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Der neue Online-Handel Geschäftsmodell und Kanalexzellenz im Digital Commerce Bearbeitet von Gerrit Heinemann 7. Auflage 2016. Taschenbuch. XX, 327 S. Softcover ISBN 978 3 658 11933 1 Format (B x L): 16,8 x 24 cm Gewicht: 590 g Wirtschaft > Spezielle Betriebswirtschaft > E-Commerce, E-Business, E-Marketing Zu Inhaltsverzeichnis schnell und portofrei erhältlich bei Die Online-Fachbuchhandlung beck-shop.de ist spezialisiert auf Fachbücher, insbesondere Recht, Steuern und Wirtschaft. Im Sortiment finden Sie alle Medien (Bücher, Zeitschriften, CDs, eBooks, etc.) aller Verlage. Ergänzt wird das Programm durch Services wie Neuerscheinungsdienst oder Zusammenstellungen von Büchern zu Sonderpreisen. Der Shop führt mehr als 8 Millionen Produkte.

Der neue Online-Handel - ReadingSample...Funkstationen errichtet werden. So plante die Telekom bis Ende 2011 den Aufbau von rund 2.500 LTE-Basisstationen. Dabei soll sich in Deutschland

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Page 1: Der neue Online-Handel - ReadingSample...Funkstationen errichtet werden. So plante die Telekom bis Ende 2011 den Aufbau von rund 2.500 LTE-Basisstationen. Dabei soll sich in Deutschland

Der neue Online-Handel

Geschäftsmodell und Kanalexzellenz im Digital Commerce

Bearbeitet vonGerrit Heinemann

7. Auflage 2016. Taschenbuch. XX, 327 S. SoftcoverISBN 978 3 658 11933 1

Format (B x L): 16,8 x 24 cmGewicht: 590 g

Wirtschaft > Spezielle Betriebswirtschaft > E-Commerce, E-Business, E-Marketing

Zu Inhaltsverzeichnis

schnell und portofrei erhältlich bei

Die Online-Fachbuchhandlung beck-shop.de ist spezialisiert auf Fachbücher, insbesondere Recht, Steuern und Wirtschaft.Im Sortiment finden Sie alle Medien (Bücher, Zeitschriften, CDs, eBooks, etc.) aller Verlage. Ergänzt wird das Programmdurch Services wie Neuerscheinungsdienst oder Zusammenstellungen von Büchern zu Sonderpreisen. Der Shop führt mehr

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Geschäftsmodell des Online-Handels

© Springer Fachmedien Wiesbaden 2016G. Heinemann, Der neue Online-Handel, DOI 10.1007/978-3-658-11934-8_2

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Zusammenfassung

Die Kundenzentriertheit muss Basis für das Geschäftsmodell eines jeden Online-Händ-lers sein. Losgelöst von der funktional orientierten Marketinglehre rücken Leidenschaft und Glaubwürdigkeit der gesamten Unternehmensführung und ein bedingungslos am Kundenwunsch ausgerichtetes Unternehmen in das Zentrum der geschäftlichen Aktivi-täten. Diese Art der „neuen Kundenorientierung“ durchdringt das komplette Geschäfts-system des Unternehmens und gibt Mitarbeitern zugleich einen Orientierungsrahmen für ihre täglichen Entscheidungen vor.

2.1 Grundlagen des Online-Handels

Bei genauer Betrachtung der Entwicklung des E-Commerce lassen sich bis heute sechs unterschiedliche Phasen identifizieren, in denen das Geschäftsmodell des Online-Handels evolutionsartig weiterentwickelt wurde und von denen die letzten drei Phasen andauern und sich überlagern (Heinemann 2013a; BV Capital 2011). In der Anfangsphase von 1993 bis 1999 wurde eine Reihe einfacher Konzepte gelauncht und in Traffic investiert. Dieser Lernphase folgte von 1999 bis 2005 das Zeitalter der Shopping-Vergleiche, in dem auch zahlreiche Preisvergleichsseiten gegründet wurden. Seit 2005 dauert die Phase der Shop-Optimierung an, in der die Websites auf Perfektion getrimmt werden. Zusätzlich tat sich seit 2008 die Zeit der Mitgliederseiten auf, in der die Shopping-Clubs gegründet und die meisten der Web-2.0-Funktionalitäten installiert wurden. 2010 startete die Mobile-Phase, die die Online-Shops in das mobile Internet katapultierte und jetzt erst die Penetration des Responsive Designs in Gang kommen lässt. Die letzte und jetzt durchstartende Phase ist durch das Omnichanneling bzw. die Vernetzung des Online-Handels mit anderen Ver-kaufskanälen zu sehen.

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• Start-/Anfangsphase 1993–1999: In dieser Phase wurden die meisten der heutigen Top-10 E-Commerce-Plattformen wie u. a. Amazon, eBay und Toys R’us gegründet. Sie war geprägt durch „Trial & Error“, zahlreiche Launches, Akquirieren von Traf-fic sowie Aufbau von Know-how und Ressourcen. Neben dem Online-Handelspionier Amazon feierte auch der E-Marketplace-Pionier eBay seinen 20. Geburtstag in 2015.

• Phase der Vergleichsportale/Suchmaschinen 1999–2005: Der Beginn von „Search & Browse“ mit der Gründung von Suchmaschinen und offenen Marktplätzen ist eng verbunden mit Namen wie Expedia, PriceGrobbler oder Shopping.com. Der Start der Produktsuchen, Produktrankings und -filter sowie der Bewertungen und Kundenbe-teiligungen fällt in diese Zeit. Deren „First-to-Market“-Pioniere Yahoo und Expedia mussten sich mittlerweile von ihren „Followern“ Google und Booking.com überholen lassen, die besser in der Lage waren, den schnellen Wandel der Folgephasen zu adap-tieren.

• Phase der Optimierung und Skalierung 2005 bis heute: Um 2005 begann das Zeit-alter der Professionalisierung und Skalierung, maßgeblich geprägt durch neue Sys-temanbieter und Service-Provider. Namen wie ClickTale oder Loomia sind dieser Zeit zuzuordnen, in der die ersten Ramp-ups bzw. beschleunigten Auslandsexpansionen durchstarteten sowie größere Shop-Optimierungen mit deutlich verbesserter Usability und User Experience folgten.

• Phase des Web 2.0 und der Mitgliedschaften 2008 bis heute: In diese Zeit fällt im Grunde der Wechsel von starren hin zu bewegten Websites und damit der Beginn des neuen Online-Handels. Dieser zeichnet sich vor allem durch Communities und Mit-gliedschaften aus, die von den Clubshops wie u. a. Vente Priveé oder Rulala aufgegrif-fen und in neue Geschäftsmodelle transformiert wurden.

• Phase des Mobile Commerce 2010 bis heute: Die Devise „Mobile First“ von Eric Schmidt, Chairman von Google, kennzeichnet das Zeitalter des Mobile-Commerce. Vor allem die großen Anbieter wie Amazon und insbesondere eBay wenden seit Er-findung des Smartphones enorme Systeminvestitionen auf, um dieser vor allem von den Kunden getriebenen Entwicklung Rechnung zu tragen. Mobile optimierte Websites gelten mittlerweile als Standard, obwohl dieses erst von rund 50 ProzentProzent der Online-Händler in Deutschland erkannt wurde (Heinemann 2014).

• Phase des Omnichanneling 2013 bis heute: Mobiles Internet und Smartphones prä-gen das Shopping von heute. In Kombination mit Social Media führen sie zu einer neuen Art der Interaktion und revolutionieren das Einkaufsverhalten, indem Nutzer zunehmend Informationen zu ihrem Aufenthaltsort und zu lokalen Angeboten teilen. Dabei findet die soziale Mediennutzung immer mehr im Zusammenspiel mit Lokalisie-rung und Location-based Services sowie mobiler Internet-Nutzung statt. Die parallele Nutzung aller Informations- und Einkaufskanäle, das Omnichanneling, wird vor allem von stationären Händlern im englischsprachigen Raum wie zum Beispiel Tesco, John Lewis oder WalMart in neuen No-Line-Handelsformaten umgesetzt und nötigt Pure Online Plays dazu, auch über Offline-Strategien nachzudenken (Wiwo 2014; Heine-mann 2013a).

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352.1 Grundlagen des Online-Handels

Den Online-Handel der neuen Generation kennzeichnen die letzten vier Phasen, die im Grunde eine permanente und evolutionäre Optimierung des Online-Shops unter Berück-sichtigung aller Evolutionsstufen des E-Commerce darstellen. Die vielen Shops, die sich seit 2005 nicht gewandelt haben, müssen ganz klar als veraltet und ohne Zukunftschan-cen angesehen werden. Anders als im stationären Handel, wo eine Geschäftsausstattung mindestens fünf und in der Regel eher mehr als sieben Jahre unverändert genutzt wird, bevor die „Store Erosion“ eine Rundumerneuerung erfordert (Heinemann 1989), sind im Online-Handel sowohl der Shop-Auftritt als auch die Shop-Funktionalitäten permanent zu verbessern. Dies erfordert allerdings auch eine flexible Systemlösung, die meist nur über eine moderne Middleware abbildbar ist (Heinemann 2013a). Nichts ist schlimmer im E-Commerce als ein über mehrere Jahre unveränderter und damit schnell veralteter Shop-Auftritt. Nur durch „ständiges Dranbleiben“ kann die erforderliche Faszination ver-mittelt werden, die inzwischen nicht mehr ein rein „stationäres“ Thema ist: Einprägsame und interaktive Erlebnisse werden den Kunden heutzutage vor allem im E-Commerce und anknüpfenden Communities geboten. Neben der Gründung einer eigenen Internet-Gem-einschaft, in der die Kunden ihr Konsumerlebnis teilen können, rückt dabei zunehmend auch die Nutzung externer Internet-Gemeinschaften für Markforschung, Werbezwecke und Kundenakquisition in den Fokus. Die freiwillige und aktive Einbeziehung der Kun-den in den Verkaufsprozess, beispielsweise in Form von Rückmeldungen an den Verkäu-fer, Empfehlungen an andere Interessenten und öffentliche Produktbewertungen, sowie auch die Bildung sozialer Gemeinschaften und sozialer Interaktionen im Internet stellt zweifelsohne die hohe Schule des „Online-Marketing der neuen Generation“ dar. Das kennzeichnet die seit 2008 eingesetzte und noch lange nicht beendete Web-2.0-Phase. Diese ist nicht mehr vereinbar mit starren Websites oder ausschließlichen Desktop-For-maten. Derartige Auftritte sind heutzutage eher imageschädigend und sollten im Zweifel beendet als unverändert fortgeführt werden.

Welche neue Phase sich in den nächsten Jahren auftut und den Online-Handel dann prägen wird, hängt sicherlich von den skizzierten Trends ab. Da diese vorrangig techno-logiegetrieben sind, kommt den technischen Grundlagen des Online-Handels große Be-deutung zu (Kollmann 2013).

2.1.1 Technische Grundlagen des Online-Handels

Die exponentiell steigende Rechnerleistung bei gleichzeitig sinkenden Hardware-Prei-sen und zunehmender Miniaturisierung der Hardware unterstützt den Internet-Boom, da die Informationsübertragung auf diese Weise mobil und ohne zeitliche und räumli-che Beschränkungen vollzogen werden kann (Kollmann 2014, 2013). Dazu tragen auch zunehmende Speicherkapazitäten der verwendeten Speicherchips, immer schnellere und leistungsfähigere Prozessoren sowie steigende Taktfrequenzen dieser Prozessoren bei, da sie die weitere Digitalisierung fördern und einen größeren Datentransfer ermöglichen. In Abb. 2.1 sind die technischen Schlüsselfaktoren des Internet-Wachstums dargestellt

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(Kollmann 2013; Rayport und Jaworski 2002, S. 52). Die Standards basieren auf dem Hypertext Transfer Protocol (http) und der Seitenbeschreibungssprache HTML (Hypertext Markup Language), mit denen es gelungen ist, trotz der anfangs stark limitierten Band-breite des Internet grafische Oberflächen (Browser) mit einfacher Steuerung durch Maus-klick sowie multimedialen Inhalten anzubieten. Standards und Browser in Verbindung mit verbesserter Netzqualität sind die wesentlichen technischen Säulen des Internet-Wachs-tums, wobei das Internet seine große Bedeutung ohne Frage der Entwicklung des World Wide Web (WWW) verdankt, dessen globale Nutzung jedoch ohne Standards (TCP/IP) nicht möglich wäre. Diese setzen wiederum eine weltweite Einigung (W3C) voraus. Der Durchbruch der Browser-Technologie in Verbindung mit schnellen Datennetzen ermög-licht dabei Geschwindigkeit, unkomplizierten Download sowie Plattformunabhängigkeit. Basierend auf den einheitlichen Standards konnte die Einfachheit für den Abruf und die Einstellung von Inhalten bei zugleich hohem Komfort durch Maussteuerung realisiert werden. In Hinblick auf den Content ist dabei die Entwicklung der Browser sowie die Multimediafähigkeit und technische Offenheit von zentraler Bedeutung für das Internet-Wachstum. Die Content-Nutzung setzt einfachen Zugang, Wegfall von spezifischen Kos-ten sowie Konvertierbarkeit voraus.

Das Mobile Commerce (M-Commerce) stellt eine Verschmelzung von Internet und Mobilfunk dar. Während die Geräte immer stärker den PCs ähneln und als Smartphone eine Art „multifunktionaler Miniatur-PC mit Telefonie“ darstellen, unterscheiden sich die Übertragungswege. So stand bisher mit dem UMTS (Universal Mobile Telecommunica-tion System) in Europa ein Mobilfunkstandard bereit, der sich in seiner Leistungsfähigkeit

Technik Inhalt

Standards Content-Einstellung

Browser/Netzqualität Content-Nutzung

• Sicherheitsstandards• WWW ist offen für jeden• TCP/IP-Standard• Weltweite Einigung (W3C)

• Breitband/Netze• Geschwindigkeit/Usability• Unkomplizierter Download• Plattformenunabhängigkeit

• Aktualisierbarkeit• Entwicklung der Browser• Multimedialität• Technische Offenheit

• Identifizierbarkeit• Einfacher und schneller Zugang• Keine spezifischen Kosten• Konvertierbarkeit

Abb. 2.1 Schlüsselfaktoren des Internet-Wachstums. (Quelle: In Anlehnung an Kollmann 2013; Rayport und Jaworski 2002, S. 52)

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372.1 Grundlagen des Online-Handels

der Breitbandübertragung zunehmend angenähert hat. Man spricht diesbezüglich von der dritten Mobilfunkgeneration (G3). Diese wird bereits kurzfristig von der nächsten Genera-tion abgelöst werden, der sogenannten LTE-Technologie (Long Term Evolution). Derzeit bauen die Mobilfunker ihre LTE-Netze vor allem schwerpunktmäßig in den ländlichen Regionen auf. Das erfolgt auf Basis langwelliger Frequenzen, die in der Vergangenheit von Rundfunksendern genutzt wurden und wegen der Umstellung auf digitale Techno-logien nicht mehr benötigt werden. Beim Aufbau derartiger Netze müssen also weniger Funkstationen errichtet werden. So plante die Telekom bis Ende 2011 den Aufbau von rund 2.500 LTE-Basisstationen. Dabei soll sich in Deutschland die Geschwindigkeit auf 42 Megabit pro Sekunde verdoppeln. Die UMTS-Nachfolgetechnologie wird in Deutsch-land im Gegensatz zu 3G für die UMTS-Technik HSPA + offiziell mit 4G bezeichnet.

Allerdings entspricht nach der offiziellen Definition der Internationalen Fernmelde-union das heutige LTE nicht den 4G-Standards und muss somit eigentlich noch als 3G gelten. Sicherlich ist es aber nur noch eine Frage der Zeit, bis diese Standards erfüllt sind. Hinsichtlich der technischen Schlüsselfaktoren des Internet-Wachstums gilt mittlerwei-le auch die Netzinfrastruktur als zentraler Aspekt. Dementsprechend wurden in Abb. 2.1 auch ergänzend zum Browser die Netze und dabei explizit Vernetzung/Breitband ergänzt. Diesbezüglich bleibt in Deutschland die mangelnde Verfügbarkeit schneller DSL-Verbin-dungen ein Dauerthema in der Diskussion. Vor allem in dünn besiedelten Gebieten, aber auch in ungünstig gelegenen Vororten großer Städte, steht häufig keine oder nur langsame DSL-Technologie zur Verfügung. Dadurch sind immer noch viele Privathaushalte, Fir-men und Behörden gezwungen, ihre Rechner an langsame analoge Modems oder unwe-sentlich schnellere ISDN-Leitungen anzuschließen (Heinemann 2012b). Selbst im Jahre 2014 haben immer noch drei Viertel aller großen Betriebe in Deutschland keinen Breit-bandzugang ins Internet. Dementsprechend leben in Deutschland ISDN- und Analogver-bindungen weiter. Im europäischen Vergleich und vor allem gegenüber Dänemark gilt Deutschland auf diesem Gebiet deswegen als rückständig (FAZ 2014c). Hier liegen noch große Potenziale brach. Allerdings gibt es auch bei den DSL-Anschlüssen der privaten Haushalte weiterhin Probleme. Viele DSL-Internet-Anschlüsse sind nicht annähernd so schnell, wie vom Anbieter versprochen wurde. Es ist aber davon auszugehen, dass die technischen Probleme in nicht allzu ferner Zukunft behoben werden, zumal die Durch-dringungsrate weiter fortschreitet. In Abb. 2.2 ist die Anzahl der DSL-Anschlüsse und deren Entwicklung in Deutschland dargestellt (Stand 1. Quartal 2015). Demnach kommt Deutschland per Ende des ersten Quartals 2015 auf 29,8 Mio. Anschlüsse und damit rund 49 % Penetration.

Bis Ende 2015 dürften damit nur maximal 52 % DSL-Penetration realisierbar sein, was angesichts der schnell fortschreitenden Vernetzung anderer Länder nicht nur einen gro-ßen Wettbewerbsnachteil, sondern auch schon fast einen Skandal bedeutet. Hier schieben sich Bund, Länder, Gemeinden und Netzbetreiber seit Jahren den Schwarzen Peter zu, obwohl es mit rund fünf Milliarden Euro vergleichsweise preiswert wäre, die Anschluss-quote auf 75 % zu heben (FAZ 2013c). Weitere sieben Milliarden Euro wären notwendig, um 95 % der Haushalte einen Zugang zum schnellen Internet zu verschaffen. Die letzten

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fünf Prozent würden mit noch einmal acht Milliarden Euro relativ teuer, da es sich dann um dünn besiedelte Gebiete mit größeren Distanzen handelt. Um auf 100 % zu kommen, wären zusammen also nur rund 20 Mrd. Investitionen erforderlich, die in keinem Verhält-nis zu den damit realisierbaren Wachstumseffekten stehen dürften (Plusminus 2014a, b; FAZ 2013c).

Technisch gesehen kann heute jeder Rechner weltweit mit jedem anderen Rechner ver-bunden werden. Der Datenaustausch erfolgt über die technologisch normierten Datenpro-tokolle, wodurch Browser und Server unterschiedlicher Rechner eine gemeinsame Spra-che sprechen. Dabei hat die kostenlose elektronische Post die jederzeitige und schnelle Kommunikation auch auf globaler Ebene möglich gemacht. Deutschland hat den Vorteil, dass es mit dem Telefonnetz schon lange vor dem Internet eine ausgebaute Infrastruk-tur gab, auf der moderne Online-Zugänge aufsetzen konnten. Allerdings verlagern sich E-Mails und Datentransfers zunehmend auf Handys und damit Mobilfunknetze.

2.1.2 Aktuelle Rahmenbedingungen des Online-Handels

In der digitalen Welt hat Deutschland eindeutig noch Luft nach oben. Im Vergleich zu den 15 führenden Nationen auf diesem Gebiet liegt Deutschland als Standort für die Informati-ons- und Kommunikationstechnik auf Platz fünf, neben den Niederlanden und Dänemark. An der Spitze stehen unangefochten die USA, Südkorea, Japan und Großbritannien. In

*Schätzungen

Telekom

Anbieter, die Telekom-Internet-Zugänge weiterverkaufen

DSL-Anschlüssein Deutschland in Millionen

(jeweils erstes Quartal)

Anbieter mit eigenem Netz,die oft auf die Teilnehmer-anschlussleitungen der Telekom angewiesen sind

4,0

9,0

6,0

4,4

18,5

26,5

3,5

12,1

29,8

10,3

4,1

12,4

5,2*

12,2*

2003 2007 2011 2015

Abb. 2.2 DSL-Anschlüsse in Deutschland per 2015. (Quelle: Auf Basis DSL-WEB Marktreport 2015)

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Hinblick auf die digitale Infrastruktur liegt Belgien noch vor Deutschland, das hier auf Platz zehn kommt und sich gegenüber 2014 um vier Plätze verschlechtert hat (OECD 2015; FAZ 2014c). Investitionen in die Informations- und Kommunikationstechnik sorgen hierzulande für einen Produktivitätszuwachs von immerhin 23 %. Die Bruttowertschöp-fung der IT- und Kommunikationswirtschaft, die in 2014 rund 226 Mrd. € gegenüber 228 Mrd. € in 2013 umsetzte, lag mit 4,7 % im gewerblichen Vergleich gleichauf mit dem Automobilbau (Monitoring-Report 2014). Der „Monitoring-Report“, aus dem diese Er-gebnisse hervorgehen und den das Wirtschaftsministerium zusammen mit TNS Infratest herausbringt, ist jedoch mit Vorsicht zu genießen. Er subsummiert die Internet-Wirtschaft unter die IT-lastige Kommunikations- und Informationstechnologie und setzt damit den Schwerpunkt auf Unternehmen wie die Telekom oder SAP, nicht jedoch auf Online-Händ-ler, die aus Sicht des Wirtschaftsministeriums als anwendungsorientiert in Hinblick auf Technik gelten und damit eher durchs Raster fallen. Deswegen wird auch nicht die inter-net-spezifische Netzinfrastruktur explizit, sondern im Gesamtzusammenhang aller Netze und dabei zum Beispiel zusammen mit den Stromnetzen betrachtet. Diese Zusammen-fassung schönt im Vergleich zu anderen Ländern das Bild, da in die Bewertung der Netz-infrastruktur auch Stromausfälle und dergleichen einfließen. Damit wird allerdings die Lage der eigentlich als desolat anzusehenden DSL- und vor allem Breitbandinfrastruktur in Deutschland vernebelt. In einem entsprechend krassen Gegensatz steht der letzte Infra-strukturvergleich der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). Laut OECD, die im Juli 2014 in ihrer diesjährigen Breitbandstatistik neue Zah-len zur Verbreitung des schnellen Internets in ihren 34 Mitgliedsstaaten vorgelegt hat, hinkt Deutschland bei mobilem Breitband und Glasfaser ganz weit abgeschlagen hinter-her. Lediglich bei DSL und Kabel, also eher den Internet-Verbindungen der Vergangen-heit, steht Deutschland noch durchschnittlich dar. Während in den OECD-Ländern die Durchschnittsdurchdringung bei rund 28 % liegt, kommt Deutschland mit den 29,8 Mio. Festnetzbreitbandkunden auf eine Quote von 36 % und liegt damit auf Platz zehn. Die Schweiz, die Niederlande und Dänemark liegen hier mit Werten zwischen knapp 48 und 41 % vorne.

In der Mobilfunk- und Glasfaserverbreitung, also den Netzen der Zukunft, sieht die Situation jedoch dramatisch anders aus. So kommt Deutschland bei der breitbandigen Mobilfunkversorgung nur auf den 23. von 34 Plätzen. Und das trotz der in den Berichten der Ministerien hochgelobten und angeblich hohen LTE-Verfügbarkeit. Damit reiht sich unser angeblich so hoch entwickeltes Land in die Schlusslichterländer Slowenien, Portu-gal, Mexiko oder Griechenland mit ein. Per Ende 2013 surften hierzulande rund 63,9 % der Smartphone- und Tablet-Besitzer breitbandig durchs mobile Netz. Die durchschnitt-liche Durchdringung in den OECD-Staaten liegt jedoch schon bei 81,3 %. Auf eine mobi-le Breitbandpenetration von sogar über 100 % kommen die Länder Finnland, Australien, Japan, Schweden, Dänemark, Korea und die USA, weil Nutzer dort häufig mit mehreren Mobilgeräten im Internet unterwegs sind (OECD 2015; Heise 2014). Darüber hinaus ist die Qualität des mobilen Breitbandnetzes in Deutschland mit nur 5,4 MBit/s Übertra-gungsrate relativ schlecht (Global Digital Report 2015).

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Noch düsterer sieht allerdings der Ländervergleich für Deutschland bei den Glasfaser-anschlüssen aus. Wie in Abb. 2.3 dargestellt, haben erst 1,2 % aller Breitbandkunden hier-zulande einen solchen Anschluss, obwohl die Breitbandnetzinfrastruktur als der Schlüs-selfaktor schlechthin für den digitalen Fortschritt gilt. Bei Glasfaser liegt die durchschnitt-liche Durchdringung der OECD-Länder dagegen bei 17,1 %. In Japan und Korea machen die Glasfaserverbindungen bereits über 70 bzw. 68 % der Breitbandanschlüsse im Festnetz aus. Führend in Europa ist Schweden mit 43,7 % Durchdringung (OECD 2015).

In Deutschland wird offensichtlich die Macht des Internet für die wirtschaftliche Ent-wicklung unterbewertet. Hier hat die Internet-Wirtschaft in den letzten vier Jahren ge-schätzt rund ein Viertel zum BIP-Wachstum beigesteuert. Wie kann es aber trotz dieser enormen Wachstumsdynamik sein, dass die fast 100 Mrd. € der letzten drei Konjunk-turprogramme nicht für den Ausbau der desolaten Netzinfrastruktur in Deutschland und damit für echte Wachstumsbeschleunigung genutzt wurden? Das wohl größte Problem dürfte hierzulande sein, dass Politik und Verbände die Situation schönreden, Zahlen stets höher ausweisen und gerne den Zusatz „bis zu“ nutzen. So haben viele Bürger zwar „bis

Percentage of fibre connections in the total broadband subscriptions, Dec. 2014

0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80%

KoreaSwedenEstoniaNorway

Slovak RepublicIceland

SloveniaPortugal

DenmarkOECDTurkey

HungaryCzech Republic

SpainSwitzerland

LuxembourgNetherlands

United StatesMexico

New ZealandAustraliaCanadaPoland

ChileItaly

FranceFinlandAustria

GermanyIreland

BelgiumGreece

Abb. 2.3 OECD-Breitbandstatistik für Glasfaserkabel 2014. (Quelle: OECD 2015)

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zu“ 50 MBit/s Übertragungsrate, der Bundesdurchschnitt liegt allerdings bei rund acht MBit/s (Plusminus 2014a, b). Für den Rest der Republik gilt die Devise: „DSL – Dörfer surfen langsam“. Statt jetzt jedoch beherzt vorzugehen, überlässt die Politik das Feld den Mobilfunkbetreibern, die ihre bestehenden Netze mit LTE „aufmotzen“, jedoch den gro-ßen Funklochflickenteppich damit nicht stopfen. Die Frage lautet: „Breitbandanschluss für jeden mit LTE?“ Das bleibt vor allem für die bisher betroffenen „Bauern-DSL-Sur-fer“ ein Traum. Selbst das bescheidene Ziel der Bundesregierung, flächendeckend für alle Bundesbürger ein MBit/s bereitzustellen, ist noch längst nicht realisiert (Plusminus 2014a, b). So sprechen mindestens fünf harte Gründe dafür, dass die Zuwachsraten im Online-Handel auch weiter zunehmen werden und Deutschland spätestens jetzt zu einer digitalen Aufholjagd ansetzen muss:

• Erstens ist die Netzinfrastruktur noch im Aufbau und wird mit jeder Erhöhung der der-zeit kaum über 60 % liegenden Penetration mit schnellem Internet beflügelt werden.

• Zweitens beginnen erst jetzt die großen Filialketten damit, ihren Online-Kanal auf Web-Exzellenz zu trimmen bzw. zu professionalisieren oder überhaupt online zu ge-hen. Sie werden damit das Online-Angebot in den nächsten Jahren erheblich auswei-ten. So hatten stationäre Multichannel-Händler in 2014 mit die höchsten Zuwachsraten (bevh 2015).

• Drittens sind in Deutschland nur 55,3 von 70,2 Mio. Erwachsenen regelmäßige Inter-netnutzer. Allerdings werden die 14,9 Mio. Deutschen, die das Internet nicht oder kaum nutzen, zunehmend durch den „Tsunami der Digital Natives“ verdrängt werden.

• Viertens beflügelt der sich abzeichnende Mobile-Boom den Online-Handel, da durch die bedienungsleichten Smartphones viele der bisherigen Internet-Analphabeten an das Internet herangeführt oder Multichannel-Umsätze induziert werden.

• Und fünftens führt die zunehmende Interaktivität zu einem kontinuierlichen Abbau noch bestehender Barrieren im Online-Handel.

In den nächsten Jahren wird es damit für den Einzelhandel immer wichtiger, online und mobile präsent zu sein sowie dem sich durch die digitale Revolution ändernden Kaufver-halten Rechnung zu tragen.

2.1.3 Medienspezifische Besonderheiten des Online-Handels

Die Art und Weise, wie Individuen in digitalen Datennetzen miteinander kommunizie-ren, verändert sich durch die besonderen Eigenschaften des Mediums Internet (Kollmann 2013). Zu ihnen gehören Virtualität, Multimedialität und Interaktivität.

In Abb. 2.4 wird das Medium Internet in den Kommunikationsprozess eingeordnet. Durch das Internet wird der Empfänger einer Botschaft auch (unmittelbar) zum Sender einer Botschaft. Dadurch werden die ursprünglichen Rollen der Kommunikationspartner zum Teil vermischt oder gar aufgehoben; die Sender-/Empfänger-Rolle wird simultan.

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Mit der Virtualität wird die Präsenz im Kommunikationsprozess überflüssig, wobei die Multimedialität durch Einbindung verschiedenster Medien und Kommunikationsmittel ganz neue Möglichkeiten der Informationsübermittlung eröffnet. Die Interaktivität erlaubt dabei eine gegenseitige Kommunikation und damit Förderung des Dialogs zwischen ein-zelnen Handelspartnern. Die Virtualität ergibt sich aus dem Umgang mit digitalen Infor-mationen, die nicht real sind und sich aus einem Verbund von Datenströmen und Infor-mationskanälen zusammensetzen. Die digitalen Informationen können sich sowohl auf digitalisierte Leistungen (zum Beispiel Rechte, Downloads etc.) als auch auf reale Güter beziehen (physische Welt). Neben die physische Welt tritt aber in jedem Fall komplemen-tär eine virtuelle Geschäftswelt, die durch vernetzte Informationen und Kommunikations-wege gekennzeichnet ist. Beide Ebenen ergänzen sich (zum Beispiel Bestellung realer Produkte über das Internet), können jedoch auch separat funktionieren (zum Beispiel kostenpflichtiger Download von Software im Internet). Die Virtualität der Handelsebene ermöglicht eine Loslösung von Raum und Zeit. Anbieter und Käufer können jederzeit und von überall auf das Netz zugreifen und müssen nicht zeitgleich online sein, da der In-formationsaustausch über Datenbanken erfolgt. Damit wird das Internet zu einem ubiqui-tären Medium (anytime/anyplace). Während aber die Produkte über das Internet weltweit „anytime“ und „anyplace“ verkauft werden können, muss die physische Lieferung außer-halb der elektronischen Ebene erfolgen. Zur Ausgestaltung des virtuellen Kontaktes ste-hen zahlreiche Medienformen zur Verfügung (zum Beispiel Bild, Video, Ton, Text etc.), die nach Belieben kombiniert und somit multimedial genutzt werden können. Dadurch wird es möglich, dem Kommunikationspartner auch komplexe Inhalte zugänglich zu ma-chen. Dabei erfolgt der Informationsaustausch auf einer verständlichen und leicht zugäng-lichen Ebene. Zugleich wird die elektronische Handelsebene einer breiten Konsumenten-schicht angeboten. Außerdem werden die Inhalte der digitalen Informationen durch die

Sender/

Empfänger/

Context

Sender/

Empfänger/

Context

Feedback/Feedforward

E-Botschaft

InternetKodierung

Kodierung

Dekodierung

Dekodierung

Virtualität

Multimedialität

Interaktivität

Individualität

Context

Abb. 2.4 Das Medium Internet im Kommunikationsprozess. (Quelle: In Anlehnung an Kollmann 2013)

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