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20 / bergundsteigen #107 / sommer 19 Der Feind im Bett Sie sind wieder da: Bettwanzen Lebensweise Die Bettwanze – Cimex lectularius – ist ein blutsaugendes, zwischen 4 und 8,5 mm gro- ßes Insekt, das meist als Lästling definiert wird (Abb. 1). D.h. im Gegensatz zu den Schädlingen geht keine direkte Schadens- bedrohung für den Menschen aus, obwohl Erreger von Borreliose, Hepatitis und sogar HIV im Labor nachgewiesen werden konnten. „Bettwanzen sind Blutsauger - damit kön- nen sie theoretisch auch Krankheitserreger übertragen. Eine Erregerübertragung durch Bettwanzen konnte während eines Befalls bislang nicht nachgewiesen werden. Vor dem Hintergrund der massiven Ausbreitung der Insekten müssten diese aber mittler- weile beobachtet worden sein. Aus diesem Grund ist das Risiko der Übertragung von Krankheitserregern durch Bettwanzen als äußerst gering einzuschätzen“, so Dr. Arlette Vander Pan, Deutsches Umweltbundesamt, Abteilung Gesundheitsschädlinge und ihre Bekämpfung, die sich seit Jahren intensiv der Bettwanzenforschung widmet. Die Le- benserwartung einer Bettwanze beträgt rund sechs Monate, die Weibchen legen in dieser Zeit bis zu 150 Eier, aus denen sich Larven entwickeln, die sich in mehreren Zyklen häuten, bis sie adult sind. Sie sind nachtaktiv und verstecken sich tagsüber in Holzritzen, hinter Steckdosenverkleidungen, im Fußboden usw. Mehrere Monate ohne Nahrung ist kein Problem für Bettwanzen und zudem sind sie durchaus wanderfreudig. Bisse & Stiche Angezogen vom Kohlenstoffdioxidanteil in unserer Ausatemluft sowie von der Wärme des menschlichen Körpers kommen sie hauptsächlich bei Dunkelheit aus ihren Ver- stecken, wandern zielsicher in unsere Bet- ten und saugen für rund 15 Minuten Blut. Die Reaktion auf einen Wanzenstich – meist Eigentlich galten sie als ausgestorben, vertrieben aus unseren sauberen Haus- halten, vielfach mit starken Giften, un- ter anderem DDT (Dichlordiphenyltri- chlorethan), bekämpft und besiegt. Aber diese Rechnung wurde ohne die Hartnäckigkeit der Hauptdarsteller gemacht: der Bettwanzen. von Christina Schwann Sie sind wieder da – oder waren nie ganz weg: Die Bettwanzen – kleine, ein paar Milli- meter große Insekten, die sich ausschließ- lich von Blut ernähren; am liebsten von Menschenblut, ansonsten auch zur Ab- wechslung von Haustieren, Vögeln und Fle- dermäusen. Lange Zeit war es um das Thema Bettwanzen ruhig. Seit Anfang der 90er-Jahre wird aber von einer massiven Ausbreitung der Tiere vor allem in den USA und Australien berichtet. Selbst in Deutsch- land und Österreich steigt die Befallsrate in Hotels, Transportmitteln, Privathaushalten und eben auch auf Berghütten, wo sie für unruhige Nächte und ohnmächtige Hütten- wirte sorgen. Nein, kein Thema, über das man gerne in der Öffentlichkeit spricht. Schon gar nicht, wenn man selber welche hat. Allzulange wurden die kleinen Insekten mit fehlender Hygiene in Verbindung ge- bracht. Daher: Selbstanzeige? – Fehlan- zeige. Genau dieses Halbwissen über die Bettwanzen und die Angst, alleine mit dem Problem zu sein, dürfte wohl auch dazu bei- getragen haben, dass sich die Bettwanzen praktisch weltweit in aller Ruhe und unge- stört ausbreiten konnten. Abb. 1 Männliche und weibliche Bettwanze. Foto: Arlette Vander Pan Christina Schwann ist Ökologin und mit dem Büro „ökoalpin“ auf selbständiger Basis in Sachen Regionalentwicklung unterwegs.

Der Feind im Bett - Alpenverein

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Page 1: Der Feind im Bett - Alpenverein

20 / bergundsteigen #107 / sommer 19

Der Feind im BettSie sind wieder da: Bettwanzen

LebensweiseDie Bettwanze – Cimex lectularius – ist einblutsaugendes, zwischen 4 und 8,5 mm gro-ßes Insekt, das meist als Lästling definiertwird (Abb. 1). D.h. im Gegensatz zu denSchädlingen geht keine direkte Schadens-bedrohung für den Menschen aus, obwohlErreger von Borreliose, Hepatitis und sogarHIV im Labor nachgewiesen werden konnten.„Bettwanzen sind Blutsauger - damit kön-nen sie theoretisch auch Krankheitserregerübertragen. Eine Erregerübertragung durchBettwanzen konnte während eines Befallsbislang nicht nachgewiesen werden. Vordem Hintergrund der massiven Ausbreitungder Insekten müssten diese aber mittler-weile beobachtet worden sein. Aus diesemGrund ist das Risiko der Übertragung vonKrankheitserregern durch Bettwanzen alsäußerst gering einzuschätzen“, so Dr. ArletteVander Pan, Deutsches Umweltbundesamt,Abteilung Gesundheitsschädlinge und ihreBekämpfung, die sich seit Jahren intensivder Bettwanzenforschung widmet. Die Le-benserwartung einer Bettwanze beträgtrund sechs Monate, die Weibchen legen indieser Zeit bis zu 150 Eier, aus denen sichLarven entwickeln, die sich in mehreren Zyklen häuten, bis sie adult sind. Sie sindnachtaktiv und verstecken sich tagsüber inHolzritzen, hinter Steckdosenverkleidungen,im Fußboden usw. Mehrere Monate ohneNahrung ist kein Problem für Bettwanzenund zudem sind sie durchaus wanderfreudig.

Bisse & SticheAngezogen vom Kohlenstoffdioxidanteil inunserer Ausatemluft sowie von der Wärmedes menschlichen Körpers kommen siehauptsächlich bei Dunkelheit aus ihren Ver-stecken, wandern zielsicher in unsere Bet-ten und saugen für rund 15 Minuten Blut.Die Reaktion auf einen Wanzenstich – meist

Eigentlich galten sie als ausgestorben,vertrieben aus unseren sauberen Haus-halten, vielfach mit starken Giften, un-ter anderem DDT (Dichlordiphenyltri-chlorethan), bekämpft und besiegt. Aber diese Rechnung wurde ohne dieHartnäckigkeit der Hauptdarsteller gemacht: der Bettwanzen.

von Christina Schwann

Sie sind wieder da – oder waren nie ganzweg: Die Bettwanzen – kleine, ein paar Milli-meter große Insekten, die sich ausschließ-lich von Blut ernähren; am liebsten vonMenschenblut, ansonsten auch zur Ab-wechslung von Haustieren, Vögeln und Fle-dermäusen. Lange Zeit war es um dasThema Bettwanzen ruhig. Seit Anfang der90er-Jahre wird aber von einer massivenAusbreitung der Tiere vor allem in den USAund Australien berichtet. Selbst in Deutsch-land und Österreich steigt die Befallsrate inHotels, Transportmitteln, Privathaushaltenund eben auch auf Berghütten, wo sie fürunruhige Nächte und ohnmächtige Hütten-wirte sorgen. Nein, kein Thema, über dasman gerne in der Öffentlichkeit spricht.Schon gar nicht, wenn man selber welchehat. Allzulange wurden die kleinen Insektenmit fehlender Hygiene in Verbindung ge-bracht. Daher: Selbstanzeige? – Fehlan-zeige. Genau dieses Halbwissen über dieBettwanzen und die Angst, alleine mit demProblem zu sein, dürfte wohl auch dazu bei-getragen haben, dass sich die Bettwanzenpraktisch weltweit in aller Ruhe und unge-stört ausbreiten konnten.

Abb. 1 Männliche undweibliche Bettwanze.

Foto: Arlette Vander Pan

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stechen sie mehrmals nebeneinander, wo-durch die sogenannte „Wanzenstraße“ ent-steht – sind von Mensch zu Mensch sehrunterschiedlich. Während viele Menschensofort auf Bettwanzenstiche reagieren, zei-gen andere erst bis zu zehn Tage spätereine Stichreaktion. Meist bilden sich starkjuckende, gerötete Pusteln (Abb. 2). EinigeMenschen reagieren allergisch auf die Sti-che, wieder andere berichten sogar von psy-chischen Belastungssyndromen. Generellkann man aber aufgrund von Stichen alleinenicht gesichert auf Bettwanzen schließen.

VerbreitungBettwanzen werden meist auf Gegenstän-den transportiert, z.B. auf Möbelstücken,Bilderrahmen, DVDs, etc. – Second-Hand-Produkte vor allem – oder im Reisegepäck.Die Globalisierung und unsere Reiselust tra-gen massiv zur Verbreitung bei. „FehlendeHygiene spielt dabei keine Rolle“, so Dr.Vander Pan. „Wanzen kommen in den bes-ten Hotels, in öffentlichen Verkehrsmittelnund auch in Privatwohnungen vor“.

BefallserkennungSchwarze Punkte – Kotspuren – auf Gegen-ständen, hinter Bilderrahmen, am Latten-rost, in Holzritzen, am Fußboden, hinterSteckdosenverkleidungen sind immer einAnzeichen dafür, dass es wohl Untermietergibt. Auch Häutungshüllen können gefun-den werden. Im Dunklen mit einer Taschen-lampe ausgestattet kann man eventuell Ein-zeltiere finden oder man stellt Wanzenfallenauf – Anleitungen dazu findet man im Inter-net zuhauf. Meist bedarf es aber einer sehrgründlichen Suche, am besten durch einenExperten. Seit einiger Zeit kommen zusätz-lich sogenannten Wanzen-Spürhunde zum

Einsatz. Mir ihrer feinen Nase nehmen sieden Geruch von lebenden Wanzen, der anBittermandeln erinnert, wahr und schlagenAlarm.

BekämpfungKeinesfalls sollte man irgendwelche han-delsüblichen oder im Internet angepriese-nen Insektizide auf eigene Faust in der Woh-nung versprühen! Die Gefahr, sich selbst giftigen Dämpfen auszusetzen, ist das eine,die Tatsache, dass mit solchen Maßnahmendie Resistenzentwicklung der Tiere gegenInsektizide massiv gefördert wird, das an-dere. Ein Insektizid kann nur dann wirksamnutzen, wenn alle Tiere getötet werden –ähnlich wie bei der Einnahme von Antibio-tika! Wenn immer einige offenbar stärkereTiere übrig bleiben und diese sich dann wie-der weitervermehren, entstehen langfristiggesehen die gefürchteten Resistenzen.„Dass wir heute wieder weltweit ein so gro-ßes Problem mit der Bettwanze haben, geht– neben der Globalisierung – ganz klar aufdie Ausbildung von Resistenzen zurück. InEuropa noch etwas weniger, aber in Amerikaist das bereits das Hauptproblem bei derBekämpfung der Wanzen“, so Vander Pan. Der Schädlingsbekämpfer wird sich je nachStärke des Befalls sowie den örtlichen Gegebenheiten für eine bestimmteArt der Bekämpfung entscheiden.Zur Auswahl stehen die Behand-lung der Räume durch Insektizidemit Langzeitwirkung, direktes Be-sprühen der Nester, Einsammelnoder Einsaugen der Eier aussämtlichen Ritzen und Spalten.Jedenfalls ist dies ein aufwen-diger und meist auch langwie-riger Prozess, denn mit einer einmaligen

Abb. 2 Typische Hautreaktionen nachBettwanzenstichen. Fotos: Umweltbundesamt

Abb. 3 Kotspuren von Bettwanzen an einem Lattenrost, sowie Kotspuren undHäutungshüllen hinter einem Licht-schalter. Fotos: Umweltbundesamt

Illustrationen: Roman Hösel

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Nachdem auch auf mehreren Schutzhüttenim Alpenraum Bettwanzenbefälle bekanntwurden, nehmen sich nun auch die Alpen-vereine diesem Thema offensiv an. ZweiVeranstaltungen, initiiert vom Deutschen Alpenverein, mit betroffenen Hüttenwirten,Experten aus Forschung und Praxis sowiedem Tourismus, fanden bereits statt, um zuinformieren, Missverständnisse auszuräu-men und zu mehr Kommunikation unterein-ander aufzurufen.Gleichzeitig wurde eine Handvoll Hüttenaufwendig gegen vorhandene Bettwanzenbehandelt, ein Monitoring installiert und auf Öffentlichkeitsarbeit gesetzt.

Totschweigen hilft nicht

Robert Kolbitsch, DAV Ressortleiter Hüttenund Wege, bringt es auf den Punkt: „Es hilftkeinem, das Problem Bettwanzen totzu-schweigen. Im Unterschied zu z.B. Hotelsbieten Hütten mit ihren Holzverkleidungen,Holztrennwänden mit vielen Fugen undHohlräumen zahlreiche Verstecke und Rück-zugsmöglichkeiten für Bettwanzen, was eineBekämpfung fast unmöglich macht. Wir kön-nen das Problem nur eindämmen, wenn alleBetroffenen das Thema offen ansprechenund gemeinsam an Lösungen arbeiten.“Und damit das Ganze von Anfang an richtigumgesetzt wird, hat sich der DAV zwei Ex-perten ins Boot geholt: Dr. Arlette VanderPan vom Deutschen Umweltbundesamt, dieschon seit Jahren intensiv mit Bettwanzenforscht, sowie Stefan Wellhausen (bettwan-zen-profi.de), der Betrieben ein umfassen-des Monitoring mit Hilfe von speziell aus-gebildeten Wanzenhunden anbietet.

� Schritt 1: Gasmaske, Gift und … der Gast � Aufklärung

Es geht darum, Missverständnisse auszu-räumen, Bewusstsein zu schaffen, sich demProblem anzunehmen, einen Befall frühzei-tig zu erkennen und gezielte Maßnahmenzur Bekämpfung zu ergreifen. Vor allem geht es auch um den Umgang mitder Öffentlichkeit und v.a. mit den Gästen,die verständlicherweise nicht sonderlich be-geistert sind, wenn auf der Hütte Menschenmit Gasmasken arbeiten, während sie sichauf einen erholsamen Urlaub in der frischenLuft der Alpen gefreut haben.

Behandlung ist es meist nicht getan. Auchhandelt es sich um Gifte, die zwar offiziellüber eine EU-Verordnung zugelassen seinmüssen, aber dennoch haben sie Auswir-kungen auf z.B. andere „Nichtzielorganis-men“ – sprich durch den Eintrag in die Umwelt können auch andere Organismen außer Insekten betroffen sein. Abgesehendavon reagieren einige Menschen äußerstsensibel auf Insektizide, was die Wichtigkeitder gezielten und professionellen Anwen-dung noch einmal unterstreicht. Auch ther-mische Behandlungen kommen zum Ein-satz, da man weiß, dass Bettwanzen Tempe-raturen von über 55° Celsius oder unter -18°Celsius nicht überleben. Je nach Räumlich-keit und Umfang der Vorarbeiten (Abklebenaller Ritze, Verhinderung der Abwanderungder Wanzen, Halten der Wärme, bzw. derKälte im Raum etc.) kann eine solche Me-thode sehr wirksam sein.

VorbeugungKommt man aus einem Hotel, einer Hütteoder wo auch immer her nach Hause undweiß, dass man in einem mit Bettwanzenbefallen Ort genächtigt hat, dann sollte mansein Gepäck entsprechend behandeln: Ent-weder man lässt es gleich von einem Profibegasen oder man packt den Koffer in derBadewanne aus, dann kann man fliehendeTiere leichter erkennen.

Das Bettwanzenthema ist eines, vor demman nicht länger die Augen verschließendarf. Es geht darum, Bewusstsein zuschaffen, und wo nötig, gemeinsameMaßnahmen umzusetzen; denn Einzel-bekämpfungen haben keinen Sinn, wenndie Tiere in den nächsten Tagen, überwelchen Weg auch immer, wieder ein-geschleppt werden.

� Schritt 2: Die Zeit der Hunde �

Monitoring

Einige Hütten wurden 2018 aufwendig be-handelt. Chemisch oder thermisch – in je-dem Fall zeitintensiv, kostspielig und mitEinkommensausfällen verbunden. Ein Moni-toring soll kurz nach dem Beginn der neuenSaison 2019 zeigen, ob die Hütten tatsäch-lich wanzenfrei sind – die feinen Nasen derWanzenhunde sind hier äußerst hilfreich.Stefan Wellhausen räumt allerdings ein,dass die Wahrscheinlichkeit, sich wiederWanzen durch Gäste einzuschleppen, sehrhoch sei und der Anspruch in Zukunft nichtsein kann, komplett wanzenfrei zu sein, son-dern den Befall auf ein erträgliches Maß ein-zudämmen. Ergo: regelmäßiger Besuch derWanzenhunde, die Alarm schlagen, solltewieder ein Befall stattfinden.

� Schritt 3: Wasser, Hitze und Tenside �

Prävention

Erfolgsversprechende eigene Hütten-Expe-rimente findiger Wirte wie das tägliche Wa-schen von hauseigenen Hüttenschlafsäckenbei 60° mit viel Waschmittel (Tenside setzendie Oberflächenspannung des Wassers her-ab, wodurch Wasser auch in die Eier ein-dringen kann) oder auch der Einsatz von Mi-krowellen für Schlafsäcke werden auch vonExpertin Vander Pan gutgeheißen.

Allerdings sind diese Methoden in Hinblickauf den jeweiligen Hüttenstandort und dieEnergie- und Wasserversorgung sowie denUmweltaspekt kritisch zu sehen. Für denRucksack – als bestens geeignetes Wanzen-transportmittel – hat Vander Pan aber aucheinen einfachen Tipp: den Rucksack in eindichtes Behältnis packen (Sack oder Alu-kiste, die gut verschließbar ist).

Alpenvereine gehen in die „Wanzenoffensive“

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mittel, sondern als Insektizid zugelassensei. Dies bestätige auch die Literatur wiez.B. dem Paper „Behavioral Responses ofthe Bed Bug to Permethrin-Impregnated ActiveGuard® Fabric” von Susan C. Jones,Joshua L. Bryant and Scott A. Harrison zuentnehmen sei: „ActiveGuard® ist ein ähn-liches Produkt wie Permetex, nur mit 1,64 %Permethrin anstatt wie bei Permetex 0,9 %.Fünf Stämme wurden getestet und keinerleirepellente Wirkung festgestellt.“Dr. Arlette Vander Pan führte zudem eigeneVersuche mit mehreren Bettwanzenstäm-men und verschieden langer Kontaktdauermit dem Permetex-Stoff (2 min, 60 min, 24h) durch, die deutlich zeigen würden, dassoffenbar die Verweildauer auf dem Stoffausschlaggebend sei. Nach nur zwei oderauch nach 60 Minuten würden die Tiere auf-stehen und weiterlaufen oder würden sichinnerhalb weniger Tage wieder erholen. Erstnach 24 h seien zumindest bis zu drei Tagennach dem Experiment offenbar alle Tiere tot,aber selbst hier stand nach fünf Tagen wie-der eine Wanze auf. Dr. Arlette Vander Pan:„Genau das führt zur Ausbildung von Resis-tenzen, oftmals sogar zu Kreuzresistenzen,wodurch die Insekten dann gegen alle Ty-pen von Pyrethroiden resistent sind. Dasmacht die zukünftige Bekämpfung immerschwieriger.“Auch im „Europäischen Kodex für Bettwan-zen-Management“ der Bedbug-Foundationist bezüglich Matratzen- und anderenSchutzhüllen folgendes zu lesen: „Chemischimprägnierte Matratzenabdeckungen sindnicht vergleichbar mit Matratzenhüllen undwerden in diesem Kodex nicht empfohlen.Chemisch imprägnierte Matratzenabdek-kungen werden üblicherweise mit Pyrethroi-den behandelt, gegen die inzwischen diemeisten Bettwanzenarten resistent sind. Es ist unwahrscheinlich, dass die Insektizid-konzentration in diesen Hüllen für einen Be-kämpfungserfolg ausreicht, hingegen be-steht die Gefahr, dass durch solche Bezügedurch Selektion die Resistenz in Folgegene-rationen noch zunimmt.“ In Bezug auf die Erfolge am Anton-Karg-Haus gibt Dr. Vander Pan zu bedenken, dasses keine Kontrollhütte gab, so dass mannicht eindeutig auf die Wirksamkeit des BugBag schließen könne, zumal es auch andereHütten gäbe, bei denen eine Tilgung des Befalls ganz ohne Bug Bag auch gelungensei. Die Alpenvereine schließen sich übri-gens der Meinung von Dr. Vander Pan anund raten von Permetex-Stoffen ab.

Apropos Rucksack: Permetex-Stoffe –ein Produkt, zwei Meinungen

� ProMaren Wölk, Vertreterin der Firma Perme-tex®, erklärt ihr Produkt wie folgt: „Wir ent-wickeln und vertreiben textile Produkte, diepräventiv oder befallsbegleitend Schutz vorBettwanzen u.a. Insekten bieten. Dabei ar-beitet Permetex® mit einem nachhaltigenVerfahren, ursprünglich entwickelt für dieBundeswehr, bei dem der insektizide Wirk-stoff Permethrin fest an die Faser des Stof-fes verankert wird.“ Diese sogenannte „Aus-rüstung“ des Materials mit dem Wirkstoffführe dazu, dass Bettwanzen und andere In-sekten den Kontakt mit dem Material mei-den und sich zurückziehen. Erst eine län-gere Verweildauer würde zum Tod der Insek-ten führen. Zuletzt im Juni 2018 hätte der Schädlings-biologe Dr. Oliver Zompro, der seit über 20Jahren aktiv in der Bettwanzenbekämpfungtätig sei, mehrere Tests mit verschiedenenBettwanzenstämmen aus aktuellen Befällendurchgeführt: „Wir konnten beobachten,dass die von Permetex® zur Verfügung ge-stellten Materialproben von Bettwanzenweitgehend gemieden werden. Die Idee ei-ner insektenabweisenden Umverpackunggegen Bettwanzen für das Gepäck von Rei-senden scheint zur Reduzierung der weite-ren Ausbreitung von Bettwanzen geeignet.“

Eine solche Umverpackung des Gepäckssoll nun der im Frühjahr 2019 für Alpenver-einshütten entwickelte Permetex® Bug Bag(ca. 80x120 cm, 700 g, € 179,-, www.perme-tex.de) sein. Getestet in einem Pilotprojektauf der Alpenvereinshütte Anton-Karg-Hausin Kufstein habe das Ergebnis die Erwartun-gen übertroffen. Zu Saisonstart 2018 warendort 15 von 21 Zimmern der Hütte mit Bett-wanzen befallen. Nach der Bekämpfung derbefallenen Zimmer durch eine Schädlings-bekämpfungsfirma in einer Kombination miteinem viermonatigen Einsatz der Bug Bagssei diese Hütte aktuell bettwanzenfrei.

� ContraForscherin Dr. Arlette Vander Pan vom Deut-schen Umweltbundesamt steht dem alltägli-chen Gebrauch von mit Insektizid behandel-ten Materialien wie den Permetex-Stoffenskeptisch gegenüber. Experimente im Laborhätten gezeigt, dass der Stoff geringe biskeine repellente Wirkung zeige, was nichtverwundere, da er auch nicht als Abwehr-

Fazit

Um den Befall von Bettwanzen in den Griffzu bekommen, also um eine Ausbreitungund Wiedereinschleppung möglichst zu ver-meiden, wird es wohl der Kombination meh-rerer Maßnahmen bedürfen. Angefangenvon der frühzeitigen Erkennung des Befallsüber das Waschen von Decken und Schlaf-säcken bei 60° mit viel Waschmittel bis hinzu gut verschließbaren Behältnissen fürRucksäcke, die – und hier gehen die Mei-nungen auseinander – schon oder ebennicht aus einem mit Insektiziden behandel-tem Stoff sein müssen. Dazu kommt Ge-sprächsbereitschaft, Aufklärungs- und Zu-sammenarbeit in der gesamten Region undbei allen potentiell Betroffenen. Es bleibt zuhoffen, dass bald vermehrt auf biologische– auf jeden Fall giftfreie – Methoden zuge-griffen werden kann. Denn im Sinne derÖkologie ist weder das tägliche Waschenvon Hüttenschlafsäcken und Bettwäschebzw. Decken noch der massive Einsatz vonInsektiziden akzeptabel. Vielleicht sind esdaher doch bald ganz gewöhnliche Bohnen-blätter, die den Durchbruch in der Wanzen-bekämpfung bringen. In Indien beispiels-weise werden solche Bohnenblätter rundum das Bett gelegt – mit Erfolg: Die Wanzenbleiben an den Härchen der Blätter hängen,die sich in Folge in ihre Beine bohren undsie töten. Bisher konnte daraus noch keinsynthetischer Stoff hergestellt werden, aberStudien beschäftigen sich intensiv mit die-ser giftfreien, biologischen Alternative. In diesem Sinne: hoffentlich wanzenfreieNächte im Hüttenschlafsack oder eine ge-sunde Portion Gelassenheit gepaart mit derHoffnung, dass man nicht allergisch aufBettwanzenstiche reagiert. �

PS: Der neue Flyer „Bettwan-

zen wandern mit!“ ist beim DAV, ÖAV und

AVS erhältlich.