3
20 FOCUS-MONEY 24/2019 MONEYMARKETS Foto: iStock Gentherapien revolutionieren den Gesundheitsmarkt. Rückschläge sind nicht aus- geschlossen. Doch die Chancen sind riesig. Drei Investments für mutige Anleger Der reparierte Mensch U nverantwortlich“, lautete die einhellige Meinung von Experten und Laien zu den Designer-Babys von He Jiankui. Der chinesische Wissenschaftler gab Ende 2018 die Geburt von Zwillingsmädchen bekannt, deren Erb- gut er mit Hilfe einer Genschere verändert haben wollte, um sie gegen HIV resistent zu machen. Der Tabubruch löste einen Sturm der Empörung aus. Die chinesischen Behörden stoppten die Forschung. Und doch ist es denk- bar, dass Eingriffe mit der sogenannten Genschere Crispr/ Cas9 eines Tages weit verbreitet sein werden. Inzwischen schließt selbst der Deutsche Ethikrat Eingriffe mit der mo- lekularbiologischen Genschere nicht mehr vollständig aus. Doch für die Ethikexperten ist es zwingend, dass diese nur durchgeführt werden, wenn Sicherheit und Wirksamkeit bestehen und solche Verfahren angemessen sind. Quantensprung in der Medizin. „Das dürfte in nicht all- zu ferner Zukunft der Fall sein“, ist Mario Linimeier über- zeugt. Für den Geschäftsführer und Portfolio-Manager der auf Biotechnologie spezialisierten Investment-Bou- tique Medical Strategy bedeutet die Gen- und Zellthe- rapie nichts anderes als ein Quantensprung in der Medi- zin. Mit Kymriah von Novartis und Yescarta von Gilead Gentherapie Zellerneuerung: Mittels der Gen- und Zelltherapie wird es künftig möglich, komplette Gene zu re- parieren, zu ersetzen oder zu entfernen Quelle: Paul-Ehrlich-Institut, http://embomolmed.embopress.org/content/10/11/e9158 Fünfter Pfeiler der Krebstherapie CAR-T-Zelltherapeutika werden Krebspatienten verab- reicht, bei denen andere Therapien versagt haben. Ih- nen werden Immunzellen entnommen. Die genetisch zu CAR-T-Zellen veränderten und vermehrten Zellen werden zurückgegeben (ex vivo). CAR-T-Zellen lassen sich auch im Organismus erzeugen (in vivo). Die so mit Antirezeptoren bestückten Immunzellen können Krebszellen erkennen und abtöten.

Der reparierte Mensch - Medical Strategy...Keine Frage, Biotechnologieaktien wurden seit 2009 große Erwartungen beigemessen. In der Tat liefen diese den globalen Gesundheitsaktien

  • Upload
    others

  • View
    1

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Der reparierte Mensch - Medical Strategy...Keine Frage, Biotechnologieaktien wurden seit 2009 große Erwartungen beigemessen. In der Tat liefen diese den globalen Gesundheitsaktien

20 FOCUS-MONEY 24/2019

MONEYMARKETS

Foto: iStock

Gentherapien revolutionieren den Gesundheitsmarkt. Rückschläge sind nicht aus-

geschlossen. Doch die Chancen sind riesig. Drei Investments für mutige Anleger

Der reparierte Mensch

Unverantwortlich“, lautete die einhellige Meinung von Experten und Laien zu den Designer-Babys von He

Jiankui. Der chinesische Wissenschaftler gab Ende 2018 die Geburt von Zwillingsmädchen bekannt, deren Erb-gut er mit Hilfe einer Genschere verändert haben wollte, um sie gegen HIV resistent zu machen. Der Tabubruch löste einen Sturm der Empörung aus. Die chinesischen Behörden stoppten die Forschung. Und doch ist es denk-bar, dass Eingriffe mit der sogenannten Genschere Crispr/Cas9 eines Tages weit verbreitet sein werden. Inzwischen schließt selbst der Deutsche Ethikrat Eingriffe mit der mo-lekularbiologischen Genschere nicht mehr vollständig aus. Doch für die Ethikexperten ist es zwingend, dass diese nur durchgeführt werden, wenn Sicherheit und Wirksamkeit bestehen und solche Verfahren angemessen sind.

Quantensprung in der Medizin. „Das dürfte in nicht all-zu ferner Zukunft der Fall sein“, ist Mario Linimeier über-zeugt. Für den Geschäftsführer und Portfolio-Manager der auf Biotechnologie spezialisierten Investment-Bou-tique Medical Strategy bedeutet die Gen- und Zellthe-rapie nichts anderes als ein Quantensprung in der Medi-zin. Mit Kymriah von Novartis und Yescarta von Gilead

Gentherapie

Zellerneuerung: Mittels der Gen- und Zelltherapie

wird es künftig möglich, komplette Gene zu re-parieren, zu ersetzen oder zu entfernen

Quelle: Paul-Ehrlich-Institut, http://embomolmed.embopress.org/content/10/11/e9158

Fünfter Pfeiler der KrebstherapieCAR-T-Zelltherapeutika werden Krebspatienten verab-reicht, bei denen andere Therapien versagt haben. Ih-nen werden Immunzellen entnommen. Die genetisch zu CAR-T-Zellen veränderten und vermehrten Zellen werden zurückgegeben (ex vivo). CAR-T-Zellen lassen sich auch im Organismus erzeugen (in vivo). Die so mit Antirezeptoren bestückten Immunzellen können Krebszellen erkennen und abtöten.

Page 2: Der reparierte Mensch - Medical Strategy...Keine Frage, Biotechnologieaktien wurden seit 2009 große Erwartungen beigemessen. In der Tat liefen diese den globalen Gesundheitsaktien

21FOCUS-MONEY 24/2019

–100

0

+100

+200

+300

%Nasdaq-Biotechnologie-Index

S&P-500Stoxx-Global-ex-Euro-Healthcare-Index

2008 09 10 11 12 13 14 15 16 17 18 2019

prozentuale Entwicklung seit 1.1.2008

0

10

20

30

40

50

Neuzulassung von Biotech-Medikamentenin den USA Anzahl der Medikamente

2011 12 13 14 15 16 17 2018

–200

0

200

400

600

800

1000

PkteGewinne je Aktie von Branchenindizes

MSCI-World-FinanzwerteMSCI-World-IT

MSCI-World-Energie

MSCI-World-Gesundheit

05 101995 2000 15 2020

in Punkten, 1.1.1995 = 100

Hohes Zukunftspotenzial

Weit gehende Unabhängigkeit

Steigende Neuzulassungen

Keine Frage, Biotechnologieaktien wurden seit 2009 große Erwartungen beigemessen. In der Tat liefen diese den globalen Gesundheitsaktien wie auch dem marktbreiten US-Index S&P-500 den Rang ab. Ihre Innovationskraft hat nicht nachgelassen.

Das ständige Auf und Ab bei der Gewinnent wicklung anderer Sektoren müssen Anleger bei Gesundheits- titeln nicht fürchten. Im Gegenteil. Die Gewinne pro Aktie wachsen bei den Healthcare-Unternehmen stetig und gleichmäßig nach oben.

Mit 59 Neuzulassungen markierte das Jahr 2018 einen neuen Zulassungsrekord für Medikamente in den USA. Biotechnologieunternehmen bestimmen zwei Drittel der Neuzulassungen. Gen- und Zell-therapie sind maßgebliche Treiber.

Quelle: Thomson Reuters Datastream

Quellen: Bloomberg (Stand: 30.4.2019), Medical Strategy

Quellen: FDA, NDA, BLA, BB Bellevue Funds

wurden 2017 zwei Medikamente im sogenannten Car-T-Verfahren zugelassen. Bei Car-T-Zelltherapeutika werden Krebspatienten Immunzellen entnommen und dahinge-hend verändert, dass diese Krebszellen erkennen und ab-töten können (s. Schaubild links). Neben der Operation, der Bestrahlung, der Chemotherapie und der Präzisions-therapie bilden die Immun- und Zelltherapien inzwischen den fünften Pfeiler der Krebsbehandlung.

Potenzieller Blockbuster. Heute ist die Technik einen Schritt weiter. Mit Zolgensma erhielt in der vergangenen Woche No-vartis das Go für die Behandlung von an der spinalen Mus-kelatrophie (Typ 1) erkrankten Säuglingen, bei denen ein fortschreitender Abbau von Motoneuronen im Rückenmark binnen zwei Jahren zur tödlichen Muskelschwäche führt. Die Zahl der Betroffenen ist mit weltweit 700 Kindern unter zwei Jahren beziehungsweise 400 neuen Fällen in den USA pro Jahr zwar überschaubar. Noch lässt sich auch nicht sa-gen, ob die Reparatur des schadhaften Gens dauerhaft sein wird. Doch einige der behandelten Kinder sind inzwischen fünf Jahre alt und bei bester Gesundheit. „Wir denken, dass dies ein guter Kandidat für eine Krankheit ist, die nicht zu-rückkommt“, gibt sich David Lennon, Präsident des 2016 von Novartis übernommenen Biotechnologieunternehmens Ave-xis als Erfinder von Zolgensma, optimistisch. Dass die Ein-malbehandlung mit 2,125 Millionen Dollar zu Buche schlägt, gerät in Anbetracht des Nutzens zur Nebensache.

Gentherapie 2.0. Und doch sind die Kosten ein maß-gebliches Thema bei der Entwicklung. „Das Problem mit vielen dieser Medikamente ist, dass sie gleichzeitig le-bensverändernd und teuer für alle jene sind, die sie brau-chen“, kommentierte Michael Sherman, medizinischer Leiter der Krankenversicherung Harvard Pilgrim Health Care, der mit Novartis den Preis verhandelt hatte, gegen-über dem Brancheninformationsdienst „Heise Medien“.

„Dabei geht es darum, einen Mittelweg zu finden, der das System nicht ins Wanken bringt“, beobachet Hanns Froh-nmeyer, Molekularbiologe und Portfolio-Manager bei der Schweizer Bellevue Asset Management.

Ist bei den Immuntherapie-Pionieren wegen der hohen Nebenwirkungen, der enormen Kosten und der bisher ver-gleichsweise kleinen Erfolge in der Branche gerade etwas Ernüchterung eingetreten, so fokussieren sich viele Biotech-Boutiquen inzwischen auf die Behandlung von monogene-tischen seltenen Krankheiten. Frohnmeyer: „Mit kleinen kli-nischen Studien mit 50 bis 500 Patienten kann man in diesen Indikationen bereits eine Zulassung erreichen.“ Etwa im Be-reich der Hämophilie oder bei Augenkrankheiten.

Auch die sogenannte tumorinfiltrierende Lympho-zyten(TIL)-Technologie von Iovance (s. S. 22) ist deutlich effizienter als die ihrer Vorgänger. Bis 2022 könnten 40 weitere Gentherapien zugelassen sein. Das Interesse ist groß. Der Übernahmehunger großer Pharma-Unternehmen auf innovative Biotechnologieunternehmen ist es ebenfalls. Auch für Investoren ist der Bereich ein gefundenes Fressen. Neben Einzelaktien können sie mit Fonds und Zertifikaten am Zukunftsthema teilhaben – etwa an dem von Bellevue gemanagten Vontobel-Gene-Indexzertifikat oder dem aktiv gemanagten Fonds Medical BioHealth (s. S. 22).

HEIKE BANGERT

Page 3: Der reparierte Mensch - Medical Strategy...Keine Frage, Biotechnologieaktien wurden seit 2009 große Erwartungen beigemessen. In der Tat liefen diese den globalen Gesundheitsaktien

22 FOCUS-MONEY 24/2019

MONEYMARKETS

2

6

10

14

EuroIovance Biotherapy

50-Tage-Linie

2015 16 17 18 2019

MONEYMARKETS

60

70

80

90

100

JANJUL MAI

EuroVontobel-Gene-Therapy-Indexzertifikat

Auflagedatum

20192018

–100

0

+100

+200

+300

%Medical Biohealth

Sektordurchschnitt Aktienfonds Gesundheit

Nasdaq-Biotech-Index

08 102000 0402 06 12 14 16 2018

prozentuale Entwicklung seit 30.10.2000 (Auflagedatum),inkl. Dividenden, auf Euro-Basis

Wertentwicklung auf Euro-Basis; Stand: 27.5.19

Que

lle: M

orni

ngst

ar D

irect

Die Medizin von morgenMit 130 Titeln ist der Medical Biohealth breit gestreut. Mehr als 66 Pro-zent des Vermögens sind in Biotechnologieaktien angelegt, knapp 20 Prozent in Pharma- und aufstrebende Biopharma-Werte. Gesund-heitsaktien mit drohenden Patentverlusten meidet der Fonds. Zwei Drittel der Aktien liegen mit einer Marktkapitalisierung von unter 200 Millionen bis fünf Milliarden Dollar im Bereich der kleineren und mittleren Werte. Titel wie Genmab, Ascendis Pharma, Array BioPharma und BioMarin Pharmaceuticals sind im Fonds derzeit hoch gewichtet.

Gegenüber dem Nasdaq-Biotechnology ging das Konzept bestens auf. Seit der Auflegung des Fonds Ende Oktober 2000 legte dieser um 328 Prozent zu und überrundete den Index (105 Prozent) um Längen. „Ge-rade bei den geringer kapitalisierten Unternehmen muss man beständig die Entwicklung der Produkte in den Phasen eins bis drei im Blick haben“, sagt Fondsmanager Mario Linimeier. Eine Herkulesaufgabe: Mehr als 900 Unternehmen befinden sich in der Datenbank von Medical Strategy.

WKN/ISIN (ausschüttend): 941135/LU0119891520Fondsvolumen: 279,4 Millionen EuroTER (Gesamtkostenquote): 2,15 ProzentWertentwickl. 1 Jahr/3/5/10 Jahre: 5,6/60,0/98,1/474,6 ProzentVolatilität 3 und 5 Jahre annualisiert: 19,1/20,3 Prozent

Stand: 27.5.19; Dividenden werden (netto) reinvestiert, keine Währungs - ab sicherung

Que

lle: B

loom

berg

, Von

tobe

l

Gentherapie im PaketSelbst kein Experte und weder Lust noch Zeit, selbst zu recherchieren? Anleger, die von den Chancen der Unternehmen aus dem Bereich der Gentherapie profitieren wollen, können dies bequem mit einem Zerti-fikat auf den Vontobel-Gene-Therapy-Index tun. Der von der Schweizer Investment-Boutique Bellevue Asset Management konzipierte Index um-fasst 16 Unternehmen aus dem Bereich der Gen- und Zelltherapie. Die-ser besteht in etwa zur Hälfte aus Unternehmen, die schon länger am Markt tätig sind, profitabel arbeiten und größer kapitalisiert sind. No-vartis, Illumina, Celgene, Pfizer zählen derzeit dazu. Und dann gibt es das innovative Segment junger und viel versprechender Unternehmen, die noch Verluste schreiben. Bluebird Bio ist darunter, ebenso UniQure, Ultragenyx, Regenxbio und Thermo Fisher Scientific. „Das sind die ei-gentlichen Renditetreiber“, sagt Bellevue-Portfolio-Manager Hanns Frohnmeyer, „doch jedes einzelne ist auch mit einem hohen Risiko be-haftet.“ Das gleich gewichtete Portfolio wird halbjährliche angepasst.

WKN/ISIN: VA3BPR/DE000VA3BPR6Emittent, Emissionstag: Vontobel, 13.7.2018 Basiswert: Vontobel-Gene-Therapy-IndexIndexwährung: US-DollarGebühr p. a.: 1,20 Prozent

e = erwartet

Que

llen:

Blo

ombe

rg,T

hom

son

Reut

ers

Dat

astr

eam

Heiß, heißer, IovanceHype oder Weitsicht? Ein Unternehmen, das bislang keinen Cent Um-satz und schon gar keinen Gewinn macht, soll mit 1,9 Milliarden Eu-ro bewertet sein? Fakt ist, mit der Marktkapitalisierung ist in den ver- gangenen sieben Jahren auch der Unternehmenswert gestiegen – von 18,5 Millionen Euro im Jahr 2012 auf 569 Millionen Euro 2018. Dahinter steckt neben Eigenkapital auch eine Menge geistiges Eigentum.

Jetzt steht das Unternehmen auf der Schwelle zur Kommerzialisie-rung. In der vergangenen Woche erhielt Iovance die Zulassung für seine tumor infiltrierende Lymphozyten(TIL)-Technologie bei rezidivierendem, metastasierendem oder persistierendem Gebärmutterhalskrebs bei Fort-schreiten der Erkrankung mit oder nach einer Chemotherapie. Tests zeigten eine Ansprechrate von mehr als 89 Prozent und eine Rückbil-dungsrate von mehr als 44 Prozent der behandelten Patientinnen. Ein Durchbruch. Marktbeobachter sagen dem Shooting-Star aus dem Sili-con Valley eine blendende Zukunft voraus. Ihr Urteil unisono: Kaufen.

WKN/ISIN: A2DT49/US4622601007Börsenwert: 1,9 Miliarden EuroUmsatz 2019/20e: –/23,8 Mio. Euro Verlust je Aktie 2019/20e: –1,19/–1,38 EuroKurs in Euro: 15,39

GENE-THERAPY-INDEXZERTIFIKAT

MEDICAL BIOHEALTH

8