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Schwerpunktthema III: Angewandte Okologie. Okotoxikologie 2 Die Beitragsserie auf einen Blick - 0bersicht Dr. Peter RUDOLPH, Umweltbundesamt Berlin: Entwicklungen in der Okotoxikologie Die 0kotoxikologie ist eine angewandte, interdisziplin~re Teildis- ziplin der Biowissenschaften. lhre erkenntnisleitenden Interessen wurden bisher vonder Umweltpolitik (dem Umweltrecht) be- stimmt. Fehlende theoretische Konzepte in der 0kotoxikologie und bei den Auftrag-/Forschungsmittel-Gebern haben zur Verun- sicherung fiber die weiteren Aufgaben der Okotoxikologie geffihrt. Erfolge, Defizite und m6gliche Forschungsgebiete der Okotoxiko- logie werden im Beitrag dargestellt. Dipl.-Biol. Kurt KREIMES, Landesanstalt for Umwelt- schutz: Okologische Zustandserfassung der Umwelt in Baden- Wiirttemberg Das fikologische Wirkungskataster Baden-Wiirttemberg besteht seit 1984. Die Untersuchungen haben das Zie|, Wirkungen von Umweltchemikalien zu erfassen und die damit verbundenen Risi- ken zu bewerten. Bioindikatoren werden dabei in verschiedenen landesweiten Me~netzen eingesetzt, um die Grundbelastung der Natur zu ermitteln. Die Einzelergebnisse werden in einer fikotoxi- kologischen Datenbank zusammengefaft, um einen Gesamtfiber- blick fiber die Belastungssituation yon Baden-Wfirttemberg zu erhalten. Im Rahmen von 6ko~oxikologischen Untersuchungen soil geprfift werden, inwieweit es m6glich ist, Luft fiber eine Pumpe an- zusaugen und fiber ein Adsorbens zu leiten, im Labor die Schad- stoffe' zu eluieren und geeigneten Biotests zuzuffihren. Prof. Dr. Uwe ARNDT, Dr. Annette FOMIN, Universit~it Hohenheim, Institut ffir Pflanzen6kologie: Wissenschaftliche Perspektiven der 6kotoxikologischen Bioindikation Die wirkungsbezogene Umweltbeobachtung mit Hilfe der Bioindi- kation hat in den vergangenen zwei Jahrzehnten in Mitteleuropa stark an Bedeutung gewonnen, und Wirkungskataster sind ein rou- tinem~il~igeingesetztes Instrument, um Informationen fiber den Zu- stand unserer Umwelt zu erhalten. Damit ist die Wissenschaft aufgefordert, laufend neue und geeignetere Verfahren vorzuschla- gen und zu entwickeln. Dies gilt sowohl im Bereich der aut6kologi- schen Bioindikation, wo wit fiber groffe Erfahrungen verffigen, als auch im syn6kologischen Sinne, wo noch erheb!iche Anstrengun- gen notwendig sind, um zu ausgereiften Verfahren zu gelangen. Die in diesem Zusammenhang vorhandenen Probleme sind aller- dings nicht nur wissenschaftlicher, sondern auch organisatorischer und normativer Art. Der Beitrag spricht einige dieser Problemfel- der an und weist auf die in Zukunft notwendigen Arbeiten hin. Dr. Ernst NUSCH, Ruhrverband Essen: Biologische Testverfahren - Aussagekraft und Grenzen der 0bertragbarkeit Bei den unter festgelegten Standardbedingungen im Labore.xperi- ment ermittelten EC-, LC- und Gx-Werten handelt es sich um toxi- kologische Kenngr6flen, die einen Hinweis auf das Gefiihrdungs- potential von Stoffen geben, jedoch nicht unmittelbar zur Voraus- sage eines Effektes in der Umwelt herangezogen werden k6nnen. Konventionelle Biotests werden zur Erarbeitung yon Basisinforma- tionen, als Grundlage zur Konzeption komplexer Textsysteme und zur AbscMtzung des Gef~ihrdungspotentials von Stoffen in der Umwelt ihre Bedeutung behalten. Sie sind nicht durch suborganis- mische (enzymatische oder cytologische) Verfahren zu ersetzen, sondern allenfalls zu ergdnzen. Dr. R6diger BIAS, BASF Ludwigshafen: Risikoanalyse und -bewertung mittels biologischer Test- verfahren Ffir die Risikobeurteilung yon Umweltsch~iden durch Stoffwirkun- gen sind Kennmisse zur Wirkung und zur Exposition unabdingbar. Die schrittweise Vorgehensweise nach ChemG, mit zunehmender Verwendung eines Produktes auf Eigenschaften zu prfifen, die damit zum Tragen kommen k6nnen, wird diskutiert und im Grundsatz gut geheiflen. Die Bewertung der Prfifungsergebnisse darf nicht nur nach formalen Kriterien erfolgen, sondern muff unter Nutzung aller erforderlichen Zusatzkenntnisse vorgenommen werden. Dazu ist eine sorgfiiltige Orientierung am Schutzziel erforderlich, dessen zu pauschale Defini- tion ffir die praktische Durchffihrung wenig hilfreich ist. Zur Verbesserung der Sicherheit in der Frage, wie gut die im Chemi- kaliengesetz vorgesehenen Testverfahren die Wirklichkeit abbitden, wird eine Erweiterung der empirischen Basis empfohlen; weiterhin werden Forschungsthemen zum Verstfindnis stoffiicher Umsetzun- gen und Wirkungen vorgeschlagen. Prof. Dr. Michael MATTHIES, Universitfit Osnabrfick, Angewandte Systemwissenschaften: Prognose von Schadstoffrisiken in der Umwelt Um die Risiken von chemischen Stoffen mit (6ko-)toxischer Schad- wirkung in der Umwelt frfihzeitig absch~itzen und damit begrenzen oder vermeiden zu k6nnen, werden einerseits kausal-deterministi- sche Simulationsmodelle (prospektiver Ansatz) und andererseits sta- tistische Verfahren zur Optimierung yon Umweltmet~netzen einge- setzt (retrospektiver Ansatz). Anhand von organischen Chemikalien unterschiedlicher physika- lisch-chemischer Eigenschaften (Dioxine, Pestizide) wird gezeigt, wie mit mathematischen Modellen, welche die verschiedenen Pro- zesse des Transports und der Umwandlung zusammenfassen, die zur Exposition von Organismen fiihrenden Transferpfade ermittelt und wirkungsrelevante Konzentrationen prospektiv berechnet werden k6nnen. Die rfiumliche und zeitliche Variabilitfit von j~ihrlich gemessenen Schwermetallgehalten in bayerischen Moosen wurde untersucht und mittels geostatistischer Verfahren das Probenahmeraster retrospek- tiv optimiert. Prof. Dr. Werner KLEIN, Fraunhofer-Institut fiir Um- weltchemie und Okotoxikologie, Schmallenberg: Okotoxikologie - Quo vadis? Ein Weg aus diesem Dilemma ist die Artikulierung konkreter, wis- senschaftlicher Ziele, wie z.B. die Festlegung von naturwissenschaft- lich begrfindeten Normwerten ffir Okosysteme. Da wir noch weit davon entfernt sind, die Wirkungen yon Chemikalien in Organis- men zu verstehen, mfissen wir unsere Testsysteme dahingehend er- g~inzen, dal~ wir ,Wirktypen" systematisch suchen und erfassen. Ffir die Angewandte Okologie ist es wichtig, systematisch und hinterfra- gend vorzugehen, d.h., die m6gliche Nutzung der Versuchsergebnis- se vor der Versuchsdurchffihrung abzuwfigen und festzulegen. UWSF Z. Umweltchem. Okotox. 4 (5) 1992 289

Die Beitragsserie auf einen Blick — Übersicht

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Page 1: Die Beitragsserie auf einen Blick — Übersicht

Schwerpunktthema III: Angewandte Okologie. Okotoxikologie

2 Die Beitragsserie auf einen Blick - 0bersicht

Dr. Peter RUDOLPH, Umweltbundesamt Berlin: Entwicklungen in der Okotoxikologie

Die 0kotoxikologie ist eine angewandte, interdisziplin~re Teildis- ziplin der Biowissenschaften. lhre erkenntnisleitenden Interessen wurden bisher v o n d e r Umweltpolitik (dem Umweltrecht) be- stimmt. Fehlende theoretische Konzepte in der 0kotoxikologie und bei den Auftrag-/Forschungsmittel-Gebern haben zur Verun- sicherung fiber die weiteren Aufgaben der Okotoxikologie geffihrt. Erfolge, Defizite und m6gliche Forschungsgebiete der Okotoxiko- logie werden im Beitrag dargestellt.

Dipl.-Biol. Kurt KREIMES, Landesanstalt for Umwelt- schutz: Okologische Zustandserfassung der Umwelt in Baden- Wiirttemberg

Das fikologische Wirkungskataster Baden-Wiirttemberg besteht seit 1984. Die Untersuchungen haben das Zie|, Wirkungen von Umweltchemikalien zu erfassen und die damit verbundenen Risi- ken zu bewerten. Bioindikatoren werden dabei in verschiedenen landesweiten Me~netzen eingesetzt, um die Grundbelastung der Natur zu ermitteln. Die Einzelergebnisse werden in einer fikotoxi- kologischen Datenbank zusammengefaft, um einen Gesamtfiber- blick fiber die Belastungssituation yon Baden-Wfirttemberg zu erhalten. Im Rahmen von 6ko~oxikologischen Untersuchungen soil geprfift werden, inwieweit es m6glich ist, Luft fiber eine Pumpe an- zusaugen und fiber ein Adsorbens zu leiten, im Labor die Schad- stoffe' zu eluieren und geeigneten Biotests zuzuffihren.

Prof. Dr. Uwe ARNDT, Dr. Annette FOMIN, Universit~it Hohenheim, Institut ffir Pflanzen6kologie: Wissenschaftliche Perspektiven der 6kotoxikologischen Bioindikation

Die wirkungsbezogene Umweltbeobachtung mit Hilfe der Bioindi- kation hat in den vergangenen zwei Jahrzehnten in Mitteleuropa stark an Bedeutung gewonnen, und Wirkungskataster sind ein rou- tinem~il~ig eingesetztes Instrument, um Informationen fiber den Zu- stand unserer Umwelt zu erhalten. Damit ist die Wissenschaft aufgefordert, laufend neue und geeignetere Verfahren vorzuschla- gen und zu entwickeln. Dies gilt sowohl im Bereich der aut6kologi- schen Bioindikation, wo wit fiber groffe Erfahrungen verffigen, als auch im syn6kologischen Sinne, wo noch erheb!iche Anstrengun- gen notwendig sind, um zu ausgereiften Verfahren zu gelangen. Die in diesem Zusammenhang vorhandenen Probleme sind aller- dings nicht nur wissenschaftlicher, sondern auch organisatorischer und normativer Art. Der Beitrag spricht einige dieser Problemfel- der an und weist auf die in Zukunft notwendigen Arbeiten hin.

Dr. Ernst NUSCH, Ruhrverband Essen: Biologische Testverfahren - Aussagekraft und Grenzen der 0bertragbarkeit

Bei den unter festgelegten Standardbedingungen im Labore.xperi- ment ermittelten EC-, LC- und Gx-Werten handelt es sich um toxi- kologische Kenngr6flen, die einen Hinweis auf das Gefiihrdungs- potential von Stoffen geben, jedoch nicht unmittelbar zur Voraus- sage eines Effektes in der Umwelt herangezogen werden k6nnen. Konventionelle Biotests werden zur Erarbeitung yon Basisinforma- tionen, als Grundlage zur Konzeption komplexer Textsysteme und zur AbscMtzung des Gef~ihrdungspotentials von Stoffen in der Umwelt ihre Bedeutung behalten. Sie sind nicht durch suborganis- mische (enzymatische oder cytologische) Verfahren zu ersetzen, sondern allenfalls zu ergdnzen.

Dr. R6diger BIAS, BASF Ludwigshafen: Risikoanalyse und -bewertung mittels biologischer Test- verfahren

Ffir die Risikobeurteilung yon Umweltsch~iden durch Stoffwirkun- gen sind Kennmisse zur Wirkung und zur Exposition unabdingbar. Die schrittweise Vorgehensweise nach ChemG, mit zunehmender Verwendung eines Produktes auf Eigenschaften zu prfifen, die damit zum Tragen kommen k6nnen, wird diskutiert und im Grundsatz gut geheiflen. Die Bewertung der Prfifungsergebnisse darf nicht nur nach formalen Kriterien erfolgen, sondern muff unter Nutzung aller erforderlichen Zusatzkenntnisse vorgenommen werden. Dazu ist eine sorgfiiltige Orientierung am Schutzziel erforderlich, dessen zu pauschale Defini- tion ffir die praktische Durchffihrung wenig hilfreich ist. Zur Verbesserung der Sicherheit in der Frage, wie gut die im Chemi- kaliengesetz vorgesehenen Testverfahren die Wirklichkeit abbitden, wird eine Erweiterung der empirischen Basis empfohlen; weiterhin werden Forschungsthemen zum Verstfindnis stoffiicher Umsetzun- gen und Wirkungen vorgeschlagen.

Prof. Dr. Michael MATTHIES, Universitfit Osnabrfick, Angewandte Systemwissenschaften: Prognose von Schadstoffrisiken in der Umwelt

Um die Risiken von chemischen Stoffen mit (6ko-)toxischer Schad- wirkung in der Umwelt frfihzeitig absch~itzen und damit begrenzen oder vermeiden zu k6nnen, werden einerseits kausal-deterministi- sche Simulationsmodelle (prospektiver Ansatz) und andererseits sta- tistische Verfahren zur Optimierung yon Umweltmet~netzen einge- setzt (retrospektiver Ansatz). Anhand von organischen Chemikalien unterschiedlicher physika- lisch-chemischer Eigenschaften (Dioxine, Pestizide) wird gezeigt, wie mit mathematischen Modellen, welche die verschiedenen Pro- zesse des Transports und der Umwandlung zusammenfassen, die zur Exposition von Organismen fiihrenden Transferpfade ermittelt und wirkungsrelevante Konzentrationen prospektiv berechnet werden k6nnen. Die rfiumliche und zeitliche Variabilitfit von j~ihrlich gemessenen Schwermetallgehalten in bayerischen Moosen wurde untersucht und mittels geostatistischer Verfahren das Probenahmeraster retrospek- tiv optimiert.

Prof . Dr . W e r n e r KLEIN, F r a u n h o f e r - I n s t i t u t fiir U m - w e l t c h e m i e u n d O k o t o x i k o l o g i e , Schma l l enbe rg : O k o t o x i k o l o g i e - Q u o vadis?

Ein Weg aus diesem Dilemma ist die Artikulierung konkreter, wis- senschaftlicher Ziele, wie z.B. die Festlegung von naturwissenschaft- lich begrfindeten Normwerten ffir Okosysteme. Da wir noch weit davon entfernt sind, die Wirkungen yon Chemikalien in Organis- men zu verstehen, mfissen wir unsere Testsysteme dahingehend er- g~inzen, dal~ wir ,Wirktypen" systematisch suchen und erfassen. Ffir die Angewandte Okologie ist es wichtig, systematisch und hinterfra- gend vorzugehen, d.h., die m6gliche Nutzung der Versuchsergebnis- se vor der Versuchsdurchffihrung abzuwfigen und festzulegen.

UWSF Z. Umweltchem. Okotox. 4 (5) 1992 289