und geschselt, der Shop ist voll, die Kasse auch. Swarovski, seit fnf Genera tionen in Familienbesitz, ist sterreichs Vorzeigeunternehmen. Milliardenumstze, hochprofitabel. Sie werden die Rockefellers der Alpenrepublik genannt, mit eigener Flugzeugflotte und Weingtern in Argentinien und China. Intern, so hrt man, nicht immer einig, nach auen hin einig diskret. ber Ausnahmen wie die Fiona redet man nicht. Grnder Daniel Swarovski kam 1895 aus Bhmen nach Wattens, weil er hier die Wasserkraft fand, die seine Glasschleifmaschinen in Gang brachte, das Glas zu Kristall machte. Aus Angst vor Fremdeinfluss verordnete er, dass Anteile nur vererbt werden knnen. Das Prinzip gilt bis heute, Entscheidungen trifft der Familienbeirat. Im Falle der zwei Toten, die da oben auf dem Weerberg ruhen, gilt: Stillschweigen.

    Es ist kurz vor zwlf, die Kirchenglocken luten, und auf der kleinen Dorfstrae, die am Friedhof vorbeifhrt, rattert ein Traktor. Brgermeister Ferdinand Angerer sitzt in seinem Bro im Gemeindeamt. Braunes Sakko, schwarzer Rollkragenpullover mit AdidasEmblem, Jeans, grauer Schnurrbart, gemtlich. Er wolle nicht gro auftauchen in der Geschichte, weil die Familie Swarovski keine Geschichten ber sich wnsche. Die haben so viel Einfluss hier in Tirol, das glauben Sie nicht, sagt er.

    Ein guter Arbeitgeber sei er gewesen, der Herr SchiestlSwarovski, habe Grtner, Innenausstatter, Handwerker beschftigt. Am gesellschaftlichen Leben habe das Ehepaar kaum teilgenommen, wenn man davon abshe, dass seine Frau bei der rtlichen Polizei immer wieder als Raserin aufgefallen sei. Die hatte so ein Faible fr schnelle Autos, sagt der erste Mann im

    Ort und grinst, fast ein wenig bewundernd. Einmal im Jahr habe sie die Kinder aus Weerberg zum Schwimmen in den hauseigenen Pool eingeladen, ansonsten seien die beiden oft in Amerika gewesen. Dass die beiden keine Kostverchter waren, mei, das sind halt die Gerchte, aber richtig wissen tuts keiner. Und das mit dem Fluch, der angeblich auf dem Haus laste, das knne er nun berhaupt nicht nachvollziehen. Nur weil es 1973 HannsMartin Schleyer erbaute, der spter von der RAF ermordet wurde, und es anschlieend ein Wurstfabrikant erwarb, der kurz darauf pleiteging, und sich jetzt der Herr SchiestlSwarovski darin erschossen hat. An so einen Quatsch, so bersinnliches Zeug, daran glaube er nicht. Aber einen Kufer zu finden, das wird jetzt schon schwierig.

    ANDREAS SCHIESTL-SWAROVSKI kommt am 28. Januar 1960 als Sohn von Fritz Schiestl und dessen Frau Wilhelmine SchiestlSwarovski zur Welt. Die Mutter ist die Enkelin von Firmengrnder Daniel Swarovski, der Vater der Brgermeister von Wattens. Allerhchste Tiroler Prominenz. Man ist im Schtzenverein und im Skiclub. Der Andi, wie ihn Familie und Freunde nennen, ist der einzige Sohn. Er hat drei ltere Schwestern, Monika, Erica und Daniela, und

    eine jngere, Marietta. Als er 13 ist, stirbt seine Mutter, an der er sehr hing, wie eine Bekannte berichtet. Mit dem Verlust der Mutter verlor er seine komplette emotionale Erziehung, sein Empathievermgen, sagt einer, der ihm spter begegnet. Seine Schwestern kmmern sich, Andreas SchiestlSwarovski ist zurckhaltend, gilt als sensibel. An Depressionen soll er gelitten, Medikamente genommen haben. Freude macht ihm die Jagd, auf der Technischen Hochschule in Innsbruck absolviert er eine Ausbildung zum Wirtschaftsingenieur. Ende der 1980erJahre verliebt er sich in Doris Ebner, eine Tochter aus dem Nachbarort Weer, die er schon lnger kennt. Ihr Vater ist Hotelier und religis, sein Vater einverstanden. Man verlobt sich, die Hochzeit ist nicht fern, das Kleid schon ausgesucht. Wer viel liabt, muass v leidn, heit es in Tirol.

    Das Leiden der Doris Ebner, zuknftige SchiestlSwarovski, war blond und Amerikanerin.

    Bei einem Skiurlaub in den USA lernt Andreas SchiestlSwarovski Anfang 1992 seine Traumfrau kennen Margreth SwindellGoldsborough. Frau von Welt, aus einer guten Familie in Baltimore, Beruf: Mannequin. Beim jungen Schiestl

    Swarovski brennen die Sicherungen durch, die Margee stellt sein Leben auf den Kopf. Den Antrag hat er mir noch auf der Rollbahn vom JFK Airport gemacht, schwrmt sie im Juni 2006, und statt des Ringes bekam ich eine Hygienetasche voll mit kleinen Aperitifflschchen aus der Bordbar. Als wir dann aber in Palm Beach gelandet waren, entfhrte er mich zu einem exklusiven Juwelier, und ich durfte mir 19 verschiedene Schmuckstcke aussuchen. Das werde ich nie vergessen!

    VERGESSEN, DAS KANN DIE FAMILIE EBNER BIS HEUTE NICHT. Die Bundesstrae von Weerberg nach Wattens fhrt durch die kleine Ortschaft Kolsass. Den Ebners fleiige, geachtete Leute gehrt hier das Mhlbachl, ein Hotel mit Restaurant, und die Pension Edelwei, mit einem Souvenirladen im Erdgeschoss. Es gibt Postkarten und Schlsselanhnger, heute wenig Touristen, weil wenig Schnee.

    Als Doris Ebner von der Neuen ihres Versprochenen erfhrt, davon, dass nichts wird aus dem gemeinsamen Leben, bis dass der Tod sie scheidet, da entscheidet sie sich fr den Tod. Sie geht auf den Dachboden ihres Elternhauses und erhngt sich. Im weien Hochzeitskleid.

    Knapp 15 Jahre ist das jetzt her, darber sprechen mchten und knnen weder Vater Manfred noch Bruder Wolfgang. Im hinteren Teil ihres kleinen Ladens, zwischen Kerzen und Kreuzen, steht eine Tasse, auf der die Inschrift: Ohne dich ist alles nur halb so schn.

    Die neue Doris heit Margee, Andreas Schiestl Swarovski macht sie im Oktober 1992 zur Frau SchiestlSwarovski. Ein Umstand, den nicht alle in der Familie gutgeheien haben sollen. Von ihrem umtriebigen Lebenswandel wird berichtet,

    die Familie in Baltimore sei wohl doch kein ganz so guter Stall, ihre Mutter Peggy arbeite als Eislauftrainerin, sie selbst soll im Sommer als Rettungsschwimmerin an der Ostkste gearbeitet haben. In einer Boutique in Innsbruck bleibt eine Rechnung ber 45000 Schilling offen, Margee SchiestlSwarovskis

    Kreditkarten sollen nicht immer gedeckt, ein teurer Ring soll verloren gegangen sein. Die Familie kmmert sich, will kein Aufsehen. Das gelingt bis zu jenem kalten Novemberabend 1993, der zur Legende wird.

    NOVEMBER 1993, MONTAG, GEGEN 19 UHR; das Ehepaar ist allein zu Hause. Beide im Schlafzimmer, angezogen. In der rechten Hand hlt Andreas Schiestl Swarovski eine Pistole, vor ihm steht seine Frau. Er legt die Waffe auf sie an, drckt ab. Das Projektil durchschlgt Margee SchiestlSwarovskis rechte Wange und bleibt in ihrer Halswirbelsule stecken. Sie sackt zusammen. Anschlieend hlt er sich die Pistole in den Mund, drckt ab. Das Neun MillimeterProjektil durchschlgt Kiefer und Gaumen und bleibt im Nasenwurzelbereich stecken. Doch der Tod, der spielt einfach nicht mit, er lsst noch gut 13 Jahre auf sich warten.

    Schwer blutend schleppen sich Margee und Andreas SchiestlSwarovski ins benachbarte Haus seiner Schwester Daniela, die den Rettungsdienst verstndigt. Als beide auf Tragen in die Notaufnahme der Innsbrucker UniKlinik gebracht werden, flstert Margee SchiestlSwarovski: I love him.

    Als die Tat bekannt wird, explodiert die Gerchtekche: kollektiver Selbstmord, so heit es in ganz sterreich, sie haben Mayerling nacheifern wollen. Kronprinz Rudolf von Habsburg, der sterreichs Kaiser htte werden sollen, hatte 1889 sich und seine Geliebte Mary in seinem Jagdschloss in Mayerling gerichtet, weil das Umfeld ihre Liebe nicht guthie. Die Tiroler nennen deswegen den Fall SchiestlSwarovski den Mayerling von Wattens.

    Die Erklrung der Familie: Die Hintergrnde des Geschehens liegen im persnlichen Bereich. Aus dem Umkreis wird verbreitet, dass SchiestlSwarovski seine Medikamente abgesetzt habe, das Ganze nur eine Kurzschlussreaktion gewesen sei. Es sei ein Unfall gewesen, die Waffe, zur Jagd bestimmt, sei nicht gesichert gewesen. Die tschechische CZ 75, Baujahr 1975, aber, die SchiestlSwarovski benutzte, ist eine halb automatische Militrpistole, zur Reh oder Hirschjagd gnzlich ungeeignet.

    Als Doris Ebner von seiner Neuen erfhrt, davon, dass nichts wird aus einem Leben, bis dass der Tod sie scheidet, da entscheidet sie sich fr den Tod und erhngt sich. Im weien Hochzeitskleid

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  • Beide berleben, ein plastischer Chirurg flickt Margreth SchiestlSwarovski wieder zusammen, Andreas Schiestl Swarovski bekommt ein fast neues Gebiss. Sie nehmen starke Schmerztabletten. Das Landgericht Innsbruck ermittelt, erlsst Haftbefehl gegen Andreas SchiestlSwarovski, er muss in Untersuchungshaft, aber nicht lange. Drei Gutachter sollen seine Zurechnungsfhigkeit prfen, alle drei entscheiden auf nicht schuldfhig. Eine Kurzschlussreaktion sei es gewesen, Wiederholungsgefahr gleich null. Nur einer, der Psychiater Dr. Reinhard Haller, sieht das anders. In seinem Gutachten attestiert er SchiestlSwarovski eine Gefhrdung fr zuknftige Taten und empfiehlt ein engmaschiges Therapienetz.

    FRASTANz IM VORARLBERG, zWEI AUTO-STUNDEN VON INNSBRUCK, EINE HALBE VOM BODENSEE. Reinhard Haller sitzt auf seiner schwarzen Ledercouch, vor dem Fenster machen die Patienten der Klinik Maria Ebene eine Rauchpause. Haller trgt einen weien Kittel, auf den blau Chefarzt Reinhard Haller gestickt ist. Darunter Hemd und Krawatte, Cordhose, an den Fen Burlington Socken und BirkenstockSchuhe. Haller ist Facharzt fr Psychiatrie und Neurologie, zudem internationaler Experte fr Kriminalpsychologie. Er erstellte Gutachten fr mehr als 250 Mrder, sein Bestseller Die Seele des Verbrechers gibt es in dritter Auflage. Jack Unterweger oder der KampuschEntfhrer ohne Haller luft nichts, wenn in sterreich ein schwieriger Fall psychologischer Aufklrung bedarf. Bei diesem Fall msse man sehr vorsichtig sein, hatte er am Telefon gesagt. Er unterstehe der rztlichen Schweigepflicht, knne nicht viel ber den Herrn SchiestlSwarovski, nur allgemein sprechen.

    Ob er berrascht sei ber die Tragdie? Man kann nicht eine Prognose abgeben und dann berrascht sein, wenn sie zutrifft, sagt er. Er habe ja schon damals, 1994, auf die Gefahr hingewiesen.

    Andreas SchiestlSwarovski kommt weder in Haft noch in eine psychiatrische Anstalt. Mich htten sie dafr eingesperrt, sagt einer, der nicht genannt werden mchte, aber einen Swarovski lassen sie natrlich laufen. Woher die Tatwaffe kam, bleibt unklar, die Motive auch.

    Das Ehepaar verlsst Wattens, bezieht die Villa auf dem Weerberg. Unauffllig scheidet Andreas SchiestlSwarovski, der zuvor MarketingChef war, aus der aktiven Arbeit im Unternehmen aus. Angeblich hlt er bis zu seinem Tod einen Anteil von sieben Prozent, was nach unbesttigten Angaben eine jhrliche Ausschttung von 4,9 Millionen Euro bedeuten soll. An Geld mangelt es in jedem Falle nicht.

    Die Tchter Alexandra und Natascha kommen auf die Welt, ob und wann sich SchiestlSwarovski in psychologische Behandlung begibt, wei keiner. In den Jahren vor seinem Tod sucht er, von der ffentlichkeit unbeobachtet, regelmig die

    Psychologin Regina Prunnlechner in der UniKlinik Innsbruck auf. Sie besttigt das am Telefon, wolle dazu aber weiter nun wirklich nichts sagen, schlielich sei sie eine langjhrige Freundin der Familie.

    ber einen Kontakt seines ehemaligen Schwagers be teiligt sich SchiestlSwarovski 2000 an der kleinen Firma Watercryst, die eine Technik entwickelt hat, um den Kalkgehalt im Trinkwasser zu minimieren. Anfang 2005 bernimmt er sogar die Geschftsfhrung, leitet das Tagesgeschft. Er tritt dem Ambassador Club bei, Abteilung Unterinntal. Ein Mnnerverein, der sich jeden zweiten Donnerstag im Monat trifft, um soziale und wirtschaftliche Kontakte zu pflegen. SchiestlSwarovski fllt nicht besonders auf, macht sich einen Namen als kulinarischer Experte. Nur sein Handy, das liegt immer neben ihm, und wenn es klingelt, dann springt er sofort auf, rennt hektisch aus der Sitzung, berichtet ein Mitglied, das dabei war.

    Das Paar verhlt sich zurckhaltend, bei den wenigen Auftritten, wie etwa einer Galerieerffnung in Innsbruck, ist nicht zu bersehen, dass Margee SchiestlSwarovski erschreckend dnn ist. Aus dem Haus auf dem Weerberg, ursprnglich im Landhausstil erbaut, macht sie MargeeMahal, lsst Marmor aus Mexiko bringen, bestellt Vorhnge bei einer Firma in Frankreich, die schon das Schloss Versailles ausgestattet hat. Es gibt teure Teppiche, einen Erker aus Wurzelholz, eine Saunalandschaft und ein Fitnessstudio. Schtzwert: zehn Millionen Euro.

    Fr eine Weile scheint es, als habe das Ehepaar die Rckkehr in die Normalitt geschafft. Sie lsst eine Homestory machen, die in Die Tirolerin erscheint, mit Fotos von ihrem Prunktempel, ihrem begehbaren Schuhschrank und von der stolzen Hausherrin, plantschend in der Badewanne. Bei der Erffnung des Innsbrucker PorscheZentrums im September 2004 zeigt sie sich von einem Porsche Carrera GT ganz angetan, berichtet stolz, dass sie ihren silberfarbenen Porsche Cayenne mit SwarovskiGlitzerSpeziallack veredeln wird, und ergnzt lachend, dass sie es hasse, angeschnallt zu fahren, weshalb sie sich das Warnsystem, das ertnt, wenn der Gurt nicht aktiviert ist, habe ausbauen lassen. Da wei sie noch nicht, dass ihr das einmal zum Verhngnis werden wird. Immer mal wieder werden sie oder ihr Mann in Innsbruck gesichtet, nehmen unauffllig am gesellschaftlichen Leben teil.

    WER IN INNSBRUCK GUT ESSEN WILL, DER GEHT zUM O. P.. Zwei arme Seelen sind sie gewesen, sagt Otto Plattner, whrend er im barocken Speisesaal an seiner Weiweinschorle nippt, zwei ganz arme Seelen. Plattner, 78 Jahre, grauer Vollbart, Krawatte, Einstecktuch, seit 18 Jahren Besitzer des Hotel Europa am Bahnhof, des einzigen Fnfsternehotels in Innsbruck, wie er stolz erzhlt. Sein Restaurant habe noch keinen, aber das knne ja noch kommen. Dann erklrt er, dass er die Familie Swarovski schon seit Generationen bewirte und dass es fr Menschen wie die zwei Toten frher Allerseelen gegeben habe, den zweiten November, das war, als ich jung war, noch wichtiger als Allerheiligen. Dass es Menschen gbe, die immer unglcklich seien, denen man nicht helfen knne. In der Auslage liegen Krapfen. Plattner ist auch Prsident der Original Tiroler Kaiserjgermusik, frher viel gereist, und wenn es fr ihn keine Erklrung gibt, dann sind es die hheren, die heiligen Mchte, die steuern. Die ihm zum Beispiel den Europatunnel vor seine Haustr gebaut haben, weshalb er jetzt immer gut ausgebucht ist. Der Herr SchiestlSwarovski und die Frau SchiestlSwarovski, das seien ganz tolle Gste gewesen, am Abend seien sie oft zum Essen gekommen, selten zusammen, meistens allein, bernachtet htten sie nie, manchmal einen

    Absacker an der EuropaBar im Foyer genommen. Trffel hat sie geliebt, und Weiwein, sagt er und lacht, egal, was auf der Karte stand, die wollte immer Trffel und dazu Weiwein.

    Das ist auch am Mittwoch, dem 20. Dezember 2006, nicht anders. Ich glaube, sie war hier in Innsbruck fr Weihnachten einkaufen, hat vor der Heimfahrt noch was gegessen, so Plattner. Gegen 23 Uhr verlsst Margee SchiestlSwarovski das Restaurant des Hotels, fhrt mit dem Aufzug in die Tiefgarage, dann in ihrem Porsche Cayenne auf die A12 Richtung Wattens/Weerberg eine Stunde spter ist sie tot.

    Eine 43-jhrige Unternehmerin lenkte am 20.12.2006 gegen 24.00 Uhr einen Gelndewagen auf der Gemeindestrae von Weer kommend, bergwrts in Richtung Weerberg. Zirka 800 Meter oberhalb des Ortsteiles Weerer-Eben (Freiland) geriet die Lenkerin mit dem Fahrzeug in einer Rechtskurve ber den linken Fahrbahnrand hinaus und prallte frontal gegen einen Baum. Anschlieend strzte das Fahrzeug, sich mehrmals berschlagend, ca. 30 Meter ber steiles Gelnde ab und blieb an zwei Bumen hngen. Die Lenkerin erlitt beim Fahrzeug-absturz tdliche Verletzungen

    So der offizielle Polizeibericht der zustndigen Polizeibehrde Schwaz. Der Fall scheint klar, ein Unfall. Ermittelt wird nicht weiter, auch Obduktionsergebnisse bleiben aus. Die Menschen vom Weerberg wissen mehr, sagen sie. Einer, dem die Pension unterhalb der Villa der SchiestlSwarovskis gehrt, sagt, dass sie wie immer unangeschnallt gewesen und mit 130 Sachen bergauf gerast sei. Dass es keine Bremsspuren gegeben habe und dass man sich schon fragen drfe, warum sie in einer Kurve einfach geradeaus fahre, die sie vorher tausendfach durchfahren habe. Der Zweifel an der Unfalltheorie, dass etwas nicht stimmen kann an der Unfalltheorie, der geht um im Dorf, zu belegen ist er jedoch nicht, nur die Fragen bleiben bis heute.

    Komisch war, dass sie sich an dem Abend von allen besonders herzlich verabschiedet hat, wie vor einer langen Reise oder so, erinnert sich Otto Plattner, aber an einen Freitod, an so was glaube er trotzdem nicht. Fohr nia schnella, as wia die Schutzengel fliagn ku!, sagen die Tiroler zu Leuten auf der berholspur. Margreth SchiestlSwarovski, so viel ist sicher, war fr ihren Schutzengel viel zu schnell.

    Der experte fr KriminAlpsychologie: Psychiater Dr. Reinhard Haller erstellte 1994 ein Gutachten ber Schiestl-Swarovski

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    Fortsetzung Seite 176FOt

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  • Fr Andreas SchiestlSwarovski bricht zum zweiten Mal, nach dem Tod seiner Mutter, die Welt zusammen. Eine Nichte, die frher schon als Babysitterin in Weerberg war, kmmert sich um seine Mdchen. Auch die Haushlterin ist eine groe Sttze. Wie in Trance organisiert er die Beerdigung. Nicht in Wattens, sondern bei ihm in Weerberg soll seine Frau begraben werden. Bei der Sterbehilfe Othmar Lechner trifft er die Vorkehrungen, am 26. und 27. Dezember werden die Rosenkrnze gebetet, am 28. Dezember trgt er seine Frau zu Grabe. SchiestlSwarovski steht bis zum letzten Beileidswunsch am Grab, uerlich gefasst. Beim Brgermeister Angerer bedankt er sich spter fr die groe Anteilnahme der Weerberger Bevlkerung.

    EINE VIERTELSTUNDE WESTLICH VON INNS-BRUCK LIEGT KEMATEN. Im Industriegebiet das unscheinbare Gebude einer Kosmetikfirma, im Parterre zur Untermiete die Firma Watercryst. Andreas SchiestlSwarovskis letzte Wirkungssttte. Es gibt keinen Empfang, im Bro von Klaus Leiter dudelt im Hintergrund das Radio. Klaus Leiter ist der Kopf und Macher, er hat SchiestlSwarovski die Firma und die Idee vom kalkfreien Wasser schmackhaft gemacht. Leiter ist ein bedachter, zurckhaltender Mann, keiner, der eine Show abzieht. Der Verlust des Menschen SchiestlSwarovski geht ihm nahe. Er wolle, dass man ihn so in Erinnerung behalte, wie er war: Ein anstndiger Mann, ein Idealist, der sich ernsthaft Sorgen um eine saubere Trinkwasserversorgung hier im Inntal gemacht hat, sagt Leiter und erklrt, dass der Herr SchiestlSwarovski mit Begeisterung dabei gewesen sei und dass man eng und gut zusammengearbeitet habe. Dass es ihm um das Wohl seiner Tchter gegangen sei, dass er zu einer Messe nach Dubai reisen wollte, um den Scheichs das System zur Wasseraufbereitung zu verkaufen. ber sein Privatleben habe der Herr SchiestlSwarovski wenig erzhlt, nur dass er stolz auf seine Tchter sei. Und beim Totenmahl seiner Frau, da sa Leiter neben ihm, da habe er ihm gesagt, dass es seinen Tchtern anders ergehen soll als ihm, dass er jetzt fr sie da sein will.

    Auch nach dem Tod seiner Frau sei er noch ins Bro gekommen, angeschlagen zwar, aber er habe das Tagesgeschft trotzdem erledigt, die Finanzierung der Firma fr die nchsten zwei Jahre gesichert. Das Wichtigste, sagt Leiter, waren fr ihn seine Tchter. Er hat sie sogar von der Schule abgeholt.

    Aber warum nimmt sich einer, der fr seine Kinder da sein will, das Leben? Warum raubt er ihnen nach dem Tod der Mutter auch noch den Vater? Leiter, der Ingenieur, Mann der Zahlen und Molekle, schweigt, sagt, dass man in einen Menschen nicht hineingucken knne, dass es Probleme gbe, die man nicht mathematisch lsen knne und dass so was doch nur Psychologen beantworten knnten.

    VOR DER KLINIK MARIA EBENE GEHT DIE SONNE HINTER DEN BERGEN UNTER. Auch wenn Reinhard Haller nur im Allgemeinen bleibt, so ist klar, wen er meint. Er spricht davon, dass eine Depression einen Punkt erreichen kann, wo es keinen Ausweg mehr gibt, wo man nicht mehr wahrnimmt, dass es andere Menschen gibt, die einen brauchen, wo es nur noch diesen einen langen Tunnel gibt, aus

    dem man nicht mehr herausfindet. 15 Prozent aller Depressionen enden im Suizid, das knne man in seinem Buch nachlesen. Haller berkreuzt die Beine, mal rechts ber links, dann wieder zurck. Der Name SchiestlSwarovski fllt nicht, steht aber mitten im Raum. Von Stimmungsschwankungen, die andere nicht mitbekommen, berichtet Haller, von Versumnissen in der Kindheit, die nicht mehr aufzuholen sind, von Narben, die bleiben, von der bedeutenden Rolle einer Mutter, die fr das Emotionale zustndig ist. Er habe Erkenntnisse aus den USA gehabt, damals, als er das Gutachten von dem Herrn SchiestlSwarovski erstellt habe, Studien, die den Forschern in Europa voraus waren. Deswegen sei er zu der Erkenntnis gelangt, dass es eine Wiederholungsgefahr gegeben habe, eine Therapie ntig gewesen wre. Wer eine Waffe einmal benutze, der knne es auch wieder tun. Vielleicht wre der Mittelweg zwischen Anstalt und Gefngnis der richtige gewesen, den es damals noch nicht gab, aber wissen tue das keiner. Fr einen abgebrhten Profi wirkt Haller ziemlich bedrckt, als er sich auf dem Parkplatz mit Handschlag verabschiedet.

    Am Abend des 18. Januar 2007 kommt Andreas Schiestl Swarovski mit seiner Nichte und seinen zwei Tchtern zum letzten Mal zum Essen zu Otto Plattner ins Hotel Europa nach Innsbruck. Hervorragende Tischmanieren htten die Mdchen gehabt, sagt Plattner, sehr gute Gste seien sie gewesen.

    SEIT DEM TOD IHRER MUTTER SOLLEN ALEXANDRA UND NATASCHA IM BETT DER ELTERN GESCHLAFEN HABEN, so eine Bekannte der Familie. Als die Mdchen am Samstagvormittag, dem 20. Januar, aufstehen, ihren Vater nicht finden, die Tr seines Raumes abgesperrt ist, laufen sie um das Haus. Durch ein Fenster sieht Alexandra SchiestlSwarovski ihren Vater regungslos am Boden liegen. Sie rennt zur Nachbarin oder, wie andere berichten, zur Haushlterin; der Rettungsdienst wird verstndigt, der gegen Mittag nur noch seinen Tod feststellen kann. Andreas SchiestlSwarovski hat sich genau einen Monat nach dem Tod seiner geliebten Frau, gut 13 Jahre nach dem Mayerling von Wattens und acht Tage vor seinem 47. Geburtstag selbst gerichtet.

    Am 26. Januar wird Andreas SchiestlSwarovski neben seiner Frau Margee auf dem Weerberger Friedhof beerdigt. Anwesend ist ein Groteil des SwarovskiClans, auch viele, die in den letzten Jahren weniger mit dem Andi zu tun hatten. Aus Angst vor Fotografen und neugierigen Journalisten wird ein privates Sicherheitsunternehmen engagiert.

    Die Vormundschaft fr die Vollwaisen soll seine Schwester Marietta bernehmen, die Vermgensverwaltung bei seiner Schwester Monika liegen. Beide lassen auf Anfrage ber ihren Anwalt ausrichten, dass sie sich zu den Vorfllen nicht uern mchten. Auch Schwester Daniela, die mit dem bekannten Tiroler Schnapsfabrikanten Gnter Rochelt verheiratet ist, lsst mitteilen, dass sie ffentlich zu ihrem Bruder nichts sagen mchte. Die Ehe von Andreas war symbiotisch. Sie haben einander abgttisch geliebt. Keiner wollte ohne den anderen leben, erklrt sich Margee SchiestlSwarovskis Freundin Kathrin Grfin GoessEnzenberg das, was nicht zu erklren ist.

    Der Nebel ber Wattens hat sich verzogen. Die alte Dame vor dem Grab bekreuzigt sich, bevor sie, an der kleinen Pfarrkirche Maria Empfngnis vorbei, zum Ausgang geht: Manche Menschen, die knnen einfach nicht ohne einander leben, sagt sie, aber miteinander packen sie es auch nicht.

    Fortsetzung von Seite 71 DER FALL DER ZWEI

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