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Archiv klin. exper. Ohren-, Nasen- uud Kehlkopfheilk. 190, 69--85 (1968) Die Bedeutung des ~iuBeren Ohres fiir das HSren im Wind m . _FELD~NfANN und G. ST]~tANN Universitits-Hals-Nasen-Ohren-Klinik Heidelberg (Direktor : Prof. Dr. It.-G. BOE~I~G~AVS) Eingegangen am 28. September 1967 Summary. The effect of the pinna on the wind noise arising in the external audi- tory canal was studied using a dummy head with a built in condensor microphone. The dummy head was exposed to different wind velocities at different angles of incidence. Further investigations concerned the effect of cotton wool in the auditory canal, the signal detection and the pattern of streamlines in the region of the pinna. The wind noises picked up by the microphone were measured and analysed. The wind noise comprises the frequencies of 20 to about 3000 Hz, its intensity and spectrum being dependent on the wind velocity and the angle of incidence. The noise has its minimum of intensity, when the opening of the auditory canal is hit directly by the wind or when it is on the lee side of the head; it has its maximum of intensity, when the wind passes the opening of the ear canal tangentially. The wind noise is essentially modified by the pinna; depending on the angle of incidence it is either attentuated over the entire spectrum or it is shifted from the middle to the lowest frequency range. Cotton wool in the auditory canal has a smoothing effect on the noise spectrum and eliminates the resonance peak at 2000 Hz, otherwise always present. Signal detection in wind is bound to the ratio of the signal to the wind noise arising in the auditory canal. This ratio depends on the intensity, angle of incidence and frequency pattern of the signal and the angle of incidence and velocity of the wind. The constellation of these two factors determines, which positions are optimal for signal detection. Investigations of the streamlines demonstrate, that there is a strong turbulence at the opening of the auditory canal. The irregular impulses of the turbulent current apparently prevent a sharp resonance of the auditory canal, acting as a closed pipe, and thus reduce the wind noise in the resonance frequency range. Its effect on the wind noise seems to be an important function of the pirma, to which, by its peculiar configuration, it is obviously well adapted. Zusammen]assung. An einem Modellkopf mit eingebautem !VIegmikrophon wurde untersucht, welehen Einflug die Ohrmuschel ~uf die im i~nBeren GehSrgang ent- stehenden Windgeriusche hat. Das Modell wurde mit und ohne Ohrmuschel in einem Windkanal definierten Windgeschwindigkeiten bei verschiedenen Einfalls- winkeln ~usgesetzt. Weitere Untersuchungen erstreckten sich auf die Wirkung yon Watte im Geh6r- gang, die Aufnahme eines gleichzeitig d~rgebotenen SignalschMles und die StrS- mungsverhiltnisse im Bereich der Obren. Die vom Mikrophon aufgenommenen Windgeriusche wurden gemessen und analysiert. Das Windger~iusch umfaBt die Frequenzen yon 20 bis etwa 3000 Hz und ist in seiner Stirke und ]~requenzzusummensetzung yon der Windsti~rkc und der Einfalls- richtung abhi~ngig. Es hat ein Minimum, wenn die GehSrgangsSffnung direkt gegen

Die bedeutung des äußeren ohres für das hören im wind

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Archiv klin. exper. Ohren-, Nasen- uud Kehlkopfheilk. 190, 69--85 (1968)

Die Bedeutung des ~iuBeren Ohres fiir das HSren im Wind

m. _FELD~NfANN und G. ST]~tANN

Universitits-Hals-Nasen- Ohren-Klinik Heidelberg (Direktor : Prof. Dr. It.-G. BOE~I~G~AVS)

Eingegangen am 28. September 1967

Summary. The effect of the pinna on the wind noise arising in the external audi- tory canal was studied using a dummy head with a built in condensor microphone. The dummy head was exposed to different wind velocities at different angles of incidence. Further investigations concerned the effect of cotton wool in the auditory canal, the signal detection and the pattern of streamlines in the region of the pinna. The wind noises picked up by the microphone were measured and analysed.

The wind noise comprises the frequencies of 20 to about 3000 Hz, its intensity and spectrum being dependent on the wind velocity and the angle of incidence. The noise has its minimum of intensity, when the opening of the auditory canal is hit directly by the wind or when it is on the lee side of the head; it has its maximum of intensity, when the wind passes the opening of the ear canal tangentially. The wind noise is essentially modified by the pinna; depending on the angle of incidence it is either attentuated over the entire spectrum or it is shifted from the middle to the lowest frequency range. Cotton wool in the auditory canal has a smoothing effect on the noise spectrum and eliminates the resonance peak at 2000 Hz, otherwise always present. Signal detection in wind is bound to the ratio of the signal to the wind noise arising in the auditory canal. This ratio depends on the intensity, angle of incidence and frequency pattern of the signal and the angle of incidence and velocity of the wind. The constellation of these two factors determines, which positions are optimal for signal detection.

Investigations of the streamlines demonstrate, that there is a strong turbulence at the opening of the auditory canal. The irregular impulses of the turbulent current apparently prevent a sharp resonance of the auditory canal, acting as a closed pipe, and thus reduce the wind noise in the resonance frequency range. Its effect on the wind noise seems to be an important function of the pirma, to which, by its peculiar configuration, it is obviously well adapted.

Zusammen]assung. An einem Modellkopf mit eingebautem !VIegmikrophon wurde untersucht, welehen Einflug die Ohrmuschel ~uf die im i~nBeren GehSrgang ent- stehenden Windgeriusche hat. Das Modell wurde mit und ohne Ohrmuschel in einem Windkanal definierten Windgeschwindigkeiten bei verschiedenen Einfalls- winkeln ~usgesetzt.

Weitere Untersuchungen erstreckten sich auf die Wirkung yon Watte im Geh6r- gang, die Aufnahme eines gleichzeitig d~rgebotenen SignalschMles und die StrS- mungsverhiltnisse im Bereich der Obren. Die vom Mikrophon aufgenommenen Windgeriusche wurden gemessen und analysiert.

Das Windger~iusch umfaBt die Frequenzen yon 20 bis etwa 3000 Hz und ist in seiner Stirke und ]~requenzzusummensetzung yon der Windsti~rkc und der Einfalls- richtung abhi~ngig. Es hat ein Minimum, wenn die GehSrgangsSffnung direkt gegen

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70 H. FELDlYIANlg und G. ST~II~ANI7:

den Wind gerichtet ist, oder wenn sie sich im Windschatten des Kopfes befindet; es hat ein Maximum, wenn die Geh6rgangs6ffnung vom Wind tangential getroffen wird. Dutch die Ohrmuschel wird das Windger~iusch wesentlich modifiziert; je nach der Einfallsrichtung wird es im gesamfen Frequenzbereich ged~mpft oder yore mittleren in den tiefsten Frequenzbereich transformiert. Durch Watte im GehSrgang wird das Frequenzspektrum des Ger~usches ausgeglichener, die sonst immer vorhan- dene 1%esonanzspitze bei 2000 Hz verschwindet. Fiir die Aufnahme eines Signal- schalles im Wind ist der StSrabstand zu dem im Geh6rgang entstehenden Wind- ger~usch entscheidend. Er h~ngt yon der l~ichtung und Frequenzzusammensetzung des Signalscha]les und der Richtung und Starke des Windes ab. Je nach dem Zusam- mentreffen dieser Faktoren gibt es eine oder mehrere Optimums~ellungen fiir die Signalerkennung.

Untersuchungen tiber die StrSmungsverhEltnisse zeigen, dab an der Geh6rgangs- 5ffnung eine starke Turbulenz auftritt. Die unregelm~l]igen Druckst6Be der turbu- lenten Luftbewegung verhindern vermutlich ein Einschwingen des als gedeckte Pfeife wirkenden guBeren Geh6rganges und reduzieren dadurch die Windger/iusche im Bereich der Resonanzfrequenz. Nach den Untersuchungen scheint eine wesent- liche Funktion der Ohrmuschel in ihrer Einwirkung auf die Windger~usehe zu be- stehen, Ihre eigenartige Form l~l]t sich a]s Anpassung an diese Funktion deuten.

Einleitung Eine vergleichende Betrachtung der Geh6rorgane in der Wirbeltier-

reihe ]/~l]t eine allgemeine Entwicklungslinie erkennen: Mit einer zuneh- menden Differenzierung des Innenohrapparates geht eine Ver]agerung in die Tiefe des Seh~dels einher, und gleichzeitig wird ein immer kompli- zierterer Sehalleitnngsapparat ausgebildet. Bei den Amphibien liegt das Tromrnelfell noch im Niveau der Haut, und die Verbindung zum Innen- ohr wird durch eine einfache Columella dargestellt. ]3el den V6geln befindet es sieh am Ende eines sehr kurzen fibrSsen GehSrganges, dem noch eine knScherne Grundlage fehlt. Die Sehalleitungskette besteht aus der knor- peligen Extraeolume]la, die dem Trommelfell anliegt, und dem knScher- nen Stapes. Bei den Si~ugetieren sind Innenohr und Mittelohr so tier ins ~'elsenbein verlagert, dab ein knScherner /~u{~erer GehSrgang fiir den Schal]zutritt erforderlieh wird. Er setzt sich nach aul]en in eine knorpelige l%Shre fort, die in Gestalt der Ohrmuschel welt fiber das Niveau der Seh/~deloberfl/~ehe hinausragen kann. Gleiehzeitig fmdet sich bei ihnen die bekannte Dreiteilung der Sehalleitungskette mit Hammer, AmboB nnd Steigbfigel. Es ist bemerkenswert, dab eine Ohrmusehel erst in Ver- bindung mit der Anlage eines i~ugeren GehSrganges auftritt.

Die Funktionen des/tuBeren GehSrganges sind klar zu umreigen: Er bietet dem empfindlichen Mitte]ohrapparat Sehutz gegen mechanisehe Verletzungen und eindringende FremdkSrper, nieht zuletzt durch seine Krfimmungen, die bei einigen Tieren (z. B. Sehweinen) bis zu 90 ° errei- chen, er siehert dem Trommelfe]] ein Klima mit konstanter Temperatur und Luftfeuehtigkeit, under dient einer optimalen Zuleitung des Sehalles zum lVfittelohrapparat. Der in der Tiefe dutch das Trommelfe]l abgesehlos-

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Die Bedeutung des ~ul~eren Ohres fiir das H6ren im Wind 71

sene Geh6rgang ist physikalisch einer gedeckten Pfeife vergleichbar. Da das Trommelfe]l schr~g steht a n d einen sehr sehallweichen Abschlul3 bildet, ist die wirksame Pfeifenl~nge etwas gr61~er als die tatsi~chliche L~ngenausdehnung (I~ANK~). Der Geh6rgang scheint so bemessen zu sein, daS er durch seine Resonanz den ffir das Tier wichtigsten Frequenz- bereich verst~rkt.

KI~IKAE hat die Reson~nzfrequenz des GehSrganges bei Tieren berechnet. Als Beispiel seien einige der yon ihm ermittelten Werte angefiihrt: l~ind 1100 1-Iz, Schwein 1600 Hz, Pferd 2800 Hz, Hund 2900 Hz, Schuf 3300 Hz, K~tze 4100 Hz, K~ninchen 5000 Hz, Meerschweinchen 9900 Hz, Eichhiirnchen 16000 Hz, Ratte 25000 Hz, Fledermaus 71000 I-Iz. Die Resonanzfrequenz des mensch]ichen GehSr- ganges liegt nach Messungen yon H~L~OLTZ, R ~ E , I-In~*s~ u.u. zwischen 2000 und 3000 Hz. Die Druckiiberh/Shung am Trommelfe]l dutch die Resonanz des Geh5r- g~nges be~r~gt in diesem Frequenzbereich bis zu 10 dB (WI~E~ u. Ross).

Welt weniger untersucht und bekannt ist die biologische Bedeutung der Ohrmuseheln. Die Vorstellung, d~13 die Ohrmuscheln ~ls schall- sammelnde und scha]lverst~rkende Trichter wirken, ist nur mi t Ein- schri~nkungen zutreffend, ebenso die Annahme, dab sie verm6ge ihrer Richtcharakterist ik im Dienste des l~ichtungsh6rens stfinden. Diese beiden Eigenschaften kommen nut zum Tragen ffir Wellenl~ngen, die in der Gr6Senordnung des ~tul3eren Ohres ]iegen (vo~ B~K~S¥). Zum Ver- gleich : die Wellenl~ngen der T6ne yon 1000, 2000 und 4000 t Iz betragen in der Luft etwa 34, 17 und 8,5 cm. Die menschliche Ohrmuschel kann datum nut auf die Wahrnehmung der hohen Freqnenzen eine nennens- werte Wirkung haben. Ffir die meisten Tierohren ge]ten ~hnliche Ober- legungen, t I inzu kommt, dal3 einige Tiere Ohrmuscheln haben, die wie L~ppen fiber der Geh6rgangs6ffnung h~ngen (gewisse I-Iunderassen, Schweine), also in keiner Weise einem schallfangenden Trichter ent- sprechen. Bei vielen Tieren sind die Innenfl/~chen der Ohrmuscheln und die Geh6rgiinge aul3erordentlich dicht mit Haaren besetzt, so dal3 sie aueh ffir hohe Frequenzen nut eine geringe reflek~ierende und damit sehall- sammelnde Wirkung haben dfirften. Wenn auch die Schallverst~rkung und die Richtwirkung wichtige Teilfunktionen sein m6gen, so bieten sie doch keine restlos befriedigende Erkli~rung ffir die Ausgestaltung der Ohrmuscheln. Ihre Bedeutung als mimisches Ausdrucksmittel z.B. bei Pferden toni3 wohl a]s sekund~r aufgefal3t werden.

Ein wesentlieher, bisher zu wenig beachteter Gesiehtspunkt bei der Betrachtung fiber die Physiologie des/iul3eren Ohres ist die Tatsache, dal3 jedes Lebewesen im Freien fast st~ndig Luftbewegungen ausgesetzt ist. Der ungeschfitzte ~ul~ere Geh6rgang mu[3 dutch vorbeistreichenden Wind wie eine gedeckte Pfeife angeb]asen werden und ein Ger~useh in t t6he der t~esonanzfrequenz des Geh6rganges erzeugen. Das wfirde unter den mei- sten Umweltbedingungen eine optimale Ausnutzung der hohen Empfind- lichkeit der Geh6rorgane verhindern, da das Windger~usch gerade im

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72 H. FELDMANN und G. ST]~IMANI~:

wicht igs ten Frequenzbere ich , ~uf den der GehSrgang ja a b g e s t i m m t ist, ve rdeckend wirken wiirde. I n der T a t i s t die Un te rd r f i ckung yon Wind- gerauschen auch bei t echnisch-akus t i schen ~ e s s u n g e n im Fre ien eine der grSl~ten Schwier igkei ten. Der Gedanke Hegt daher nahe, dal~ eine wei tere wicht ige F u n k t i o n der Ohrmuscheln da r in bes tehen kSnnte , die s tSrenden Windgerausche zu beeinflussen, t~ahnliche ~ b e r l e g u n g e n sind unseres Wissens b isher noch n ich t anges te l l t worden; sie sol l ten daher ffir die menschl iche Ohrmuschel in Model lversuchen nachgeprf i f t werden.

Abb. 1. Felsenbein mit eingesetztem Me~mikrophon

Methodik Ein linkes mensehliches Felsenbein wurde so pr~pariert, dab in den Trommelfell-

r~hmen ein Mel~mikrophon yon etwa gleiehem Durchmesser (Kondensatormikro- phon yon Brfiel & Kjaer, Durchmesser 12,7 mm) eingesetzt werden konnte (Abb. 1). Das Pr£parat wurde in einen Modellkopf eingeb~ut, der zur Verhinderung yon Hohl- r~umsehwingungen mit Leinsamen ausgeffillt war. Ein Vergleieh der Luft]eitung und der ,,Knochenleitung" des lYIodelles mit dem l~innesehen StimmgabeLVersuch und der Tonaudiometrie ergab, da~ der Luftsehal] vom eingebauten Mikrophonwesentlich besser aufgenommen wurde, ~ls der KSrpersehall. Das Mode]l entspr~eh also in dieser Hinsieht den nat~irliehen Verh~ltnissen. Ein Untersehied bestand indessen in der Sch~llh~irte der Mikrophonmembran gegenfiber dem natiirlichen Trommelfel].

Aul3en wurde eine aus Kunststoff (Pelamed) naehgebildete Ohrmuschel ange- setzt, wobei der ~bergang vom Felsenbein zur Coneha unter Nachahmung des knorpeligen GehSrganges sorgf~ltig ausmodelliert wurde. Das Kopfmodell wurde auf dem mit einem Pullover bekleideten l~umpf einer Schaufensterpuppe befestigt. Dadurch sollten n~tiirliche Str6mungsverha]tnisse in der Umgebung des Kopfes her- gestellt und kfinstliche Ecken und Kanten in Ohrn~he verhindert werden. Rumpf und Kopf waren auf einer Drehseheibe montiert und konnten fiber einen Seilzug mittels einer Kurbel gedreht werden. Die Position des Modelles war an einer Grad- einteilung abzulesen.

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Die Bedeutung des i~ui~erea Ohres t'fir d~s H5ren im Wind 73

Das Modell wurde in der Mei~strecke eines Windkanales aufgestellt und definier- ten Windgesehwindigkeiten bei versehiedenen Einfal]swinkeln ausgesetzt. Die im GehSrgang des Modelles entstehenden Windgergusche wurden yore Mikrophon auf- genommen und wghrend des Versuches fiber Lautsprecher bzw. KopfhSrer abgehSrt, direkt ~nalysiert und zusgtzlieh auf Tonband registriert. Abb. 2 gibt einen ~0er- blick fiber die allgemeine Versuehsanordnung 1.

Abb. 2. Ubersieht fiber das Modell im Windkanal. Im Vordergrund die Melt- und Registriergeri~te, ganz rechts d~s Bedienungspult ffir den Windkanal. l~eehts oben an der WindkanalSffnung der Staudruekmesser zur Bestimmung der Windgeschwin-

digkeit

Der benutzte Windkanal befindet sich in einer grol]en Halle und erzeugt durch den Ventilator und die Antriebsmotoren Ger~usehe, die nieht vermieden werden konnten. Diese Eigenger~usche wurden zun~chst au•erhalb des Windstromes aus- gemessen und einer Frequenzanalyse un~erzogen. Bei den eigentliehen Versuchen wurden nur diejenigen Windger~usche verwertet, die in allen Frequenzgebieten fiber diesem StSrpegel lagen. Messungen mit Windgesehwindigkeiten unter 20 km pro Stunde konnten deswegen nieht vorgenommen werden, well das Windgeriiusch dann noch teilweise yon den StSrger~uschen iiberdeekt war.

1 Die Untersuchungen wurden im ,,Institut ffir StrSmungslehre und StrSmungs- masehinen" der Teehnischen Hoehsehule Karlsruhe dnrehgefiihrt. Herrn Prof. Dr. Ing. H. MARGI~OWSKI und Herrn Prof. Dr. Ing. ZIEREP, den Leitern des Institutes, sowie besonders dem Leiter des Laboratoriums, Herrn Dr.-Ing. G. A. E~TE~EUER, danken wir aufriehtig ffir die grol~zfigige Unterstfitzung, die sie unseren Arbeiten huben zuteil werden lassen.

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Die mit dieser allgemeinen Versuchsanordnung vorgenommenen Untersuchungen sollen im folgenden mit den erzielten Ergebnissen dar- gestellt werden.

Untersuchungsergebnisse 1. AbMingigkeit des Windgergusches vonder Windgeschwindigkeit. Das

Modell mi~ Ohrmuschel wurde steigenden Windgeschwiadigkeiten bei einem Einfallswinkel von 0 ° ausgesetzt, d.h. das Modell blickte in die Windrichtung, das Mikrophon befand sich im linken Ohr; der Wind blies also tangential fiber die Ohrmuschel.

Zur Erli~uterung der verwendeten Windgeschwindigkeiten sei eine kurze tabellarische Gegenfiberstellung mit den in der Seefahrt fiblichen W indst~rken gegeben (vgl. Tabelle).

Tabelle

Windst~rke n~ch Geschwindigkeit Auswirkungen des Windes BEAUFORT in km/Std im Binnenland

0 Windstille 0-- 0,9 Rauch steigt gerade empor i leichter Zug 1-- 5 Windrichtung nur durch l~auch

erkennbar 2 leichte Brise 6-- 12 Wind im Gesicht fiibAbar, BlOtter

s~useln 3 schwache Brise 12-- 19 BlOtter und dfinne Zweige bewegen

sich 4 m~Bige Brise 20-- 28 Bewegt Zweige, dfinne Aste, hebt

Staub auf 5 frische Brise 29-- 39 Kleine ]3~ume beginnen

zu schwanken 6 starker Wind 39-- 50 Pfeifen an Dr~htleitungen 7 steifer Wind 50-- 62 Fiihlbare Hemmung beim Gehen 8 stfirmischer Wind 62-- 75 Bricht Zweige yon den B~umen,

erschwert erheblich das Gehen 9 Sturm 75-- 88 Kleinere Sch~den an tt~usera

und D~chern 10 sehwerer S~urm 88--104 Entwurze]~ B~ume, bedeutende

Seh~den 11 orkanartiger Sturm 105--117 Verbreitete schwere Sturm-

sehi~den (sehr selten) 12 Orkan fiber 118 --

Abb. 3 zeigt, wie die Lautst i i rke des Windger~usches mit der Wind- geschwindigkeit ansteigt, vor allem ~ber ~uch, wie sich die Frequenzzu- sammensetzung hierbei i~ndert. Das Windger~usch umfaBt ein Spektrum yon 20 bis etwas fiber 3000 Hz. Bei geringen Windgeschwindigkeiten ha t das Geri~usch sein Energiemaximum in den tiefsten Frequenzen bis 200 Hz. Mit steigender Windgeschwindigkeit n immt die Intensi t~t der mit t leren Frequenzen zwischen 200 und 1000 Hz zu. Kons tan t ist bei

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Die Bedeutung des ~uBeren Ohres fiir das H5ren im Wi~d 75

a]len W~ndgeschwindigkeiten eine Spitze bei 2000 Hz zu erkennen, die der Resonanzfrequenz des ModellgehSrganges entsprieht. Die LautstArke n immt mit der Windgesehwindigkeit zun~chst raseh zu, steigt dann aber nur noeh langsam an.

dB

110,

100

90

80

'70

60

50

40

~ I 60

):

5'0 I00 2()0 5()0 1600 2()00 50'0020 20

60 5O

30

20

s'o

dB

-110

-100

90

8O

70

60

,50

40 ,oo 2~o ,soo 1doo2doo so60Hz

Abb. 3. Frequenzspektren (Terzfilteranalyse) des Windger~usches in Abh~ngigkeit yon der Windgeschwindigkeit bei aufgesetzter Ohrmuschel; links ohne, rechts mit Watte im GehSrgang. Die Zatflen an den einzelnen Kurven geben die Windgeschwin-

digkeit in km/Std an

2. Der Ein/lu[3 yon Watte im GehSrgang. In derselben Versuchsanord- hung (mit Ohrmuschel) wurde das Modell denselben WJndst/~rken aus- gesetzt, nur war in den GehSrgang etwas lose Wat te eingebracht worden. Es sollte damit untersucht werden, welchen Einfiu8 eine starke Behaa- rung des GehSrganges hat, wie sie bei Tieren h/~ufig ist. Eine mel~bare Sehalld/~mmung, also eine SehwellenerhShung t ra t durch die Wat te nicht ein. Aus der Abb. 3 erkennt man, dal~ die Wat te auf die Gesamtlautst/£rke des Windger/£usehes nur wenig Einflu6 nimmt. Sie wirkt sieh aber gl&t- tend auf die Frequenzzusammensetzung aus ; insbesondere verschwindet die t~esonanzspitze bei 2000 Hz.

3. Abhiingigkeit des Windgeriiusches yon der Ein/allsrichtung. Der Kopf stellt ein betr&ehtliehes Hindernis ffir den Wind dar und beeinfluSt natiir- ]ich die StrSmungsverh&ltnisse an der GehSrgangsSffnung. Dadurch indern sich die Frequenzzusammensetzung und die St/~rke des Wind- ger/~usehes sehr erheblich in Abh/£ngigkeit yon der Einfallsrichtung des Windes. In Abb.~ ist die Lautst£rke des Windger/£usehes ohne Ohr- musehel in Abh/£ngigkeit yon der Einfallsriehtung dargestellt. Da die

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76 H.~ELDMANN und G. STEI~AE~:

Werte fiber den Frequenzbereich yon 20--20000 Hz linear erfaBt sind, entspreehen die Kurven nieht ganz dem gehSrm/~Bigen Einch'uek. Dureh den groSen Anteil an niedrigen Frequenzen mit groSer Energie sind die Dezibel-Werte insgesamt gr6Ber, als bei einer Bewertung m Phon zu

9 0 °

o 3 0 ° 150 °

0 180 o

3 3 ° ° ~ ~ 240 ° 1°°

2 7 0 °

Abb. 4. Schalldruck des WindgerKusches ohne Ohrmuschel in Abh~ngigkei$ yon der Einfallsrichtung bei linearer Erfassung des Frequenzbereiches yon 20--20000 Hz. Windgeschwindigkeit 30 km/Std. 0 ° bedeutet, das Modell blickt in die Windrich- tung, der linke, freie GehSrgang wird yore Wind tangential getroffen. Bei 90 ° ist die

GehSrgangsSffnung dem Wind direkt zugewandt

erwarten w/~re. Dennoch gibt das Diagramm die wichtigsten Charakte- ristica riehtig wieder. Ein Minimum des Windger~usehes findet sieh im Bereieh eines Einfallswinkels yon 90 °, d.h. wenn die GehSrgangsSffnung, direkt in die Windriehtung zeigt. Ein anderes Minimum tr i t t auf, wenn die GehSrgangsSffnung dem Wind direkt abgewandt ist, also im Bereieh um 270 °. In den anderen beiden Hauptriehtungen, also bei 0 ° und 180 °, ist das Windger/~usch erheblieh starker.

An diesem a]lgemeinen Verhalten/~ndert sich dureh die Ohrmuschel nichts Wesentliches. Der Einflul~ der Kopfstellnng allein auf die StrS- mungsverh/~ltnisse ist also insgesamt grSl~er als derjenige der Ohr- muschein. Die bier durch Messungen ermittelten Werte entspreehen durchaus dem subjektiven Eindruek und der Erfahrung: Das Wind- ger/£useh ist am geringsten, wenn man ein Ohr direkt dem Wind zuwendet oder abwendet, es ist am st~rksten, wenn das Ohr tangential vom Wind getroffen wird.

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Die Bedeutung des ~ul~eren 0hres fiir das HSren im Wiad 77

dBI 100

90

80

70-

60

0 °

20 50 100200 500100020005000 Hz

i

60

50 m ON -\'~-- o OM 90o

40 20

dB 100

90

80

70

60

50 100 200 50010002000 5000 Hz

oM

o

20 dB 110

100

90

80

70

50 100 200 50010002000 5000 Hz

oOM O

mOM/ ~ 315°

20 50 100 200 5001000 2000 5000 Hz

dBr

6 20 o

501 20 5'O 160 260 500100020005000 Hz

dB

9C ~ l ' ~ , ~ , ~ . ",,.~ o OM

7( 130 o

6( ~.0 50 160 260 560 1000 2()00 5(~00 Hz

dB

19o

J

, 70 1900

[50 20 50 100200 500100020005000 Hz

dB 100

70 330 o

60 20 50 100 200 500 10002000 5000 Hz

Abb.5. Frequenzspektren (Terzfilter~n~lysen) des Windger~usches mit und ohne Ohrmuschel bei verschiedenen Einfullsrichtungen. Windgeschwindigkeit 30 km/Std.

roOM mit Ohrmuschel, oOM ohne Ohrmuschel

4. Der Ein/lufi der Ohrmuschel au/ die Windgeriiusche in Abhiingig#eit vonder Ein/allsrichtung. Bei einer Windgeschwind igke i t yon 30 k m pro Stunde , das en t sp r i ch t e iner m ~ i g e n bis fr ischen Brise yon Winds t~ rke 4 - - 5 , wurde das Windger~usch m i t und ohne Ohrmuschel gemessen und ~nalysier t , w~hrend das ~ o d e l l yon 10 ° zu l0 ° gedreh t wurde. I n Abb. 5

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78 H. F1~LD~CIANN und G. ST~I~rA~:

sind nut die wiehtigsten Positionen wiedergegeben, in denen sieh das Windger/iusch in eharakteristiseher Weise /~ndert. Die fehlenden Zwisehenwerte k6nnen mit guter Ann/~herung interpoliert werden. Das Ger/~useh mit und ohne Ohrmusehel ist jeweils in ein Diagramm eingetra- gen, um eine direkte Gegenfiberstellung zu erm6gliehen. Dutch zus~tz- liehes Einbringen yon Watte in den GehSrgang konnten aueh bei diesen Versuehen in allen Stellungen die Resonanzspitzen bei 2000 Hz zum Ver- sehwinden gebraeht werden; auf eine graphisehe Darstellung dieses Ergebnisses soll abet hier verziehtet werden.

Bei 0 ° und 20 ° ist das Windgerguseh mit Ohrmusehel im Frequenz- gebiet fiber 500 Hz deutlieh sehw/ieher als ohne Ohrmusehel, in den tiefsten Frequenzen ist es dagegen umgekehrt. Die Ohrmusehel trans- poniert das Windger/~useh gewissermagen aus dem mittleren in den tiefen Frequenzbereieh. Bei Einfallswinkeln um 90 ° ist die Wirkung der Ohr- musehel gleieh Null; das Windger~useh hat abet ohnehin in dieser Lage ein Minimum. W~d der Kopf weitergedreht, so dab der Wind die Ohr- musehel von hinten trifft, so ist die Dgmpfnng des Gergusehes dutch die Ohrmusehel besonders ausgepr/~g~ (vgl. 130 °, 180 °, 190°). Sie erstreekt sieh auf den ganzen Frequenzbereieh und erreicht bei einem Winkel yon 190 ° ihr Maximum mit fiber 15 dB. Bei Positionen um 270 ° (nicht ein- gezeiehnet), wenn das Ohr im Windsehatten des Kopfes liegt, is~ die Ohr- musehel ohne wesentliehen EinfluB auf das Windger/iuseh, ghnlieh den Positionen um 90 °. Erst wieder bei Winkeln fiber 300 ° wird ihre d~mpfende Wirkung vor allem im Spraehfrequenzbereich deu~lieh.

Ganz allgemein ist festzustellen: sobald sich die Geh6rgangs6ffnung im Windsehatten befindet, sei es dureh die Ohrmusehel, sei es dureh den Kopf selbst, fiberwiegen im Windger/~useh die tiefen Frequenzen, und die mittleren und hSheren Frequenz~eile werden reduziert.

5. Der Ein/lufi der Windger~iusche au/ einen Signalschall. Im Abstand von 1,5 m vom Modellkopf auSerhalb des Windstroms war ein Laut- spreeher angebracht, der einen gepulsten obertonhaltigen Signalsehall yon 400 Hz Grundfrequenz ausstrahlte. Bei einer Windgesehwindigkeit yon 30 km pro Stunde wurde der Kopf langsam gedreht. Windger/~useh und Signalton wurden gleiehzeitig fiber das eingebaute Mikrophon im Modell auf Tonband aufgenommen und einer Oktavfilter-Analyse unter- zogen.

Abb. 6 zeigt das Ergebnis dieser Untersuehung. Unterhalb 400 Hz (63, 125 und 250 Hz Mittenfrequenz) stellt sich lediglich das Ger~useh dar. Man erkennt, da$ es bei 90 ° und bei 270--300 ° Minima hat. Auffallend sind die groSen Amplituden der Schalldruekkurve in diesen Bereichen. Der Signalschall t r i t t in den Oktaven um 500, 1000, 2000 und 4000 Hz, fiberlagert yon dem Windger/~useh im jeweiligen Frequenzbereich, in Er- scheinung. Die Amplitude der synchron mit den Signalimpulsen auftre-

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Die Bedeutur~g des gugeren Ohres fiir das Ii6re~ im Wind 79

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O

H z

63 [ 10 dB

125 [ 10 dB

250 [ 10 dB

( 10 dB

Signatimpulse , , , . J . C _ - - _ "

0 ° 90 ° 180 ° 270 ° 360 °

<O c> @ <3 O Abb. 6. Oktavfilteranalyse des Windgergusches bei Drehung des Modelles um 360 °, wghrend gleiehzeitig fiber einen Lautsprecher obertonreiche Schallimpulse yon ~00 Hz GruMfrequenz gegeben werden. In der Ausgangssigua;tion bliekt das Modell (mit Ohrmusehel) in die Windrichtung; der Signalsehall kommt yon links, ist also

direkt auf das mit einem 3likrophon ausgestattete Ohr geriehtet

tenden Aussehlgge gibt direkt den St6rabstand des Signalschalles vom G-ergusehpegel am Die 5iaxima dieser Ausschl~ge entspreohen dem Signal- schall, die Minbna dem Gerguschpegel, Fiir alle Frequenzbereiche ist der St6rabstamd bei einem Einfallswinkel yon 90 ° am gr6B~en (bis 15 dB) ; der Signalsehall wird am besten geh6rt, wenn das Ohr direkt ia die Wind- richtnng zeigt. ~as t ebenso gut ist die Signalerkennung bei Wi~lkeln um 180 °, d.h., wenn der Wind den Kopf yon hinten trifft. Das Ohr ist dabei der Sehallquelle abgewandt, liegt also im Sehallschatten des Kopfes. Die h6herfrequenten Anteile des Signalseha, lles, deren Wellenlgnge kleiner als

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80 H. FELDMA~rN und G. STEI~ANN:

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die AusmaBe des Kopfes sind (2000 und 4000 Hz Mittenfrequenz), werden datum in dieser Position sehlechter gehSrt. Die dritte 0ptimumstel lnng fiir die Signalerkennung liegt unabh/~ngig yon der Signalfrequenz bei 270 ° bis 300 °, d.h., wenn sich das 0hr im Windschatten des Kopfes befindet.

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Die Bedeutung des i~uBeren Ohres f/it das H6ren im Wind 81

Am schleehtesten hebt sich das Signal bei der Position 0 ° bzw. 360 ° yore Geriiuseh ab. Obwohl das Ohr hierbei der Sehallquelle unmittelbar zu- gew~ndt ist, wird der Signalton st/~ndig yore Windger£usch vercleckt. Nut im Frequenzbereich der 500 Hz-Oktave ist er gerade eben erkennbur.

Oer Signalsch~ll blieb w~hrend der Drehung des Kopfes immer gleich laut. Er erzeugt aber am Mikrophon des Modellkopfes in Abh~ngigkeit yon der Position einen verschieden st~rken Schalldruck. Auf die Sch~Uschattenwirkung des Kopfes ffir die hohen Frequenzen (Position 180 °) wurde schon hingewiesen. D~neben spielen aber offenbar noch andere F~ktoren eine l~olle. Bei 270 ° ist der Signalseh~ll in den hohen l~requenzen deutlich starker ~ls bei 90 °. Das kSnnte auf die Wirkung der Ohrmusehel zurtiekzuffihren sein, die sich bei 270 ° dem Sch~ll 5finer, bei 90 ° aber yore Schall abwendet. In den tiefen Frequenzen ist der Signalsch~ll bei 90 ° und 270 ° deutlich s~rker als bei 0 ° bzw. 360 °, obwohl ger~de das Gegenteil erwartet werden sollte. Hier spielen wahrscheinlieh )~nderungen der Schallausbreitung in der bewegten Luft eine l~olle, doch sollen diese VerhEltnisse lfier nicht n~her untersucht werden.

Zusamraenfassend ist aus diesen Versuchen zu sehlieflen: l~fir eine optimale Signalerkennung in bewegter Luft ist nieht nur die Ausriehtung des Ohres in bezug auf die Schallquelle wesentlich, sondern bei grSBeren Windgeschwindigkeiten hat die Ausrichtung des Ohres in bezug auf die Windrichtung die weir grSBere Bedeutung, well hierdureh das den Signal- sehall verdeckende Windger~usch auf ein Minimum reduziert werden kann. Dieser Faktor dfirfte aueh ffir die Bewegungen der Tierohren fin Wind entseheidend sein.

6. Die Str6mungsverhiiltnisse an Kop] und Ohrmuschel. Mit Hilfe yon Rauchfi~den, angeklebten Wollfi~den und Flaumfedern wurden die StrS- mungsverh~ltnisse um den Kopf herum und an der Ohrmuschel unter- sueht und ~nhand yon Filmaufn~hmen ausgewertet (vgl. I~ELDm~N U. STE~tN~). Es zeigt sich, clal] im Wh~dsehatten des Kopfes eine Zone mit starker Turbu]enz herrseht, in welcher die F~den mit groben, relativ ]angs~men Flatterbewegungen umhergewirbelt werden. Das akustisehe J~quivalent dieser l~latterbewegungen sind die unrege[m/~Bigen Druck- stSBe yon groBer Amplitude im tiefsten Frequenzbereich (vgl. Abb.6). Aueh hinter nnd in der H6h]ung der Ohrmusehel kommt es zu einer Turbulenz dadurch, dab sich die StrSmung an den Vorsprfingen und R~n- dern ablSst (Abb. 7). Der gtinstige EinfluB der Ohrmuschel oder des vom Kopf gebildeten Windschattens auf die Windger/~usche steht zweifellos in Zusammenhang mit der Ausbildung yon Turbulenzen.

Diskussion Eine kurze Interpretation der Untersuchungsergebnisse wurde schon

bei der Besprechung der einzelnen Versuche gegeben, tiler sollen nur noch einige allgemeine Gesichtspunkte herausgestellt werden.

Die Untersuchungen haben ergeben, dab die Windger£usehe durch die Ohrmuschel gtinstig beeinflul~t werden. Je nach dem Einfallswinkel des

6 Arch. 1din. exp. Ohr.-, -Nas.- u. Kehlk.]=[eilk., :Bd. 190

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82 H. FELDIVIAI~N und G. STEIlVIA~TN'-

Windes werden sie im gesamten Frequenzbereich herabgesetzt oder auch yore mittleren in den tiefsten Frequenzbereich transponiert.

Durch diese Reduzierung des Windgeriiusches wird der Abs~and zwischen dem aufzunehmenden akustischen Signal und dem StSrgeri~usch wirksam vergrSl3ert. Die Empfindlichkeit des menschlichen Ohres ist irn HSroptimum um 1000 Hz so groB, dai3 eine weitere Steigerung nicht mehr sinnvoll witre, da dann die Brownsche Molekularbewegung der Luf~ als StSrger~usch h6rbar wiirde. Eine Verbesserung oder Optimalisierung des HSrvermSgens is~ daher in Riehtung einer weiteren Schwellenerniedri- gung nicht mehr m6glich. Die Begrenzung der H6rleistung wird unter normalen Lebensbedingungen auch nicht so sehr durch eine mangelnde Schwellenempfindlichkeit gegeben, sondern durch die gleichzeitige Ein- wirkung yon StSrger~uschen.

Das zweiohrige HSren erm6gHcht es, ein bestimmtes akustisches Signal aus verdeckenden St6rgeriiuschen herauszuheben (FELD~A~) und den St6rabstand bis zu 15 dB gegenfiber dem monauralen HSren zu ver- bessern, sofern das St6rger~usch ffir beide Ohren koh~rent ist. Das ist aber nur bei Ger~uschen der Tall, die yon auBen an die Ohren gelangen. Die im GehSrgang gebildeten Windger~usche sind in beiden Ohren in- kohiirent, wirken sich also bei physikalisch gleicher Intensit~t und Fre- quenzzusammensetzung starker verdeekend und stSrend aus als gleich- laute yon aul3en kommende Geri~usche. Sie kSnnen dutch die zentral- nerv6sen Leistungen des binauralen H6rens kaum unterdrfiekt werden. Zudem stehen die Windger~usche durch die Art ihrer Entstehung in enger Beziehnng zu der Resonanzfrequenz des i~uBeren GehSrganges, liegen also nach ihrer Frequenzzusammensetzung gerade im empfindlich- sten Bereich des Geh6rorganes. Um so wiehtiger mu~ eine Vorrichtung zu ihrer weitestgehenden Eliminierung sein. Offensichtlich erftillen die 0hr- muscheln diese Aufgabe.

Eine Pfeife odor ein anderes schwingungf~higes System wircl nur dann zu ungedi~mpften EigenschwLagtmgen angeregt, wenn ihm sti~ndig phasengerecht Energie zugefiihr~ wird. Bei einer eingesehwungenen tffeffe stenert die Schwingung der ehlgeschlossenen Lufts~nle selbst die Energiezufuhr aus der vorbeistreichenden Luft. Das setzt aber voraus, dal3 der Luftstrom m5glichst gleichm~l]ig ist. Unterliegt er unregelmi~l]i- gen Schwankungen, so wird der schwingungsfiihigen Lufts~ule nicht mehr phasengerecht, sondern in unregelmEl~igen Impulscn Energie zu- geffihrt. Die Schwingungen in der Eigen£requenz kSnnen sich dann nicht richtig aufbauen.

Die Ohrmusche]n erzeugen durch ihre Vorsprfinge und Buchten eine AblSsung der S~rSmung und damit ehle Zone starker Turbulenz im Be- reich des GehSrgangseinganges. Turbulenz bedeutet aber statistisch auf- tretende Druckschwanknngen und Luftbewegungen weehselnder Rich-

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Die Bedeutung des ~uBeren Ohres fiir das H6rea im Wind 83

tung. Diese unregelm£1]igen Drucksehwankungen sind akustisch als Schall aufzufassen. Ihre Frequenz ist aber sehr niedrig, so dal~ sie einem Ger/~usch entspreehen, das zum Tell in den Infraschallbereich hineinragt. Die Turbulenz verhindert, dab sieh die Lufts~ule des GehSrganges in der Resonanzfrequenz mit grSl3erer Amplitude einsehwingt, unterdrfiekt also das Windger/~usch hn Frequenzbereich des H6roptimums.

Die dichte Behaarung des Tierohres, die beim Menschen nur rudimen- t/£r vorhanden ist, hat wahrseheinlich n.a. die Bedeutung, die Ampli- tudenfiberhShung dutch die Resonanz des Geh6rganges etwas zu gl/£tten. ]3ei technisch-akustisehen Messungen mit Sondenmikrophonen ist es iiblieh, die stSrenden ~esonanzfiberhShungen dutch Einbringen yon Stahlwolle oder/£hnliehen Substanzen zu d~mpfen. Dieses t?rinzip seheint in der Behaarung der Tierohren schon vorweggenommen zu sein.

Die Ohrmusehel hat zweifellos eine gewisse Riehtcharakteristik. Sie nimmt also Seha]l, der aus einer l~ichtung kommt, besser auf als Schall aus einer anderen Richtung. Deshalb wendet man beim Lauschen ein Ohr der Schallquelle zu; es gibt also eine klare Optimumstellnng des Ohres in bezug auf die Schal]quelle. Das £ndert sich, sobald Wind herrscht. Die hierdtu.ch entstehenden Windger~usche im/£ul~eren Ohr und deren St~rke und Frequenzzusammensetzung sind in hohem Ma/3e yon der Stellung des £ul~eren Ohres zur Windriehtung abh£ngig. Wie unsere Ver- suehe gezeigt haben, gibt es eine oder mehrere Optimumstellungen, in denen das Windger£usch ein Minimum hat, aber diese Optimumstellung ist nieht identisch mit derjenigen, die sieh aus der Ausrichtung auf die Schallquelle ergibt. Um eine Schallquelle ira Wind optimal zu hSren, d.h., einen grSl~tm6glichen St6rabstand yon Signalschall zu StSrschall zu erreiehen, mul3 ein Kompromi~ zwischen den widerstreitenden Faktoren, richtungsabhgngige Schallaufnahme und Windger/~useh, gefunden wer- den. Das geschieht im allgemeinen wohl durch Suehbewegungen, beim Menschen dureh Drehen des Kopfes, bei vielen Tieren dutch Bewegunge~ der Ohrmuscheln und des Kopfes. In welcher Stellung das Optimum zu suehen ist, h/~ngt yon der jewefligen Konstellation der Faktoren ab, yon der St/£rke und Frequenzzusammensetzung des Signalsehalles, der St£rke und Riehtung des Windes und der r/~umliehen Beziehung zwischen Sehallquelle, Wflldriehtung und Standort des lauschenden Individuums.

In nahezu allen Frequenzana]ysen des Windger/~usehes zeigt sieh, dab es ein ~aximum seiner Energie im tiefsten Frequenzbereieh hat. Dies ist, wie sehon ausgef/ihrt, auf die Turbulenz im Windsehatten des Kopfes bzw. der Ohrmuschel zurfiekzuffihren. Die HSrkurve des mensehlichen Ohres zeigt einen starken Anstieg der Schwelle zu den tiefen Frequenzen hin. Er betr/~gt etwa 15 dB pro Oktave yon 500 Hz abw/~rts, d.h. die Sehwelle eines Tones yon 30 I-Iz hat einen um etwa 60 dB grSl~eren Schalldruek als die Sehwel]e des 500 ttz-Tones. Dieser Verlauf der

6*

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84 H. F ~ und G. S x ~ A ~ :

Schwellenkurve ist nieht ohne weiteres durch die physikalischen oder physiologisehen Gegebenheiten verstiindlieh, wie etwa der Schwellen- anstieg zu den hohen Frequenzen. Es wiire yore Physika]isch-Physiologi- schen sehr gut denkbar, dab das Ohr auch im tiefsten Tonbereieh eine wesentlich hShere Sehwellenempfindiichkeit h~tte, vo~ B~K~Sr weist darauf bin, dab bei zu groBer Empfindlichkeit in den tiefen Frequenzen die Erschfitterungen des Kopfes beim Gehen als Schall wahrgenommen werden k6nnten, und T ~ D ~ L ~ V ~ G und SrA~n6eK machten darauf aufmerksam, dab hierin auch eine Anpassung an die Windgeri~usehe zu sehen wiire. Durch den Verlauf der Sehwellenkurve in den tiefen Frequen- zen -- ffir fiberschwellige Intensit~ten gelten bekanntlich mebr horizontal verlaufende Kurven -- werden in der Tat groBe Anteile der Windgeri~u- sche, die in den Frequenzanalysen zur Darstellung kommen, kaum oder nut sehr schwach yore GehSr wahrgenommen.

Unter diesem Gesichtspunkt erscheint es sehr zweckm~Big, dab die Ohrmuschel dureh Ausbildung yon Turbulenzen das Windgeri~usch yon der Resonanzfrequenz des GehSrganges weg in den tiefsten Frequenz- bereich transponiert. So wird erreicht, dab die unvermeidliehen Druck- schwankungen an der Berfihrungszone der ruhenden Luft des Geh6r- ganges und der vorbeistreichenden ~uBeren Luft akustiseh mSg]iehst wenig stSrend in Erscheinung treten. Die komplizierte Form der Ohr- muschel, die allein yore Akustiscben her nieht recht verst~ndlich is~, scheint darin ihre funktionelle Begrfindung zu finden.

Die Windger~usche stellen ein ernstes Problem ffir die am Kopf getra- genen tt6rger~te dar (HdO-Geriite, tt6rbrillen); sie sind in ~hnlicher Weise l~stig wie die Reibegergusehe bei den unter der Kleidung getrage- nen Kastenger~ten und stehen einer optimalen Ausnutzung der Verst~r- kerleistung oft entgegen. Untersuchungen fiber die Art, Frequenzzusam- mensetzung und MSglichkeiten einer D~mpfung der am H6rgeriit ent- stehenden Windger~usche sind zum Tell schon in Angriff genommen wor- den ( D ~ s G ~ n , JO~A~SEN u. Cn~S~ALL). Erkenntnisse dariiber, wie die I~atur dieses Problem gel6st hat, k6nnen vielleicht aueh ffir die tech- nisehe Fragestellung beim tt6reger~tebau Anregungen geben. So gewin- nen die hier mitgeteilten Untersuchungsergebnisse auch ein aktuelles praktisches Interesse.

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