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Der Wandel der ]agd im bayerischen Alpenvorland 215 T. H. Berlin. -- STELLtNGWERF, D. A., 1962: Holzmassenbestimmung yon Pinus silvestris auf Lu~bildern in den Niederlanden. Allg. Forstz., 29-30. -- WORLF.'C, D. P., and LAter)is, G. H., 1954: The accuracy of height measurements with parallax instruments on I : 12 000 photo- graphs. PE, 823-829. Der Wandel der Jagd im bayerischen Alpenvorland Von F. EliNST Professor BACK,~IUNDhat in seiner Arbeit ,,Der Wandel des Waldes im Alpenvor- land" ' die Veriinderungen des Waldes im Landschat}sbild, in der Bewirtscha~ung, in der Holzartenzusammensetzung, in der Art der Waldnutzung und der forstlichen Kulturtiitigkeit in der Zeit yore Ende des 15. Jahrhunderts bis in unsere Zeit dar- gestellt. Die jagdlichen Verh~iltnisse, die ja in frtiheren Jahrhunderten die forstliche Bewirtschaf~ung stark beeinflut~t haben, werden dabei manchmal kurz gestrei~. Es mag vielleicht interessieren, wie sich in der gleichen Zeit, etwa seit Ende des 15. Jahr- hunderts, seitdem wir einigermagen brauchbare schriRli&e Belege haben, bis heute die jagdli&en Verh{ilmisse im altbayerischen Raum gestaltet haben. Im Rahmen dieses Artikels kann das natiirlich nicht in alien Einzelheiten geschildert werden, sondern nut in grogen Ziigen in diesem relativ beschr~inkten Gebiet. Unsere modernen Jagdgesetze gliedern rich nach Jagdrecht, Jagdreviereinteilung, Jagd-(ausiibungs-)berechtigten, sachlichen und rechtlichen Verboten, Schonzeiten, Jagd- schutz, Wildschaden, Verkehr (Handel) mit Wild, Jagdbeh/Srden und Jagdverwaltung. Alle diese Punkte werden in der ersten uns fiberlieferten herzoglich baierischen Jagd- ordnung vom 15. Juli 1551 bzw. der Allgemeinen fiirstlich baierischen Jagdordnung vom 1. November 1568, die 1616 erneuert wurde und jahrhundertelang die rechtliche Grundlage der jagdlichen Ordnung war, bereits eingehend behandelt. Grundsiitzlich stand, wohl seit Karl der Grof~e Bayern im Jahre 788 unterworfen hatte, das Jagdrecht ira ganzen Land dem Landesherrn zu. Es scheinen aber schon sehr friihzeitig doch auch bedeutenderen alteingesessenen Landadligen Jagdausiibungsrechte gr/ii~eren Umfangs erhalten geblieben zu sein. In den verschiedenen Edikten iiber die Landsfreiheit (1508, 1511, 1516 und 1553), in denen den Hofmarksherren -con Adel Jagdrecht innerhalb ihrer Hofmarken zugebilligt wird, wird n~mlich unterschieden zwischen solchen, die das Jagdrecht ,schon yon alters herk6mmlich baben", und solchen, denen es erst jetzt ,gnadenhalber" einger~iumt wird. Nichtadlige (wobei noch- rnals zwischen solchen ,von Geschlechtern" und anderen Adligen unterschieden wird) hatten, auch wenn sie Hofmarkseigner waren, kein Jagdrecht, sofern sie es nicht fiir ihre Person aus Gnaden ausdrii&lich bekamen (und dafar anscheinend auch gut zahlen mulgten!). Dazu batten die meisten Adligen auf Grund der ,Landsfreiheit" oder alten Her- kommens auch das ,,kleine Jagdrecht" (der Niederjagd) und meist dazu auch das Recht, Sauen, W/51fe und Niren zu erlegen auf den angrenzenden biiuerlichen Feld- marken (,in den Landgerichten") allerdings nur fiir ihre Person allein und mit ge- wissen zeitlichen Einschr';inkungen. Sie dunqen nur so welt jagen, daf~ sie, wenn sie rnorgens auszogen, zu Mittag, und, wenn sie nachmittags auszogen, zurn Abend wieder zu Hause waren (wer das wohl nachpriifen konnte?!). Gegen diese Auslegung wurde 1 Sauertiinder's Verlag, Frankfurt/M. 1941. Forstw. Cbl. 90 (1971), 215-224 @ 197l Verlag Paul Pare?'. Hamburg ui:d Berlin

Der Wandel der Jagd im bayerischen Alpenvorland

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Page 1: Der Wandel der Jagd im bayerischen Alpenvorland

Der Wandel der ]agd im bayerischen Alpenvorland 215

T. H. Berlin. - - S T E L L t N G W E R F , D. A., 1962: Holzmassenbestimmung yon Pinus silvestris auf Lu~bildern in den Niederlanden. Allg. Forstz., 29-30. - - WORLF.'C, D. P., and LAter)is, G. H., 1954: The accuracy of height measurements with parallax instruments on I : 12 000 photo- graphs. PE, 823-829.

Der Wandel der Jagd im bayerischen Alpenvorland

Von F. EliNST

Professor BACK,~IUND hat in seiner Arbeit ,,Der Wandel des Waldes im Alpenvor- land" ' die Veriinderungen des Waldes im Landschat}sbild, in der Bewirtscha~ung, in der Holzartenzusammensetzung, in der Art der Waldnutzung und der forstlichen Kulturtiitigkeit in der Zeit yore Ende des 15. Jahrhunderts bis in unsere Zeit dar- gestellt. Die jagdlichen Verh~iltnisse, die ja in frtiheren Jahrhunderten die forstliche Bewirtschaf~ung stark beeinflut~t haben, werden dabei manchmal kurz gestrei~. Es mag vielleicht interessieren, wie sich in der gleichen Zeit, etwa seit Ende des 15. Jahr- hunderts, seitdem wir einigermagen brauchbare schriRli&e Belege haben, bis heute die jagdli&en Verh{ilmisse im altbayerischen Raum gestaltet haben. Im Rahmen dieses Artikels kann das natiirlich nicht in alien Einzelheiten geschildert werden, sondern nut in grogen Ziigen in diesem relativ beschr~inkten Gebiet.

Unsere modernen Jagdgesetze gliedern rich nach Jagdrecht, Jagdreviereinteilung, Jagd-(ausiibungs-)berechtigten, sachlichen und rechtlichen Verboten, Schonzeiten, Jagd- schutz, Wildschaden, Verkehr (Handel) mit Wild, Jagdbeh/Srden und Jagdverwaltung. Alle diese Punkte werden in der ersten uns fiberlieferten herzoglich baierischen Jagd- ordnung vom 15. Juli 1551 bzw. der Allgemeinen fiirstlich baierischen Jagdordnung vom 1. November 1568, die 1616 erneuert wurde und jahrhundertelang die rechtliche Grundlage der jagdlichen Ordnung war, bereits eingehend behandelt.

Grundsiitzlich stand, wohl seit Karl der Grof~e Bayern im Jahre 788 unterworfen hatte, das Jagdrecht ira ganzen Land dem Landesherrn zu. Es scheinen aber schon sehr friihzeitig doch auch bedeutenderen alteingesessenen Landadligen Jagdausiibungsrechte gr/ii~eren Umfangs erhalten geblieben zu sein. In den verschiedenen Edikten iiber die Landsfreiheit (1508, 1511, 1516 und 1553), in denen den Hofmarksherren -con Adel Jagdrecht innerhalb ihrer Hofmarken zugebilligt wird, wird n~mlich unterschieden zwischen solchen, die das Jagdrecht ,schon yon alters herk6mmlich baben", und solchen, denen es erst jetzt ,gnadenhalber" einger~iumt wird. Nichtadlige (wobei noch- rnals zwischen solchen ,von Geschlechtern" und anderen Adligen unterschieden wird) hatten, auch wenn sie Hofmarkseigner waren, kein Jagdrecht, sofern sie es nicht fiir ihre Person aus Gnaden ausdrii&lich bekamen (und dafar anscheinend auch gut zahlen mulgten!).

Dazu batten die meisten Adligen auf Grund der ,Landsfreiheit" oder alten Her- kommens auch das ,,kleine Jagdrecht" (der Niederjagd) und meist dazu auch das Recht, Sauen, W/51fe und Niren zu erlegen auf den angrenzenden biiuerlichen Feld- marken (,in den Landgerichten") allerdings nur fiir ihre Person allein und mit ge- wissen zeitlichen Einschr';inkungen. Sie dunqen nur so welt jagen, daf~ sie, wenn sie rnorgens auszogen, zu Mittag, und, wenn sie nachmittags auszogen, zurn Abend wieder zu Hause waren (wer das wohl nachpriifen konnte?!). Gegen diese Auslegung wurde

1 Sauertiinder's Verlag, Frankfurt/M. 1941.

Forstw. Cbl. 90 (1971), 215-224 @ 197l Verlag Paul Pare?'. Hamburg ui:d Berlin

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6fiefs protestiert: ,,Das alte Recht erlaube die Jagd, solange (tageszeitlich!) der Him- reel blau ist."

Die Biirger in den StEdten batten nut dann Jagdrechte (nur Niederjagd einschliet~- lich Rehe, aber aud~ Schweine), wenn sie ~von Geschle~tern ~ waren oder als Riite, Pr~ilaten oder ~ihnliche Wiirdentr~iger mit besonderer Gnadenertaubnis ausgestattet waren - nur fiir ihre Person allein, ohne J~iger, Treiber, Klopfer und Gehilfen und ~den Ftund nut am Strick ~. Den Witwen adliger Hofmarkbesitzer und solchen Adli- gen, die bei Hof Dienst machten, war es erlaubt, die Jagd durch gelernte ,gebr~idte J~iger" (also voll bezahlte und verpflegte, nicht nur auf Schui~geld oder Beuteanteil - Jiigerrecht - angewiesene) ausiiben zu lassen. Hier l~iflt sich noch deutlich die ur- spriingliche Einstellung zur Jagd als einem Wildpreterwerb und zum Schutz der Land- wirts~aff erkennen.

Gelegentlich durffen aber auch f ide Bauern die Jagd mit spezieller Erlaubnis der J~igermeister ausiiben. So wird durch Mandat vom 25. M~irz 1493 dem Christof v. Frauenberger, J~igermeister des Niederlandsbaiern, aufgetragen, ,,die landesherrliche niedere Jagd, als F/ichse, Haasen, Hiihner und V~igel in dem Amte nicht zu nahe, sondern auf den Gr~inzen der Sitze der Edelleute und an solchen Orten, wo kein Edelmann Wohnt, den Bauern abzulassen".

Jagdliche Kenntnisse und Regeln, auch der Begriff und der Ausdruck ~waid- m~innisch ~ und ,unwaidm~innisch ~, waren Ende des 15. Jahrhunderts bereits ,,ge- pr~igt ~. Das Waidwerk lag im 15./16. Jahrhundert ganz in den H~nden des Adels und der gelernten J~igerei, also von Personen, yon denen man wuflte oder doch vor- aussetzte, dat~ sie j~igerische (waidm!innische) Kenntnisse besal~en. Die Jagd war schon ,ritterlid~e Lust ~ geworden, wenn auch zweifellos das Interesse am Wildpret als Nahrungs- und Genufimittel und an den H~uten und am Pelzwerk als Gebraudls- artikeln noch r e~ t deutlich war. Gesperrt fiir die Jagd waren - aber wieder mit ein- zelnen Sondererlaubnissen - f/.ir alle Jagdberechtigten alle W~ilder und Besitzungen (Wildfuhren, auch Wildbaen ~) des Landesfiirsten, die Vorh~ilzer davor einschliefilich der Wiesen und Weiden zwischen Wald und Vorh61zern, die Auen und die der Herr- schaff reservierten Gebiete in der N~ihe der Residenz.

Zur Kontrolle dieser recht komplizierten jagdrechtlichen Verh~iltnisse und zur Be- treuung der groflen Jagdgebiete, die dem Fiirsten verblieben, war eine grofle Jagd- verwaltung aufgezogen. Sie ist jedenfalls ~ilter und viel durchorganisierter als die gleichzeitige forstliche, vollkommen yon dieser getrennt.

Es gab wohl schon im 15. Jahrhundert, sicher aber 1551 drei Jiigermeister, 1568 vier (je einer zu M/Jnchen, Ingolstadt, Landshut und Straubing), die nicht nur das Jagdpersonal im Land zu beaufsichtigen und iiber alle Jagdfrevel und Jagdgrenz- streitigkeiten zu entsoheiden batten, sondern auch Berater des Herzogs in allgemeinen Landesfragen (f/irstli~e Riite) waren. Sie waren hervorragend gestellt. Der J~iger- meister zu Miinchen hatte 1551 als Gehalt (LAuRoP: Handb. d. Forst- u. JagdGesetzg. d. K6nigr. Bayern 1831, 2. Bd.):

1. s~imtlic.be Winds des ganzen Jiigermeisteramts (!), 2. 100 Gulden in Geld, 3. j~ihrlich 1 Hofkleid (oder Geld dafiir), 4. Verpflegung fiir vier Diener, 5. Futter fiir fiinf Pferde, 6. 50 Klaffer (ca. 160 rm) Brennholz, das er durch Fronbauern kostenlos, aber gegen

das iibliche Bier holen lassen durffe, 7. das J~igerrecht (wohI nur teilweise, well ja auch die J~iger darauf Anspriiche hatten).

" Plural yon Wildban. Das Wort Wildban steht f/it Jagdgebiet, auch f/Jr Wildeinstandsgebiet, flir Jagdausiibungsrecht und auch f/it Sd~u!~zeit.

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Auch die den J.~germeistern unterstellten reitenden J~ger, fut~gehenden J~iger, Wild- meister und die l~berreiter ( = berittene Polizei) waren relativ recht gut bezahlte Beamte.

Das Jiigerrecht bestand aus den H~iuten samt Hiilsen und deren Rippen, auch dem Kopf und vom Hirsch und Tier der linke Vorderlauf (wohl der Bug?) oder ersatz- weise 1 Gulden bei Hirsch, Tier, Schwein oder BaRe.

Zum Vergleich dazu: Der Forstmeister auf i Pferd von Pressath in der Oberpfalz hatte 1602 3 1. 16 Gulden an Geld, 2. 6 Gulden extra Haus-Zins (er war ohne ,Dienstwohnung"), 3. 15 Achtel 6 Nepf Korn, 4. 10 Achtel Haler, 5. 1 Hofkleid oder das Geld dafiir (4 Gulden), 6. ein Sechstei der Waldstrafen, 7. Anweisgeld. Die Hauptaufgaben der Jagdverwaltung waren yon Anfang an und weiterhin nach allen folgenden Mandaten die Abgrenzung der Jagdrechte des Herzogs gegeniiber den Hofmarksherren und zwischen diesen selber und die Bek~impfung des Wilderer- unwesens, gegen das drakonische Strafen - sehr of~ die Todesstrafe, mindestens aber Zwangsarbeit oder Einziehung zum Militiir - angedroht waren. Auch hatten die J~igermeister darauf zu achten, dai~ in den Gnadenjagden nicht ,,gegen die Waid- mannsregel mit Niedersdaief~en des Wildprets zur unre~ten Zeit" gehandelt werde, also Einhaltung der Schonzeiten. Von jedem, der eine Gnadenjagd hat, wird ein Revers verlangt, dat] er nicht zur Unzeit jagt und daf~ er keinen Jagdschaden an den Feldfluren verursacht bei Androhung des Verlustes der Gnadenjagd.

Au~ die Wildfolge ist bereits geregelt: Angeschweif~tes Wild darf ,fiber den zweiten Tag", im Gebirge ,,fiber den dritten Tag" auch in den Nachbarrevieren ver- folgt werden, wobei die Stelle des t~berwechselns gekennzeichnet werden und der Nachbarberechtigte verst~ndigt werden mut~. Auf~erdem miissen die Gnadenjagd- inhaber, wenn sie ,ansehnliche und aut~erordentliche Hirsd~e ~, B~iren, Ludlse, W~51fe, Wildkatzen und andere Tiere fangen, diese, ,,wie es yon alters ixergebracht ist", an den Hof abliefern. Hier scheint doch auch schon ein gewisses Troph~ieninteresse vor- gelegen zu haben, denn die ,Haut ~ und ein Tell des Wildprets wurde dem Erleger zuriickfiberlassen, eine R~ckgabe des Geweihes wird aber nirgends angegeben.

Schon- und Schui~zeiten werden ffir fast alle Jagdtiere festgesetzt (Allgemeine Ge- jaidsordnung yon 1568). Schui~zeiten haben:

1. Der Hirsch vom 1. Juli bis 8. September (nicht in der Brunfi!). 2. Rotspief~er dfirfen iiberhaupt nicht geschossen werden, jagdbar ist der Hirsch erst

als A~ter oder ,wenn er der F~ihrte nach ein jagdbarer ist". Wer Erb- oder Gnadenjagden hat, der darf zu seinem Hausgebrauch entweder

einen Grashirsch oder ein Geltwild oder ein Kalb in der Schonzeit erlegen. 3. Kahlwild des Rotwilds yon Michaeli (29. September) bis Weihnachten. 4. Schwarzwild von Galli (16. Oktober) bis Weihnachten (fiir Hetzjagden von

Andre~i [30. November] bis Ostern). 5. Rehe yon Johanni (24. Juni) bis Ostern, dabei sind GeiBen m~Sglichst zu schonen

(also schon seit 1568 bis zum Reidlsjagdgesetz in Bayern kein Geif~enabschuf~!). 6. Der Dachs darf yon Laurenti (5. September) bis Thomas (21. Dezember) mit

Netzen und Fallen gefangen werden. Ausgraben, AusHiuchern und Fallen vor- schlagen (vor die R6hre?) ist nicht erlaubt.

ERNST: Forstorganisatiorl und Forstverwaltung im bayer. Nordgau. Mitt. d. Vereiu~ d. h/3tleren Forstbeamten 1932, H. 12.

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7. Marder dtirfen von Michaeli (29. September) bis zum 1. M~irz geschossen und mit Fallen gefangen werden.

8. Fiichse dtirfen nur mit ,,ordentli&em Jagen", Hetzen, Graben und SchieBen erlegt werden und nur von Michaeli (29. September) bis Lichtmei~ (2. Februar).

Hier wird eine ausRihrliche Begriindung fiir die Schonzeit des Fuchses gegeben und ausdrti&lich verboten, vor Michaeli Fiichse zu erlegen, well (gegentiber den Jagdnachbarn) ~solch ftireylen nit allein zur unfreundschait und widerwillen groi~e ursach gibt, sonder auch yon wegen der Fiichsbelg, so die also unzeitig auff- gefangen, det~gleichen der Feldm~iui~ und anders unzifers halber, welches durch die Fi~chs verzehret wtirde, fast (= stark) schgdlich un nachtheilig%

9. Biber diirfen yon Michaeli (29. September) bis Ostern mit Fallen, Netzen, Garn gefangen und geschossen werden (auch mit Selbstschtissen, die sonst verboten sind).

10. Hasen dtirfen ni&t anders als mit Hetzen, Beizen, Schiei~en und ordentlichem Jagen vom 25. Juli bis 24. Februar gejagt werden. Ausdriickli& verboten ist es, bei Nacht Hasen mit Abschrecken, Laufen, mit Hurt und Tauen, auch mit Schnti- ren und Kegeln zu fangen oder Hasen bei tiefem Schnee zu fangen oder zu schie- Ben, ,dieweilen solches wider die Waidmannschat~ istC Auf Ostern dtirfen extra h6chstens drei Hasen mit Garn gefangen werden. (Das Wildbret ftir die Oster- feiertage spielte tiberhaupt immer eine eigene Rolle: Noch um 1890 wurde Wild- bret - Rotwild - ftir das Osterfest erlegt:).

11. Rebhiihner konnten yon Laurenti (5. September) bis Anfang M~ir-z mit hohen Netzen gefangen werden, auch mit Bais, Htihnerbeeren, Deck- und Schneenetzen 4. Die alte Henne mug aber jedesmal wieder freigelassen werden, bei gr/Sf~eren F~ngen zwei weitere Hiihner. Die Rebhiihner geniet~en tiberhaupt besonderen Schutz und Beachtung. Ihr Fang auf dem Vogelheerd wird ausdriicklich verboten, und zeitweise war fiir mehrere Jahre ihre Erlegung [iberhaupt gesperrt, wie auch die der Haselhiihner und Auerhennen. Das wird wohl mit dem damals noch be- stehenden In~eresse an der Beizjagd zusammenh~ingen, ftir die auch die Reiher ganzjghrig und ausschliet~lich nut dem Hof vorbehalten waren.

12. Alles iibrige gro/~e und kleine Federwild soil in der Zeit des Eierlegens, Briitens und solange die Jungen der Alten bediirfen, geschont werden.

13. Bar, W blf, Luchs, Ottern, Iltis, wilde Katzen sind das ganze Jahr tiber frei fiir die Jagdberechtigten, andere Personen diirfen sie nur zur Rettung ihrer Person oder ihres Viehes t/Sten. Marder und Iltis daft der Bauer bei seinem Haus jederzeit fangen.

14. In der ganzen Jagdordnung nie genannt wird der Garns, wie tiberhaupt yon der Jagd im Gebirge nur gesagt wird, dai~ um so viel die Jagd dort sparer begonnen wurde, um so viel Tage sp{iter endet sie dort auch. Es scheint m/Sglich, dat~ sich die Ftirsten die Jagd im Gebirge ausschliet~lich ftir sich selber reserviert hatten - ihnen geh/Srte ja der gr61~te Teil des Gebiets - und dat~ sic sich keinerlei Beschr~.nkungen selber auferlegen wollten. Ganz allgemein scheinen n~imlich die Schonzeitvor- schriRen fiir die auf Grund der ,Landsfreiheit = Jagenden, die Hofmarkseigner und Gnadenjagdinhaber und die Berufsj~iger aller Sdinde, gegolten haben, w~ih- rend sich der Hof mit seinen Leuten wohl nicht so absolut daran gehalten haben mag. Es mag auch sein, dat] man sich im Gebirge an die JagdvorschriRen Kaiser Maximilians, des groi~en Vorbilds vornehmer Jagd in dieser Zeit, gehalten hat.

Auch der Vogelfang wird 1568 (1551) bereits geregelt: Vogelfang mit Leimstangen, Reigb~umen, Kloben, auf der Vogeltr~inke mit Schlag-

bolzen ist erst ab 1. Juli und mit Ausnahme der Krammetsv/Sgel und der Beheimel (Bergfinken) nur bis Martini (11. November) erlaubt.

Eine Erkl~irung dieser Fangmethodcn konnte ida nirgends finden.

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Der W~andel der Jagd im bayerischen Alp~,nvorI.~nd 219

!/bgelheerde di.irfen nur yon Bartholom~i (24. August) bis Fasmad~t benutzt wer- den. Dabei werden die f~irstli~en Vogetheerde damals sd~on vielfach verpachtet: Das ]nteresse der F/.irstlichkeiten am Vogelfang scheint um I550 bereits stark Feschwunden.

An den Grenzen des L,~ndes gatten alle diese Vorschri~en nicht. Da kann jeder, der zum Bejagen berechtigt ist, ohne zeitliche EinschrF.nkungen jagen ,,vorm Betxamer Wald, auch vorm Geb~irg, un auf allen andern Landgriintzen, alda kain hatz gehalten mag werden": Eine rein idealistische Einstellung war die Waidgerechtigkeit also doch nicht!

Der Jagdsdautz spielte eine grol~e Rolle: Gewildert wurde anscheinend redlt kr~if- tig, und auch schon kleine Verfehlungen (heu~e w/.irden wit sagen Ordnungswidrig- keiten) waren mit schwerer Strafe bedroht. Selbst mit Lehrbrief ausgestattete Berufs- j~ger, die auf der Wandersdlai~ und SteHensuche waren und ihr Gewehr etwa geladen t.der mit eingesetztem Schloi~ trugen, konnten mit dem Tod dutch Erhiingen an der Straf~e bestraf~ werden. Beim Bauern wurden alle Hunde immer wieder kontrotliert, ob sic auch einen angeh~ingten Pr~igel trugen, und frei herumlaufende Hunde und auch Hauskatzen dur~en yon den amtlichen J~gern und den Jagdberechti~ten auf den Feldern erschossen werden. Auf den Wochenm~irkten hatten die Uberreiter zu pr~fen, ob die Verk~.ufer yon Wildpret auch die Herkunf~ der feilgebotenen Ware genau nadlweisen konnten, und bei den Abdeckern, die /.ibrigens den J~germeistern unter- stellte, angestellte Personen waren, mul.~te i~ber jede vorhandene Wildde&e ein Her- kunt~snachweis erbradlt werden k/Snnen. Also auch schon eine ganz modern anmutende Wildhandelsordnung!

Die ,,JagdbehtSrden" batten daher genug zu tun. Sie hatten schliet~li& ja audl die Hofjagden zu betreuen, die Hetzjagden vorzubereiten, mitteis derer die Fi.irstlich- keiten haupts~i&ti& die Jagd betrieben und das fi.ir die Hoftafel ben(Stigte Wild je- wells auf Abruf zu liefern. Und wenn man heute oh fiber zuviel ,barokratische Be- vormundung" der Jagd klagt - weniger war's damals sicher nicht, nt, r mandlmal viel- leicht etwas mehr Willk/~r. Denn auch dari~ber enthalten die Gejaidsordnung und einige Mandate schon Verbote: Alle J~ger, Wildmeister und J~igermeister, dabei aber auch Forstmeister und Knecht, und die Uberreiter wurden immer wieder zur Kontrolle und Einhaltung der Bestimmungen ermahnt. Es wurden ihnen schwere Strafen an- gedroht, wenn sie sic~h bestechen liet~en, keine pflichtgemiit~e Anzeige erstatteten oder se!ber bei Jagdvergehen mitmachten. Ihre Rechte im Land waren grol~, die Grenzen ihrer Befugnisse eben manchmal etwas dehnbar.

Auda die Waldbewirtschat~ung war damals den jagdlichen Interessen vielfad~ unter- geordnet. Nach der bayerischen Forstordnung waren Hut und Weide in den herr- schaf~lid~en Waldungen verboten (30 Gulden Strafe!). Nur etwa yon alters her Be- rechtigte durf~en eintreiben, aber keine Sdxafe. Der Eintrieb yon Geil~en in den Wald war /.iberhaupt und i.iberall verboten. Holzschl~ige duriten nut dort gefi.ihrt werden, woes der Wildfuhr keinen Schaden zufLigt, fotglich nie ohne Vorwissen des 6rtlichen Wildmeisters, der angibt, woes ni&t sch~idlic,h ist. Krammetsbeerstauden (Wacholder) und Taxenreit.~er (Eiben oder Nadelholz ~iberhaupt?) dLirfen in den Auen nicht weg- ger~iumt werden.

Schon damals und anscheinend bis zum Beginn des 19. Jahrhur, derts gab es die Einrichtung der ,Wildgassen oder Landriicleen", Streifen quer durch die Felder. die der ~sung des Wildes und vor allem der Verbindung getrennter Watdeinst,inde ~ber die Feldflur weg dienen sollten. Diese Streifen ~on 100-400 Fui~ Breite (30-120 m) dur~en gegen die Felder eingez~unt werden.

Eine eigenartige, wohl aus sehr f~her Zeit herrfihrende Berechtigung der herzog- lid~en J~iger und Falkner war die Naehtzil, das Recht, sich einmat im Jahr auf drei bis vier Tage in elnem Kloster einzuquartieren und sich dort mit Pferd und Hund ver- pflegen zu ]assen. Schon die herzogliche Jagdordnung yon 1551 ermahnt, dieses alte

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Recht, das damals sachlich wohl bereits fiberfl/.issig geworden war und bald auch ganz verschwand, nicht unn6tig und/ibertrieben auszunutzen.

Die erstaunli&e Perfektion der Gejaidsordnung yon 1568/1616 (das VIII . Buch der Bayerischen Landordnung) 15.t{t den sicheren Schlul~ zu, dal~ vor ihrem Erscheinen schon manche andere Jagdordnungen erlassen waren und daf~ man schon reiche Er- fahrungen besag. Leider war aber nichts zu finden. Die vorhergeMnde Landordnung ,,Das Bayrisch (16blich) landi~rechtpuch yon 1346" enthS.lt fiber Jagd keine Artikel.

Nach der Erholung yore 30jiilarigen Krieg und seinen Begleiterscheinungen wurden die alten Bestimmungen wieder erneuert. Es galt, in erster Linie wieder Ordnung zu schaffen, und das Streben der &urfiirstlichen Verwaitung ging vor allem darauf aus, die Jagdre&te des Holes wieder herzustellen und wohl auch, die der anderen einzu- schr~inken. Die h6fische Jagd, 5etzt ot~ in der Form yon eingestellten Jagen und auf- wendigen Schaujagden betrieben, wurde in der Zeit des Barock groi; ges&rieben, in den gesetzlichen Vors&rit~en steht darfiber allerdings nichts.

Vor allem die BeMimpfung der Wi!ds&fitzen beschS.ttigte die Gesetzgeber, wobei die bisherigen Gnadenjagdinhaber und die eigenen RS.re, Offiziere und Beamten wegen unbere&tigten Jagens auch re&t of~ in die N:ihe der Wilderer gestellt wurden und wohl auch werden mul~ten (Mandat yore 26. 6. 1677: ,,Diewdlen wit aber gedachte unrere Kriegsleuth ffir Soldaten und nit fiir J~iger und Fischer aufgestetlt . . . . ge- maint"). Die J~iger und Forstleute, die zu ihrem Schutz Gewehr und Untergewehr (Hirs&fS.nger) tragen durf~en, dilrfen keine Schrotgewehre, sondern nut KugeibCichsen ffihren.

Die Schonzeiten werden, besonders fiir Federwild, erweitert. Von Ostern bis Jo- banni ist alles geschiitzt. Der Biber, der an der Isar yon Landshut bis zur Donau noch hauste, wurde (Verordnung yore 13. Marz 1685) ganziS.hrig unter strengen Schutz gestellt. Der Wildschaden nahm sehr stark zu. Das Wild drS.ngte mehr und mehr aufs Feld hinaus, well der Wald, der um 1560 ,,ver6sigt, kahl und verunkrautet" war, si& wieder geschlossen hatte und well das Nadelholz, das keine Mast lieferre, mehr und mehr zunahm. Im Feld aber bot nun die fortschreitende Intensivierung der Land- wirtschaflt zunehmend bessere A.sung. Mehr und mehr mul.~te den Bauern das Recht auf Benutzung frfiher verbotener Mittel zum Vertreiben des Wildes, das nachts auf die Felder austrat, zugestanden werden. Hunde mlt anhS.ngendem Pr~gel auch bei Nacht auf dem Feld, brennende Feuerstelten, Klappern, FinzSiunen der Felder wurden empfohlen, ja angeordnet, nur Schiegen (Schreckschi.isse) blieb verboten. Wilds&aden wurde nun such grundsS.tzlich ersetzt (Verordnung vom 22. Januar 1757). Die J;iger erhielten Befehl, den Wildstand in den &urffirstlichen Jagdgebieten zu vermindern. Auch der Landadel und die anderen Jagdausfibungsberechtigten sollten auf ihren Jagden dafiir sorgen, dab der Wildstand nicht zu hoch wird, .,damit der Landmann sich nicht mehr fiber zu hohen Wildschaden zu beklagen hat". Die Schilderungen, die man sonst gerade /iber die Zeit vor der Franz~isischen Revolution in jagdli&er Hin- sicht lesen kann, treffen nach diesen Verordnungen ffir unseren Raum also nicht ganz zu. Sofern sie nicht politis& importiert wurden, k6nnen sie wohl yon den Gnaden- jagdinhabern stammen, die durch vide EinschrS.nkungen ihrer Jagdausiibungsre&te vergr~imt waren. Sie mfissen nun eigene gebr6dte JS.ger halten, soweit sie gr/Sfgeren Besirz haben, auch junge Lehrlinge einstellen, ,damit auch mehr des Gejaidt's ver- stS.ndige Waidleuth in diesen Landen erzogen und abgeri&tet" werden. Diese sollen ,such auf Abrichtung der WachtI-, Schlieffer-, Otter-, Dachs- und anderer zum Waid- werk tauglicher Hunde" unterwiesen werden (Verordnung vom 19. Juni 1673). D i e Hofmarkseigner dfirfen in ihren e:genen Jagden Sulzen oder bei besonders strengen Wintern Fiitterungen nur mit besonderer Erlaubnis der JS.germeister anlegen, sonst bleiben diese Einrichtungen. die Wild anlo&en, allein den churfiirstlichen Jagden vor- behalten.

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Der ~F&.ndel der Jagd im bayeris~hen Alpenvorland 221

Die Zeit der Hetz- und Reitjagden, durch die der Hof im 16. Jahrhundert haupt- s~ichlich die Jagd ausgeiibt hatte, ging zu Ende. Im 18. Jahrhundert traten an deren Stelle hauprs~ichlich die eingestellten Jagen, wofiir die gr~51~eren churfiirstlichen Wal- dungen vielfach eigens hergerichtet wurden: eigene vorbereitete Schiet~st~inde mit sternf/Srmig davon ausstrahlenden ,Schiei,~lucken", gegen die das Wild getrieben wurde (siehe Abbildung).

Gegen Ende der Periode, etwa ab 1780, als der der Jagd in Altbayem anscheinend nicht sonderlich gewogene Churfiirst Karl Theodor yon der Rheinpfalz Altbayern

geerbt hatte, wurde der Jagdbetrieb des bayerischen Hofs, vornehmlich we- gen der hohen Kosten ftir Wildsch~- denersatz und wegen der hohen An- forderungen an Holz ftir Wildz~iune auf den Fetdern, erhebli& einge- schriinkt. Wildparke, Reservatjagden und mehrere Fasanerien um Miinchen wurden aufgelassen und schlief~li& der gr~Si~te Tell der &urt:i.irstli&en Jagd- fl{i&e verpachtet (mehrere Verordnun- gen yon 1790-99). Die Vergabe sollte haupts~ichlich dutch Versteigerung er- folgen, wobei als P~ichter nur Adlige, Collegiaivorstiinde, R~ite, Richter und Forstbeamte zugelassen waren. Die Verpachmng erfolgte auf Lebenszeit, als Minimum werden zehn Jahre ange-

Forstamt Anzing: Nordwestrand, Stand etwa nommen, ats Mindestgrg3i~e 200 rhein. 1780. M=ca. 1:30 000 Morgen ( = 80 ha). Die Piichter mul~-

ten sich vertraglich verpflichten, yon der Jagd nut waidm~innisch Gebrauch zu machen, aber auch im Interesse der Bauern keine zu hohen Wildstgnde heranzuhegen. Die angestellten churfiirstlichen Jgger wur- den auf Kennmisse in Wald- und Holzkultur und Landesvermessung umgeschult, Jag& und Forstverwalmng wurden vereinigt (27. Februar 1788). Es war no& keine ,Demokratisierung der Jagd", abet jedenfalls doch ein Zustand, der die Vorwiirfe und Exzesse yon 1848 in keiner Weise rechtfertigte.

An der Behandiung des Wildes, an den Auffassungen yon Waidgerechtigkeit und an den Grundz/.igen der Schonzeiten hat sich auch damals kaum etwas gdindert, und es scheint, dab die Allgemeine baierische Jagdordnung yon 1568/1616 bis in das Jahr 1848 in Geltung blieb.

Nach 1848 war das Recht des Landesherrn auf die Jagd in seinem Herrschafls- gebiet, das Jagdregal, zu Ende. Da der gr(Si~te Tell des Landes aber ohnehin schon ver- pachtet war, entfiel for den Hof nur die Einnahme des Jagdpachtschillings, den nun- mehr die Grundeigentiimer bzw. ihre Gemeinden vereinnahmten. Die Jagd auf eigenem Grund (kiSniglicher und Staatsgund) verblieb dem HerrschaRshaus wie an- deren Grundeignern.

Nach einer kurzen Zeit v~Sltiger Verwirrung auf jagdlichem Gebiet kamen die Jagdgesetze yon 1848 bzw. 1850. Auf die Voraussetzung waidm~innischer Kenntnis fiir die Jagdausiibung mugte nun verzichtet werden, abet sehr bald kam die Ein- ftihrung der Jagdkarte, deren Erteiiung wenigstens yore guten Leumund, yon der Vertrauenswiirdigkeit des J~igers abhing, und die fiir die damalige Zeit recht teuer war. Als Tr~igerin des Jagdrechts fiir die vielen Einzelgrundbesitzer w~hlte man die

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kleinste vorhandene Verwakungseinheit, die Gemeinde. Es war aber auch damals ni&t so gedacht, dag die ganze Gemeindefliiche nut als ein Jagdbezirk vergeben werden mulke. Nur eine MindestgrSi~e von 240 bay. Tagwerk (= 81s ha) im Flachland, 400 Tagwerk im Ho&gebirge (= 136,3 ha) war fLir jeden Jagdbczirk vorgeschrieben, wenn die Gemeinde ihre Jagdfl~i~e teilen wollte, was ihr freistand.

Die Schon- und Schugzeiten wurden gegeniiber der friiheren Zeit etwas verSndert, insbesondere erscheinen jetzt auch Schonzeiten flit Gains- und Murmeltier, verl~ingerte Schonzeit fiir den Rehbock, aber auch weiterhin absolute S&onzeit f~r Rehgeigen und -kitze, ebenso fiir Gamskitze, Auerhennen und Birkhennen.

Die ,,biirgerliche" Jagd wurde ~.un haupts~ichli& in Pirs& und Ansitz ausgeiibt, Jagdarten, die bis dahin immer etwas als zweitklassig, als nach Wilderermethoden riechend, gegolten hatten.

Die heutigen jagdlichen Vorstellungen und jagdgesetzli&en VorschriKen kSnnen hier als bekannt vorausgesetzt werden.

Wenn wir uns nun fragen, was si& in den mehr als 400 Jahren seit der 1. baieri- schen Gejaidsorduung geSndert hat, dann mLissen wir zugeben, dag die Anderungen zwar formell in bezug auf das Jagdrecht und das Jagausiibungsrecht f6ihlbar sind, dag wir aber sonst eigentlich keine grunds~itzlichen oder ausschiaggebenden Um- gestaltungen erkennen kSnnen, mit -kusnahme des bindenden Abs&ugplans fiir S&alenwild und der neueingefiihrten J:igerprLifung.

Die LebensverhSttnisse ftir das Wild aber haben si& seit 1568 grundlegend ge- 5ndert:

1. Der Wald ist vom unterholzrei&en, zum Teil stark verunkrauteten, mh vielen BlSgen und Weidefl~ichen durchsetzten Laubwald zum wohlgepflegten, di&t ge- schlossenen, ~isungsarmen Ficbtenwald geworden.

2. ~;;ddbaumfriichte, frLiher Hauptnahrung im Herbst und Winter (und im ersten Frtihjahr no&!), fettreich und feistbildend, fehlen heute fast ganz.

3. Die Intensivier~mg und Mechanisierung der Land.w'irtscbafl, die Verni&tung aller Unkr~iuter unter den auf grogen FlS&en abwechslungslos einseitigen Kulturfliichen ma&en dem Wild die erforderti&e S~ttigung mit den ben6tigten speziellen Niibr- sto ff en unm6glich.

4. Der Mangel an solcher geeigneter Asung fLihrt zu immer schwereren Wildschiiden ai~ den immer mehr schadenempfindlichen Kulturpflanzen in Wald und Feld.

5. Die F&ge im Feld und irn W'ald, auf denen das Wild gern :iste, sind heute ohne die friihere Kraumarbe, well sie mit s&weren Traktoren befahren werden oder [iberhaupt s&on strat~enmSgig ausgebaut sind.

6. Die Freiziigigkeit und IFanderm6glichkeit, die es dem Wild fr~iher mSglich machte, das ihm Fehlende anderweitig zu su&en, ist ibm durch dichte Besiedlung, dur& den Verkehr auf Straiten und Bahn, unmSglich gemacht.

7. Der immer mehr ansteigende KraflJahrzeugverkebr fLihrt zu zunehmenden schwe- ren Ungl[icksf~illen mit Wild und dadur& zu einer negativen Einstellung zum Wild und zur Jagd in weiten Volkskreisen.

8. Die Fluflauen, die als die besten Wildeinst~inde fr[iher der fiirstlichen Jagd vorbe- halten waren, sind heute nur noch teilweise in Form durchsi&tiger schmaler Strei- fen entlang der begradigten und einbetonierten Flugl':iufe vorhanden.

9. Die Ruhe irn ~Zald, frtiher f[ir bestimmte Zeiten sogar absolut befohlen, gibt es heute infolge vieler Spazierg~inger, infolge eines intensiven, dichten Wegnetzes, das mit Motorfahrzeugen befahren wird, iiberhaupt nicht mehr.

I0. Verschwunden sind aus der Tierwelt Altbayerns s&on seit fiber 100 Jahren Bar, Luchs, Wolf, Wildkatze und Biber und praktisch wohl auch schon Yiscl2otter, .,idler und die meisten Greifv6gel.

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Der Wandel der ],*gd irn bayerischen Alpenvorland 223

i I. Die Jagdausabung ist mit treffsicheren, weittragenden Gewehren, mit Zielfernrohr und Jagdglas sehr erieichtert und auf weite Entfernungcn m/Sglich und dadurch auch die Fluchtdistanz des Wildes sehr vergr6t~ert.

12. Die Zabl der Jiiger aber hat sich erhebli& vermehrt, die JagdflS.che dagegen bedeutend verkleinert und die Menge des Hochwildes mid des kleinen Nieder- wildes ist geringer als im 16./17. Jahrhundert.

Es trill die Frage an u,ls heran: Wie k/Snnen wir diesen neu entstandenen jagdlichen VerhSltnissen in unsercr j~gerischen T~itigkeit und in dell jagdli&en Vorschri~en Rechnung tragen? 1. Kbnnen wir uns iiberhaupt in unserer technisierten Kulturlandschaiat Wild in freier

Wildbahn noch leisten, oder mi.issen wir das ,,Wild", zumindest alles Schalenwild, in Reservate hinter Z~une sperren, wie das heute schon in sehr vielen Lindern mit intenAver Landeskultur geschieht?

2. Miissen wir systematisch iiberall Asungsfliichen aniegen, auf denen gerade die Pflanzen angcbaut werden, die heute in der Kuiturlandschat~ fehlen, fiir die spe- ziel!en Bediirfnisse der verschiedenen Wildarten abet besonders im Hcrbst und im Friihjahr notwendig sind (sofern uns diese Pflanzen bekannt slnd!)? Die Biotop- Ver[inderungen sind so einschneidend, dal; eben das freilebende Tier nicht mehr ohne intensive naenschliche Beii~ilfe gesund existieren kann. Auch wenn damit der Bcgriff ,,Wild" eigcntlich verlorengeht - wir k/3nnen das freilebende Tier nicht alhnXhlich an Mangelkrankheiten verld.immcrn lassen und dabei noch schwere S&Xden in Land- und besonders Forstwirtschal~ entstehen tassen.

3. K~nnen wit die heutigen GdSt~en und Formen der GemeinsdmRsjagdreviere no& bcstdaen lassen oder m~issen wit die vorha,ldenen JagdflRchen zu grSt;eren Hege- ringen, die sich um alles Wild darinnen zu ki.immern hatten, zusammenziehen, diese I-Iegeringeinheit aber dann in viele kleine, zwe&mat~ig abgerundete Reviere auf- tei!en, so dai~ vide J~iger ihr eigenes Rcvier bekommen k~3nnten, in dem sie ,,ihren Rehbock", ,,ihren Hasen" usw. schielgen kgnnten, aber auch gleichzeitig fi~r inten- sive Hege, intensiven Jagdsdautz und f/Jr eine landschaRsgerechte Wildstandshaltung verantwortlich wF.ren ?

4. Sind unsere heutigen S&ut.~zeiten no& fi.ir die heutige Zeit richtig, wo wir das Wild ganz besonders im Herbst dauernd beunruhigen, in der Zeit, wo es Ruhe und intensive Asungsm6glichkeit n/Stig h~itte, um feist und fiir die kalte, [isungsarme Zeit geriistet in den Winter zu kommen?

5. Di.irfen wir bei dem immer geringer werdenden Wildbestand und den immer kleineren Jagdfl~.chen, al3er auch mit Rticksicht auf die ge;inderte Einstellung der Bev~31kerung zum Tier und zur Jag& das Wild noch auf Treibjagden erlegen, oder mtissen wir nach dem Verschwinden der ,,Hetzjagd zu Pferd", nach dem Ende der ,,eingestellten Jagen" auch diese Form der lauten 6ffentlichen Jagd aufgeben zu- gunsten al!ein der stillen Einzeljagd?

Wir werden uns ,nit der unheimlich rasch fortschreitenden Umgestaitung in unserem Land neue Entwi&lungen der jagdlichen Organisation, der Ordnung der Jagd, ein- fall.en lassen massen, wenn wit eine Jagdm~3glichkeit in freier Wildbahn im ganzen Land erhalten wollen.

Summary

The publication of Prof. Dr. F. BacKxlu,~t) entitled ,Wandel des Waldes im Alpen- vorland", Sauerl~inder's Verlag, Frankfurt a. M. 1941, calls for a look at the change of hunting for the same period of time in the same area.

The first Bavarian huntingcode of 1551/58 contains nearly all the fundamental huntinglaws of today such as hunting-ethics, hunting-districts and thier borders,

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closed seasons, persuing game, hunting-organisation and the sales of game. This code existed with a few little "changes till 1848. A~er this time the hunting on horseback and the method of encircling game through lobing disappeared.

The single hunt with the leashed dog which existed in the 16 :b century is still a part of hunting today.

Though the huntingrights }lave changed since 1848 the hunting ethics and most of the methods are still the same as 400 years ago.

Since the 16 'h century-as far as hunting is concerned-have the dimension and struc- ture of the forest, the hunting-area, the agricultural use of the land, the game itself, the hunting-tools and some of the methods of hunting drasticly changed.

The question of today is whether we will have in the near future the same opportunity to keep on hunting as we do now and in what manner?

Literatur

Hauptstaatsarchiv Miinchen: Herzogl. baler. Landordnung 1556, Bay 2 ~ 507~. - - Bait. Ge- jaidsordnurlg 1616, Bay 2 ~ 519b. - - Fiirstl. Bayr. Land-Recht und andere Ordnung Tell III u. VIII (1616), Bay 2 '3 518. -- Das Bayrisch Landt~rechtpuc,'h 1346 inc. 4 c 1214. - - Versch. einzelne Verfiigungen. BEHLEN und Lat:l~ov, 1831: Handbuch der Forst- und Jagd-Gesetzgebung im KiSnigrei& Bayern. 2. Bd. - - D6LL~Ni;e~, G., 1842: Die /iber das Jagdwesen in Bayern bestehenden Ver- ordnungen, Regensburg. - - S'rAHL, F., 1967: Zur Entwi&lung der Sd~onzeitbestimmungen in der jagdlidlen Gesetzgebung des Deutschen Rechtskreises. Harm. Mtinden.

Der Wald in der Wirtschatt und im Denken des 16. Jahrhunderts

Von H. yon PECHMANN

Bis in das hohe Mittelalter waren die W~ilder in erster Linie Landreserven gewesen, aus denen dutch Rodungen und fortschreitenden Landausbau neues Acker-, Weide- und Siedlungsland gewonnen wurde. Im 14. Jahrhundert fiihrten Notzeiten und Seuchen zu so grof~en Bev61kerungsverlusten, daf~ in erheblichem Umfang Siedlungen aufgegeben wurden und der Wald die ,Wiistungen" wieder iiberwuchs (1). Im iibrigen diente das bewaldete Land meist weniger der Holzproduktion als weitgehend der Ern~hrung. TI,~IM (41) hat sicherlich mit Recht auf die Bedeutung des aufgel6sten Waldes in Siedlungsn~he als WirtschaRsraum hingewiesen. Zur Nutzung der Wald- friichte kam ein primitiver Waldfeldbau, vor allem in Form der Hoch~idfer, die sich vielfach noch heute im Get~inderelief abzeichnen. Eine Verbindung von K6rnerbau und Waldpflege (41) war vor allem in Laubwaldgebieten iiblich ~nd hat sich gegend- weise, wie in den Haubergen des Siegerlandes oder in den Birkenbergen des Bayeri- schen Waldes, bis in die Gegenwart erhalten. Die Randzonen der W~ilder waren durchweidet und allenthalben von Rindern, Schafen, Ziegen und Pferden bev~51kert. Abgaben fiir die Schweineherden, die in die W~ilder eingetrieben wurden, waren, wenn nicht die einzige, so doch meist die wichtigste Einnahme, die grundherrliche W~ilder abwarfen. Auch den einzigen Siit~stoff des Mittelalters, wie das kostbare Wachs, lieferte der Wald: Die Watdbienenzucht war so bedeutsam, daft sie zuweilen als erste Wald- nutzung urkundlich erw~ihnt wird; Zeidelweiden oder zur Bienenzucht geeignete

Forstw. Cbl. 90 (1971), 224-235 @ 1971 Verlag Paul PareT, Hamburg und Berlin