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Der Rotationstropfko ¨ rper – Ein neues Reaktorkonzept in der biologischen Gasreinigung* STEFANGAI,KLAUSKRÛGER,LOTHARKANNEUNDKARL-HEINZMOHR ** Ein neuer Reaktor zur Durchfu ¨ h- rung des Biotropfko ¨ rperverfahrens in der biologischen Gasreinigung wird vorgestellt. Die dauerhafte Ver- meidung der Tra ¨ gerverblockung wird erreicht durch den Einsatz ro- tierender geordneter Tra ¨ gerpa- ckungselemente, ein definiertes Flu ¨ ssigkeitsregime in Anfahr-, Be- triebs- und Reinigungsphase sowie die kontinuierliche Erfassung und Kontrolle der immobilisierten Bio- masse. Ein gleichma ¨ ßiger Biofilm auf der gesamten Tra ¨ geroberfla ¨ che wird durch eine optimierte Flu ¨ ssig- keitsverteilung mit Hilfe von Spru ¨ h- du ¨ sen und unter Ausnutzung der Tra ¨ gerko ¨ rperrotation erzeugt. Die Abreinigung erfolgt durch mit Strahldu ¨ sen erzeugte Flu ¨ ssigkeits- scherkra ¨ fte. Die Durchfu ¨ hrung eines zeitablaufgesteuerten Betriebsre- gims basiert auf der On-line-Quan- tifizierung der immobilisierten Bio- masse. Die daraus resultierende neue Qualita ¨ t der Prozesskontrolle in der biologischen Gasreinigung wird durch experimentelle Ergeb- nisse zum Gasdruckverlust, Flu ¨ ssig- keits-Hold-up und den Abbauraten dokumentiert. Die Praxisrelevanz dieses Reaktorprototypen wird durch den Einsatz im mobilen Pilot- versuch mit Realgasemissionen de- monstriert. The Rotating Trickle Bed – A New Reactor Concept for Biological Waste Gas Treat- ment This paper presents a new reactor for the biological trickle bed process in biological waste gas treatment. Clog- ging of the support is permanently avoided by 1. use of rotating support packing units; 2. a defined liquid re- gime in the start-up, operating, and cleaning phases, 3. continuous meas- urement and monitoring of the immo- bilised biomass. A uniform biofilm over the support surface is produced by op- timised liquid distribution by spray jets and utilisation of support rotation. Cleaning is accomplished by liquid shear forces produced by jets. The time-controlled operating regime is ac- complished with the aid of on-line quantification of the immobilised bio- mass. The resulting new quality of pro- cess control in biological gas treatment is demonstrated by experimental re- sults on gas pressure drop, liquid hold- up, and degradation rates. The practical relevance of this reactor prototype has been demonstrated by its use in a mo- bile pilot experiment with real gas emissions. 1 Einleitung Gemessen an wirtschaftlichen Gesichtspunkten sind die Verfahren der biologischen Gasreinigung im Vergleich zu herko ¨mmlichen Verfahren eine echte Alternative [1]. Insbe- sondere das Tropfko ¨ rperverfahren bietet bei der Eliminati- on organischer Schadstoffe aus Abluftstro ¨ men einen bemer- kenswerten Anwendungsspielraum. Trotzdem wird das Ver- fahren bis jetzt in vielen Einsatzfa ¨ llen den Anforderungen der industriellen Praxis nicht gerecht. Hauptproblem ist nach wie vor die Tra ¨ gerko ¨ rperverblockung (Clogging). Dies hat betriebstechnische Probleme und einen hohen Wartungsaufwand zur Folge. Die daraus resultierenden in- stabilen Abbauraten und mangelnde Prozesssicherheit loh- nen in vielen Fa ¨ llen den Einsatz dieser Nasstechnik nicht. Beim Tropfko ¨ rperverfahren werden Biofilmrie- selbettreaktoren eingesetzt. Diese Bezeichnung pra ¨ zisiert die ablaufenden Prozessvorga ¨ nge in diesem 3-Phasen-Re- aktor. Die metabolisch wirksamen aeroben Mikroorganis- men sind als Biofilm auf synthetischem Tra ¨ germaterial fi- xiert. Die den Tra ¨ gerko ¨ rper benetzende Rieselflu ¨ ssigkeit .............................................................................................................. * Redigiertes Vortragsmanuskript anla ¨ sslich der GVC-Jahrestagung, 29. Sept./1. Okt. 1999 in Leipzig. ** Dr. S . L . GAI , Dr. K . KRÛGER , Dipl. Ing. L . KANNE , Prof. Dr. K .-H . MOHR , Gesellschaft zur Fo ¨ rde- rung von Medizin-, Bio- und Umwelttechno- logien, Merseburger Straße 371, D-06110 Halle. 171 ÛBERSICHTSBEITRØGE Chemie Ingenieur Technik (73) 3 I 2001 S. 171–182 ª WILEY-VCH Verlag GmbH, D-69469 Weinheim, 2001 0009-286X/2001/0303-0171 $17.50 +.50/0

Der Rotationstropfkörper — Ein neues Reaktorkonzept in der biologischen Gasreinigung

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Page 1: Der Rotationstropfkörper — Ein neues Reaktorkonzept in der biologischen Gasreinigung

Der RotationstropfkoÈ rper ± Ein neuesReaktorkonzept in der biologischenGasreinigung*

S T E F A N G A I , K L A U S K R Û G E R , L O T H A R K A N N E U N D K A R L - H E I N Z M O H R * *

Ein neuer Reaktor zur DurchfuÈ h-

rung des BiotropfkoÈ rperverfahrens

in der biologischen Gasreinigung

wird vorgestellt. Die dauerhafte Ver-

meidung der TraÈ gerverblockung

wird erreicht durch den Einsatz ro-

tierender geordneter TraÈ gerpa-

ckungselemente, ein definiertes

FluÈ ssigkeitsregime in Anfahr-, Be-

triebs- und Reinigungsphase sowie

die kontinuierliche Erfassung und

Kontrolle der immobilisierten Bio-

masse. Ein gleichmaÈ ûiger Biofilm

auf der gesamten TraÈ geroberflaÈ che

wird durch eine optimierte FluÈ ssig-

keitsverteilung mit Hilfe von SpruÈ h-

duÈ sen und unter Ausnutzung der

TraÈ gerkoÈ rperrotation erzeugt. Die

Abreinigung erfolgt durch mit

StrahlduÈ sen erzeugte FluÈ ssigkeits-

scherkraÈ fte. Die DurchfuÈ hrung eines

zeitablaufgesteuerten Betriebsre-

gims basiert auf der On-line-Quan-

tifizierung der immobilisierten Bio-

masse. Die daraus resultierende

neue QualitaÈ t der Prozesskontrolle

in der biologischen Gasreinigung

wird durch experimentelle Ergeb-

nisse zum Gasdruckverlust, FluÈ ssig-

keits-Hold-up und den Abbauraten

dokumentiert. Die Praxisrelevanz

dieses Reaktorprototypen wird

durch den Einsatz im mobilen Pilot-

versuch mit Realgasemissionen de-

monstriert.

The Rotating Trickle Bed ± A New ReactorConcept for Biological Waste Gas Treat-ment

This paper presents a new reactor for

the biological trickle bed process in

biological waste gas treatment. Clog-

ging of the support is permanently

avoided by 1. use of rotating support

packing units; 2. a defined liquid re-

gime in the start-up, operating, and

cleaning phases, 3. continuous meas-

urement and monitoring of the immo-

bilised biomass. A uniform biofilm over

the support surface is produced by op-

timised liquid distribution by spray jets

and utilisation of support rotation.

Cleaning is accomplished by liquid

shear forces produced by jets. The

time-controlled operating regime is ac-

complished with the aid of on-line

quantification of the immobilised bio-

mass. The resulting new quality of pro-

cess control in biological gas treatment

is demonstrated by experimental re-

sults on gas pressure drop, liquid hold-

up, and degradation rates. The practical

relevance of this reactor prototype has

been demonstrated by its use in a mo-

bile pilot experiment with real gas

emissions.

1 Einleitung

Gemessen an wirtschaftlichen Gesichtspunkten sind dieVerfahren der biologischen Gasreinigung im Vergleich zuherkoÈ mmlichen Verfahren eine echte Alternative [1]. Insbe-sondere das TropfkoÈ rperverfahren bietet bei der Eliminati-on organischer Schadstoffe aus AbluftstroÈ men einen bemer-kenswerten Anwendungsspielraum. Trotzdem wird das Ver-fahren bis jetzt in vielen EinsatzfaÈ llen den Anforderungender industriellen Praxis nicht gerecht. Hauptproblem istnach wie vor die TraÈ gerkoÈ rperverblockung (Clogging).Dies hat betriebstechnische Probleme und einen hohenWartungsaufwand zur Folge. Die daraus resultierenden in-stabilen Abbauraten und mangelnde Prozesssicherheit loh-nen in vielen FaÈ llen den Einsatz dieser Nasstechnik nicht.

Beim TropfkoÈ rperverfahren werden Biofilmrie-selbettreaktoren eingesetzt. Diese Bezeichnung praÈ zisiertdie ablaufenden ProzessvorgaÈ nge in diesem 3-Phasen-Re-aktor. Die metabolisch wirksamen aeroben Mikroorganis-men sind als Biofilm auf synthetischem TraÈ germaterial fi-xiert. Die den TraÈ gerkoÈ rper benetzende RieselfluÈ ssigkeit

..............................................................................................................

* Redigiertes Vortragsmanuskript anlaÈ sslichder GVC-Jahrestagung, 29. Sept./1. Okt. 1999in Leipzig.

** Dr. S. L . G A I , Dr. K . K R Û G E R , Dipl. Ing. L . K A N N E ,Prof. Dr. K .-H . M O H R , Gesellschaft zur FoÈ rde-rung von Medizin-, Bio- und Umwelttechno-logien, Merseburger Straûe 371, D-06110Halle.

171Û B E R S I C H T S B E I T R Ø G EChemie Ingenieur Technik (73) 3 I 2001S. 171 ± 182 ã WILEY-VCH Verlag GmbH, D-69469 Weinheim, 20010009-286X/2001/0303-0171 $17.50 +.50/0

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wird im Kreislauf gefuÈ hrt. Sowohl der Schadstoff als auchder zum Abbau notwendige Sauerstoff sorbieren an die Bio-film-FluÈ ssigkeitsgrenzschicht und werden von den darin be-findlichen Mikroorganismen verstoffwechselt. Der biologi-sche Abbau der Schadstoffe fuÈ hrt im Idealfall zur Umwand-lung in Kohlendioxid und Biomasse.

Das Verfahren ist reststoffarm und eignet sich zurElimination von Schadstoffgemischen im Konzentrations-bereich von 2 ± 3 g Kohlenstoff pro Normkubikmeter. Inden vergangenen Jahren wurde das Verfahren an einer Viel-zahl von Substanzen erprobt [2]. Zu nennen sind die BTEX-Monoaromaten, Napthalin, Styrol, Cycloalkane, aber auchchlorierte Verbindungen. Das gemeinsame Merkmal istdie schlechte VerfuÈ gbarkeit in der FluÈ ssigphase, ausge-druÈ ckt durch einen Verteilungskoeffizienten Luft/WasserfLG < 10 [3]1).

Clogging tritt insbesondere beim Abbau von Sub-stanzen mit hohem Kohlenstoffanteil auf. In den letzten Jah-ren wurde eine Vielzahl von MoÈ glichkeiten zur Vermeidungdieses Problems untersucht. Die LoÈ sungsvorschlaÈ ge lassensich unter dem Blickwinkel der technischen Realisierbarkeitin unterschiedliche Strategien einteilen. Eine MoÈ glichkeitzur Reduzierung des Biomassewachstums sind extremeSalzkonzentrationen, welche einerseits durch die Limitie-rung der fuÈ r den Zellaufbau essentiellen Salze erreichtwird [4, 5]. Andererseits koÈ nnen auch sehr hohe Konzentra-tionen von Natriumchlorid durch osmotischen Stress dasBiomassewachstum verringern [6]. Einstellung und Kon-trolle einer bestimmten Salzkonzentration sind uÈ ber den Pa-rameter LeitfaÈ higkeit technisch realisierbar. Allerdings istmit extremen Salzkonzentrationen immer eine Abnahmeder biologischen Abbauleistung verbunden.

C OX et al. untersuchten die MoÈ glichkeit, die Ent-wicklung der schadstoffabbauenden Mikroorganismendurch eine SekundaÈ rpopulation (Protozoen) zu kontrollie-ren [7]. Die Wirkung ist zweifellos nachzuweisen, laÈ sstsich aber im praktischen Einsatz nicht zuverlaÈ ssig realisie-ren. Die Verwendung von geordneten und strukturiertenPackungen verzoÈ gert die TraÈ gerkoÈ rperverblockung, kannsie aber nicht verhindern [8]. In den letzten Jahren wurdenverstaÈ rkt Anstrengungen unternommen, Clogging durchmechanischen Biomasseaustrag zu verhindern [9]. DieseLoÈ sungskonzepte sind eng an die Art des verwendeten TraÈ -germaterials gebunden. W E R N E R et al. untersuchten die MoÈ g-lichkeit der diskontinuierlichen Biomasseauskreisung ausregellosen SchuÈ ttungen, bestehend aus Aktivkohlepelletsoder Polyamidkugeln [10, 11]. Dabei wurden die zur AbloÈ -sung von Biofilmen notwendigen ScherkraÈ fte in unter-schiedlicher Weise im Wanderbettverfahren sowie im ge-ruÈ hrten und periodisch ruÈ ckgespuÈ lten Reaktor erzeugt. Esist einzuschaÈ tzen, dass der mechanische Biomasseaustragim Vergleich zu den anderen Verfahren am ehesten in diePraxis umzusetzen ist.

Im Gegensatz zu den genannten ProblemloÈ sun-gen wird in der vorliegenden Arbeit ein integrativerLoÈ sungsansatz gewaÈ hlt, um Clogging und die damit verbun-

dene ProzessinstabilitaÈ t zu vermeiden. Dabei werden diegeometrische Struktur des TraÈ gerkoÈ rpers, die quantitativeErfassung der immobilisierten Biomasse und die Gestaltungeines adaÈ quaten FluÈ ssigkeitsregimes durch den Einsatzeiner adaptiven Zeitablaufsteuerung zusammengebunden.Das vorgeschlagene LoÈ sungskonzept geht insofern uÈ ber an-dere Arbeiten hinaus, als dass nicht nur die Prozessbio-masse einer Kontrolle unterliegt, sondern durch definierteFluÈ ssigkeitsregime an definierten GrenzflaÈ chen optimaleBedingungen fuÈ r den mikrobiellen Schadstoffabbau erreichtwerden sollen. Technologische Ziele sind nahezu unbe-grenzte Prozessstandzeiten, eine hohe StabilitaÈ t der Abbau-raten und ein Konzept, das einen sicheren Scale up des Ver-fahrens moÈ glich macht. Erreicht wird dies durch VerknuÈ p-fung apparativer und steuerungstechnischer Maûnahmen ineinem neuen Verfahrenskonzept. Die Umsetzung des LoÈ -sungsansatzes in den technischen Maûstab wird durch dieErprobung eines Reaktorprototypen im Pilotmaûstab de-monstriert.

2 Entwicklungsleitlinien2.1 Theoretischer Hintergrund

Der Biofilm als ¹Biokatalysatorª des Schadstoffabbaus isteine heterogene Matrix. Seine stoffliche Zusammensetzung,die morphologische AuspraÈ gung und metabole Wirksamkeitist das Produkt zellulaÈ rer Wachstumsprozesse. Er ist jedochnicht nur ein Ergebnis des Zufalls, sondern spiegelt die phy-sikalisch-chemischen Randbedingungen einer synthetischerzeugten BiozoÈ nose wider. Diese Tatsache bildet den An-satzpunkt fuÈ r die Gestaltung eines stabilen und im Hinblickauf die Abbauleistung optimalen Prozessablaufes. Die zu-grundeliegende Leitidee fuÈ r die Neugestaltung des Biotropf-koÈ rperverfahrens lautet: An definierten PhasengrenzflaÈ chendefinierte Bedingungen in diskreten Zeitphasen schaffen.Der theoretische Hintergrund dieser Leitlinie und die da-raus sich ergebenden Konsequenzen werden im FolgendennaÈ her ausgefuÈ hrt (s. Tab. 1).

2.1.1 Biofilmwachstum und TraÈ gerkoÈ rper-geometrie

Der aerobe Schadstoffabbau im Biofilm ist ein GrenzflaÈ -chenprozess. Er findet in der schwer zu trennenden Ûber-gangszone statt, die durch den statischen oder laminarenRieselfilm und den Biofilm gebildet wird. Die Ableitungeiner idealen geometrischen Form des TraÈ gerkoÈ rpers isteng an das Aufwuchsverhalten des Biofilmes und der darinablaufenden Transport- und Reaktionsprozesse geknuÈ pft.Der Biofilm besteht aus bakteriellen Multispezieskonsor-tien, die in eine Matrix aus Exopolysacchariden eingebettetsind [12]. Der geschwindigkeitsbestimmende Transportpro-zess fuÈ r die Schadstoffe und den Sauerstoff aus der Gas-phase in den Biofilm ist die Diffusion. Die dadurch erreich-baren Penetrationstiefen im Biofilm liegen in der GroÈ ûen-ordnung zwischen 30 und 300 lm [13]. Der Schadstoffabbauist damit zum uÈ berwiegenden Teil auf diese aerobe Biofilm-FluÈ ssigkeitsgrenzschicht konzentriert. Eine optimale Nut-zung der metabolen AktivitaÈ t der dort immobilisierten Mi-

..............................................................................................................1) Eine Zusammenstellung der Formelzeichen

befindet sich am Schluss des Beitrags.

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kroorganismenzellen erfordert die dauerhafte Aufrechter-haltung des physikalischen Transportprozesses fuÈ r Schad-und Sauerstoff und damit eine Begrenzung der Biofilmdicke.Eine quasiidealer TraÈ gerkoÈ rper verfuÈ gt dabei uÈ ber einemoÈ glichst hohe spezifische OberflaÈ che und bietet damitgleichzeitig die MoÈ glichkeit der Begrenzung der Biofilm-dicke. Regellose SchuÈ ttungen mit feinporigen, konkav ge-kruÈ mmten LuÈ ckenraÈ umen koÈ nnen dieser Forderung nurkurzzeitig gerecht werden.

Exzessives Biomassewachstum als Folge des mi-krobiellen Schadstoffabbau fuÈ hrt schnell zu einer Verringe-rung der am Transport- und Abbauprozess beteiligtenGrenzflaÈ che. Die ungeordnete Struktur regelloser SchuÈ ttun-gen behindert den Eintrag fluiddynamischer ScherkraÈ fteund unterstuÈ tzt damit die schnelle Verblockung des TraÈ ger-koÈ rpers [7]. FuÈ r die geometrische Struktur eines idealenTraÈ gerkoÈ rpers ergeben sich folgende Ûberlegungen. BeiVorgabe einer Mikrostruktur des TraÈ gers mit uÈ berwiegendkonvexer OberflaÈ chenkruÈ mmung fuÈ hrt die BiofilmbildungzunaÈ chst sogar zu einer OberflaÈ chenvergroÈ ûerung und un-terstuÈ tzt damit die Etablierung einer leistungsfaÈ higen Bio-filmschicht. Gleichzeitig kann durch die Ausrichtung derMakro-TraÈ gergeometrie parallel zur StroÈ mungsrichtungdie dauerhafte Penetration mit Gas- und BerieselungsfluÈ s-sigkeit realisiert werden. Dies bietet gute VoraussetzungenfuÈ r die AbloÈ sung des Biofilms von der TraÈ geroberflaÈ chedurch fluiddynamische ScherkraÈ fte bei geringstem gasseiti-gen Druckverlust.

2.1.2 Die Rolle der FluÈ ssigphase im Abbau-prozess

Die im TropfkoÈ rper vorliegenden physikalisch-chemischenRandbedingungen werden wesentlich von der im KreislaufgefuÈ hrten BerieselungsfluÈ ssigkeit bestimmt. Deren Rolle istjedoch vielschichtig. In der Anfahrphase des Prozessestransportiert der Rieselfilm suspendierte Mikroorganismenzur TraÈ germaterialoberflaÈ che und ermoÈ glicht so die FlaÈ -chenetablierung des Biofilmes. Nach Ausbildung einer ge-schlossenen Biofilmschicht fuÈ hrt das weitere Biomasse-wachstum ausschlieûlich zu einem Zuwachs der Biofilmdi-cke. Die RieselfluÈ ssigkeit dient dabei einerseits als Trans-

portmedium fuÈ r die zum Zellwachstum notwendigen essen-tiellen anorganischen NaÈ hrstoffe und inbesondere Stick-stoff. Durch die KreislauffluÈ ssigkeit werden auûerdem derpH-Wert und die Wasserfeuchte im Biofilm reguliert. Dar-uÈ ber hinaus ist der Rieselfilm jedoch eine Stofftransportbar-riere fuÈ r die leichtfluÈ chtigen Schadstoffe und den Sauerstoffaus der Gasphase an die abbauaktive Biofilmgrenzschicht[14]. W O L F F konnte hoÈ here Abbauraten durch die Verringe-rung der Dicke der Rieselfilmschicht bei zeitlich intermittie-render Berieselung nachweisen [15].

Es wird deutlich, dass der Gestaltung eines defi-nierten Berieselungsregimes im Prozessablauf eine zentraleRolle zukommt. Dieses ist gekennzeichnet durch: 1. einenkontinuierlichen Austausch der RieselfilmfluÈ ssigkeit imTraÈ gerkoÈ rper, 2. eine gleichmaÈ ûige Verteilung der Riesel-fluÈ ssigkeit auf der gesamten TraÈ geroberflaÈ che, 3. eine Mini-mierung des dynamischen FluÈ ssigkeitsinhaltes in diskretenZeitintervallen.

Mit regellosen SchuÈ ttungen als TraÈ ger fuÈ r denBiofilm laÈ sst sich ein definiertes Berieselungsregime schwerrealisieren. Die Verteilung der RieselfilmfluÈ ssigkeit ist einstochastischer Prozess, der im Zuge der Biofilmbildung zu-nehmend behindert wird. Das fortschreitende Biofilm-wachstum fuÈ hrt einerseits zum Aufstauen der makrosko-pisch beweglichen RieselfilmfluÈ ssigkeit. Die Folge ist einAnstieg des dynamischen FluÈ ssigkeits-Hold-up, derschlieûlich zum Prozessabbruch fuÈ hrt. Andererseits redu-ziert sich der Ablauf der BerieselungsfluÈ ssigkeit auf wenigeRinnsale. Mit dieser FluÈ ssigkeitsmaldistribution besteht dieGefahr einer Limitierung der anorganischen NaÈ hrstoffe inBereichen mit ungenuÈ gendem FluÈ ssigkeitsaustausch, diefuÈ r eine hohe Abbauleistung essentiell sind [3]. GeordnetePackungen in Verbindung mit SpruÈ hduÈ sen bieten hingegengute Voraussetzungen fuÈ r ein ideales, nach den oben be-schriebenen Gesichtspunkten durchgefuÈ hrtes Beriese-lungsregime. Eine gleichmaÈ ûige Verteilung der FluÈ ssig-phase in der TraÈ gerpackung ermoÈ glicht die Etablierungvon Biofilm auf der gesamten TraÈ geroberflaÈ che. Gleichzeitigkann der Anteil der makroskopisch beweglichen Rieselfilm-fluÈ ssigkeit in diskreten Zeitintervallen gezielt minimiertwerden, um den Stofftransport des Schadstoffes aus derGasphase in den Biofilm zu intensivieren.

Tabelle 1.Entwicklungsleitlinien und Konsequenzen fuÈ r den technischen Transfer.

Prozessanforderungen Bezug zum theoretischen Hintergrund Konsequenzen fuÈ r den technischen Transfer

DefiniertePhasengrenzflaÈ chen

± DuÈ nne, aerobe Biofilmschichten± Aufrechterhaltung einer MakrotraÈ gerstruktur mit

groûer OberflaÈ che und guter Penetrierbarkeit fuÈ rGas- und FluÈ ssigphase

Rotierende TraÈ gerpackung mit in StroÈ mungsrichtungvertikal ausgerichteter Gitternetzstruktur

DefinierteBedingungen

± Definiertes FluÈ ssigkeitsregime (FluÈ ssigkeitsrate)± Vermeidung von NaÈ hrstofflimitationen± Stabiler pH- Wert und Temperatur im Prozess

± Einsatz von SpruÈ h- und StrahlduÈ sen zur FluÈ ssigkeits-verteilung und BiofilmabloÈ sung

± Regelung von pH-Wert und Temperatur

DiskreteZeitphasen

Zuordnung des Prozesszustandes zu diskreten Zeit-phasen anhand signifikanter Prozessparameter wie± Gewicht der immobilisierten Biomasse± Volumetrische Abbaurate

± On-line-Quantifizierung des Gewichts der TraÈ gerkoÈ r-perpackung

± Definierte Betriebsmodi in diskreten Zeitphasen

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2.1.3 Optimierung der Abbauleistung durchEntkopplung und Kontrolle signifi-kanter Prozessparameter

Die Optimierung eines biotechnischen Reaktionssystemszum Schadstoffabbau aus der Gasphase konzentriert sichauf die Verbesserung der Kultivierungsbedingungen. DerSchadstoffabbau als gewuÈ nschte Stoffwechselleistung istdas Ergebnis optimaler Umgebungsbedingungen in einersynthetisch erzeugten BiozoÈ nose [16]. Eine Prozessoptimie-rung in Biofilmreaktoren mit der spezifischen Abbaurate alsZielgroÈ ûe setzt voraus, die fuÈ r den Schadstoffabbau signifi-kanten Zustands- u. Prozessparameter zu kennen und einerstaÈ ndigen Kontrolle zugaÈ nglich machen zu koÈ nnen. Die Re-gelung des pH-Wertes und der Temperatur gehoÈ rt in fast al-len biotechnologischen Prozessen zum Stand der Technik.Eine daruÈ ber hinausgehende Prozesssteuerung in Biofilm-tropfkoÈ rperreaktoren muss das Wachstum des Biofilmes imZusammenhang mit dem jeweiligen Berieselungsregime se-hen. Die vorhergehende Diskussion verdeutlicht die multip-len Funktionen der BerieselungsfluÈ ssigkeit in Bezug auf dasBiofilmwachstum.

Nach wie vor existieren groûe Schwierigkeiten,gegenseitige AbhaÈ ngigkeiten zwischen Prozessparameternwie der spezifischen FluÈ ssigkeitsbelastung uL, dem dynami-schen FluÈ ssigkeits-Hold-up hL und der Dicke der abbauak-tiven Biofilmschicht dF herzustellen und diese in Bezug zurvolumetrischen Gesamtabbauleistung rdeg zu setzen. Einegrundlegende Voraussetzung ist die VergleichmaÈ ûigungder Biofilmdickenzunahme durch die Verwendung einer de-finierten Aufwuchsgeometrie des TraÈ gerkoÈ rpers sowie diequantitative Erfassung der Biomasse. Vorbild sind hier diein der Abwassertechnik verwendeten Tauchscheibenreak-toren [17]. Die Verwendung rotierender Scheiben bietet ei-nerseits definierte AufwuchsoberflaÈ chen, die auch durch diefortschreitende Biofilmbildung nicht veraÈ ndert werden. An-dererseits existiert durch das abschnittsweise Eintauchender Scheiben ein definiertes FluÈ ssigkeitsregime. Die darausresultierende, gleichmaÈ ûige Zunahme der Biofilmdicke bie-tet damit die MoÈ glichkeit des Monitorings der Biofilmdicke.

Der Zeitpunkt der Abreinigung ist dann erreicht,wenn die Dicke des Biofilms die durch den Stofftransport-prozess erreichbaren Penetrationstiefen um ein VielfachesuÈ bersteigt. Durch Bezug der Abbauleistung auf die immobi-lisierte Biomasse steht auûerdem ein Kriterium fuÈ r die dis-kontinuierliche Biomasseauskreisung und die DurchfuÈ h-rung eines definierten Berieselungsregimes in den ver-schiedenen Stadien des Biofilmwachstums im TraÈ gerkoÈ rperzur VerfuÈ gung. In TropfkoÈ rperreaktoren fuÈ r die biologischeGasreinigung wurde bisher fuÈ r das Wachstum der Biomasseim TraÈ gerkoÈ rper der gasseitige Druckverlust herangezogen[18]. Dieser Parameter erweist sich jedoch als zu wenig sen-sitiv, um der drohenden TraÈ gerverblockung rechtzeitig be-gegnen zu koÈ nnen.

2.2 Entwicklungsziele

Als ResuÈ mee der vorangehenden Diskussion ergibt sich fuÈ rdie technische Weiterentwicklung des BiotropfkoÈ rperver-

fahrens ein LoÈ sungskonzept, welches die Realisierung fol-gender Ziele beinhaltet:± Verwendung von geordneten TraÈ gerpackungen mit Git-

terstruktur;± Optimierung der TraÈ geroberflaÈ che als abbauaktive Pha-

sengrenzflaÈ che bei Sicherstellung einer In-situ-Rege-nerierung durch fluiddynamische ScherkraÈ fte;

± automatisierter Betrieb durch Einsatz einer adaptivenZeit-Ablauf-Steuerung fuÈ r das FluÈ ssigkeitsregime indiskreten Prozessphasen zur

± pH-Wert-Regelung,± anorganischen NaÈ hrstoffversorgung,± Kontrolle der immobilisierten Biomasse.± ProzessfuÈ hrung hinsichtlich Verbrauch von Betriebs-

mitteln und Energieeinsatz im suboptimalen Bereichdurch Prozessdiagnose mit Hilfe der Parameter TraÈ ger-koÈ rpergewicht und Gasaustrittskonzentration.

3 Reaktor und Anlagenaufbau

Das Ergebnis der konstruktiven Entwicklungsarbeit ist einneuartiger Reaktorprototyp. Der Reaktor ist Bestandteileines Anlagenkonzeptes, welches im technischen Maûstabumgesetzt und erprobt wurde. Den Aufbau der Anlage zeigtAbb. 1. Die Anlage ermoÈ glicht sowohl die Behandlung vonrealen industriellen Emissionen als auch die Behandlungvon ModellgasstroÈ men mit bis zu vier Schadstoffkomponen-ten. Die Schadstoffe werden in fluÈ ssiger Form mit Hilfe vonMass-Flow-Controllern (Typ LIQUI-FLOW, BRONKHORST

HI-TEC, Niederlande) in den befeuchteten und temperiertenGasstrom dosiert.

Der Gasstrom wird im Gleichstrom mit der Berie-selungsfluÈ ssigkeit durch den Reaktor gefuÈ hrt. Die Beriese-lungsfluÈ ssigkeit wird im Kreislauf gefuÈ hrt. Die Anlage wur-de zunaÈ chst als stationaÈ re Technikumanlage konzipiert,

Abbildung 1.Aufbau der Pilotanlage: 1 Luftbefeuchtung, 2 Schadstoffzu-fuhr, 3 Reaktor, 3a rotierendes TraÈ gerpackungselement, 3bGewichtsmesszelle; B1: Reaktorsumpf, B2: NaOH-LoÈ sung, B3:Mineralsalzmedium, B41: Auskreisung Biosuspension, B42:Auskreisung resuspendierter Biofilmmasse, B51: Luft/Wasser-WaÈ scher, B52: Wasserversorgung.

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nach einem einjaÈ hrigem Testbetrieb in eine mobile Pilotan-lage umgebaut und im realen Einsatz vor Ort erprobt. Kern-stuÈ ck der Anlage ist der Prototyp eines BiorotationstropfkoÈ r-perreaktors. Der Innovationsgehalt dieses Reaktors begruÈ n-det sich in folgenden konstruktiven Merkmalen:± Verwendung einer segmentierten TraÈ gerpackung mit

einer vertikal ausgerichteten, gitterartigen Mikrostruk-tur;

± Montage der TraÈ gerpackung auf einer rotierenden Wel-le;

± Berieselung des TraÈ gerkoÈ rpers mit Hilfe von SpruÈ hduÈ -sen;

± Abreinigung mit StrahlduÈ sen in Verbindung mit einerHochdruckpumpe;

± kontinuierliche Quantifizierung des TraÈ gerkoÈ rperge-wichts MTK durch eine WaÈ gezelle.

Abb. 2 zeigt schematisch die Geometrie der TraÈ -gerpackung. Als TraÈ germaterial werden dabei spiralfoÈ rmiggewickelte Gitternetze aus Polypropylen und Polyethylenverwendet (Typ Poly-Net, Fa. NORDDEUTSCHE SEEKABEL-

WERKE). Der Reaktorprototyp wurde zunaÈ chst im Labor-maûstab gebaut und getestet. Auf der Grundlage der gesam-melten Erfahrung wurde der Reaktor in den technischenMaûstab uÈ berfuÈ hrt und mit DuÈ sen und einer Messzellezur Quantifizierung der Biomasse ausgeruÈ stet. Die techni-schen Daten zu den Reaktordimensionen und den verwen-deten TraÈ gerpackungen sind in Tab. 2 zusammengefasst.

Die Berieselung der TraÈ gerpackung erfolgt uÈ berSpruÈ hduÈ sen. Durch die Montage der TraÈ gersegmente aufeine rotierende Welle soll eine optimale FluÈ ssigkeitsvertei-lung erreicht werden. Die Abreinigung der immobilisiertenBiomasse erfolgt durch Einsatz einer Hochdruckstrahlpum-pe mit Hilfe von StrahlduÈ sen, die radial zwischen den TraÈ -gersegmenten angebracht sind. WaÈ hrend der Abreinigungwird die KreislauffluÈ ssigkeit und die darin suspendierte Bio-masse zwischenzeitlich in den BehaÈ lter B41 evakuiert. Diebei der Abreinigung resuspendierte Biomasse wird in denBehaÈ lter B42 gepumpt. Die Rotationsachse wird durch einenMotor (M) am Kopfdeckel des Reaktors angetrieben.

3.1 Automatisierung und Messwert-erfassung

Das Automatisierungskonzept der Anlage beinhaltet Grund-regelkreise zur Aufrechterhaltung des pH-Wertes (pH-Wert6,8� 0,2) und der Gastemperatur (28 8C� 2 8C) DaruÈ ber hin-aus wird ein zeitabhaÈ ngiges FluÈ ssigkeitsregime realisiert,das in Abschnitt 5 naÈ her erlaÈ utert wird. WaÈ hrend des Betrie-bes werden kontinuierlich der pH-Wert, die Gastemperatur,die Schadstoffkonzentrationen in der Gasphase am Ein- undAustritt sowie das TraÈ gerkoÈ rpergewicht erfasst, visualisiertund archiviert. Hierzu wurde das Prozessleitsystem WinErs(IngenieurbuÈ ro Fa. SCHOPP, Hamburg) verwendet.

Die Schadstoffkonzentrationen wurden miteinem Prozessgaschromatographen in Verbindung miteinem Streamselektor (Typ GC 855, Fa. SYNSPEC, Nieder-lande) bestimmt und daraus die volumetrische Abbaurateermittelt. Der Gaschromatograph ist mit einem Fotoion-isationsdetektor ausgestattet. Die KapillarsaÈ ule von 15 mLaÈ nge wurde mit einer TraÈ gergasflussrate (Helium) von2,1 ml min-1 isotherm bei 70 8C betrieben. Jede Gaskonzen-tration wurde aus einem Mittelwert von drei Messungen er-mittelt. Die Kalibrierung erfolgte mit einer Standardgasmi-schung aus Styrol und synthetischer Luft bei einer Styrol-konzentration von 1 g m-3. Die Quantifizierung des TraÈ ger-koÈ rpergewichts erfolgte mit Hilfe einer Druckmesszelle(LORENZ MESSTECHNIK, Deutschland), die in das Festlagerder Rotationswelle implementiert ist.

3.2 Experimentelle Bedingungen

Zwei BakterienstaÈ mme wurden als Starterkulturen verwen-det. Der Reinstamm Ps. Spp. AT3 [19], isoliert aus Grund-wasserproben aus der Saale (Halle/S., Deutschland) undPs. fluorescens DSM Nr. 6290. Auûerdem wurden adaptierte

Abbildung 2.Schematische Darstellung der TraÈ gerkoÈ rperpackung.

Tabelle 2.Kenndaten der TraÈ gerkoÈ rperpackungen im Labor- und Pilotmaûstab.

Einheit Labor-anlage

Pilotanlage

LaÈ nge der Packung HTK m 0,48 1,62

Packungsdurchmesser m 0,09 0,29

spez. OberflaÈ che aT m2 m-3 327 116

LuÈ ckenvolumen eT m3 m-3 0,93 0,95

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Mischkulturen aus vorangegangenen Experimenten einge-setzt. Die Kultivierung im Reaktor erfolgte mit reduziertemMedium mit folgender elementarer ZusammensetzungC:N:P:S = 100 : 20:1 : 0,4. Als Mineralsalze wurden NH4Cl,KH2PO4 und MgSO4 � 7 H2O, und 1 ml l-1 Spurenelemente-loÈ sung nach [20] verwendet. Die uÈ berschuÈ ssige Biomassewurde kontinuierlich aus dem Prozess ausgekreist. Es wur-den Gasbelastungen von 50 ± 200 m3 m-2 h-1 realisiert. DieSchadstoffkonzentration fuÈ r Styrol wurde im Bereich 0,3bis 2,5 g m-3 variiert. Die Standardeinstellung fuÈ r den Lang-zeitversuch waren Gaskonzentrationen von 900�100 mg m-3

bei einer Gasbelastung von 70 m3 m-2 h-1.

3.3 Experimentelle Strategie

Zur Erprobung des Reaktors wurden Untersuchungen zumAbbau von Styrol durchgefuÈ hrt. Die Anlage wurde im Tech-nikum in vier Versuchsreihen mit einer Zeitdauer zwischen800 ± 2000 h und einem realen Pilotversuch von 4 MonatenDauer getestet. Wesentliche Fragestellungen waren das Er-reichen eines gleichmaÈ ûigen Biomasseaufwuchses (FlaÈ -chenetablierung) auf dem TraÈ gerkoÈ rper in Zusammenhangmit der Optimierung der Berieselungsrate uL, der Rotations-geschwindigkeit nR des TraÈ gerkoÈ rpers und der FluÈ ssigkeits-verteilung durch die SpruÈ hduÈ sen. Des Weiteren sollte in denUntersuchungen die EffektivitaÈ t des Abreinigungsverfah-rens optimiert werden. Hierzu gehoÈ rten die Bestimmungdes Abreinigungszeitpunktes, die Auswahl und Anordnunggeeigneter DuÈ sen sowie die Minimierung der zur Abreini-gung benoÈ tigten Wassermenge. Schlieûlich wurden die mitdiesem Reaktor zu erreichenden Abbauraten und deren Sta-bilitaÈ t bei wechselnder Schadstoffbelastung bestimmt.

4 Biofilmwachstum und fluiddy-namische Eigenschaften derTraÈ gerkoÈ rperpackung

Die Geometrie der hier vorgestellten TraÈ gerkoÈ rperpackungist das Ergebnis der in Abschnitt 2 angestellten Ûberlegun-gen. Die Mikrostruktur des TraÈ gers bilden sich kreuzendeGitterfaÈ den mit kreisrundem Stegquerschnitt DS. Diesespannen ein Gitternetz aus rhombisch geformten Maschenmit regelmaÈ ûiger Maschenweite dM auf. Der radiale Abstandder Gitterebenen dG in der Spiralwicklung ist die dritte cha-rakteristische KenngroÈ ûe dieser TraÈ gergeometrie. Das Ver-haÈ ltnis dieser KenngroÈ ûen zueinander ist das Ergebnis einerOptimierung von maximaler spezifischer TraÈ geroberflaÈ cheaT sowie der GewaÈ hrleistung der FluÈ ssigkeitspenetrationfuÈ r Berieselung und TraÈ gerkoÈ rperabreinigung.

In experimentellen Vorversuchen wurden unter-schiedliche Wertepaare dieser, die Packungsgeometrie cha-rakterisierenden KenngroÈ ûen verwendet und hinsichtlichdes Aufwuchs- und AbloÈ sungsverhaltens der Biomasse be-wertet. Hierzu wurden die TraÈ gerpackungen im Versuchs-ablauf staÈ ndig einer visuellen Begutachtung unterzogen.Abb. 3 vermittelt einen visuellen Eindruck der bewachsenenTraÈ gerkoÈ rperpackung aus der Pilotanlage nach einem Be-trieb von rund 1800 Stunden.

Ausgehend von dem dem Gaseintritt am naÈ chstenliegenden TraÈ gersegment entwickelte sich der Biofilm in-nerhalb weniger Tage auf dem gesamten TraÈ gerkoÈ rper.Die Entwicklung eines gleichmaÈ ûigen FlaÈ chenbewuchsesist unabhaÈ ngig von der Gasgeschwindigkeit an eine Min-deststyrolkonzentration von 600 ± 800 mg m-3 gebunden.Entscheidend ist die Tatsache, dass trotz des Biofilmbe-wuchses die Gitterstruktur auf lange Zeit erhalten bleibt.Aufgrund der konvexen OberflaÈ chenkruÈ mmung der Gitter-stege fuÈ hrt die Biofilmbildung zunaÈ chst zu einer VergroÈ ûe-rung der BiofilmoberflaÈ che. Erst wenn die Maschenstrukturdes Gitters uÈ berwuchert wird, kommt es zu einer deutlichenAbnahme der OberflaÈ che. Dieser Zeitpunkt wird fuÈ r die Pa-ckung bei der Standardschadstoffbelastung im Labormaû-stab nach ca. 800 Stunden und fuÈ r die Packung im Pilotmaû-stab nach 1200 ± 1500 Betriebstunden erreicht.

Ein Blick auf den radialen Querschnitt der be-wachsenen TraÈ gerpackung zeigt die DurchgaÈ ngigkeit derbewachsenen Packung in vertikaler StroÈ mungsrichtungauch noch am Ende des Versuchszeitraums (s. Abb. 3).

Abbildung 3.Bewachsener TraÈ gerkoÈ rper nach 1800 Betriebsstunden(Pilotmaûstab).

Abbildung 4.Vergleich des Druckverlustes fuÈ r verschiedene TraÈ gerkoÈ rper-packungen mit Biofilmbewuchs (uG = 150 m3 m-2 h-1,uL = 0 m3 m-2 h-1).

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Page 7: Der Rotationstropfkörper — Ein neues Reaktorkonzept in der biologischen Gasreinigung

Die DurchgaÈ ngigkeit wird durch die Bestimmung des gassei-tigen Druckverlustes bestaÈ tigt. Abb. 4 zeigt den Druckverlustdes RotortraÈ gerkoÈ rpers im Vergleich zu dem von regellosenSchuÈ ttungen und geordneten Packungen aus HIFLOW-Rin-gen [21]. Dabei wurden die HIFLOW-Ringe entweder lockergeschuÈ ttet oder in vertikaler Ausrichtung in den Reaktoreingebracht.

Aus dem Vergleich des zeitlichen Verlaufes desDruckverlustes bestaÈ tigt sich der Vorteil geordneter Packun-gen gegenuÈ ber regellosen SchuÈ ttungen. Die rotierende Pa-ckung im Pilotmaûstab zeigt auch bei fortgeschrittenem Be-wuchs nur einen unmerklichen Anstieg des Druckverlustes.Die Aufrechterhaltung der Úffnung in StroÈ mungsrichtunghat auûerdem zur Folge, dass der dynamische FluÈ ssig-keits-Hold-up kaum uÈ ber die Zeit ansteigt (s. Abb. 5).Auch hier hat die Gitterpackung deutliche Vorteile gegen-

uÈ ber regellosen TraÈ germaterialien, die mit fortgeschritte-nem Biofilmbewuchs einen deutlichen Anstieg der in derPackung zuruÈ ckgehaltenen KreislauffluÈ ssigkeit zeigen [21].

Der Einbau einer Druckmesszelle in den Reaktorim technischen Maûstab erlaubte eine kontinuierliche Ver-folgung der Gewichtszunahme des TraÈ gerkoÈ rpergewichtsinfolge Biofilmbildung und -wachstum. Abb. 6 zeigt den Ver-lauf waÈ hrend zweier unterschiedlicher Versuche im Techni-kum. In Versuch a wurde uÈ ber den gesamten Zeitraum diegleiche Schadstofffracht dosiert und nach etwa 1000 h abge-brochen. In Versuch b wurde die Schadstofffracht uÈ ber denVersuchszeitraum variiert. Der Versuch wurde nach 1600 habgebrochen. Das Gewicht wurde in der Darstellung auf dasAnfangsgewicht des TraÈ gerkoÈ rpers MTK0 bezogen. Im An-fahrzustand ist der TraÈ gerkoÈ rper voÈ llig frei von Biomasse.Der zeitliche Verlauf des TraÈ gerkoÈ rpergewichts laÈ sst sichanhand der Ergebnisse in drei charakteristische aufeinan-derfolgende Zeitphasen gliedern.Phase I ± Aufwachsphase: FlaÈ chenetablierung des Biofil-mes auf den StegflaÈ chen der Gitternetze, gekennzeichnetdurch einen uÈ berproportionalen Anstieg des TraÈ gerkoÈ rper-gewichts.Phase II ± Biofilmdickenwachstum: Quasilineare Zunah-me des TraÈ gerkoÈ rpergewichts infolge der Zunahme der Bio-filmdicke auf den StegflaÈ chen des Gitters. Die zugrundelie-gende Makro-Struktur des Gitters (Maschen) bleibt erhal-ten, die Maschenweite nimmt kontinuierlich ab.Phase III ± Plateauphase: Durch das Wachstum der Bio-masse werden die Maschen des Gitternetzes geschlossen.Die urspruÈ ngliche Gitterstruktur ist nicht mehr vorhanden.In der Folge stagniert die Zunahme des TraÈ gerkoÈ rperge-wichts und damit auch die Zunahme der immobilisiertenBiomasse. Aufgrund eines ausreichenden radialen Abstan-des der Gitterebenen bleibt aber die vertikale DurchgaÈ ngig-keit fuÈ r das Gas und die BerieselungsfluÈ ssigkeit erhalten.

In allen durchgefuÈ hrten Versuchen vergroÈ ûertesich das TraÈ gerkoÈ rpergewicht infolge des Biomassebewuch-

Abbildung 5.Dynamischer FluÈ ssigkeits-Hold-up hL in AbhaÈ ngigkeit derBetriebszeit und bei verschiedenen FluÈ ssigkeitsbelas-tungen uL.

Abbildung 6.Zunahme des TraÈ gerkoÈ rpergewichts und damit der immobilisierten Biomasse in verschiedenen Phasen des Betriebszeitraumes.

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Page 8: Der Rotationstropfkörper — Ein neues Reaktorkonzept in der biologischen Gasreinigung

ses um maximal 25 %. VernachlaÈ ssigt man eine OberflaÈ chen-vergroÈ ûerung des TraÈ gers, entspricht dies einer mittlerenBiofilmdicke von 3500 lm. Mit Erreichen dieses kritischenTraÈ gerkoÈ rpergewichts kann davon ausgegangen werden,dass die urspruÈ ngliche TraÈ gerstruktur uÈ berwuchert istund ein weiteres Biomassewachstum zur Ausbildung vonanaeroben Zonen fuÈ hrt, die fuÈ r den aeroben Schadstoffab-bau nicht zur VerfuÈ gung stehen. Damit kann ein definierterZeitpunkt fuÈ r die Abreinigung der immobilisierten Bio-masse festlegt werden. Das TraÈ gerkoÈ rpergewicht ist damitein Parameter, der zur Beurteilung der immobilisierten Bio-masse und damit zur zeitlichen Einordnung des aktuellenProzesszustandes in den Prozessgesamtverlauf herangezo-gen werden kann.

5 Adaptive Steuerung des FluÈ ssig-keitsregims in diskreten Zeit-phasen

Der qualitative zeitliche Verlauf des TraÈ gerkoÈ rpergewichtsist Grundlage fuÈ r die Realisierung eines automatisiertenProzessablaufes mit Hilfe einer Zeit-Ablaufsteuerung. Ent-sprechend Abb. 6 wird der gesamte Prozessablauf in dreiaufeinanderfolgende Abschnitte gegliedert. In diesen Be-triebsphasen wurden fuÈ r die Berieselungsrate uL, die Rotor-drehzahl nR und die FluÈ ssigkeitsauskreisrate VL charakteri-stische Wertebereiche festgelegt, die in Tab. 3 zusammenge-fasst sind.

In der Anfahrphase stehen eine moÈ glichstschnelle Etablierung des Biofilmes auf der TraÈ geroberflaÈ cheund das Erreichen der geforderten Abbauleistung im Vor-dergrund. Hierzu erfolgt eine kontinuierliche Berieselungdes TraÈ gerkoÈ rpers mit suspendierter Biomasse. Auf eineAuskreisung von KreislauffluÈ ssigkeit wird verzichtet, umdie Auswaschung der suspendierten Biomasse zu vermei-den. Die Rotation der TraÈ gerpackungen ist fuÈ r die wirksame

Verteilung der FluÈ ssigkeit in der Anfahrphase eine notwen-dige Voraussetzung.

Die Betriebsphase beginnt, wenn der AbbaugradgroÈ ûer 70 % erreicht und das Gewicht des TraÈ gerkoÈ rpers dasdes unbewachsenen TraÈ gerkoÈ rpers um 2 ± 5 % uÈ bersteigt. Inder Betriebsphase wird durch die kontinuierliche Auskrei-sung die in der KreislauffluÈ ssigkeit suspendierte Biomasseentfernt und staÈ ndig neues Mineralsalzmedium zugefuÈ hrt.Der Ûbergang von kontinuierlicher zur intermittierenderBerieselung stellt einerseits die Versorgung des Biofilmesmit anorganischen NaÈ hrsalzen und die Stabilisierung despH-Wertes sicher. Andererseits wird in Zeiten der Unterbre-chung der Berieselung der makroskopisch bewegliche FluÈ s-sigkeitsfilm minimiert und damit der Stofftransport fuÈ r diefluÈ chtigen Schadstoffe aus der Gasphase maximiert.

Der vernachlaÈ ssigbare dynamische FluÈ ssigkeits-Hold-up hL belegt die nahezu vollstaÈ ndige FluÈ ssigkeitsdrai-nage aus der Packung. Die LaÈ nge der Berieselungsintervalleresultiert aus deren Variation in experimentellen Versuchs-reihen. Sie stellen einen Kompromiss dar. WaÈ hlt man denZeitraum fuÈ r die Nichtberieselung zu lange, kommt es zugravierenden Ønderungen in der Zusammensetzung der im-mobilisierten Biomasse. Insbesondere breiten sich Pilze alsSekundaÈ rpopulation auf dem Biofilm aus. ErnaÈ hrungs-grundlage dieser Pilze sind die bakteriellen Schleime. Inder Folge aÈ ndert sich die BenetzungsfaÈ higkeit der Biofilme,da Pilze im Gegensatz zu Bakterien haÈ ufig uÈ ber stark hydro-phobe Zellmembranen verfuÈ gen. Die Bakterienfilme wer-den uÈ berwachsen und damit sinkt langfristig die Abbauratedes Reaktors. Eine regelmaÈ ûige Abreinigung der Biomasseist deshalb auch aus diesen ErwaÈ gungen heraus unbedingtnotwendig.GleichwohlwurdeanhandderAbbaurateninkei-nem der Versuche ein Einbruch am Ende der Betriebsphasefestgestellt. In der Betriebsphase bietet es sich an, im Hin-blick auf eine Minimierung des Energieeinsatzes nur in Zei-ten der Berieselung die Packung rotieren zu lassen.

Tabelle 3.Beschreibung der Betriebsregime in den einzelnen Zeitphasen.

Zeitphase Parameter Wertebereich

Anfahrphase Berieselungsrate uL [m h-1] 0,7

DuÈ senart ± SpruÈ hduÈ sen

Dauer FluÈ ssigkeitsverteilung [min h-1] 60

24 ± 48 h Auskreisrate VL [l h-1] 0

Rotordrehzahl nR [min-1] 1 ± 5

Betrieb Berieselungsrate uL [m h-1] 0,05 ± 0,7

DuÈ senart ± SpruÈ hduÈ sen

Dauer FluÈ ssigkeitsverteilung [min h] 5 ± 20

1000 ± 1700 h Auskreisrate VL [l h-1] 0,2

Rotordrehzahl nR [min-1] 1 ± 5

Reinigung Berieselungsrate uL [m h-1] 2 - 7

DuÈ senart ± StrahlduÈ sen

Dauer FluÈ ssigkeitsverteilung [min h-1] 60

4 h Auskreisrate VL [l h-1] 100

Rotordrehzahl [min-1] 5 ± 10

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In der Abreinigungsphase wird durch FluÈ ssig-keitsbestrahlung bei kontinuierlicher Rotation die immobi-lisierte Biomasse resuspendiert und aus dem Reaktor ent-fernt. Daran schlieût sich die erneute Anfahrphase an. Inder Abreinigungsphase intensiviert die TraÈ gerrotation dieAbloÈ sung der Biofilme von der TraÈ geroberflaÈ che.

6 Abbau von Styrol6.1 Abbaurate und Packungsgeometrie

Ein wesentlicher Gesichtspunkt fuÈ r die Beurteilung derLeistungsfaÈ higkeit dieses Reaktortyps sind die maximal er-reichbaren volumetrischen Abbauraten. Die Abbauleistungdieses Reaktortyps wird anhand von Versuchsergebnissenzum Styrolabbau dokumentiert. Hintergrund fuÈ r die Aus-wahl von Styrol als Schadstoff war die MoÈ glichkeit, diesesneue Verfahrenskonzept im Rahmen eines mobilen Pilot-versuches mit einer Realemission aus einem Produktions-prozess der kunststoffverarbeitenden Industrie zu erpro-ben. Abb. 7a zeigt die volumetrischen Abbauraten in AbhaÈ n-gigkeit der Gaseintrittskonzentration bei verschiedenenGasbelastungen. Dabei ergeben sich deutliche quantitativeUnterschiede fuÈ r den Labor- und den Pilotreaktor. Mitdem Laborreaktor werden mit bis zu 150 g m-3 h-1 vergleichs-weise hohe Abbauraten fuÈ r Styrol erreicht. Dabei war diePackungsgeometrie im Laborreaktor unter dem Gesichts-punkt einer maximal erreichbaren spezifischen OberflaÈ chegewaÈ hlt worden. Mit 327 m2 m-3 ist die OberflaÈ che vergleich-bar der von HochleistungsfuÈ llkoÈ rpern aus der Absorptions-technik.

Im Gegensatz dazu erreicht der Reaktor im Pilot-maûstab nur etwa halb so hohe Abbauraten. Grund hierfuÈ rist die wesentlich geringere AufwuchsflaÈ che. Im Hinblickauf die Realisierung der In-situ-Abreinigung wurde bewussteine groÈ ber strukturierte Packung mit geringerer spezifi-scher OberflaÈ che verwendet. Der Vergleich der volumetri-schen Abbauraten der beiden Reaktoren verdeutlicht aberden Spielraum fuÈ r die weitere Optimierung der TraÈ gergeo-metrie hinsichtlich Steigerung der Abbauraten durch groûeTraÈ geroberflaÈ chen bei gleichzeitiger Regenerierbarkeit derTraÈ geroberflaÈ che durch BiomasseabloÈ sung.

Abb. 7b zeigt die experimentellen Ergebnisse ausAbb. 7a in einer Auftragung der volumetrischen Abbauratein AbhaÈ ngigkeit der volumetrischen Frachtraten. Gleichzei-tig sind dabei zum Vergleich Literaturwerte und die GrenzefuÈ r einen Abbauwirkungsgrad von 100 % eingetragen. DieAbbauraten aus den Literaturdaten sind in der GroÈ ûenord-nung vergleichbar mit Werten, die mit dem Pilotreaktor er-reicht wurden. Die Werte, die mit dem Laborreaktor erreichtwurden, liegen deutlich hoÈ her als jeder aus der Literatur be-kannte Wert. Sie koÈ nnen damit als Beweis fuÈ r die Richtigkeitdes vorgestellten Reaktorkonzeptes gewertet werden.

6.2 StabilitaÈ t der Abbauraten

FuÈ r die Praxis ist die StabilitaÈ t von Abbauraten ein ebensowichtiger Gesichtspunkt wie die maximal erreichbare Ab-baurate. Nichtsdestotrotz bilden zeitlich instationaÈ reFrachtschwankungen den Realfall im betrieblichen Produk-

tionsalltag. Ein praxisrelevantes biologisches Abluftreini-gungssystem muss StoÈ rungen dieser Art bis zu einem gewis-sen Grad gerecht werden. Im Hinblick auf die zeitlicheStrukturierung des gesamten Betriebsablaufs in die genann-ten Zeitphasen stellt sich die Frage nach der Stabilisierungder Abbauraten in diesen ZeitraÈ umen.

Abb. 8a zeigt die zeitliche Entwicklung des Ab-bauwirkungsgrades nach Abreinigung des TraÈ gerkoÈ rpersin der Anfahrphase. Als Starterkultur wurde die zuletzt imReaktorfluÈ ssigkeitskreislauf befindliche, voradaptierteMischpopulation verwendet. Schon nach 20 Stunden wirdeine nahezu stabile Abbauleistung erzielt. Ein wichtiges Er-gebnis ist dabei, dass die StabilitaÈ t wesentlich mit der HoÈ heder Eintrittskonzentration zusammenhaÈ ngt. Eine konstanthohe Abbauleistung bedingt eine konstant hohe Frachtratebei einer Mindestkonzentration von 800 mg m-3.

Abbildung 7a.Volumetrische Abbauraten von Styrol in AbhaÈ ngigkeit derGaseintrittskonzentration CGE.

Abbildung 7b.Volumetrische Abbauraten in AbhaÈ ngigkeit der Schadstoff-frachtraten. Vergleich von experimentellen Daten und Ab-bauraten aus [22].

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Abb. 8b dokumentiert die LangzeitstabilitaÈ t desVerfahrens bei konstanten Frachtraten fuÈ r Styrol. Darge-stellt ist der Betriebszeitraum 800 ± 1700 Stunden mit demPilotreaktor waÈ hrend der Erprobung im Technikum. DerVersuchszeitraum gliederte sich in aufeinanderfolgendeZeitphasen (a ± e), die durch unterschiedliche Gaseintritts-konzentrationen und Gasbelastungen gekennzeichnet sind.In Zeitphase (d) wurde eine etwa sechzigstuÈ ndige Schad-stoffunterbrechung simuliert und der darauffolgende er-neute Anstieg der Abbaurate untersucht. Eine solche Situa-tion ist typisch fuÈ r die Wiederaufnahme der industriellenProduktion nach dem Wochenende.

Auch nach fast 1700 Betriebsstunden (Zeitphasee) ist kein eigentlicher Abfall der Abbauleistung festzustel-

len. Allerdings lag die Schadstoffkonzentration bis zumEnde des Betriebes mit 1,34 g m-3 relativ hoch. Bei Schad-stoffkonzentrationen unter 800 ± 1000 mg m-3 setzt schonzu einem fruÈ heren Zeitpunkt die Etablierung von Pilzenein. Damit verbunden sind eine wesentlich schlechtere Be-netzung der TraÈ geroberflaÈ che und ein deutlicher Einbruchin der StabilitaÈ t der Abbaurate. Schwankungen in der Ein-trittskonzentration im Stunden-Rhythmus sind der Normal-fall in der industriellen Praxis.

Abb. 8c zeigt die Ergebnisse der mobilen Pilotan-lage mit Realgas aus der Epoxidharzverarbeitung. Haupt-komponenten des Abgases waren Styrol und Aceton. DieAnlage wurde im Bypass zum Gesamtabgasstrom aus derProduktionshalle geschaltet. Aufgrund der geringen Emis-

Abbildung 8a.Anfahrphase des Reaktors. Steigerung des Schadstoffabbauszu Beginn. Die FlaÈ chenetablierung des Biofilms fuÈ hrt zueiner schnellen Entwicklung der Abbauraten.

Abbildung 8b.ZeitstabilitaÈ t der Abbauraten in diskreten Zeitintervallen mit unterschiedlichen Eintrittskonzentrationenund Gasbelastungen: (a) CGE = 1,76 g m-3, uG = 58,5 m h-1, (b) CGE = 1,34 g m-3, uG = 58,5 m h-1, (c) CGE = 0,67 gm-3, uG = 117 m h-1, (d) CGE = 0 g m-3, uG = 58,5 m h-1, (e) CGE = 1,76 g m-3, uG = 58,5 m h-1.

Abbildung 8c.StabilitaÈ t der volumetrischen Abbauraten bei variierendenGaseintrittskonzentrationen von Styrol mit dem Realgas beieiner spezifischen Gasbelastung uG von 117 m h-1.

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sionen aus der Produktionshalle wurde zusaÈ tzlich Styrol inden Abgasstrom dosiert. Die so entstandenen Styrolkonzen-trationen lagen im Bereich zwischen 500 und 600 mg m-3.WaÈ hrend der Produktionszeiten wurde zusaÈ tzlich Schad-stoff emittiert, der zu der dargestellten Dynamik der Emis-sionssituation fuÈ hrte. Trotz einer zeitweisen Verdoppelungder Eintrittskonzentration bleibt die Austrittskonzentrationaus dem RotationstropfkoÈ rper auf einem bemerkenswertgeringen Niveau.

7 Zusammenfassung undSchlussfolgerung

Die erzielten Ergebnisse unterstreichen die Richtigkeit deseingangs dargestellten LoÈ sungskonzepts und der zugrunde-gelegten Annahmen. Die Kombination von rotierenden, ge-ordneten TraÈ gerpackungen in Verbindung mit DuÈ sen undeinem zeitlich angepassten FluÈ ssigkeitsregime fuÈ hren zueiner deutlichen Verbesserung der ProzessstabilitaÈ t des Bio-tropfkoÈ rperverfahrens. Dies druÈ ckt sich einerseits durchdauerhaft stabile Abbauraten und andererseits durch einewirksame Kontrolle der immobilisierten Biomasse aus. Letz-teres bezieht sich auf die Entwicklung einer gleichmaÈ ûigaufwachsenden Biofilmschicht und die nachfolgend fastvollstaÈ ndige WiederabloÈ sung vom TraÈ gerkoÈ rper. Erreichtwird dies durch ein definiertes Betriebsregime mit den Pa-rametern Berieselungsrate, FluÈ ssigkeitsauskreisrate undRotordrehzahl in diskreten Zeitphasen.

Vorraussetzung fuÈ r die zeitliche Diskretisierungdes Prozessablaufs in drei aufeinanderfolgende Zeitphasenist die quantitative Erfassung des TraÈ gerkoÈ rpergewichts. Inder Anfahrphase bietet der Einsatz voradaptierter Starter-kulturen in Verbindung mit einer ausreichenden Schad-stoffbelastung die Garantie fuÈ r die Etablierung der Abbau-leistung innerhalb weniger Stunden. Die darauffolgendeBetriebsphase von 1000 ± 1700 Stunden ist das Resultataus anfallender Schadstofffracht und einer optimierten TraÈ -gerkoÈ rperstruktur, die auch im fortgeschrittenen Bewuchs-stadium fuÈ r die BerieselungsfluÈ ssigkeit und das Gas durch-laÈ ssig bleibt. Die Eignung von strukturierten TraÈ gerpackun-gen aus gewickelten Gitternetzen wird durch den geringengasseitigen Druckverlust und den unveraÈ nderlichen dyna-mischen FluÈ ssigkeits-Hold-up waÈ hrend der gesamten Be-triebsphase unterstrichen.

Nach Erreichen eines kritischen TraÈ gerkoÈ rperge-wichts wird in einem mehrstuÈ ndigen Reinigungszyklus derBiofilm vom TraÈ gerkoÈ rper abgeloÈ st und in resuspendierterForm aus dem Reaktor ausgekreist. Erneut schlieût sichdie Anfahrphase an. Damit steht ein Prozess mit geringemWartungsaufwand und praktisch unbegrenzter Standzeitzur VerfuÈ gung.

Die Ergebnisse des Pilotversuches zeigen dieTauglichkeit dieses Reaktortyps auch bei den im industriel-len Produktionsalltag anfallenden typischen zeitlichenFluktuationen der Schadstofffracht. Nichtsdestotrotz istder Einsatz des Reaktors an Eintrittskonzentrationen uÈ ber800 mg m-3 gebunden. Erst ab dieser Konzentration ist dieEtablierung eines geschlossenen Biofilmes auf der gesam-ten TraÈ geroberflaÈ che moÈ glich. Dabei spielt die Rotation

des TraÈ gerkoÈ rpers fuÈ r eine wirksame Verteilung des Mine-ralsalzmediums eine unverzichtbare Rolle.

Im Hinblick auf den Scale up des Reaktors in dentechnischen Maûstab ist der Einsatz einer statischen TraÈ ger-packung in Verbindung mit rotierenden DuÈ sen zu erwaÈ gen.Bereits jetzt kann eingeschaÈ tzt werden, dass sich der gegen-uÈ ber konventionellen TropfkoÈ rperreaktoren erhoÈ hte tech-nische Aufwand durch die erreichten Fortschritte in der Pro-zessstabilitaÈ t rechtfertigt. Ûber die beim Scale up des Reak-tors zu erwartenden Kosten soll in KuÈ rze berichtet werden.

Die mit der Pilotanlage gesammelten Betriebser-fahrungen stellen die Grundlage fuÈ r ein an die jeweiligeSchadstofffracht optimal angepasstes Betriebsregime dar.Der Einsatz einer adaptiven Prozesssteuerung bietet dabeidie MoÈ glichkeit, heuristisches Wissen und empirisch ge-wonnene Betriebserfahrungen in den automatisierten Be-triebsablauf einflieûen zu lassen.

Eingegangen am 10. August 2000 [B 6064]

Formelzeichen

aT [m2 m-3] spezifische TraÈ geroberflaÈ cheCGE [g m-3] GaseintrittskonzentrationfLG [mG

3 mL-3] Verteilungskoeffizient Luft/Wasser

hL [m3 m-3] FluÈ ssigkeits-Hold-upHTK [m] HoÈ he des TraÈ gerkoÈ rpersnR [min-1] RotordrehzahluG [m3 m-2 h-1] spezif. GasbelastunguL [m3 m-2 h-1] spezif. FluÈ ssigkeitsbelastungr [g m-3 h-1] volumetrische AbbaurateMTK [kg] Gewicht des TraÈ gerkoÈ rpersVL [l h-1] AuskreisrateeT [m3 m-3] spezif. LuÈ ckenvolumeng [-] Abbaugrad = 1±(CGA/CGE)BTEX Benzol, Toluol, Ethylbenzol, Xylole

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